T 1139/97 (Triazolinone/BAYER CROPSCIENCE) of 24.10.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T113997.20021024
Datum der Entscheidung: 24 October 2002
Aktenzeichen: T 1139/97
Anmeldenummer: 95111736.5
IPC-Klasse: C07D 249/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sulfonylaminocarbonyltriazolinone als Herbizide
Name des Anmelders: Bayer CropScience AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 82
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit(ja) - nicht naheliegende Zwischenprodukte zur Herstellung der patentierten Endprodukte der zugehörigen Stammanmeldung
Einheitlichkeit der Erfindung (ja) - Verwirklichung einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

1. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Teilanmeldung mit der Nummer 95 111 736.5 (veröffentlicht unter der Nummer 0 683 157) wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit der beanspruchten Triazolinone im Hinblick auf Dokument

(4) EP-A-0 283 876

zurückgewiesen wurde.

2. Grundlage der angefochtenen Entscheidung war der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1. Dieser einzige Anspruch lautete wie folgt:

"Triazolinone der allgemeinen Formel (IIa)

FORMEL

in welcher

A1 für Allyl, für Cyclopropyl, für C1-C3-Alkoxy oder für Di-(C1-C2-alkyl)-amino steht und

A2 für gegebenenfalls durch Fluor und/oder Chlor, Methoxy oder Ethoxy substituiertes C1-C4-Alkyl oder für Cyclopropyl steht,

ausgenommen jedoch die Verbindungen 4-Cyclopropyl-5-methyl-2,4-dihydro-3H-1,2,4-triazol-3-on

und

4-Cyclopropyl-5-ethyl-2,4-dihydro-3H-1,2,4-triazol-3-on."

3. In der angefochtenen Entscheidung führte die Prüfungsabteilung insbesondere aus, daß die Endprodukte der Stammanmeldung Nr. 90 118 750.0 (Veröffentlichungsnummer 0 422 469) zwar auf erfinderischer Tätigkeit beruhten, die in der vorliegenden Teilanmeldung beanspruchten Zwischenprodukte - im Einklang mit der Entscheidung der Beschwerdekammer T 65/82 - jedoch nicht. Die im Dokument (4) offenbarten Endprodukte unterschieden sich von den erfinderischen Endprodukten der Stammanmeldung lediglich durch den Substituenten in der 2-Stellung des Triazolinongerüstes. Bei dem sehr nahekommenden "zwischenprodukt-nahen" Stand der Technik sowie "produkt-nahen" Stand der Technik würde der Fachmann daher daran denken, genau diese Zwischenprodukte als Ausgangsverbindungen zu benützen, um die Endprodukte durch ein Analogieverfahren herzustellen.

Die Prüfungsabteilung hat sich in ihrem Zurückweisungsbeschluß auch dahingehend geäußert, daß eine erfinderische Tätigkeit vorläge, wenn die beanspruchten Verbindungen gegenüber denen des Dokuments (4) einen überraschenden Effekt zeigten. Es fehle jedoch ein entsprechender Nachweis.

IV. Am 24. Oktober 2002 fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt.

V. Während dieser mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin neue Patentansprüche 1 und 2 ein, welche lauten:

"1. Triazolinone der allgemeinen Formel (II),

FORMEL

in welcher

R1 für C1-C3-Alkoxy oder Cyclopropyl steht und

(i) wenn R1 C1-C3-Alkoxy bedeutet,

R2 für gegebenenfalls durch Fluor und/oder Chlor, Methoxy oder Ethoxy substituiertes C1-C4-Alkyl oder für Cyclopropyl steht,

oder

(ii) wenn R1 Cyclopropyl bedeutet,

R2 für Propyl, Isopropyl, Butyl, Cyclopropyl oder Methoxymethyl steht."

"2. Triazolinone nach Anspruch 1, in welcher R1 und R2 die in der folgenden Tabelle angegebene Bedeutung besitzen:

FORMEL (TABELLE) ."

VI. Hierzu hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß die nunmehr beanspruchten Zwischenprodukte nicht nur neu seien, sondern auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Die betreffenden Zwischenprodukte unterschieden sich nämlich von den im Dokument (4) offenbarten Zwischen- und Endprodukten wenigstens durch die Substituenten in der 5-Position des Triazolinongerüstes und dieses Strukturmerkmal liefere einen Strukturbeitrag für die Endprodukte gemäß der Stammanmeldung (jetzt Europäisches Patent No. 0 422 469). Außerdem sei dieser Strukturbeitrag weder von den im Dokument (4) offenbarten zwischenproduktnahen Verbindungen, noch von den darin beschriebenen endproduktnahen Verbindungen ableitbar. Unter diesen Voraussetzungen sei die Bereitstellung der Zwischenprodukte nach Anspruch 1 der vorliegenden Teilanmeldung erfinderisch.

