T 1017/97 (Flachpreßplatte/COGNIS) of 30.1.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T101797.20010130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 2001
Aktenzeichen: T 1017/97
Anmeldenummer: 92909118.9
IPC-Klasse: C09K 21/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schwerentflammbare Flachpreßplatte und Verfahren zu ihrer Herstellung
Name des Anmelders: Cognis Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: Wilhelmi Werke AG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 22. Juli 1997 verkündete und am 11. August 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.

Das Streitpatent war mit 18 Ansprüchen erteilt worden. Anspruch 1 des Streitpatents in erteilter Fassung lautete:

"1. Schwerentflammbare Flachpreßplatte aus an sich brennbarem Plattenmaterial, Bindemittel, Flammschutzmittel und ggf. Hilfsstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß als Flammschutzmittel eine Kombination aus

a) einer Substanz, die bei erhöhter Temperatur eine Säure, insbesondere eine anorganische Säure, freizusetzen vermag,

b) einer kohlenstoffhaltigen Substanz mit veresterbaren Hydroxylgruppen und

c) einer Substanz, die bei erhöhter Temperatur ein nichtbrennbares Gas freizusetzen vermag,

enthalten ist, wobei die Ansprechtemperaturen bei a) und c) oberhalb der zur Herstellung der Flachpreßplatte nötigen Temperatur liegen, daß das Flammschutzmittel in feiner Verteilung in das Plattenmaterial eingemischt ist und daß das Flammschutzmittel eine geringe Wasserlöslichkeit besitzt, mit der Maßgabe daß das Flammschutzmittel

i) in einer Menge von 1-50 Gew.-% - bezogen auf das Gewicht der Platte - enthalten ist und

ii) die Komponente a) in einer Menge von 10 bis 60. Gew.-%, die Komponente b) in einer Menge von 10. bis 60 Gew.-% und die Komponente c) in einer Menge von 5 bis 55 Gew.-% enthält."

II. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat im Beschwerdeverfahren Anspruchssätze gemäß dem ersten, zweiten, dritten und vierten Hilfsantrag eingereicht.

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags entspricht dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung, mit der Ausnahme daß zwischen "... in das Plattenmaterial eingemischt ist" und "und daß das Flammschutzmittel ..." das Merkmal "wobei das Flammschutzmittel ein Pulver mit einer Partikelgröße von kleiner als 80 m ist" eingefügt worden war.

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags entspricht dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung, mit der Ausnahme daß an der vorbezeichneten Stelle das Merkmal "wobei das Flammschutzmittel ein Pulver mit einer Partikelgröße von kleiner als 40 µm ist" zugefügt war.

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags entspricht dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung, mit der Ausnahme daß das Merkmal b) lautet: "einer Verbindung die ausgewählt ist aus der Gruppe Pentaerythrit und Dipentaerythrit".

Der Wortlaut des einzigen Anspruchs gemäß dem vierten Hilfsantrag lautet:

"1. Verwendung eines Flammschutzmittels in Form einer Kombination aus

a) einer Substanz, die bei erhöhter Temperatur eine Säure, insbesondere eine anorganische Säure, freizusetzen vermag,

b) einer kohlenstoffhaltigen Substanz mit veresterbaren Hydroxylgruppen und

c) einer Substanz, die bei erhöhter Temperatur ein nichtbrennbares Gas freizusetzen vermag,

mit der Maßgabe, daß das Flammschutzmittel die Komponente a) in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-%, die Komponente b) in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-% und die Komponente c) in einer Menge von 5 bis 55 Gew.-% enthält, zur Schwerentflammbarmachung von Flachpressplatten bei deren Herstellung."

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 30. Januar 2001 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat vorgetragen, daß der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf das Dokument (3), WO 91/06614, nicht neu sei und gegenüber der Lehre des Dokumentes

(1) "Advances in Chemistry Series", American Chemical Society, Washington, D.C., 1984, Seiten 531 bis 571, oder

(2) "Modern Particleboard & Dry-Process Fiberboard Manufacturing", Miller Freeman Publications, T.M. Maloney, 1977, Seiten 404 bis 412 oder

gegenüber der Kombination beider Lehren nicht erfinderisch sei.

V. Die Beschwerdegegnerin bestritt, daß Dokument (3) den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich vorwegnehme, da das Flammschutzmittel gemäß Dokument (3) keine kohlenstoffhaltige Substanz mit veresterbaren Hydroxylgruppen in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-%, in feiner Verteilung in das Plattenmaterial eingemischt, enthalte.

