T 0923/97 () of 1.12.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T092397.20001201
Datum der Entscheidung: 01 Dezember 2000
Aktenzeichen: T 0923/97
Anmeldenummer: 91106326.1
IPC-Klasse: A61F 13/15
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Windelhöschen
Name des Anmelders: UNI-CHARM CORPORATION
Name des Einsprechenden: (01) Paul Hartmann Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 106 326.1 wurde das Patent Nr. 0 452 951 erteilt. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 8. November 1995 bekanntgemacht.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende O1) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Dokumenten

D1: US-A-4 743 241

D2: FR-A-2 345 955

D7: US-A-4 585 448.

III. Mit der am 27. Juni 1997 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.

In ihrer Entscheidung vertrat sie die Auffassung, daß die nach Abgrenzung gegenüber der Stand der Technik gemäß D1 übrig bleibenden Merkmale des Anspruchs 1 des erteilten Patents sich in naheliegender Weise aus D2 oder D7 ergäben.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 13. August 1997 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 3. November 1997 eingereicht.

V. Während des schriftlichen Verfahrens reichte die Beschwerdeführerin am 19. Mai 1998 einen neuen Anspruch 1 mit dem folgenden Wortlaut ein:

"Windelhöschen mit einem Vorderteil (15) und einem Hinterteil (16) sowie beide Teile miteinander verbindende Seitenabschnitte (14,14), bestehend aus einem Absorptionskern und wenigstens einer oberen flüssigkeitsdurchlässigen und einer unteren flüssigkeitundurchlässigen Lage (2;3) sanduhrförmiger Gestallt, die den Absorptionskern (4) sandwichartig zwischen sich einschließen und deren Seitenränder seitlich über den Absorptionskern (4) hinausragen, wobei die sich gegenüberliegenden Seitenabschnitte der Windel, die sich von der Hüftöffnung (13) zu den jeweiligen Beinöffnungen (12) erstrecken, von aufeinandergelegten und miteinander verbundenen Längsseitenbereichen (9,9;10,10) des Vorderteils (15) bzw. Hinterteils (16) gebildet sind, wobei die Längsseitenbereiche (9,9;10,10) jeweils mit ihrer flüssigkeitsdurchlässigen Lage (2,2) aufeinandergelegt miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Seitenabschnitte (14,14) auf eine in Längsrichtung verlaufende Mittellinie der Windel zu bis zum Rand des Absorptionskerns eingeschlagen sind, so daß sie zwischen dem Vorderteil (15) und dem Hinterteil (16) der Windel angeordnet sind und die Umschlagsfaltung der Seitenabschnitte (14,14) entlang wenigstens einem Teil des Seitenrandes des absorbierenden Kerns (4) auftritt."

VI. In einer Mitteilung vom 13. Juli 2000 zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, daß nach ihrer vorläufigen Auffassung im wesentlichen zu diskutieren sei, ob der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Bei dieser Diskussion erschiene nebst der D1 auch noch die D2 oder D7 als relevant, weil sie eine Faltung der Seitenabschnitte offenbarten, um eine stabile Verpackung von mehreren, übereinander stapelbaren Produkten auf einfache Weise zu erzielen.

VII. Eine mündliche Verhandlung hat am 1. Dezember 2000 vor der Kammer stattgefunden.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der am 19. Mai 1998 eingereichten Unterlagen (Anspruch 1, neue Beschreibung) und der erteilten Zeichnungen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Als nächstliegender Stand der Technik müsse D1 gelten, weil diese Druckschrift ein Windelhöschen betreffe, das die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Patents offenbare. Da in D1 eine Verpackung der Windelhöschen nicht angesprochen sei, seien die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 neu in Bezug auf diesem Stand der Technik.

Gemäß D1 seien zwar Seitenabschnitte an dem Windelhöschen vorhanden, ein Hinweis auf die beanspruchte Faltung sei dieser Druckschrift aber nicht zu entnehmen.