Bezüglich des von der Prüfungsabteilung für die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit als notwendig betrachteten überraschenden Effekts gegenüber Dokument (4) hat die Beschwerdeführerin eingewendet, daß dies unter den gegebenen Umständen nicht nötig sei. Dennoch hat sie mit Schreiben vom 23. September 2002 Vergleichsversuche eingereicht und geltend gemacht, daß der Strukturunterschied in der 5-Stellung des Triazolinongerüstes der hier beanspruchten Zwischenprodukte und der patentierten Endprodukte der Stammanmeldung zu einer Verbesserung der Herbizid-Eigenschaften dieser Endprodukte führe.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage der Ansprüche 1 und 2 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreicht.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer, dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern muß eine Teilanmeldung - unter anderem - die Erfordernisse sowohl des Artikels 76 (1) EPÜ als auch des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllen. Sie darf also weder über den Gegenstand der Stammanmeldung hinausgehen, noch nach der Einreichung in der Weise geändert werden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Teilanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

2.2. Der vorliegende Anspruch 1 stützt sich

- bezüglich der beanspruchten Triazolinone der Formel (II), in welcher R1 für C1-C3-Alkoxy steht, hinsichtlich der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Anspruch 7 in Verbindung mit Seite 27, Zeile 33 und Zeilen 42 bis 44, und die entsprechenden Beispiele in den Tabellen 2 und 4 der Veröffentlichung; sowie hinsichtlich der Teilanmeldung auf deren ursprünglichen, einzigen Anspruch;

und

- bezüglich der beanspruchten Triazolinone der Formel (II), in welcher R1 Cyclopropyl bedeutet, hinsichtlich der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Tabelle 4, Beispiele II-25, II-27, II-32, II-36 und II-111 der Veröffentlichung; sowie hinsichtlich der Teilanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Tabelle 4, Beispiele II-8, II-10, II-12, II-13 und II-41.

Der vorliegende Anspruch 2 stützt sich hinsichtlich der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Seite 52, Beispiele II-19, II-20, II-21 und II-22; Seite 54, Beispiel II-49; Seite 23, Zeilen 44 und 46; Tabelle 4, Beispiel II-26; und Seite 25, Zeile 27, der Veröffentlichung; sowie hinsichtlich der Teilanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Seite 52, Beispiel II-2; Seite 53, Beispiele II-3, II-4 und II-5; Seite 54, Beispiel II-22; Seite 16, Zeilen 28 und 30; und Seite 17, Zeilen 33 und 35.

2.3. Die Kammer hat daher gegen die Fassung der vorliegenden Ansprüche keinerlei Bedenken im Hinblick auf die Artikel 76. (1) und 123 (2) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Zum einzigen Zurückweisungsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit hat die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung im wesentlichen darauf abgehoben, daß die beanspruchten Triazolinon-Zwischenprodukte im Hinblick auf den im Dokument (4) offenbarten "zwischenprodukt-nahen" und "produkt-nahen" Stand der Technik und aufgrund der Tatsache, daß bezüglich der betreffenden Produkte kein überraschender Effekt glaubhaft gemacht wurde, für den Fachmann naheliegend gewesen seien.

3.2. Es verbleibt daher zu prüfen, ob der nunmehr vorliegende, weiter eingeschränkte Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

3.3. Die vorliegende Teilanmeldung betrifft 4,5-disubstituierte Triazolinone der Formel (II) gemäß der im Anspruch 1 gegebenen Definition, welche als Zwischenprodukte zur Herstellung von entsprechenden, herbizid-wirksamen 2-Sulfonylaminocarbonyltriazolinon-Endprodukten der Formel (I)

FORMEL

geeignet sind (siehe Seite 2, Zeile 7 bis Seite 4, Zeile 42, der veröffentlichten Anmeldung).

Diese in der zugehörigen Stammanmeldung beanspruchten Endprodukte sind von der Prüfungsabteilung unter Berücksichtigung des Dokuments (4) als patentfähig anerkannt worden (Europäisches Patent 0 422 469), womit davon auszugehen ist, daß sie nicht nur neu sind, sondern auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

3.4. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Prüfungsabteilung betrachtet die Kammer das bei der Erteilung der Stammanmeldung berücksichtigte Dokument (4), aufgrund der dort offenbarten strukturähnlichsten, herbizid-wirksamen Endprodukte und der dort beschriebenen strukturähnlichsten Zwischenprodukte, als den dem Gegenstand der vorliegenden Teilanmeldung nächstkommenden Stand der Technik.

