T 1223/97 () of 16.5.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T122397.20000516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2000
Aktenzeichen: T 1223/97
Anmeldenummer: 94116762.9
IPC-Klasse: C08F 8/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Radikalisch vernetzbare Copolymerisate
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende am 8. September 1997 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 8. Juli 1997, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 94 116 762.9, angemeldet am 25. Oktober 1994 unter Beanspruchung einer DE-Priorität vom 3. November 1993 veröffentlicht unter der Nr. 0 650 978, zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdegebühr wurde zugleich mit der Beschwerdeeinlegung entrichtet, die schriftliche Beschwerdebegründung ist am 11. November 1997 eingegangen.

II. Der angefochtenen Entscheidung liegen folgende mit Schriftsatz vom 20. September 1995 eingereichte Ansprüche 1 und 2 zugrunde:

"1. Verwendung von Pulvern aus radikalisch vernetzbaren Copolymerisate[n] mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht von 1500 bis 6000 und einer Molekulargewichtsverteilung entsprechend einer Polydispersität von 1 bis 4,0, erhältlich durch polymeranaloge Umsetzung

A) eines Copolymerisates (A), welches aus

a1) 50 bis 85 mol-% eines Monomeren (a1) mit dem Strukturelement der Methacrylsäure und

a2) 15 bis 50 mol-% eines sonstigen radikalisch polymerisierenden Monomeren (a2), wobei

a3) 5 bis 50 mol-% der Gesamtmenge der Monomeren (a1) und (a2) funktionelle Gruppen tragende Monomeren (a3) sind, deren funktionelle Gruppen zu einer Kondensations- oder Additionsreaktion befähigt sind,

aufgebaut ist, erhalten durch radikalische Substanz- oder Lösungspolymerisation bei 140 bis 210 C und einer mittleren Verweilzeit von 2 bis 90 min,

mit

B) einem olefinisch ungesättigten Monomeren (B), welche[s] eine funktionelle Gruppe trägt, die zu der der Monomeren (a3) komplementär ist,

zur Herstellung von Überzügen, welche durch UV-Strahlen gehärtet werden."

"2. Verwendung gemäß Anspruch 1, wobei das Copolymerisat aufgebaut ist aus

60. bis 70 mol-% der Monomeren (a1)

15. bis 25 mol-% der Monomeren (a2)

15. bis 25 mol-% der Monomeren (a3)."

III. Die angefochtene Entscheidung erkannte die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 an, verneinte aber das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Entgegenhaltungen

D1: US-A-4 064 161,

D2: DE-A-2 240 312 und

D5: DE-A-2 436 186,

weil der Anmeldungsgegenstand gegenüber diesen Entgegenhaltungen lediglich eine willkürliche Auswahl darstelle bzw. weil die vorliegenden Unterschiede nur routinemäßige Änderungen beträfen.

IV. In der Beschwerdebegründung und dem Schriftsatz vom 29. Februar 2000 hielt die Beschwerdeführerin als Hauptantrag an den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Verwendungsansprüchen (siehe Punkt II supra) fest.

In der am 16. Mai 2000 stattgefundenen mündlichen Verhandlung zog sie den vormaligen Hauptantrag zurück und reichte als einzigen Antrag den aus den folgenden zwei Ansprüchen bestehenden Anspruchssatz ein:

"1. Verfahren zur Herstellung von Pulvern für Überzüge, welche durch UV-Strahlen gehärtet werden, aus radikalisch vernetzbaren Copolymerisaten mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht von 1500 bis 6000 und einer Molekulargewichtsverteilung entsprechend einer Polydispersität von 1 bis 4,0, dadurch gekennzeichnet, daß

