European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T091597.20000626 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Juni 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0915/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89730212.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61B 19/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Folienüberzug zum Schutz eines chirurgischen Instruments | ||||||||
Name des Anmelders: | BIOMET Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (I) MICROTEK MEDICAL INC. (II) Udo Heisig GMBH (III) SENGEWALD Klinikprodukte GmbH (IV) P. J. Dahlhausen & Co. GmbH |
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Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) - nach Änderung | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 12. August 1997 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Juni 1997, das Patent Nr. 371 909 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 22. Oktober 1997 eingegangen.
Das Patent war von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende II und III) aus Gründen des Artikels 100 a) EPÜ (Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit) angegriffen worden.
II. Die Einspruchsabteilung war zur Auffassung gelangt, daß das Patent wegen Mangels an erfinderischer Tätigkeit nicht aufrechterhalten werden konnte.
III. Folgende Entgegenhaltungen wurden in der Entscheidung berücksichtigt:
Eine offenkundige Vorbenutzung, die durch die Vernehmung des Zeugen Herrn Bernd Udo Heisig und ein vorgelegtes Muster bewiesen wurde (nächstliegender Stand der Technik); sowie die Druckschriften
D1: DE-C-808 362
D2: DE-A-2 527 695
D3: EP-A-201 257
D4: WO-A-81/03609.
Die Beschwerdegegnerin II führte mit ihrem Erwiderungsschreiben folgende weitere Druckschriften ein:
D6: DE-A-7 925 649
D7: DE-A-3 136 802.
IV. Mit Schreiben vom 21. September 1999 reichte die Beschwerdeführerin ein geändertes Patentbegehren ein, worauf die beiden Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 4. Oktober 1999 bzw. vom 27. Oktober 1999 ihre Einsprüche zurückzogen. Zwei weitere Einsprechende waren schon im Einspruchsverfahren ausgeschieden.
V. Mit Bescheid vom 14. Februar 2000 teilte die Kammer die vorläufige Auffassung mit, daß der Oberbegriff vom Anspruch 1 den aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannten Gegenstand nicht zutreffend wiedergab.
Mit Schreiben vom 1. März 2000 ging die Beschwerdeführerin auf den Einwand der Kammer ein und reichte einen neuen Anspruch 1 sowie neue Beschreibungsseiten 1 und 2 ein, die dem Einwand der Kammer Rechnung trugen.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
VI. Anspruch 1 in der mit Brief vom 1. März 2000 eingereichten Fassung lautet (die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung wurden seitens der Kammer unterstrichen):
"Folienüberzug zum Schutz eines stabartigen chirurgischen Instruments mit einem eine Einstecköffnung (4) aufweisenden Folienschlauch (1), wobei die Einstecköffnung (4) zwei, einander gegenüberliegende, im wesentlichen deckungsgleiche Seitenkanten (9a, 9b) aufweisende, flexible, blattförmige Auskleidungen (6a/6b) aufweist, wobei der Folienschlauch (1) eine Steckfaltung und eine von der Einstecköffnung (4) gegenüberliegende Ausgangsöffnung (17) aufweist, durch die mindestens ein Teilbereich des stabartigen chirurgischen Instruments hindurchsteckbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die den Folienschlauch (1) im Bereich der Einstecköffnung (4) verstärkende Auskleidungen (6a/6b) bei geschlossener Einstecköffnung (4) vollflächig aufeinanderliegen und soweit in die Einstecköffnung (4) hineinragen, daß sie die zu der Einstecköffnung hinweisenden Faltensäume (7a, 7b, 7c) der Steckfaltung überragen und daß zur Öffnung der Einstecköffnung (4) die Auskleidungen (6a/6b) durch Druck auf die Seitenkanten (9a/9b) maulartig auseinanderspreizbar sind."
VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:
Die Einsprüche seien unzulässig gewesen. Die von der Einsprechenden II eingereichten Beweismittel (Muster und Preisliste) reichten zur Glaubhaftmachung der behaupteten Vorbenutzung nicht aus. Ferner sei das Vorbringen der Einsprechenden III unbegründet in dem Sinne, daß ihre Argumentation nicht überzeugend sei. Siehe Schriftsätze im Anspruchsverfahren, Abschnitt II und III des Briefes vom 20. Februar 1995 und Punkt 3 des Briefes vom 10. Februar 1997.
Von der offenkundigen Vorbenutzung ausgehend, die unbestritten den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, sei folgendes zu bemerken:
Die verstärkende Auskleidung diene zur Wahrung der Sterilität. Der zuständige Fachmann würde nie die in der angegriffenen Entscheidung genannten Druckschriften hineinziehen. Die Alltagserfahrung sei auch nicht ausschlaggebend. Druckschrift D3 weise einen Gegenstand auf, der zur Erzeugung einer Öffnung diene und nicht eine Öffnung auskleide. Die Öffnung diene dort ferner nicht zur Einführung eines stabartigen Gegenstandes. Druckschrift D1 weise Auskleidungen auf, die nicht vollflächig aufeinander lagen. Dasselbe gelte für Druckschrift D4 (siehe Figur 2). Die erfinderische Tätigkeit bestimmt sich dadurch, ob etwas naheliegend und nicht - worauf die angegriffene Entscheidung abstellt - ob etwas "nicht vollkommen abwegig" sei. Als Beweisanzeichen für die erfinderische Tätigkeit sei der wirtschaftliche Erfolg zu nennen.
Die neu hinzugefügten Merkmale haben, in Kombination mit den übrigen Merkmalen, die Funktion, die Auskleidungen mit dem steckgefalteten Bereich der Folie nach außen zu spreizen, so daß das stabartige chirurgische Instrument sich nicht in den Faltensäumen verfangen und in den Folienüberzug sicher und zuverlässig eingeführt werden könne. Dies sei erst möglich, wenn tatsächlich alle Steckfaltungen von den spreizbaren Auskleidungen überragt und beim Spreizen mit nach außen genommen werden.