3.5. Bei den aus dem Dokument (4) bekannten herbizid-wirksamen Endprodukten handelt es sich um 4,5-disubstituierte 2-Aminocarbonyltriazolinone, die zwingend eine substituierte Aminogruppe (-NR5R6) oder eine gegebenenfalls oxidierte Alkylthiogruppe (-S(O)n-R7) in der 5-Stellung des Triazolinongerüstes aufweisen (siehe Seite 3, Zeile 19 bis Seite 4, Zeile 4, insbesondere Seite 3, Zeilen 33 bis 40). Außerdem offenbart dieses Dokument die Herstellung dieser Endprodukte unter Verwendung entsprechender Zwischenprodukte der Formel (IV), welche ebenfalls zwingend eine solche Gruppe in der 5-Stellung des Triazolinongerüstes enthalten (siehe Seite 4, Zeile 44 bis Seite 5, Zeile 8). Die im Dokument (4) offenbarten Zwischenprodukte und Endprodukte unterscheiden sich daher von den in der vorliegenden Teilanmeldung beanspruchten Zwischenprodukten wenigstens durch die Substituenten in der 5-Position des Triazolinongerüstes.

3.6. Die Kammer sieht die nach der vorliegenden Teilanmeldung bestehende Aufgabe gegenüber diesem nächstkommenden Stand der Technik darin, neue Verbindungen bereitzustellen, welche zur Herstellung von den patentierten, herbizid-wirksamen Sulfonylaminocarbonyltriazolinonen gemäß Formel (I) der zugehörigen Stammanmeldung geeignet sind.

3.7. Ausweislich der Ausführungsbeispiele in der vorliegenden Teilanmeldung wird diese Aufgabe durch die in Anspruch 1 definierten Verbindungen der Formel (II) glaubhaft gelöst.

3.8. Es ist nun zu untersuchen, ob der genannte Stand der Technik dem vor der oben definierten Aufgabe stehenden Fachmann Anregungen bot, diese durch die Bereitstellung der Verbindungen gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Teilanmeldung zu lösen.

3.9. Wie bereits ausgeführt, offenbart Dokument (4) herbizid-wirksame Endprodukte und Zwischenprodukte zur Herstellung dieser Endprodukte, die sich von den hier beanspruchten Verbindungen der Formel (II) jedenfalls durch die unterschiedlichen Substituenten in der 5-Stellung des Triazolinongerüstes unterscheiden. Weder der in diesem Dokument (4) offenbarte endproduktnahe Stand der Technik, noch der dort offenbarte zwischenproduktnahe Stand der Technik gibt dem Fachmann daher eine Anregung, die hier beanspruchten Verbindungen zur Lösung der gestellten Aufgabe herzustellen. Außerdem leisten die hier beanspruchten Verbindungen aufgrund der kennzeichnenden Substituenten in der 5-Stellung des Triazolinongerüstes bei ihrer Weiterverarbeitung zu den patentierten herbizid-wirksamen Endprodukten gemäß Formel (I) der zugehörigen Stammanmeldung einen Strukturbeitrag zu diesen Endprodukten, welcher nicht in naheliegender Weise aus dem genannten Stand der Technik ableitbar ist. Dokument (4) bot somit dem Fachmann keinerlei Anregung, zur Lösung der oben definierten Aufgabe die im vorliegenden Anspruch 1 definierten Verbindungen bereitzustellen.

3.10. In diesem Zusammenhang weist die Kammer auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern hin, nach der es nicht ausschlaggebend ist, ob der Fachmann zu dem beanspruchten Gegenstand hätte gelangen können, sondern viel mehr, ob er es in Erwartung einer Lösung der zugrundeliegende Aufgabe auch getan hätte. Es kommt also nicht darauf an, ob der Fachmann durch Modifikation des Stands der Technik zu den hier beanspruchten Verbindungen hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr, ob er im Lichte der oben definierten technischen Aufgabe so vorgegangen wäre, weil dem Stande der Technik Anregungen für die Bereitstellung der beanspruchten Verbindungen als Lösung der bestehenden Aufgabe zu entnehmen waren. Wie oben dargelegt, fehlen im vorliegenden Fall jedoch solche Anregungen.

3.11. Daraus folgt, daß die Verbindungen nach Anspruch 1, sowie die Verbindungen des abhängigen Anspruchs 2, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen ohne daß es unter den gegebenen Umständen nötig wäre, daß die beanspruchten Verbindungen - wie von der Prüfungsabteilung verlangt wurde - selbst irgendwelche überraschenden Eigenschaften aufweisen.

4. Einheitlichkeit der Erfindung

4.1. Wie oben dargelegt, eignen sich die hier zur Lösung der gestellten Aufgabe beanspruchten Triazolinone zur Umsetzung in patentfähige, herbizid-wirksame Endprodukte und geben einen Teil ihrer Struktur an diese weiter. Die Verbindungen gemäß Anspruch 1 stehen somit derart miteinander in einem technischen Zusammenhang, daß dadurch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklicht wird. Die Tatsache, daß diese Verbindungen keine geschlossene Gruppe bilden, kann daran nichts ändern. Folglich ist auch das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung gemäß Artikel 82 EPÜ erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2002 eingereichten Ansprüche 1 und 2 und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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