European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T013698.20001017 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 October 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0136/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88111279.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 8/36 B60T 13/68 B60T 15/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Relaisventileinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH & Co. OHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | GRAU LIMITED | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (bejaht) Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 4. Dezember 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen Patent Nr. 0 307 576.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 b) und Artikel 100 a) i.V.m. Artikeln 52. (1), 54, 56 EPÜ angegriffen worden. Der Einspruch stützte sich auf folgende Beweismittel:
D1 US-A-4 025 127
D2(i) Prospekt "Girling Skidchek GX" (in dem ein "MCR" Ventil erwähnt wird)
D2(ii) Girling Werkstattzeichnung A 75061239
D2(iii) Girling Werkstattzeichnung 75611875
D2(iv) Girling Werkstattzeichnung 75611874
D3 D2(i) Fig.1 (Vergrößerung)
D4 Testergebnisse "MCR" Ventil
D5 FR-A-2 586 221
D6 DE-B-22 19 212
D7 DE-A-1 655 460
D8 DE-A-17 55 906
D9 DIN 24300 Blätter 1, 3
D10 Erklärung von William Broome hinsichtlich der Offenkundigkeit des "MCR"Ventils.
Folgende Beweismittel wurden von der Einspruchsabteilung als verspätet erachtet und gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt
D11 - Erklärung von Colin Ross hinsichtlich der Offenkundigkeit des "MCR" Ventils mit Bezug auf Anlagen CFR1-CFR6
D12 - Erklärung von Edward Shaw hinsichtlich der Funktion des "MCR" Ventils mit Bezug auf Anlagen EGS1, EGS2.
III. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde am 3. Februar 1998 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 3. April 1998 eingegangen.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2000, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
V. Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Durch Steuerdruckzu- bzw. abführung betätigbare Relaisventileinrichtung (1) mit einer mit einer Steuerdruckzuleitung (5, 3) verbundenen Steuerkammer (2) und mit einer einerseits mit einem Verbraucherkreis verbundenen und andererseits über eine Ventileinrichtung (8, 12, 13) mit einer Druckmittelquelle oder einem wenigstens im wesentlichen überdruckfreien Druckentlastungsraum verbindbaren Auslaßkammer (10), wobei in der Steuerdruckzuleitung (5, 3) eine Drosseleinrichtung (4; 30, 29) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Drosseleinrichtung (4; 30, 29) derart bemessen ist, daß bei einer Betätigung der Relaisventileinrichtung (1) die in bekannter Weise auftretende Nacheilung des Verbraucherdruckes in der Auslaßkammer (11) gegenüber dem Steuerdruck nicht oder nur unwesentlich größer ist, als dies zum vollen Öffnen der Ventileinrichtung (8, 12, 13) erforderlich ist."
Das Patent in der erteilten Fassung enthält neben dem Anspruch 1 abhängige Ansprüche 2 bis 8, die bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffen. Der Anspruch 8 lautet:
"Relaisventileinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, die alternativ für mehrere Verbraucherkreise unterschiedlich großer Volumina einsetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Bemessung der Drosseleinrichtung (4; 30, 29) auf den Verbraucherkreis mit dem größten Volumen ausgelegt ist."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Offenbarung des Patents sei für den Fachmann nicht ausreichend, um den Gegenstand der Ansprüche 1, 8 ausführen zu können. Der kennzeichnende Teil des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffe die Dimensionierung der Drosseleinrichtung, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Das Patent enthalte jedoch keine Angaben hinsichtlich der Dimensionierung. Auch wisse der Fachmann nicht, für welchen Verbraucherkreis das Ventil gemäß Anspruch 8 abgestimmt sei. Bei einer Relaisventileinrichtung gemäß dem Anspruch 8 sei die Bemessung der Drosseleinrichtung, die mit einem Verbraucherkreis kleineren Volumens verwendet wird, nicht gemäß dem Anspruch 1. Der Anspruch 8 falle daher außerhalb des Anspruchs 1.
D1 offenbare alle Merkmale des Oberbegriffs und die Lehre, die Drossel so auszulegen, daß die geforderte Belüftungszeit eingehalten wird (Spalte 2, Zeilen 53 bis 55). Sie offenbare demnach einen Bereich für die Belüftungszeit. Das Kennzeichen des Anspruchs 1 sei der Endpunkt dieses Bereichs. Somit sei Anspruch 1 gegenüber D1 nicht neu.
