European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T099097.20000427 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 April 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0990/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91903628.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61C 17/22 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Elektrische Zahnbürste | ||||||||
Name des Anmelders: | Elektro-Wärme-Technik Siegfried Petz | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Braun GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 18. Juli 1997 widerrief die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 523 057 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik, der sich aus der Kombination der Druckschriften
D0: US-A-3 588 936 und
D3: DE-C-3 414 623
ergibt.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte gegen diese Entscheidung am 17. September 1997 Beschwerde ein. In der am 20. November 1997 eingegangenen Beschwerdebegründung sowie in ihrer späteren Erwiderung auf die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) änderte die Beschwerdeführerin mehrmals ihre Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag.
III. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 27. April 2000 ließ die Beschwerdeführerin ihre früheren Anträge fallen und legte einen neuen Anspruchssatz sowie eine entsprechend angepaßte Beschreibung vor.
IV. Der Anspruch 1 in dieser Fassung lautet:
"Elektrische Zahnbürste mit einem Zahnbürstengehäuse (1), in welchem ein Antriebsmotor (2), Schaltglieder für diesen und eine elektrischen Energiequelle sowie eine durch den Antriebsmotor (2), über ein Untersetzungsgetriebe mit nachgeschalteten Kulissen- und Kurbelschleifengetrieben (3,4;5,6,7;10,12) langsbeweg- und teildrehbare Antriebswelle (13) für einen mit der Antriebswelle koppelbaren Bürstenkörper aufgenommen sind, dadurch gekennzeichnet, daß das Zahnbürstengehäuse (1) einstückig ausgebildet ist und den Antriebsmotor (2) und die Getriebe (3,4;5,6,7;10,12) ortsfest aufnimmt, daß die Antriebswelle (13) quer zur Mittellängsachse derselben aus einer Ruhestellung entgegen einer Rückstellkraft verschwenkbar ist und daß bei Erreichen einer medizinisch notwendigen Andruckkraft am Bürstenkörper (23) die Antriebswelle (13) unmittelbar eine im Zahnbürstengehäuse (1) untergebrachte Einrichtung (19,20) zur Erzeugung oder Einleitung von akustischen und/oder optischen Signalen betätigt, wobei die Antriebswelle (13) gemeinsam mit mindestens einem Teilstück (9') des Lagerbocks (9) um eine Gelenkstelle (24) bei Erreichen der medizinisch notwendigen Andruckkraft entgegen der Rückstellkraft verschwenkbar ist und die Einrichtung zur Erzeugung oder Einleitung von akustischen (21,27,28) und/oder optischen Signalen (22) betätigt und daß bei vorbestimmtem Überschreiten der medizinisch notwendigen Andruckkraft der Antriebsmotor (2) und die Einrichtung zur Erzeugung oder Einleitung von akustischen (19,20,21,22,27,28) und/oder optischen Signalen stillgesetzt werden."
V. Die Beschwerdegegnerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, sie habe weder formale noch sachliche Einwände gegen den neuen Anspruchssatz.
Die Beschwerdeführerin machte geltend, daß man ausgehend von der nächstliegenden Druckschrift D0, durch Kombination der Druckschriften D0 und D3 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelange. Insbesondere sei die Antriebswelle der in der Druckschrift D3 beschriebenen Zahnbürste nicht verschwenkbar, und es werde kein Signal zur Anzeige der medizinisch notwendigen Andruckkraft erzeugt. Außerdem führe die Zahnbürste aus D3 zwar eine Schwingbewegung aus, jedoch keine kombinierte Dreh- und Längsbewegung. Zur Untermauerung ihrer Argumente legte die Beschwerdeführerin eine Skizze vor. Eine Zusammenschau der Druckschriften D0 und D3 sei danach unwahrscheinlich, da die beiden Druckschriften unterschiedlich funktionierende Bürsten beträfen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in folgender Fassung:
- Ansprüche 1 bis 18 und Beschreibung, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Figuren wie erteilt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Der Anspruch 1 leitet sich aus den Ansprüchen 1, 6 und 20 des Patents in der erteilten Fassung nach Streichung der Ausdrücke "und/oder verschiebbar" und "oder mittelbar" aus dem Anspruch 1 ab.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird somit gemäß Artikel 123 (2) EPÜ von der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt. Die Streichung von durch "und/oder" eingeleiteten Alternativen oder Optionen bewirkt eine Einschränkung des Schutzbereichs und steht somit mit Artikel 123 (3) EPÜ in Einklang.
3. Nächstliegender Stand der Technik und Neuheit des Anspruchs 1
3.1. Die Druckschrift D0 stellt den der Erfindung am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Daraus ist eine Zahnbürste mit den Merkmalen im Oberbegriff des Anspruchs 1 bekannt, die also ein Zahnbürstengehäuse 30, in welchem ein Antriebsmotor 39, Schaltglieder 115 für diesen und eine elektrische Energiequelle 38 sowie eine durch den Antriebsmotor, über ein Untersetzungsgetriebe 101 mit nachgeschalteten Kulissen- und Kurbelschleifengetrieben 84, 81 längsbeweg- und teildrehbare Antriebswelle 27 für einen mit der Antriebswelle koppelbaren Bürstenkörper 24 aufgenommen sind, aufweist. Die Antriebswelle 27 des Getriebes überträgt auf den Schaft 23 der Aufsteckbürste eine kombinierte Dreh- und Längsbewegung (Pfeile in Abb. 1), die in der in Abb. 14 dargestellten Ellipsenbewegung resultiert.