A) ein Copolymerisat (A), welches aus

a1) 50 bis 85 mol-% eines Monomeren (a1) mit dem Strukturelement der Methacrylsäure und

a2) 15 bis 50 mol-% eines sonstigen radikalisch polymerisierenden Monomeren (a2), wobei

a3) 5 bis 50 mol-% der Gesamtmenge der Monomeren (a1) und (a2) funktionelle Gruppen tragende Monomeren (a3) sind, deren funktionelle Gruppen zu einer Kondensations- oder Additionsreaktion befähigt sind,

aufgebaut ist, durch radikalische Substanz- oder Lösungspolymerisation bei 140 bis 210 C und einer mittleren Verweilzeit von 2 bis 90 min hergestellt wird und

mit

B) einem olefinisch ungesättigten Monomeren (B), welches eine funktionelle Gruppe trägt, die zu der der Monomeren (a3) komplementär ist, polymeranalog umgesetzt wird."

"2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Copolymerisat aufgebaut ist aus

60. bis 70 mol-% der Monomeren (a1)

15. bis 25 mol-% der Monomeren (a2)

15. bis 25 mol-% der Monomeren (a3)."

V. Die schriftlich und während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

i) Die Entgegenhaltung D1 stelle nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil

a) D1 die Verwendung der Copolymerisate zur Pulverbeschichtung zwar erwähne, aber nicht besonders hervorhebe und auch nicht beispielhaft belege,

b) das Vorstufen-Copolymerisat (A) gemäß D1 durch anionische Polymerisation, nicht wie anmeldungsgemäß durch radikalische Polymerisation hergestellt werde,

c) die anionische Polymerisation wegen großer Anforderungen an die Reinheit der Reaktanten und an die Einhaltung präziser Reaktionsbedingungen kein großtechnisches Verfahren sei,

d) viele Monomere nicht anionisch polymerisiert werden könnten,

e) die zur Katalyse der anionischen Polymerisation verwendeten Basen in das sich bildende Copolymerisat eingebaut und somit deren Eigenschaftsbild mitbestimmen würden (Hinweis auf "G. Odian, Principles of Polymerization, Seiten 325 bis 341, 1970, McGraw-Hill Book Company" erstmals vorgelegt als Anlage 2 des Schriftsatzes vom 13. Mai 1996),

f) das relativ niedrige Molekulargewicht und die geringe Polydispersität der gemäß D1 hergestellten Copolymerisate nur eine zwangsläufige Folge der anionischen Polymerisationsmethode sei,

g) die Offenbarung von D1 den Schluß nicht zulasse, daß den vorgenannten molekularen Merkmalen für die Verwendung zur Pulverbeschichtung besondere Bedeutung, insbesondere hinsichtlich einer schnellen Verfilmung in einem engen Temperaturintervall, zukomme.

ii) Den nächstliegenden Stand der Technik bildeten nach Ansicht der Beschwerdeführerin vielmehr die radikalisch hergestellten styrolhältigen Pulverlacke gemäß D5, Beispiel 4, denen die methacrylathältigen Pulverlacke gemäß Anspruch 1 der Anmeldung aber durch ihre niedrigere Verfilmungstemperatur, belegt durch die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Vergleichsversuche, überraschenderweise überlegen seien.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4, Anspruch 2 auf dem ursprünglichen Anspruch 3.

Die Ansprüche genügen somit der Bedingung des Artikels 123 (2) EPÜ.

Die Ansprüche sind deutlich und knapp gefaßt und genügen insofern auch den Bestimmungen des Artikels 84 EPÜ.

3. Stand der Technik

3.1. Entgegenhaltung D1

Diese Entgegenhaltung betrifft anionisch hergestellte, gegebenenfalls Comonomereinheiten enthaltende Polymethacrylate niedrigen Molekulargewichts, die (Meth)acryloyloxyalkyl-Esterseitengruppen enthalten, deren ungesättigte Bindungen, z. B. mittels UV-Strahlung, vernetzt werden können und die sich u. a. zur Verwendung für Pulverbeschichtungen eignen (cf. Anspruch 1; Abstract; Spalte 3, Zeilen 31 bis 47; Spalte 6, Zeilen 16 bis 33; Spalte 7, Zeilen 16 bis 22 und 60 bis 63; Tabelle II, Beispiele 16 bis 20).