D5 offenbare auf Seite 12, Zeilen 27 bis 30 das Problem der Nacheilung des Verbraucherdruckaufbaus gegenüber dem Steuerdruckaufbau. Diese Nacheilung führe zu dem in D5 erwähnten Überschießen des Verbraucherdruckes gegenüber dem Steuerdruck und gemäß D5 werde das Überschießen und die entsprechende Nacheilung reduziert. Gemäß D5 Seite 14, Zeilen 25, 26 öffne sich das Ventil gemäß der Ausführungsform der Figur 3 voll. Die Ausführungsform der Figur 5 funktioniere ähnlich, aber das Überschießen werde durch eine zusätzliche Drosseleinrichtung weiter reduziert. Somit seien sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, der daher mangels Neuheit nicht gewährbar sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch gegenüber einer offenkundigen Vorbenutzung nicht neu. Ein in D2(i) und D3 gezeigtes "MCR" Ventil weise alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf. D2(ii), D2(iii) und D2(iv) zusammen mit D11 und den zugehörigen Anlagen CFR1 bis CFR6 würden beweisen, daß das "MCR" Ventil in einem an einen Kunden vor dem Prioritätsdatum ausgelieferten LKW eingebaut wurde. Weiterhin würden D12 und den zugehörigen Anlagen EGS1, EGS2 beweisen, daß das Ventil im eingebauten Zustand die kennzeichnenden Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 aufweise.
In der Alternative sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1, D5 oder der offenkundigen Vorbenutzung nicht erfinderisch, weil das Kennzeichen lediglich eine Auswahl einer Dimension aus einem bekannten Bereich betreffe, ohne daß dabei ein besonderer Vorteil erreicht werde. Auch gemäß dem Aufgabe/Lösung-Ansatz sei der Gegenstand gegenüber D5 naheliegend, weil das bekannte Problem des der Nacheilung entsprechenden Überschießens durch bessere Steuerung des Verbraucherdrucks gelöst werde.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin im wesentlichen widersprochen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Auslegung des Anspruchs 1
2.1. Gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 ist die Drosseleinrichtung "derart bemessen", daß bei einer Betätigung der Relaisventileinrichtung die Nacheilung des Verbraucherdrucks in der Auslaßkammer gegenüber dem Steuerdruck "nicht oder nur unwesentlich größer" ist, als dies zur vollständigen Öffnung der Ventileinrichtung erforderlich ist. Die Größe der Nacheilung hängt u. a. von dem Verhältnis der Volumina des Verbraucherkreises und der Steuerkammer ab (siehe Patentschrift Spalte 1, Zeile 50 bis Spalte 2, Zeile 1), wobei für die Bemessung der Drosseleinrichtung, bei der die Ventileinrichtung für einen bestimmten Verbraucherkreis gerade voll öffnet, jeweils nur ein einziger Wert maßgebend ist. Der Wortlaut des Anspruchs 1 definiert die Bemessung der Drosseleinrichtung durch die Angabe einer Art Obergrenze für die Verbraucherdrucknacheilung, die "nicht oder nur unwesentlich größer" sein soll "als dies zum vollen Öffnen der Ventileirichtung erforderlich ist". Nach enger Auslegung des Anspruchswortlauts wird das volle Öffnen der Ventileinrichtung nur für den Ventilbetrieb an der Obergrenze gefordert, wodurch, zumindest theoretisch, ein Betrieb unterhalb der oberen Grenze mit nicht voll geöffneter Ventileinrichtung als vom Anspruch 1 mit umfaßt angesehen werden könnte. In der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform wird jedoch angegeben, daß die Aufbaugeschwindigkeit des Steuerdrucks in der Steuerkammer sich der Aufbaugeschwindigkeit des Verbraucherdrucks in der Auslaßkammer annähern soll (Spalte 5, Zeilen 23 bis 29). Dies soll dadurch geschehen, daß die Nacheilung des Verbraucherdruckes gegenüber dem Steuerdruck auf ein Maß begrenzt wird, das wenigstens angenähert gerade das volle Öffnen der Ventilrichtung gewährleistet (Spalte 5, Zeilen 19 bis 23). Somit stellt sich die Frage, ob die im Anspruch 1 enthaltene Bedingung "nicht oder nur unwesentlich größer" als die Bestimmung eines einzigen Bemessungswerts (erste Möglichkeit) oder nur als die Festlegung der oberen Grenze eines darunter liegenden Bemessungsbereichs für die Drossel auszulegen ist (zweite Möglichkeit).
