European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T016798.20010531 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 31 Mai 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0167/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94919546.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61M 5/34 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Befestigungsmechanismus für Nadelsysteme | ||||||||
Name des Anmelders: | Disetronic Licensing AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 24. Oktober 1997, mit der die europäische Patentanmeldung 94 919 546.5 auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 17. Juli 1997 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 5 gegenüber der Druckschrift
D1: GB-A-737 676
in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.
Im Prüfungsverfahren wurden noch die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen:
D2: US-A-2 834 346
D3: US-A-4 568 336
D4: US-A-2 828 743.
III. In ihrer Antwort auf den Bescheid der technischen Beschwerdekammer vom 17. Juli 2000 reichte die Anmelderin geänderte Ansprüche (Haupt- und Hilfsantrag) ein und wies noch auf folgende Druckschriften hin:
D5: US-A-5 611 786 (Beilage 1)
D6: Pyschyrembel Klinisches Wörterbuch, Seiten 784, 785 (Beilage 2)
D7: Europäische Norm ISO 11608, Dezember 2000, Seiten 1 bis 16 (Beilage 3)
D8: Muster des Nadelhalters nach der Anmeldung (Beilage 4)
D9: Erläuterungen zum Begriff "Einwegspritze" 2. Seiten (Beilage 5).
IV. Am 31. Mai fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- gemäß Haupt- oder Hilfsantrag I, wie eingereicht am 30. April 2001, oder
- wie Hilfsantrag I mit der Maßgabe, daß in Anspruch 1 die Anzahl der Klickhalter "mindestens drei" beträgt und das Merkmal von Anspruch 3 mit aufgenommen wird.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Befestigungsmechanismus für Nadelsysteme mit einer Ampulle (4) als System, das Flüssigkeit enthält und einem Nadelhalter (3), welcher über einen Klickverschluß (1, 2) auf die Ampulle (4) oder einen die Ampulle (4) enthaltenden Ampullenhalter aufklickbar ist, wobei der Nadelhalter (3) durch Drehen davon abgeschraubt werden kann und die Klicknocken (1) mit entsprechenden gegensätzlich dazu ausgeprägten Gegenelementen (5) auf der Ampulle (4) oder den die Ampulle (4) enthaltenden Ampullenhalter zusammenwirken, und wobei am Umfang des Nadelhalters (3) mindestens zwei Klickhalter (2) mit je einem Klicknocken (1) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass (C4) die Klickhalter (2) federnd in die Gewindegänge der Karpule (4) eingreifen und (C5) die Klicknocken (1) so angeordnet sind, daß sie in etwa der Steigung des Gewindes entsprechen."
Der kennzeichnende Teil von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet:
"1. ... dadurch gekennzeichnet, dass (C4) die Klickhalter (2) federnd in die Gewindegänge der Karpule eingreifen, (C5) die Klicknocken (1) so angeordnet sind, daß sie in etwa der Steigung des Gewindes (5) entsprechen und dass die Ampulle (4) eine Gummimembrane aufweist, welche mittels einer Nadel (7) durchstechbar ist."
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags lautet wie folgt:
"Befestigungsmechanismus für Nadelsysteme mit einer Ampulle (4) als System, das Flüssigkeit enthält und einem Nadelhalter (3), welcher über einen Klickverschluß (1, 2) auf die Ampulle (4) oder einen die Ampulle (4) enthaltenden Ampullenhalter aufklickbar ist, wobei der Nadelhalter (3) durch Drehen davon abgeschraubt werden kann und die Klicknocken (1) mit entsprechenden gegensätzlich dazu ausgeprägten Gegenelementen (5) auf der Ampulle (4) oder den die Ampulle (4) enthaltenden Ampullenhalter zusammenwirken, und wobei am Umfang des Nadelhalters (3) mindestens drei Klickhalter (2) mit je einem Klicknocken (1) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass (C4) die Klickhalter (2) federnd in die Gewindegänge der Karpule (4) eingreifen, (C5) die Klicknocken (1) so angeordnet sind, dass sie in etwa der Steigung des Gewindes (5) entsprechen und in einem gleichmässigen Winkelabstand zueinander angeordnet sind und dass die Ampulle (4) eine Gummimembrane aufweist, die mittels einer Nadel (7) durchstechbar ist."
V. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:
Die vorliegende Anmeldung betreffe eine vorgefüllte Ampulle oder Karpule, welche eine Medikamentenmenge (z. B. Insulin) für mehrere Injektionen enthalte und wobei vor jeder Injektion eine neue Nadel (Nadelhalter) aufgesetzt werde. Dies geschehe bei der bisher üblichen Weise durch ein Aufschrauben des Nadelhalters, der eine mit einem Innengewinde versehene Hülse aufweise, auf das an der Ampulle oder Karpule oder einem Ampullenhalter vorgesehene Außengewinde (vgl. Anmeldung, Figur 1). Durch die beim Aufschrauben vorgenommene Drehbewegung entstehe jedoch beim Durchbohren der Gummimembrane durch die Nadel ein Gummiabrieb, der in das Medikament und über die Injektion in den menschlichen Körper gelangen könne. Die Erfindung vermeide dieses Problem, indem der Nadelhalter in einer Längsbewegung ohne Drehbewegung auf das Gegengewinde an der Ampulle bzw. an dem entsprechenden Halter aufgesteckt wird, wobei die Klicknocken des Nadelhalters über die Gewindegänge der Karpule bzw. des Ampullenhalters gleiten, dort federnd eingreifen und so den Nadelhalter auf der Karpule fixieren.
Eine solche Lehre sei der Druckschrift D1 nicht zu entnehmen, da diese keine Ampulle oder Karpule, sondern eine wiederverwendbare, nicht mehr gebräuchliche Injektionsspritze beschreibe, auf deren Spitze eine Nadel aufgesetzt werde. Da diese Spritze vor jeder Injektion durch Aufziehen gefüllt werde, besitze sie auch keine Gummimembrane. Zwar werde zunächst der mit Sperrhaken versehene Nadelhalter über eine konische, mit einem Gewinde versehene Spitze geschoben, dabei griffen die Haken jedoch nicht in das Gewinde ein. Die tatsächliche Befestigung des Nadelhalters erfolge erst durch eine Drehung des Nadelhalters, wodurch die Sperrhaken in das Gewinde eingriffen und für eine feste Verbindung sorgten (siehe D1, Anspruch 9). Eine solche Drehbewegung sei jedoch beim beanspruchten Befestigungsmechanismus nicht erforderlich.
Die übrigen Druckschriften D2 bis D4 beträfen Einwegspritzen, die nicht zum mehrfachen Gebrauch bestimmt seien. Aus diesem Grunde würden die Nadelspitzen zwar durch Aufstecken des Halters auf den Spritzenkopf befestigt, ließen sich dann aber nicht mehr davon entfernen. Im Gegensatz dazu ließe sich bei der beanspruchten Vorrichtung der Nadelhalter durch Abschrauben von der Karpule bzw. dem Karpulenhalter wieder lösen und erlaube somit das wiederholte hygienische Applizieren einer bestimmten Medikamentenmenge aus der gleichen Karpule jeweils mit einer neuen Nadel. Da es sich bei den D2 bis D4 und D1 beschriebenen Injektionsgeräten um unterschiedliche Typen von Injektionspritzen handele, würde der Fachmann die in diesen Schriften vermittelten technischen Lehren auch nicht miteinander kombinieren. Im übrigen würde ein Fachmann eine Druckschrift aus dem Jahre 1955 allein schon auf Grund ihres Alters und der darin beschriebenen veralteten Technik nicht mehr bei seiner Suche nach technischen Informationen in Betracht ziehen und deshalb auch nicht mit der Lehre von Druckschrift D2 kombinieren. Neuheit und erfinderische Tätigkeit seien somit gegeben.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Nächstkommender Stand der Technik