Die D2 und D7 zeigten die Seitenabschnitte einer Windel nach innen, d. h. in Richtung auf eine in Längsrichtung verlaufende Mittellinie zwischen Vorderteil und Hinterteil der Windel, einzuschlagen, wenn es um das Problem der Verpackung von Windeln gehe. Durch die Lösung nach D2 werde jedoch kein Hinweis vermittelt, die Einschlagsfaltung weiter nach innen zu verlegen, und bei der Ausgestaltung nach der D7 sei die Einschlagsfalte bewußt in den Absorptionskern selbst hineingelegt worden. Daher würde weder D2 noch D7 dem Fachmann einen Hinweis auf die beanspruchte Faltweise gemäß Anspruch 1 geben.

IX. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Wenn ausgehend von dem in D1 offenbarten Windelhöschen der Fachmann sich die Aufgabe der Verpackung dieser Windelhöschen stelle, sei in D2 oder in D7 schon die allgemeine Lehre offenbart, verhältnismäßig "schlappe" Seitenabschnitte der Windel nach innen zu falten, damit eine platzsparende Verpackung möglich werde.

Insbesondere zeigten D2 und D7, die Seitenabschnitte so weit umzuklappen, wie es für eine verpackungsgerechte Form der Windel (D2) nötig sei, oder bis zu einer Stelle, an der der Widerstand bei der Faltung der Windel noch leicht überwunden werden könne. Die Anwendung dieser allgemeinen Lehre bei der aus der D1 bekannten Höschenwindel führe den Fachmann unmittelbar zum beanspruchten Gegenstand.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Der geänderte Anspruch 1 basiert auf dem erteilten Anspruch 1; er enthält zusätzlich das Merkmal, nach dem "die Umschlagsfaltung der Seitenabschnitte entlang wenigstens einem Teil des Seitenrandes des absorbierenden Kerns auftritt".

Dieses Merkmal ist auf Seite 2, Zeilen 54 und 55 der Beschreibung des Patents offenbart bzw. in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf Seite 2, Zeile 36 bis Seite 3, Zeile 2. Dieses weitere Merkmal schränkt den Schutzbereich des Patents ein.

Weiter ist im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1, wonach der "die Seitenabschnitte auf eine in Längsrichtung verlaufende Mittellinie der Windel zu zumindest bis zum Rand des Absorptionskerns eingeschlagen sind", das Wort "zumindest" weggelassen. Diese Änderung schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 ein auf ein Windelhöschen, bei dem die Faltung der Seitenabschnitte bis zum Rand des Absorptionskerns eingeschlagen wird; sie entspricht außerdem den Ausführungsformen nach den Figuren 3 bis 6, wie sie im erteilten Patent und in der ursprünglich eingereichten Anmeldung beschrieben werden.

2.2. Die Änderungen sind somit unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

2.3. Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, daß schon im erteilten Anspruch 1 das Merkmal, nach dem die Seitenabschnitte bis zum Rand des Absorptionskerns eingeschlagen sind, nicht die erforderliche Klarheit aufweise, weil die Lage der Faltlinie bei fehlender Definition des Randes des Absorptionskerns nicht eindeutig sei.

Nach Auffassung der Kammer kann jedoch die Frage der Klarheit - welche in diesem Fall zu erörtern wäre, weil es um einen geänderten Anspruch geht - dahingestellt bleiben, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt.

3. Neuheit

Die Neuheit des beanspruchten Windelhöschens folgt schon daraus, daß keines der im Stand der Technik offenbarten Windelhöschen eingeschlagene Längsseitenbereiche offenbart.

Das Windelhöschen nach Patentanspruch 1 ist somit neu (Artikel 54 (1) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Aus der Beschreibung des angefochtenen Patents ist abzuleiten, daß es bei Windelhöschen mit der aus der D1 bekannten sanduhrförmigen Gestalt schwierig ist, ein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild der jeweiligen Verpackung zu erreichen, zumal die Windelhöschen aufgrund des Volumens des absorbierenden Kerns und der Kontraktion der um die Bein- und Hüftöffnungen angeordneten elastischen Elemente dazu neigen, eine unförmige Gestalt anzunehmen. Um eine derartige Windel so flach wie möglich anzuordnen, seien für den Verpackungsvorgang nicht nur eine umfangreiche Ausrüstung, sondern auch ein erhöhter Arbeitsaufwand erforderlich (vgl. Seite 2, Zeilen 20 bis 28).