2.2. Der abhängige Anspruch 8 betrifft die Möglichkeit der Kombination einer Ventileinrichtung mit einem Verbraucherkreis, dessen Volumen kleiner ist als das Volumen des zur Bemessung der Drosseleinrichtung verwendeten Verbraucherkreises. In diesem Fall, d. h. bei einem kleineren Volumen wäre die Drosseleinrichtung kleiner bemessen als es für das volle Öffnen der Ventileinrichtung erforderlich wäre, was zu einer Verlangsamung der Verbraucherdruckaufbaugeschwindigkeit gegenüber einer optimalen, auf das kleinere Volumen abgestimmten Aufbaugeschwindigkeit führt (Spalte 5, Zeile 49 bis Spalte 6, Zeile 3). Bei einer Auslegung des Anspruchs 1 gemäß der zweiten Möglichkeit gäbe es jedoch keinen klaren Zusammenhang zwischen einer Drosseleinrichtung mit bestimmtem Durchflußwiderstand und dem dieser Bemessung entsprechenden Verbraucherkreis, was dazu führen würde, daß Anspruch 8 gegenstandslos wäre.
2.3. Auch die Aufgabenstellung, nach der die Nacheilung "wenigstens im wesentlichen auf das unvermeidbare Maß" beschränkt werden soll, deutet auf einen bestimmten Bemessungswert hin (Spalte 2, Zeilen 49 bis 52). Eine gezielte Begrenzung der Aufbaugeschwindigkeit des Verbraucherdrucks, wie dies bei der zweiten Möglichkeit gegeben wäre, ist nicht erwähnt. Weiterhin stützt auch der Hinweis auf das volle Öffnen in Spalte 5, Zeilen 19 bis 23 des Streitpatents eine Auslegung des Anspruchs 1 im Sinne der ersten Möglichkeit. Die Kammer ist daher in Übereinstimmung mit beiden Parteien der Auffassung, daß der Wortlaut "nicht oder nur unwesentlich größer" im Sinne eines bestimmten, gerade der vollen Öffnung der Ventileinrichtung entsprechenden Bemessungswertes für die Drosseleinrichtung auszulegen ist.
3. Ausreichende Offenbarung
3.1. Gemäß Anspruch 1 ist die Drosseleinrichtung so zu bemessen, daß ein bestimmtes Ergebnis erreicht wird. Zwar enthält die Beschreibung keine Angaben hinsichtlich der Werte, bei denen das Ergebnis erreichbar wird, aber die Kammer ist der Überzeugung, daß der Fachmann in der Lage ist, das Ventil zusammen mit Drosseleinrichtungen verschiedener Durchflußwiderstände in einen bestimmten Verbraucherkreis einzubauen und mittels routinemäßiger Versuche herauszufinden, bei welchem Durchflußwiderstand das beanspruchte Ergebnis erreicht wird.
3.2. Der Fachmann ist auch in der Lage, eine Ventileinrichtung auf den größten von mehreren Verbraucherkreisen gemäß Anspruch 1 auszulegen, wie das im Anspruch 8 definiert ist. Die Kammer sieht in dieser Hinsicht keinen Widerspruch mit dem Anspruch 1. Ob eine solche Ventileinrichtung auch in Kombination mit bestimmten anderen Verbraucherkreisen unterschiedlich großer Volumina einsetzbar ist, hängt vom einzelnen Verbraucherkreis ab und kann auch mittels routinemäßiger Versuche festgestellt werden.