Die Druckschriften D6 und D7 seien verspätet und irrelevant und daher nicht zu berücksichtigen. Sie seien ferner gattungsfremd, da sie Urinbeutel und nicht die Endoskopie betrafen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Einsprüche
Der Einspruch der Einsprechenden II ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin zulässig. Ein Muster und eine Preisliste, zusammen mit einem Zeugenangebot bilden eine ausreichende Substantiierung einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung.
Bezüglich des Einspruchs der Einsprechenden III ist zu bemerken, daß die Zulässigkeit eines Einspruchs nicht von der Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente abhängt, sondern davon, ob die Einspruchsschrift vom Inhalt her geeignet ist, das Vorbringen des Einsprechenden objektiv verständlich zu machen, so daß sowohl der Patentinhaber als auch die Einspruchsabteilung ohne unzumutbaren Aufwand nachvollziehen können, was gegen das Patent vorgebracht wurde (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Auflage 1998, Pkt. 8.5.1 auf Seite 479 ff.).
3. Artikel 123 EPÜ
Die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen erfüllen die Voraussetzungen des Artikels 123 EPÜ, da sie durch Blatt 8, Zeilen 18 bis 21 der ursprünglichen Unterlagen gestützt sind. Der Schutzbereich wird durch die Einfügung auch nicht erweitert.
Die Änderungen in der Beschreibung bestehen aus der Würdigung der offenkundigen Vorbenutzung (Seite 2, 4. Absatz).
4. Erfinderische Tätigkeit
Auch von der Patentinhaberin wird nicht mehr bestritten (siehe die mit Schreiben vom 1. März 2000 eingereichte Anspruchsfassung), daß folgende Merkmale des Anspruchs 1 durch die offenkundige Vorbenutzung bekannt sind (wobei die Merkmalanalyse der Einsprechenden II hier übernommen wurde):
a) Folienüberzug zum Schutz eines stabartigen chirurgischen Instruments
b) mit einem eine Einstecköffnung aufweisenden Folienschlauch,
c) wobei die Einstecköffnung flexible, blattförmige Auskleidungen aufweist,
d) wobei zwei Auskleidungen vorgesehen sind, die einander gegenüberliegende, im wesentlichen deckungsgleiche Seitenkanten aufweisen,
e) wobei der Folienschlauch eine Steckfaltung und eine von der Einstecköffnung gegenüberliegende Ausgangsöffnung aufweist (wobei sie durch Abtrennung der Spitze entlang einer zu diesem Zweck vorgesehenen Perforation gebildet wird),
f) durch die mindestens ein Teilbereich des stabartigen chirurgischen Instruments hindurchsteckbar ist.
Die weiteren unterscheidenden Merkmale:
g) daß die den Folienschlauch (1) im Bereich der Einstecköffnung (4) verstärkende Auskleidungen (6a/6b) bei geschlossener Einstecköffnung (4) vollflächig aufeinanderliegen,
g1) und soweit in die Einstecköffnung (4) hineinragen, daß sie die zu der Einstecköffnung hinweisenden Faltensäume (7a, 7b, 7c) der Steckfaltung überragen
h) und daß zur Öffnung der Einstecköffnung (4) die Auskleidungen (6a/6b) durch Druck auf die Seitenkanten (9a/9b) maulartig auseinanderspreizbar sind.
sind nicht bekannt.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Einführung eines chirurgischen Instruments zu erleichtern. Die Lösung, bestehend aus zwei verstärkenden aufeinanderliegenden, maulartig auseinanderspreizbaren Auskleidungen nach Anspruch 1, ist durch die entgegengehaltenen Druckschriften nicht nahegelegt.
Zwar sind ähnliche Verschlüsse allgemein bekannt, die die Merkmale g) und h) aufweisen, zum Beispiel für Geldbeutel (D1), für Behälter für Fische, Thermosflaschen usw. (D2), für Verpackungen für Zucker (D3) und für Urinbeutel (D4). Jedoch ist die Übertragung auf einen Folienschlauch in dem Spezialgebiet der Erfindung nicht selbstverständlich. Anders als bei einer einfachen Beutelöffnung handelt es sich hier um einen gefalteten Schlauch zum Einführen eines länglichen Gegenstandes, so daß die Falten beim Einführen sich nicht verhacken und kein Hindernis bilden. Außerdem ist das Merkmal des Überragens der Faltensäume (Merkmal g1) aus dem vorliegenden Stand der Technik nicht bekannt. Der Fachmann auf dem Gebiet kann im Stand der Technik keine Anregung finden, um die Lasche zur Erleichterung der Einführung in den offenkundig vorbenutzten Folienschlauch durch die Auskleidungen nach Anspruch 1 zu ersetzen. Wegen des komplizierten Herstellungsverfahrens und der hohen Herstellungskosten wird er eher von einer solchen Vorgehensweise abgehalten.
Die verspätet vorgebrachten Druckschriften D6 und D7 sind nicht relevanter als das gewürdigte Druckschrift D4 und brauchen daher nicht besonders erörtert zu werden.
Dementsprechend beruht Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Anspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 1. März 2000, Ansprüche 2 bis 12, wie erteilt;
- Beschreibung Seiten 1, 2, eingereicht mit Schreiben vom 1. März 2000;
- Beschreibung Spalte 2, Zeile 6 bis Spalte 7, Zeile 43, gemäß EP-B-371 909;
- Figuren gemäß EP-B-371 909.