Weiterhin argumentierte die Beschwerdegegnerin, der beanspruchte Gegenstand sei durch die Lehre der Dokumente (1) und (2) nicht nahegelegt, da das Dokument (1) einen Brandschutz durch eine Beschichtung betreffe und keinerlei Hinweis auf die Anwendung in Flachpreßplatten enthalte; auch sei dem Dokument (2) keinerlei Hinweis auf die anspruchsgemäßen Kombinationen von Brandschutzmittel zu entnehmen.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 582 604.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die Ansprüche gemäß dem ersten, zweiten, dritten und vierten Hilfsantrag im Rahmen der Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen bleiben und ihr Schutzbereich nicht über den der Ansprüche des erteilten Patents hinausgeht. Insbesondere ist eine Partikelgröße des Flammschutzmittels kleiner als 80. m (erster Hilfsantrag) oder 40 m (zweiter Hilfsantrag), beziehungsweise die Verwendung von Pentaerythrit oder Dipentaerythrit (dritter Hilfsantrag) im dritten Absatz auf der Seite 13, beziehungsweise im zweiten Absatz auf der Seite 9 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart und ist der Verwendungsanspruch gemäß dem vierten Hilfsantrag mit dem erteilten Anspruch 18 identisch. Somit sind keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ zu erheben. Da dies nicht bestritten wurde und die Kammer zum Ergebnis gekommen ist, daß der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

3. Neuheit

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dem gemäß Artikel 54 (3) EPÜ als Stand der Technik geltenden Dokument (3) seien alle Merkmale der Flachpreßplatte gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags zu entnehmen. Somit sei dieser Anspruch durch die Lehre des Dokumentes (3) neuheitschädlich vorweggenommen. Obwohl Flammschutzmittel, in denen die Komponente b) in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-% enthalten ist, nicht ausdrücklich im Dokument (3) beschrieben sind, beharrte die Beschwerdeführerin darauf, daß solche Flammschutzmittel dem Dokument gedanklich zu entnehmen seien.

Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann ein Dokument jedoch nur dann als neuheitsschädlich betrachtet werden, wenn ein Fachmann, bezugnehmend auf das allgemeine Fachwissen, einem Dokument alle Merkmale des beanspruchten Gegenstands unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Das ist bei Dokument (3) nicht gegeben, da es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür liefert, daß das Flammschutzmittel die Komponente b) in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-% enthalten soll.

Da alle unabhängigen Ansprüche gemäß dem Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen sich auf Flammschutzmittel, in der die Komponente b) in einer Menge von 10 bis 60 Gew.-% enthalten ist, bezieht, kann der Inhalt des Dokumentes (3) auch für diese Anspruchssätze nicht als neuheitsschädlich betrachtet werden.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Hauptantrag

4.1.1. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kommt als nächstkommender Stand der Technik nur ein Dokument in Betracht, das einen Gegenstand offenbart, der dem gleichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung dient. Da Dokument (2) das einzige zitierte Dokument ist, in dem Flachpreßplatten, in denen das Flammschutzmittel in das Plattenmaterial eingemischt ist, offenbart, betrachtet die Kammer die Lehre dieses Dokumentes als einschlägigen Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung und somit als nächstkommenden Stand der Technik.

Dokument (2) offenbart im letzten Absatz auf der Seite 406, im zweiten Absatz auf der Seite 407 und im sechsten Absatz auf der Seite 408 die Herstellung von flammhemmenden Holzspanplatten, wobei insbesondere Ammoniumphosphat als Flammschutzmittel in Pulverform in das Plattenmaterial eingemischt wird. Dokument (2) ist daher auch repräsentativ für den in der Spalte 1, Zeile 55 bis der Spalte 2, Zeile 2 des Streitpatentes erwähnten, aber nicht näher identifizierten Stand der Technik.