Das beanspruchte Injektionsgerät umfaßt einen mit einem Kolben ausgestatteten und mit einem Medikament gefüllten Vorratsbehälter (in der Anmeldung Ampulle oder Karpule genannt), welcher mit einer Gummimembrane verschlossen ist sowie einen Nadelhalter, der beim Aufsetzen den Gummistopfen mit dem rückwärtigen Teil der Nadel durchsticht und so ein Applizieren des Medikamentes ermöglicht. Beim Aufstecken des Halters gleiten seitlich angeordnete Klicknocken federnd über das obere Ende des Vorratsbehälter und greifen in Vertiefungen ein, wodurch der Nadelhalter auf dem Behälter einen sicheren Halt erfährt. Die genannten technischen Merkmale finden sich auch bei den in den Druckschriften D2 bis D4 beschriebenen Injektionsgeräten. Zum Beispiel zeigt Druckschrift D2 in Figur 1 einen Vorratsbehälter (barrel) 10 mit einem Kolben 12, 13 und einer Membrane 26 (a diaphragma portion to be pierced by the needle) in Figur 3. Beim Aufstecken des Nadelhalters 17 (Figur 2) auf die Spitze 23 wird dieser in Richtung der Längsachse des Vorratsbehälters (barrel 10) geschoben bis die federnden Sperrklinken 19 (Figur 2, Figur 5: vier Klinken) in der umlaufenden Vertiefung 21 an der Spitze des Vorratsbehälters einrasten und wobei gleichzeitig der rückwärtige Teil 16 der Nadel 14 die Membran 26 durchdringt (vgl. D2, Spalte 2, Zeile 66 bis Spalte 3 Zeile 30). Durch das entsprechend ihrer Längsachse vorgenommene Ineinanderschieben der beiden zu verbindenden Teile des Injektionsgeräts ohne dabei eine Drehbewegung vorzunehmen wird der Abrieb von Material beim Durchstechen des Gummistopfens bzw. der Gummimembran vermieden. Dieses in der Anmeldung angesprochene Problem, den Abrieb von Gummimaterial zu vermeiden, ist somit durch die in D2 beschriebene Injektionsvorrichtung und die Art und Weise der Verbindung von Nadelhalter und Vorratsbehälter bereits gelöst. Einen ähnlichen Befestigungsmechanismus des Nadelhalters auf dem Vorratsbehälter zeigen auch die Druckschriften D3 und D4 (vgl. insbesondere die Figuren). Aufgrund dieser Überlegungen wird die Lehre der Druckschrift D2 als nächstkommender Stand der Technik angesehen.
3. Aufgabe und Lösung
Da es sich in Druckschrift D2 um eine Einwegspritze handelt, erübrigt sich die Möglichkeit einer Trennung der Nadelspitze von dem Vorratsbehälter nach dem Gebrauch. Soll jedoch die in dem Vorratsbehälter enthaltene Medikamentenmenge dem Patienten in mehreren Ausschüttungen verabreicht werden, so muß bei jeder Anwendung aus Gründen der Hygiene eine neue sterile Nadel auf die Karpule aufgesetzt werden. Ausgehend von dem in D2 genannten Stand der Technik bestand somit die in der Anmeldung zu lösende Aufgabe darin, die in D2 gezeigte einfache Aufsteckvorrichtung so zu gestalten, daß eine wieder lösbare Verbindung des Nadelhalters mit dem Vorratsbehälter (Ampulle oder Karpule) möglich ist.
Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß die federnden Sprerrklinken nicht in einer radial umlaufenden Vertiefung einrasten, sondern in den Vertiefungen eines Gewindes am Kopf des Vorratsbehälters eingreifen und auf diese Weise sowohl für einen festen Halt zu sorgen als auch durch Drehen entgegen dem Uhrzeigesinn ein Abschrauben des Nadelhalters ermöglichen. Dabei soll die Anordnung der Klicknocken in etwa der Steigung des Gewindes entsprechen.