Die aus der Druckschrift D0 bekannte elektrische Zahnbürste wird mit einem Schalter 31 betätigt. Das Gerät besitzt jedoch keinen Schutz- oder Signalstromkreis, der auf den mit der Bürste ausgeübten Druck anspricht.
3.2. Von dieser bekannten Zahnbürste unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Merkmale seines kennzeichnenden Teils. Neben rein mechanischen Strukturunterschieden wie einstückiges Gehäuse und Verschwenkbarkeit der Antriebswelle mit ihrem Lagerbock um eine gemeinsame Gelenkstelle entgegen einer Rückstellkraft weist somit der Anspruch 1 wesentliche Unterschiede bei folgenden funktionellen Merkmalen auf:
- Erreicht die Andruckkraft des Bürstenkörpers den medizinisch notwendigen Mindestwert, so wird ein Signal erzeugt.
- Überschreitet die Andruckkraft einen vorgegebenen, für den Benutzer schädlichen Höchstwert, so werden sowohl der Signalgeber als auch der Antriebsmotor stillgesetzt.
3.3. Da kein anderer Stand der Technik dem Gegenstand des Anspruchs 1 näher kommt als D0 und alle beanspruchten Merkmale offenbart, ist der Gegenstand dieses Anspruchs neu im Sinne des Artikels 54 (1) EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 löst die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe (s. Spalte 1, Zeilen 7 - 19), die Wirksamkeit und Sicherheit elektrischer Zahnbürsten zu verbessern. Bei den aus dem zitierten Stand der Technik bekannten Zahnbürsten wie der in der Druckschrift D0 beschriebenen besteht keine Möglichkeit, die jeweilige Andruckkraft zu kontrollieren, was zu einer unzureichenden Zahnreinigung oder zu Verletzungen des Zahnfleischs führen kann.
4.2. Aus der Druckschrift D3 ist eine elektrische Zahnbürste bekannt, bei der sich der Anpreßdruck über ein optisches oder akustisches Signal kontrollieren läßt, das über die Messung des seitlichen Anpreßdrucks durch einen Druckaufnehmer 8 ausgelöst wird. Der Meßwert wird mit einem in einem Mikroprozessor (Chip) 9 gespeicherten Soll-Druckwert verglichen, so daß bei Über- oder Unterschreiten dieses Soll-Druckwerts ein Warnsignal ausgelöst wird. Der Benutzer muß also ständig den Druck der Zahnbürste so verändern (verstärken oder reduzieren), daß das Signal erlischt; bleibt das Signal aus, so weiß er, daß er die Zahnbürste richtig benutzt.
Diese Funktionsweise entspricht nicht der erfindungsgemäß beanspruchten, bei der gerade innerhalb einer Spanne zulässiger Andruckwerte ein Signal erzeigt wird. Außerdem schaltet sich das ganze Gerät ab (Motor und Signalgeber), sobald die Andruckkraft eine Obergrenze überschreitet. Das Dokument D3 offenbart demnach weder direkt noch indirekt die funktionellen Merkmale des Anspruchs 1.
4.3. Auch hinsichtlich des Aufbaus offenbart die Druckschrift D3 nicht die mechanischen Merkmale, die den Gegenstand des Anspruchs 1 von der aus D0 bekannten Zahnbürste unterscheiden. Beispielsweise wird die Aufsteckachse 5 durch ihre beiderseitige Verankerung im Getriebe 4 und im Lager 7 in der Mittellängsachse fixiert. So mißt zwar der Druckaufnehmer 8 einen seitlichen Druck, doch ist jede seitliche Verschwenkung der Aufsteckachse um ein Gelenk im Sinne des vorliegenden Patents von vornherein ausgeschlossen. Von daher ist auch keine Rückstellkraft in Ruhestellung erforderlich. Auch einen Lagerbock im Sinne des Patents gibt es in D3 nicht.
Zudem beschränkt sich die vom Getriebe 4 erzeugte Schwingbewegung auf eine alternative Teildrehung, weil eine Längsbewegung der Aufsteckachse ihren Hebelarm verändern und damit die Messung des vom Druckaufnehmer 8 ermittelten Anpreßdrucks verfälschen würde, wie von der Beschwerdeführerin zu Recht geltend gemacht wurde.
4.4. Daraus ergibt sich, daß selbst die eher unwahrscheinliche Kombination der Druckschriften D0 und D3 keine ausreichende Grundlage bot, um eine Zahnbürste in ihrer Struktur und Funktionsweise so auszugestalten wie den Gegenstand des Anspruchs 1. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Patents erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anweisung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 18 und Beschreibung (Spalte 1 bis 5 mit Einfügung auf Seite 1 laut Anlage), eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Figuren wie erteilt.