Gemäß Spalte 2, Zeilen 23 bis 35 variiert das gewichtsmittlere Molekulargewicht des Polymers zwischen 400 und 10000, vorzugsweise zwischen 500 und 2500, und die Polydispersität liegt im allgemeinen zwischen etwa 1.1. und 3.

Die anionische (Co)polymerisation wird gemäß Spalte 2, Zeile 61 bis Spalte 3, Zeile 12 in Gegenwart von Alkoxid-Anionen als Katalysatoren und einem Alkohol als Kettenregulator durchgeführt.

3.2. Entgegenhaltung D2

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft ein pulverförmiges Anstrichmittel, das gemäß Seite 3, Zeilen 6 bis 7 wärmehärtbar ist, aus einer Mischung (A) eines Copolymeren mit einem Molekulargewicht Mn im Bereich von 2500 bis 8500 aus Glycidylmethacrylat und wenigstens einer äthylenisch ungesättigten Verbindung, (B) einem carboxylgruppenhaltigen Vernetzungmittel und (C) einem Flußregelungsmittel, einem Katalysator, einem Pigment und einem antistatischen Mittel besteht.

Die Herstellung des Copolymeren (A) erfolgt bevorzugt durch radikalische Polymerisation in Lösung (von Seite 9 auf Seite 10 überleitender Absatz), wobei gemäß der weit überwiegenden Anzahl der 64 Beispiele die Polymerisation unter den Rückflußbedingungen von Toluol (Kp 110 C) durchgeführt wurde.

3.3. Entgegenhaltung D5

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Schichtüberzügen aus einer pulverigen und thermoplastischen Kunstharzkomposition auf einem Substrat, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Kunstharzkomposition 0,5 bis 3,5 polymerisierbare ungesättigte Bindungen pro 1000 Molekulargewicht umfaßt, nach der Beschichtung des Substrats verschmolzen wird und anschließend unter Einwirkung von ionisierender oder ultravioletter Strahlung ausgehärtet wird.

Gemäß Anspruch 4, Variante a) ist die Kunstharzkomposition ein Vinyl- oder Acrylpolymer mit polymerisierbaren ungesättigten Bindungen an Seitenketten, eine Ausführungsform die Beispiel 4 beispielhaft belegt (Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5). Danach wird zunächst aus 55 Teilen Styrol, 30 Teilen Äthylacrylat und 15 Teilen Glycidylmethacrylat durch radikalische Polymerisation in Xylol bei etwa 100 bis 110 C ein Vorstufen-Copolymerisat hergestellt, dessen Glycidylgruppen sodann zur Einführung ungesättigter Seitengruppen mit 8 Teilen Acrylsäure umgesetzt werden.

4. Neuheit

4.1. Entgegenhaltung D1

Die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber D1 ist gegeben einerseits durch die dort fehlende Angabe der Mengenverhältnisse der Monomeren a1/a2/a3 des Vorstufen-Copolymerisats (A) und anderseits durch dessen Herstellung mittels radikalischer, anstelle anionischer Polymerisation.

4.2. Entgegenhaltung D2

Im Gegensatz zur UV-Strahlen-Vernetzung der Copolymerisate gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung erfolgt die Vernetzung gemäß D2 durch Reaktion der Glycidylgruppen des Copolymeren (A) mit Carboxylgruppen des Vernetzungsmittels (B).

4.3. Entgegenhaltung D5

Gegenüber dieser Entgegenhaltung, insbesondere deren Beispiel 4, ist die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 schon durch die unterschiedlichen Temperatur- und Zeitbedingungen der radikalischen Polymerisation des Vorstufen-Copolymerisats (A) gegeben.