3.3. Somit ist nach Auffassung der Kammer die Erfindung im Sinne vom Artikel 100 (b) EPÜ ausreichend offenbart.
4. Neuheit
4.1. Die Kammer stimmt mit beiden Parteien darin überein, daß die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus der D1 bekannt sind. Gemäß Spalte 2, Zeilen 53 bis 55 der D1 ist die Drosseleinrichtung 25 so bemessen, daß die geforderte Duckaufbaugeschwindigkeit des Verbraucherkreises eingehalten wird. Obwohl nicht erwähnt wird, was der Begriff "geforderte Duckaufbaugeschwindigkeit" bedeutet, versteht der Fachmann darunter die Verzögerung des Druckaufbaus des Verbraucherkreises durch die Drosseleinrichtung. Es ist jedoch nach Auffassung der Kammer für den Fachmann nicht herleitbar, weshalb und in welchem Umfang die Aufbaugeschwindigkeit des Verbraucherdrucks beeinflußt werden soll. Gemäß der Streitpatentschrift ist die Nacheilung des Verbraucherdruckes gegenüber dem Steuerdruck problematisch, wenn dieser bei Betätigung der Blockierschutzfunktion schnell wechselt (Spalte 2, Zeilen 19 bis 45). Im Stand der Technik gibt es keinen Hinweis auf Probleme wegen der Verbraucherdrucknacheilung bei einer normalen Bremsbetätigung. Die D1 betrifft zwar ein mit ABS ausgestattetes Bremssystem, aber die "geforderte Druckaufbaugeschwindigkeit" wird lediglich in Zusammenhang mit "normaler" Bremsbetätigung erwähnt (Spalte 2, Zeile 48) und die Blockierschutzfunktion wird erst später beschrieben (ab Spalte 2, Zeile 60). Insoweit ist selbst im Kenntnis des Streitpatents bei der D1 ein Zusammenhang zwischen der "geforderten Duckaufbaugeschwindigkeit" und einer Nacheilung des Verbraucherdrucks nicht erkennbar. Weiterhin stellt die Kammer fest, daß, im Gegensatz zum Gegenstand des Anspruchs 1, bei dem die Aufbaugeschwindigkeit des Verbraucherdrucks durch die auf volles Öffnen des Ventils abgestimmte Bemessung der Drosseleinrichtung im wesentlichen unverändert bei ihrem Maximalwert bleibt, gemäß der D1 offensichtlich die Aufbaugeschwindigkeit des Verbraucherdrucks in Abhängigkeit von gewissen Umständen durch entsprechende Bemessung der Drosseleinrichtung einen "geforderten" Wert annehmen soll und demnach anwendungsabhängig variabel ist. Insoweit offenbart die D1 nach Auffassung der Kammer keine Lehre nach dem Gegenstand des Anspruchs 1.
4.2. Die Druckschrift D5 betrifft eine pneumatische Servobetätigung zur Verstärkung der Bremspedalkraft (Pedalkraftsensor 34). Für die Umsetzung der Pedalkraft in einen Servodruck kommt eine Relaisventileinrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents zur Anwendung. Der Bremskreislauf selbst ist weder dargestellt noch beschrieben und es weist nichts auf die Integration eines Blockierschutzes ins Bremssystem hin. Nach der Aufgabenstellung (Seite 2, Zeilen 5 bis 9 der D5) soll die Arbeitskammer 22 der Servoeinheit 14 bei einer Betätigung des Bremspedals schnell mit stabilem Druck versorgt werden. Das starke Pulsieren des Verbraucherdrucks (Kurve C, Figur 2) in der Servokammer 22. ist laut der D5 das Ergebnis einer unvermeidbaren Nacheilung des Verbraucherdrucks gegenüber dem Steuerdruck, bedingt durch die beim Stand der Technik erfolgte Benutzung eines Verbraucherdrucksignals als Feedback zur Steuereinrichtung 40 (Seite 12, Zeilen 23 bis 31).
Bei jeder Ausführungsform gemäß der D5 wird ein Steuerdrucksignal (aus Pilotkammer 102) als Feedback zur Steuereinrichtung benutzt (siehe u. a. Seite 10, Zeilen 26. bis 28; Bezugsziffer 42 in den Figuren 1, 3, 5, 6, 7), was gegenüber dem Stand der Technik eine Verringerung sowohl der Amplitude des Pulsierens als auch der Nacheilung erzielt (Seite 12, Zeilen 17 bis 31; Figur 2, vgl. Kurven B und C). Die Steuereinrichtung vergleicht das vom Pedalkraftsensor 34 kommende Druck-Sollwertsignal mit dem vom Druckgeber 42 kommenden Steuerdrucksignal (Feedback) und ermittelt somit den Unterschied (Seite 14, Zeilen 7 bis 18; Figur 4), aufgrund dessen durch Einstellen unterschiedlicher Zuflußquerschnitte für die Versorgung des Steuerdrucks von der Quelle 36 her (Seite 14, Zeile 19 bis Seite 15, Zeile 6) der Anstieg des Steuerdrucks an dem Anstieg der Pedalkraft einigermaßen angepaßt wird. Gemäß der dritten Ausführungsform (Figur 5) wird zur Einstellung eines reduzierten Zuflußquerschnitts eine Drosseleinrichtung 206 angewendet (Seite 16, Zeilen 29 bis 32). Bei größerem Zuflußquerschnitt öffnet sich das Relaisventil voll (Seite 14, Zeilen 19 bis 26). Die Ventilöffnung bei dem reduzierten Zuflußquerschnitt wird jedoch nicht erwähnt und es ist aus der D5 auch nicht ersichtlich, daß sich das Relaisventil auch bei der durch die Drosseleinrichtung bedingten reduzierten Zuflußgeschwindigkeit der Steuerluft voll öffnet.