4.1.2. Im Streitpatent ist in Spalte 2, Zeilen 5 bis 18, angegeben, die bekannten Verfahren würden den Nachteil aufweisen, daß relativ große Mengen an Flammschutzmittel verwendet werden müßten, um eine schwerentflammbare Platte, die insbesondere die Anforderungen der DIN 4102, Teil 1 erfüllt, zu erhalten. Die großen Mengen an Zusätzen bedingten einen stark reduzierten Anteil an Basismaterial, weshalb die Flachpreßplatten die übrigen an sie gestellten Anforderungen nicht mehr erfüllen würden. Welche Zusätze in welchen Mengen aber dazu führen sollen, daß die Platten bestimmte Anforderungen, wie beispielsweise Festigkeit, Beständigkeit gegen Luftfeuchtigkeit u. a. nicht mehr erfüllen, wird völlig offengelassen.

Ausgehend hiervon bestand gemäß dem Streitpatent die Aufgabe, Flachpreßplatten zur Verfügung zu stellen, die schon bei relativ geringen Mengen an Zusätzen schwer entflammbar sind, insbesondere nach DIN 4102, Teil 1, wobei die übrigen Eigenschaften der Platte durch die Zusätze nicht nachteilig beeinflußt werden (Spalte 2, Zeilen 24 bis 30).

4.1.3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird die im Anspruch 1 definierte Flachpreßplatte vorgeschlagen (siehe Punkt I oben).

Gemäß dem Streitpatent wird durch die beanspruchte Flachpreßplatte erreicht, daß die Anteile an Basismaterial in der Flachpreßplatte großgehalten und damit die übrigen an die Platte gestellten Anforderungen ohne Schwierigkeiten erreicht werden können; auch werde die Oberfläche der Flachpreßplatte nicht verändert, wie es beispielsweise bei beschichteten Flachpreßplatten der Fall ist (Spalte 3, Zeilen 12 bis 18).

Aus den Beispielen 1 bis 3 des Streitpatentes geht zwar unbestritten hervor, daß die beanspruchten Flachpreßplatten die Anforderungen der DIN 4102 an schwerentflammbare Baustoffe erfüllen, jedoch ist diesen Beispielen nicht zu entnehmen, daß im Vergleich mit Ammoniumphosphat enthaltenden Formpreßplatten, wie diese z. B. aus dem Dokument (2) bekannt sind, der Anteil an Basismaterial in den beanspruchten Flachpreßplatten größer gehalten werden kann und die Anforderungen der DIN 4102 trotzdem erfüllt sind.

4.1.4. Daraus folgt, daß die zu lösende Aufgabe gegenüber Dokument (2) als nächstkommender Stand der Technik lediglich darin gesehen werden kann, weitere schwerentflammbare Flachpreßplatten zur Verfügung zu stellen.

4.1.5. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, diese Aufgabe durch die im erteilten Anspruch 1 definierte Flachpreßplatte zu lösen.

4.1.6. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, eine solche Anregung sei dem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Insbesondere vertrat sie die Meinung, ein Fachmann würde beim Versuch die gestellte Aufgabe zu lösen die Lehre des Dokumentes (1) nicht in Betracht ziehen, da diesem Dokument die Aufgabe zugrunde liegt, Flachpreßplatten mit Brandschutzbeschichtungen zur Verfügung zu stellen. Da bei solchen beschichteten Flachpreßplatten das Problem des Anteils an Basismaterial im Dokument (1) nicht angesprochen wird, hätte kein Fachmann dieses Dokument zu Rate gezogen um das vorliegende technische Problem zu lösen.

4.1.7. Dem Dokument (1), das sich mit der flammhemmenden Wirkung in Holz durch Chemikalien auseinandersetzt, sei der Seite 542 zu entnehmen, daß der flammhemmende Mechanismus an Hand von sechs verschiedenen Theorien klassifiziert werden kann, wovon die erste ("barrier theories") besagt, daß flammhemmende Chemikalien sowohl das Entweichen von Gasen aus dem Substrat als auch die Zufuhr von Sauerstoff zum Substrat durch die Bildung einer Barriere verhindern und Holz gegen hohe Temperaturen abschirmen (Seite 542, Zeilen 11 bis 14). Dem zweiten Absatz auf Seite 543 sei zu entnehmen, daß solche barrierebildenden Chemikalien aus schaumbildenden Schichten ("coatings that intumesce") bestehen können. Weiterhin enthalte dieser Absatz die allgemeine Aussage, daß schaumbildende Systeme (intumescent systems), wenn sie einem Feuer ausgesetzt werden, unter Bildung eines kohlenstoffhaltigen Schaumes aufquellen und verkohlen, wobei solche Systeme insbesondere aus einer kohlenstoffhaltigen Verbindung, einem Treibmittel und einer Lewis-Säure bestehen. Dem dritten Absatz auf der Seite 543 sei zu entnehmen, daß die kohlenstoffhaltige Verbindung ein Polyol sein kann und daß diese mit einer anorganischen Säure, z. B. Phosphorsäure, ein Ester bildet, daß Säure zu einer erhöhten Verkohlung und weniger Gasen führt und daß die durch das Treibmittel freigesetzten Gase die Bildung eines kohlenstoffhaltigen Schaums bewirken.