Darüber hinaus offenbart D5 weder ein Copolymerisat (A) mit 50 bis 80 mol-% Struktureinheiten der Methacrylsäure, noch enthält diese Entgegenhaltung Aussagen zum zahlenmittleren Molekulargewicht und der Polydispersität der dort beschriebenen Copolymerisate.

4.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit gegenüber dem zitierten Stand der Technik die Bedingung der Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ. Dasselbe trifft a fortiori auf den Gegenstand des abhängigen Anspruchs 2 zu.

5. Aufgabe und Lösung

5.1. D5 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil diese Entgegenhaltung die Herstellung von Schichtüberzügen nach der Pulverlacktechnologie mit abschließender Strahlungsvernetzung beschreibt, wobei die gemäß Beispiel 4 dieser Entgegenhaltung angewandten Verfahrensschritte, insbesondere die Herstellung des Vorstufen-Copolymerisats (A) durch radikalische Polymerisation, aber auch der strukturelle Aufbau des Copolymerisats (mit Ausnahme des anderen "Hauptmonomers" Styrol) prinzipiell dem Verfahren gemäß Anspruch 1 entsprechen (cf. Punkt 3.3 supra).

Demgegenüber stehen die gemäß der Entgegenhaltung D1 hergestellten Copolymerisate den erfindungsgemäß verwendeten wegen des Vorhandenseins von Methylmethacrylat als "Hauptmonomer" zwar strukturell näher, ihre Herstellung durch anionische Polymerisation stellt aber einen erheblichen Verfahrensunterschied zur Herstellung durch radikalische Polymerisation gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung dar (cf. Punkt 3.1 supra).

5.2. Gegenüber der Offenbarung von D5 besteht die dem Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe in der Verbesserung des dort offenbarten Verfahrens zur Herstellung von Pulvern für UV-härtbare Überzüge mit dem Ziel der Erreichung einer schnellen Verfilmung bei niedrigeren Erweichungstemperaturen ohne Beeinträchtigung der Blockfestigkeit (cf. Seite 2, Zeilen 21 bis 32 der ursprünglichen Anmeldung).

5.3. Daß diese Aufgabe durch die gemäß Anspruch 1 getroffenen Maßnahmen tatsächlich gelöst wird, ergibt sich aus den Resultaten der mit der Beschwerdebegründung (Seite 2, Tabelle und Anlage 1c) vorgelegten "Patentnachstellungen". Diese zeigen, daß durch den Ersatz von Styrol durch Methylmethacrylat als "Hauptmonomer" und durch die Erhöhung der Polymerisationstemperatur auf 180 C bei gleichzeitiger Verringerung der Reaktionszeit eine erhebliche Reduktion der Erweichungstemperatur von 90 C (Rezeptur 1 = Nachstellung der Beispiels 4 von D5: Styrol als "Hauptmonomer", Polymerisationtemperatur: 105 C, Reaktionszeit: 4h) auf 56,6 C (Rezeptur 3. = Methylmethacrylat als "Hauptmonomer", Polymerisationtemperatur: 180 C, Reaktionszeit: 1h 15min inklusive Zulaufszeit) eintritt. Dabei verringert sich das zahlenmittlere Molekulargewicht von 6543 auf 1941 und die Polydispersität ("gpc"-Wert) von 2,68 auf 1,80. Es ist somit glaubhaft, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 der Anmeldung zu der angestrebten schnellen Verfilmung bei niedrigeren Temperaturen und ohne Beeinträchtigung der Blockfestigkeit der eingesetzten Pulver (Erweichungstemperatur > 50 C) führt.

6. Naheliegen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

6.1. Weder D5, noch einer anderen der zitierten Entgegenhaltungen kann ein Hinweis darauf unternommen werden, daß das Eigenschaftsbild der in D5 offenbarten Copolymerisate durch die Änderung der Verfahrensbedingungen im Sinne von Anspruch 1 der Anmeldung, d. h. im wesentlichen durch die Wahl von Methacrylat als "Hauptmonomer", durch die Erhöhung der Polymerisationstemperatur und durch die Reduktion der Reaktionszeit so verändert werden kann, daß die Lösung der vorliegenden technische Aufgabe, d. h. die Erniedrigung der Erweichungstemperatur der Copolymerisat-Pulver bei gleichzeitigem Erhalt der Blockfreiheit gelingt.