In der Beschreibung zur Figur 2 der D5 wird die beim Streitpatent im Mittelpunkt stehende Nacheilung des Verbraucherdrucks eines Relaisventils gegenüber seinem Steuerdruck kurz gestreift, in dem auf eine "unvermeidbare Nacheilung" eines gemäß dem damaligen Stand der Technik zum Feedback dienenden Verbraucherdrucks (in der Servo-Kammer 22) gegenüber dem Steuerdruck (in der Steuerkammer 102) verwiesen wird (Seite 12, Zeilen 23 bis 31). Daß bei der Erfindung gemäß der D5 die Nacheilung des Verbraucherdrucks gegenüber dem Steuerdruck auf den im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Minimum-Wert gebracht wird, ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht herleitbar.
Aus der D5 ist daher keine Lehre bezüglich des Kennzeichens des Anspruchs 1 entnehmbar.
4.3. Hinsichtlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung hat die Beschwerdeführerin mit Bezug auf die D12 und die dazu gehörigen Anlagen EGS1, EGS2 geltend gemacht, daß beim Einbau eines in den D2(i) und D3 gezeigten "MCR" Ventils in einen LKW das Kennzeichen des Anspruchs 1 verwirklicht wurde.
Bei der EGS1 handelt es sich um eine Skizze eines Versuchskreises, bei dem das "MCR" Ventil mit sechs Bremszylindern eines Typs "24" über undefinierte Leitungen verbunden war. Es ist jedoch aus keinem der vorhandenen Beweismittel ersichtlich, ob dieser Kreis hinsichtlich des Verbraucherkreisvolumens dem angeblich offenkundig vorbenutzten Verbraucherkreis entspricht. Falls bei der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung ein "MCR" Ventil in Kombination mit einem Verbraucherkreis größeren Volumens eingesetzt würde, wären die in der EGS2 gezeigten Ergebnisse hinsichtlich des Kennzeichens des Anspruchs 1 nicht schlüssig. Weiterhin stellt die Kammer fest, daß gemäß der D11 und den dazu gehörigen CFR1 bis CFR6, ein Drosselstück gemäß der D2(iv) bei der angeblichen Vorbenutzung eingebaut wurde, während bei dem Versuch gemäß der D12 eine Drosselung allein durch die inneren Kanäle des "MCR" Ventils erfolgte.
Die EGS2 zeigt die Druck/Zeit-Verläufe u. a. des Steuerdrucks (Kurve 2) und des Verbraucherdrucks in der Auslaßkammer (Kurve 3), wobei die Druckachsen (X-Achsen) zwecks besserer Übersichtlichkeit verschoben sind. Wegen unterschiedlicher Größen der oberen und unteren Kolbenflächen steigt die Kurve 3 schneller als die Kurve 2 (Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. September 1997, Seite 3, Absätze 6, 7), was zu einer Verzerrung der Ergebnisse führt. Da die Kurve 3 die Kurve 2 überschneidet, können aus der Skizze der EGS2 keine Rückschlüsse auf eine evtl. Nacheilung gezogen werden. Weiterhin ist der Maßstab der Zeitachse im Vergleich zu dem der Druckachse so, daß nach Auffassung der Kammer eine zuverlässige Bestimmung der Zeitpunkte, bei denen die Kurven die maximalen Druckwerte erreichen, nicht möglich ist, zumal die Kurve 3 aufgrund der unterschiedlichen Kolbenfläche steiler als die Kurve 2 ist und diese überschneidet.