4. Erfinderische Tätigkeit
Eine solche, wieder lösbare Befestigung des Nadelhalters zeigt jedoch bereits Druckschrift D1 (siehe insbesondere Figuren 2 bis 5). Nach Druckschrift D1, Seite 1, Zeilen 13 bis 28 gibt es hauptsächlich zwei Methoden, den Nadelhalter auf dem Vorratsbehälter zu befestigen: entweder durch Aufschieben oder Aufstecken ("push-on connection") oder durch Aufschrauben ("screw connection"). Die technische Ausgestaltung nach Druckschrift D1 schließt jedoch beide Möglichkeiten mit ein. Zunächst werden federnde Sperrhaken (resilient detents 11, 47) am Nadelhalter über das an der Spitze einer Spritze eingearbeitete Gewinde 2, 3 geschoben, bis sie in den Vertiefungen 2 einrasten und so ein Abziehen des Nadelhalters verhindern (siehe D1, Zeilen 29 bis 41; Seite 2, Zeilen 8 bis 19, Zeilen 59 bis 77; Seite 3, Anspruch 9; Seite 4, Zeilen 39 bis 60; Seite 5, Zeilen 58 bis 63 und Zeilen 87 bis 97; Seite 6, Zeilen 6 bis 13). Durch die nachfolgende Schraubbewegung wird der Nadelhalter dicht mit dem Spritzenkopf verbunden. Über eine Drehbewegung in umgekehrter Richtung läßt sich der Nadelhalter wieder von der Spitze der Injektionspritze lösen, die - wie das anmeldungsgemäße Injektionsgerät - für eine mehrfache Verwendung vorgesehen ist. Es war deshalb für den Fachmann bei seiner Suche nach einer Lösung der oben genannten Aufgabe in Kenntnis der Lehre von Druckschrift D1 naheliegend, anstelle der kreisförmigen Vertiefungen entsprechend D2, in welche die Sperrklinken einrasten sollen, spiralförmige Vertiefungen in Form eines Gewindes zu wählen, in welche die Klicknocken einrasten, sodaß über eine Drehbewegung der Nadelhalter wieder von der Spitze der Karpule abgeschraubt werden kann. Es ist dabei klar, daß die Sperrhaken bzw. Klicknocken so anzuordnen sind, daß sie in etwa der Steigung des Gewindes (und in ihrer Größe in etwa auch der Gewindetiefe) entsprechen, wenn ein sicheres Einrasten in das Gewinde erfolgen soll. Diesbezüglich sind auch die Sperrhaken 11 und 49 gemäß Druckschrift D1 "in etwa" an die Steigung des Gewindes angepaßt, denn sonst wäre eine Schraubbewegung zum Befestigen oder Lösen des Halters nicht möglich.
Die Tatsache, daß Druckschrift D1 bereits vor ca. 50 Jahren veröffentlicht wurde, ist für den Fachmann kein Grund, sich nicht mit den darin enthaltenen technischen Informationen zu befassen, dies nicht zuletzt auch angesichts der Tatsache, daß solche wiederverwendbaren Spritzen zwar in den Industrieländern weitgehend durch Einwegspritzen ersetzt wurden, jedoch in weiten Teilen der Welt noch im Einsatz und den Ärzten geläufig sind. Darüber hinaus betrifft Druckschrift D1 dasselbe technische Gebiet wie die Anmeldung, nämlich Injektionsspritzen, Nadelhalter und die Technik, beide Teile miteinander zu verbinden. Es ist auch von untergeordneter Bedeutung, daß die in Druckschrift D1 gezeigte Injektionspritze keine Gummimembrane aufweist, denn dieses Merkmal ist bereits aus Druckschrift D2 bekannt und spielt auch bei der Art der Befestigung keine entscheidende Rolle. Diese von der Anmelderin vorgebrachten Argumente vermögen deshalb nicht zu überzeugen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D2 und D1 ergibt.
5. Die gleichen Gründe gelten auch für den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem ersten und zweiten Hilfsantrag. Auch wenn in Druckschrift D1 vorzugsweise nur ein Sperrhaken vorgesehen ist (siehe Seite 4, Zeilen 51 bis 54), so wird doch die Möglichkeit in Betracht gezogen, mehrere Sperrhaken bzw. Klicknocken anzuordnen, wie dies auch in Druckschrift D2, Figur 5 erkennbar ist, wo insgesamt vier Klicknocken 19 in einem gleichmäßigen Winkelabstand von 90 angeordnet sind. Auch diesen Merkmalen kommt somit keine erfinderische Bedeutung zu. Deshalb ist auch Anspruch 1 des ersten und zweiten Hilfsantrags mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.