4.2. Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe ist daher darin zu sehen, Höschenwindeln auf einer Fertigungsstraße so zu verpacken, daß sie eine ansprechende äußere Erscheinungsform aufweisen und leicht zu handhaben ist (Seite 2, Zeilen 45 bis 48).

4.3. Diese Aufgabe wird durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, insbesondere durch das Einschlagen der Seitenabschnitte nach innen in Richtung zur Mittellinie der Windelhöschen derart, daß die Seitenabschnitte zwischen dem Vorderteil und dem Hinterteil angeordnet sind und die Umschlagsfaltung der Seitenabschnitte bis zum Rand, d. h. entlang wenigstens einem Teil des Seitenrandes des Absorptionkerns, eingeschlagen wird.

Durch diese Merkmale wird erreicht, daß die Breite der gefalteten Windelhöschen reduziert werden kann und die relativ "schlappen" Längsseitenbereiche zwischen dem Vorder- und Hinterteil fixiert werden können. Ein derart gefaltetes Windelhöschen behält seine äußere Form und bietet eine einfache, platzsparende Verpackungsmöglichkeit.

4.4. Zur Lösung der gestellten Aufgabe ist es jedoch schon aus den Dokumenten D2 und D7 bekannt, Seitenbereiche einer Windel zwischen Vorder- und Hinterteil der Windel zu falten und damit eine platzsparende Verpackung zu erreichen.

Obwohl sich die D2 und D7 mit Windeln befassen und nicht mit Höschenwindeln, sucht der Fachmann nach Auffassung der Kammer die Lösung der gestellten Aufgabe unabhängig davon, um welche Art von Windeln es sich handelt. Denn die Verpackungsproblematik stellt sich im wesentlichen als Folge der äußeren Form, im vorliegenden Fall also der Sanduhrform und der Kontraktion der elastischen Elemente der Windel (siehe Punkt 4.1), die bei den Windeln nach D2 und D7 ebenfalls vorhanden sind.

Nach Auffassung der Kammer entnimmt der Fachmann daher sowohl aus der D2 als auch aus der D7 den allgemeinen Hinweis, die instabilen, also relativ "schlappen", Seitenbereiche einer Windel zwischen Vorder- und Hinterteil zu falten, um eine einfache Verpackung solcher Windeln zu erreichen.

4.5. Die Beschwerdeführerin machte ferner geltend, daß in der D2 bewußt vermieden wurde, die Einschlagsfalte weiter nach innen zu verlegen, wohingegen bei D7 die Einschlagsfalte bewußt in den saugfähigen Kern hineingelegt worden sei.

Die Frage, wie weit die Abschnitte in Richtung zur Mittellinie eingeschlagen werden sollen, ist jedoch offensichtlich von den weiteren Gegebenheiten der Windel in bezug auf die Faltbarkeit des Materials abhängig, wie dies ebenfalls in D2 und D7 gezeigt wird. In diesem Zusammenhang ist der D2 auch zu entnehmen, daß die Seitenabschnitte bis zum Schrittbereich ("zone d'entrejambe") eingeschlagen werden (siehe Seite 8, Zeilen 19 bis 31), wo die absorbierende Schicht dicker ist als an den eingeschlagenen Seitenabschnitten, um so eine gleichmäßige Dicke der gefalteten Windel zu erreichen.

Bei der D7 ist ebenfalls ein steiferer und auch dickerer saugfähiger Kern vorhanden und die Faltlinien 25 reichen dicht an diesen Kern heran.

4.6. Die naheliegende Anwendung der aufgezeigten Lehre führt dazu, daß zur Erzielung der angestrebten platzsparenden Verpackung der Fachmann die relativ weichen und leicht zu faltenden Seitenteile der bekannten Höschenwindel nach der D1 in Richtung der Mittellinie falten wird und zwar so weit, daß die Faltlinie nicht durch den dickeren Absorptionskern verläuft, um so eine gleichmäßige Dicke des gefalteten Windelhöschens zu erreichen.

Eine solche naheliegende Anwendung des aus D2 und D7 bekannten Faltverfahrens führt unmittelbar zu der in den Figuren 3 und 4 des angefochtenen Patents gezeigten Ausführungsform des Windelhöschen nach Anspruch 1. Daher ist zumindest diese Ausführungsform nach Anspruch 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar, und folglich kann das Patent mit diesem Anspruch 1 nicht aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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