Die Kammer stellt weiterhin fest, daß die Beschwerdeführerin mit der D12 die Ergebnisse lediglich eines Versuchs eingereicht hat. Mangels weiterer Vergleichsversuche, bei denen anders bemessene Drosseleinrichtungen eingesetzt sind, kann nicht überprüft werden, ob die Nacheilung bei einer anderen Drosselbemessung und einem immer noch voll öffnenden Ventil nicht doch noch kleiner gemacht werden könnte. Es ist somit aus der Skizze nach der EGS2 nicht zu entnehmen, daß die im Anspruch 1 definierte minimale Nacheilung mit dem "MCR" Ventil verwirklicht wurde.
Die Kammer ist daher der Auffassung, daß diese von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend anzugeben vermögen, was tatsächlich vorbenutzt wurde und nicht beweisen können, ob dabei das vom Streitpatent beanspruchte Ergebnis erreicht wurde.
4.4. Aus den obigen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 gegenüber der D1, der D5 und der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung neu ist (Artikel 54 (1), (2) EPÜ). Die weiteren Entgegenhaltungen liegen dem Streitpatent noch ferner.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Die Kammer ist der Auffassung, daß der nächstliegende Stand der Technik aus der D1 bekannt ist, die ein mit Blockierschutz ausgestattetes Bremssystem mit einem Relaisventil nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart. Bei einem solchen Bremssystem tritt das in der Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 19 bis 45 erwähnte, durch einen schnell wechselnden Steuerdruck mit nacheilendem Verbraucherdruck bedingte Problem auf. Zwar erwähnt die D5 die "unvermeidbare" Nacheilung des Verbraucherdrucks gegenüber dem Steuerdruck, sie enthält jedoch keinen Hinweis auf die Verwendung eines Blockierschutzes.
Das o. g. Problem wird beim Streitpatent durch das Kennzeichen des Streitanspruchs 1 gelöst, nach dem der Zeitverlauf des Steuerdrucks durch die Drosselung dem Zeitverlauf des Verbraucherdrucks angenähert wird, wobei der Zeitverlauf des Verbraucherdrucks (bei voll geöffnetem Relaisventil) im wesentlichen unverändert bleibt. Wegen des relativ langsamen Steuerdruckanstiegs kann der Verbraucherdruck ihm mit minimaler Nacheilung folgen.
Weder das Problem noch die Lösung wird in den D1 und D5 erwähnt.
In der D1 wird die Bemessung der Drossel bezüglich des Verbraucherdruckaufbaus in Zusammenhang mit dem normalen Bremsvorgang erwähnt (Spalte 2, Zeilen 48 bis 59), die Blockierschutzfunktion wird aber erst ab Zeile 60 erläutert. Daher enthält die D1 keinen Hinweis für den Fachmann, die Drossel entsprechend den Anforderungen eines pulsierenden, schnell wechselnden Verbraucherdrucks, wie dies bei der Verwendung von Blockierschutzeinrichtungen der Fall ist, zu bemessen. Hinsichtlich Größe und Zweck dieser Bemessung schweigt die D1. Für eine Bemessung im Sinne des Streitpatents gibt die D1 keine Anregung.
Auch die D5 enhält, wie unter Punkt 4.2 schon festgestellt wurde, keinen Hinweis für den Fachmann, die Drossel entsprechend den Forderungen eines pulsierenden schnell wechselnden Verbraucherdrucks für Blockierschutzsysteme zu bemessen. Weiterhin bezieht sich die Lehre der D5, das Überschießen des Steuerdrucks zu verringern nicht auf die Nacheilung des Verbraucherdrucks und führt daher nicht zur Lehre des Anspruchs 1.
5.2. Wie oben unter Punkt 4.3 schon erwähnt wurde, vermag die behauptete offenkundige Vorbenutzung die Verwirklichung der Lehre des Kennzeichens des Anspruchs 1 durch das "MCR" Ventil nicht nachzuweisen und kann daher auch in Zusammenschau mit der D1 bzw. den weiteren Dokumenten die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 nicht in Frage stellen.
5.3. Auch die weiteren Dokumente enthalten keinen Hinweis für den Fachmann hinsichtlich der Gesamtlehre des Anspruchs 1.
5.4. Somit kommt die Kammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der Ansprüche 2 bis 8 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.