6.2. Wegen der gegenüber Polymethylmethacrylat (Tg = 105 C) niedrigeren Glasübergangstemperatur Tg = 100 C von Polystyrol hätte der Fachmann beim Wechsel von Styrol auf Methylmethacrylat als "Hauptmonomer" eher mit einer Erhöhung der Erweichungstemperatur rechnen müssen, jedenfalls konnte er aufgrund des vorliegenden Standes der Technik keine Erniedrigung erwarten.

6.3. Der Fachmann kann dem Stand der Technik auch keinen Hinweis auf eine Erhöhung der bei der Herstellung des Vorstufen-Copolymerisats angewandten Polymerisationstemperatur entnehmen. Die beiden verfügbaren Entgegenhaltungen D2 und D5, die die Herstellung von Copolymerisaten durch radikalische Polymerisation beschreiben, arbeiten beide in einem ähnlich niedrigeren Temperaturbereich: gemäß D5, Beispiel 4 bei etwa 100 bis 110 C, gemäß D2 bei etwa 110 C (cf. Punkte 3.2 und 3.3 supra).

6.4. Dasselbe trifft auch auf die Dauer der Herstellung des Vorstufen-Copolymerisats (A) durch radikalische Polymerisation zu, die gemäß Anspruch 1 der Anmeldung 2 bis 90 Minuten beträgt. D5, Beispiel 4 macht dazu keine Angaben, die Nachstellung dieses Beispiels durch die Beschwerdeführerin benötigte insgesamt eine Polymerisationszeit von 4 Stunden (cf. Punkt 5.3 supra). D2, das wie die Anmeldung Methacrylateinheiten als "Hauptmonomer" verwendet, offenbart nach kompletter Vereinigung der Reaktanten Polymerisationszeiten von 3. Stunden (cf. D2, Seite 19, Beispiel 1; Seite 42, Beispiel 23; Seite 61, Beispiel 43).

6.5. Aus den Ausführungen in den vorstehenden Punkten 6.3 und 6.4. folgt, daß der Fachmann den Entgegenhaltungen D2 und D5 keine Anregung entnehmen kann, die vorliegende technische Aufgabe (cf. Punkt 5.2 supra) durch Änderungen (Erhöhung) der Temperatur und Dauer (Verringerung) der zur Herstellung des Vorstufen-Copolymerisats verwendeten radikalischen Polymerisationsmethode zu lösen.

6.6. Da die Entgegenhaltung D1 für die Herstellung des Vorstufen-Copolymerisats (A) nur den Weg der anionischen Polymerisation offenbart, kann ihr der Fachmann keine Anregungen zur Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe, die eine Verbesserung der radikalischen Polymerisation des Vorstufen-Copolymerisats beinhaltet (cf. Punkt 5.2 supra), entnehmen.

6.7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit gegenüber dem zitierten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

6.8. Dasselbe trifft a fortiori, auch auf den Gegenstand des abhängigen Anspruchs 2 zu.

7. Aufgrund der Tatsache, daß sich die geltende Anspruchsfassung von der vor der ersten Instanz verteidigten Fassung in mehreren Punkten unterscheidet, erfordert Artikel 84 EPÜ eine Überarbeitung der Beschreibung zur Anpassung an die neue Anspruchsfassung. Da die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eine solche angepaßte Beschreibung nicht eingereicht hat, macht die Kammer von der Möglichkeit nach Artikel 111 (1), 2. Satz EPÜ Gebrauch, und verweist die Sache nur zum Zweck der Anpassung der Beschreibung zurück an die Vorinstanz.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instnz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten einzigen Antrags (Ansprüche 1 und 2) und einer daran noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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