4.1.8. Insbesondere war die Beschwerdegegnerin der Meinung, daß die Lehre über die schaumbildenden Systeme im zweiten und dritten Absatz der Seite 543 des Dokumentes (1) auf beschichtete Flachpreßplatten beschränkt sei und somit keinen Hinweis auf eine flammhemmende Wirkung in Flachpreßplatten, in denen das Flammschutzmittel in das Plattenmaterial eingemischt ist, geben konnte.

4.1.9. Dem Dokument (1), das in Form einer Theorie den Mechanismus von flammhemmenden Materialien in Holzsubstraten betrifft, ist jedoch nirgendwo zu entnehmen, daß die dort enthaltenen Informationen nur für beschichtetes Material Gültigkeit haben. Vielmehr beschreibt Dokument (1) eine allgemein verwendbare Methode, die Entflammbarkeit von brennbaren Materialien herabzusetzen. Somit hatte der Fachmann keinen einzigen Grund, bei der Suche nach einer Lösung für die in Punkt 4.1.4 gestellten Aufgabe die im Dokument (1) beschriebenen schaumbildenden Systeme nicht in Betracht zu ziehen.

Aus dem Dokument (1) geht insbesondere hervor, daß eine Schwerentflammbarkeit dadurch erreicht werden kann, daß eine bei erhöhter Temperatur freigesetzte Säure, üblicherweise Phosphorsäure, und eine "char-producing" (d. h. kohlenstoffhaltige) Verbindung, insbesondere ein Polyol, unter Esterbildung miteinander reagieren und anschließend verkohlen und ein bei erhöhten Temperatur freigesetzten Gas die Bildung eines kohlenstoffhaltigen Schaums bewirkt. Nach Auffassung der Kammer hätte der Fachmann erkannt, daß die gestellte Aufgabe schon dadurch gelöst werden kann, daß bei der aus Dokument (2) bekannten Herstellung von flammhemmenden Holzspanplatten mittels Einmischen von Ammoniumphosphat in das Plattenmaterial noch ein Polyol mitverwendet werden kann, und zwar um so mehr als in Dokument (1) gerade Ammoniumphosphat (Mono- bzw. Diammoniumphosphat) als Beispiel für eine höchst effiziente flammhemmende Wirkung besonders hervorgehoben wird (siehe Seite 563 "Major Chemicals"). Die gemäß dem Streitpatent erzielte Schwerentflammbarkeit der beanspruchten Flachpreßplatte beruht daher genau auf dem aus Dokument (1) bekannten Prinzip (siehe Spalte 2, Zeile 48 bis Spalte 3, Zeile 4 des Streitpatentes).

4.1.10. Die Beschwerdegegnerin hat weiter geltend gemacht, es seien wesentliche Merkmale der beanspruchten Flachpreßplatte, daß das Flammschutzmittel in "feiner Verteilung" in das Plattenmaterial eingemischt wird, eine geringe Wasserlöslichkeit besitzt und 10 bis 60. Gew.-% einer kohlenstoffhaltigen Substanz mit veresterbaren Hydroxylgruppen enthält, und daß solche Merkmale dem Stand der Technik nicht zu entnehmen sind.

Dem kann jedoch die Kammer nicht folgen. Aus dem letzten Absatz auf Seite 406 und aus dem zweiten Absatz auf Seite 407 des Dokumentes (2) geht hervor, daß ein Flammschutzmittel in Pulverform den Spänen während der Herstellung der Holzspanplatten zugemischt werden kann. Da dadurch eine heterogene Mischung von Flammschutzmittelpartikeln fein verteilt zwischen den Spänen erreicht wird, kann die Einmischung des Flammschutzmittels in feiner Verteilung in das Plattenmaterial nicht als ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem aus dem Dokument (2) bekannten Flammschutzmittel angesehen werden, zumal im Streitpatent als Beispiel für den Begriff "in feiner Verteilung" lediglich "Pulver" genannt wird (siehe Spalte 8, Zeilen 37 bis 39).

Da Ammoniumphosphat bei erhöhter Temperatur sowohl eine Säure als ein nichtbrennbares Gas freizusetzen vermag und somit, von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, als Komponenten a) und c) im anspruchsgemäßen Flammschutzmittel eingesetzt werden kann und Dokument (2) insbesondere die Mitverwendung eines Polyols (d. h. einer streitpatentgemäßen Komponente b)) ausdrücklich vorschlägt, kann der Einwand der Beschwerdegegnerin, der Zusatz eines Polyols würde die Wasserlöslichkeit des Flammschutzmittels erhöhen, nicht überzeugen.

Schließlich hat die Beschwerdegegnerin nicht nachgewiesen, daß die Menge der kohlenstoffhaltigen Substanz mit veresterbaren Hydroxylgruppen einen Einfluß auf die flammhemmende Wirkung des Flammschutzmittels hat. Somit ist auch dieses Merkmal bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

4.1.11. Daraus folgt, daß die im Anspruch 1 definierte schwerentflammbare Flachpreßplatte durch die Lehren der Dokumente (1) und (2) nahegelegt wird. Deswegen erfüllt der beanspruchte Gegenstand gemäß dem Hauptantrag nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit; der Hauptantrag ist nicht gewährbar.

4.2. Erster und zweiter Hilfsantrag

Die gemäß dem ersten und dem zweiten Hilfsantrag beanspruchten Gegenstände unterscheiden sich von dem gemäß Hauptantrag beanspruchte Gegenstand lediglich dadurch, daß das Flammschutzmittel ein Pulver mit einer Partikelgröße von kleiner als 80 m beziehungsweise 40 m ist. Die Präzisierung der Partikelgröße wurde seitens der Beschwerdegegnerin vorgenommen, um dem Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber Dokument (3) zu begegnen. Es wurde zu keiner Zeit vorgetragen oder versucht zu belegen, daß es sich bei der Partikelgröße um ein erfindungswesentliches Merkmal handelt.

Die Wahl einer zweckmäßigen Partikelgröße für das Flammschutzmittel ist jedoch eine Tätigkeit, die dem Fachmann lediglich bloße Routineversuche abverlangt und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Dies führt zum Ergebnis, daß auch die im Anspruch 1 definierte Flachpreßplatte gemäß dem ersten und dem zweiten Hilfsantrag durch die Lehren der Dokumente (1) und (2) nahegelegt ist. Deswegen erfüllen die beanspruchten Gegenstände gemäß dem ersten und zweiten Hilfsantrag nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit; keiner von diesen beiden Anträgen ist gewährbar.

4.3. Dritter Hilfsantrag

Der dort beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich vom dem des Hauptantrags dadurch, daß als Komponente b) im Flammschutzmittel Pentaerythrit oder Dipentaerythrit verwendet wird.

Da aus Dokument (1) hervorgeht, daß ein flammhemmendes, schaumbildendes System neben einer säurebildenden und einer gasbildenden Substanz ein Polyol enthält (siehe Punkt 4.1.8 und 4.1.10 oben), stellt sich die Frage, ob die Auswahl von Pentaerythrit oder Dipentaerythrit als Polyol erfinderisch ist. Nun ist das bloße Auswählen spezifischer, allgemein bekannter Polyole aus einer im Stand der Technik bereits als geeignet angesehenen Gruppe solcher Verbindungen, eine reine Routinetätigkeit, die der Fachmann ohne erfinderische Leistung durchzuführen vermag.

Aus diesem Grund ist die im Anspruch 1 definierte Flachpreßplatte durch die Lehren der Dokumente (1) und (2) nahegelegt und erfüllt der beanspruchte Gegenstand gemäß dem dritten Hilfsantrag nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit; auch dieser Antrag ist daher nicht gewährbar.

4.4. Vierter Hilfsantrag

Die Verwendung des in diesem Anspruch näher definierten Flammschutzmittels zur Schwerentflammbarmachung von Flachpreßplatten bei deren Herstellung wird aus den in Punkt 4.1 erwähnten Gründen durch die Lehren der Dokumente (1) und (2) nahegelegt. Deswegen erfüllt der beanspruchte Gegenstand nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit und kann auch dieser Antrag nicht zum Erfolg führen.

5. Da keiner der gestellten Anträge gewährbar ist, ist das Streitpatent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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