European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T091397.20010329 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 März 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0913/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90101197.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C01B 33/32 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Kaliumsilikatlösungen mit hohem SiO2:K2O-Molverhältnis | ||||||||
Name des Anmelders: | Cognis Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Crosfield Ltd | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit (ja): kein Widerspruch im Wortlaut des Anspruchs Erfinderische Tätigkeit (ja): nicht nahegelegte Modifikation |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents mit der Veröffentlichungsnummer 0 380 998. Das Patent wurde mit einem Satz von 5 Ansprüchen erteilt, wobei der einzige unabhängige Anspruch 1 lautete:
"Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Kaliumsilikatlösungen mit hohem SiO2 : K2O-Molverhältnis durch Umsetzung eines kristallinen Siliciumdioxids mit wäßriger Kaliumhydroxidlösung, dadurch gekennzeichnet, daß man als kristallines Siliciumdioxid einen bei Temperaturen im Bereich von über 1100 C bis zum Schmelzpunkt getemperten Quarz und diesen getemperten Quarz mit wäßriger Kaliumhydroxidlösung in einem Konzentrationsbereich von 10 bis 40 Gew.-% bei Temperaturen von 150 bis 300 C und den diesen Temperaturen entsprechenden Drücken von gesättigtem Wasserdampf in einem geschlossenen Druckreaktor umsetzt."
II. Gegen das Patent wurde mit der Begründung eingesprochen, daß der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Von den im Einspruchsverfahren genannten 12. Entgegenhaltungen wird in der vorliegenden Entscheidung auf die folgenden Bezug genommen:
D1: GB-A-1 216 124
D4: GB-A-2 078 701
D7: Winnacker-Küchler, Chemische Technologie, Band 3, 4. Auflage, 1983, Seite 61 ff. D9: Derwent, AN 88-052614
D10: Derwent, AN 74-57518V
D11: Petzold/Hinz, Silikatchemie, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (1976), Seiten 90 und 150 bis 156.
IV. Die Einspruchsabteilung war im wesentlichen der Auffassung, das Verfahren gemäß Anspruch 1 könne zwar als zu dem aus D1 bekannten Verfahren zur Herstellung von hochmoduligem Natriumwasserglas analoges Verfahren betrachtet werden. Dieser "Äquivalenzthese" stünde jedoch die Lehre gemäß D7 entgegen. Daran würde D1 auch nichts ändern. Auf der anderen Seite offenbare D4 als einziger Stand der Technik ein zweistufiges Verfahren zur Herstellung von hochmoduligem Kaliwasserglas. Gemäß D4 wurde jedoch der Aufwand, den der Einsatz von Autoklaven nach sich ziehe, vermieden und stattdessen ein aufwendig aufbereitetes Schichtsilikat als aktive SiO2-Quelle eingesetzt. Daraus zog die Einspruchsabteilung den Schluß, daß das beanspruchte Verfahren durch die angeführten Entgegenhaltungen nicht nahegelegt werde.
V. Die Beschwerde der Einsprechenden richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
VI. Im Beschwerdeverfahren wurden von beiden Parteien insgesamt 11 Entgegenhaltungen erstmals genannt, unter anderem die folgenden:
D13: DE-A-3 313 814
D18: WO-A-91/18834 (publiziert am 12. Dezember 1991)
D19: DE-A-1 900 066
D20: JP-A-59 182 225.
VII. Mit der Erwiderung vom 15. Januar 1998 reichte die Beschwerdegegnerin zwei neue Sätze von Patentansprüchen als Basis für einen 1. und 2. Hilfsantrag ein.
VIII. Ein neuer Satz von 4 Ansprüchen wurde als Basis für einen 3. Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung am 29. März 2001 eingereicht.
IX. Die schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Aus D11 sei ersichtlich, daß durch Schmelzen von Quarz hauptsächlich amorphe Kieselsäure entstehe. Somit sei der Wortlaut des Anspruchs 1 in sich widersprüchlich.
- Als nächstliegender Stand der Technik sei die Entgegenhaltung D1 zu betrachten, welche speziell die Herstellung von hochmoduligem Natriumsilikat offenbare.
- Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei lediglich ein naheliegendes Analogverfahren zur Herstellung von Kaliumsilikat. Diese "Äquivalenzthese" werde durch D9, D10 und D20 bestätigt.
- Aus D7 könne im Lichte von D13 kein Vorurteil gegen diese "Äquivalenzthese" hergeleitet werden.
- Anstelle von D1 käme auch D4 als nächstliegender Stand der Technik in Frage. In dem Falle sei der beanspruchte Gegenstand naheliegend durch Kombination von D4 mit D20.
X. Die Beschwerdegegnerin hat folgendes vorgetragen:
- Anspruch 1 sei nur auf den Einsatz kristalliner Kieselsäure gerichtet. Für das beanspruchte Verfahren sei amorphes Material irrelevant. Daher enthalte der Anspruch auch keinen Widerspruch.
- Es sei im Lichte von D19 klar ersichtlich, daß D1 nur die Herstellung von Natriumwasserglas betreffe.
- In D7 werde festgestellt, daß Kaliumwasserglaslösungen sich nicht in gleicher Weise wie Natriumwasserglaslösungen herstellen lassen. Ähnliches sei D18 zu entnehmen. Die von der Beschwerdeführerin vertretene "Äquivalenzthese" und die darauf basierende Schlußfolgerung sei daher auf eine rückschauende Betrachtung des Standes der Technik zurückzuführen.
XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung waren die Anträge wie folgt:
- Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 380 998.
- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise, das Patent im Umfang der mit dem Schreiben vom 15. Januar 1998 eingereichten Patentansprüche gemäß 1. oder 2. Hilfsantrag oder im Umfang der Ansprüche 1 bis 4, überreicht während der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 3), aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Klarheit, Auslegung des Patentanspruchs 1
1.1. Mangelnde Klarheit der Patentansprüche ist prinzipiell kein Einspruchsgrund. Im vorliegenden Fall enthält der Patentanspruch jedoch Begriffe, deren Bedeutung strittig ist. Daher ist vor der Prüfung des Einspruchsgrunds der mangelnden Patentierbarkeit der Umfang des Schutzbegehrens durch Auslegung dieser Begriffe zu ermitteln.
1.2. Für Kenntnisse über die Phasenumwandlungen von Quarz durch Kalzinierung haben sich die Parteien auf D11 berufen. Aus dieser Druckschrift kann die Kammer eindeutig entnehmen, daß sich Quarz im Temperaturbereich zwischen 1100 C und dem Schmelzpunkt, wenn auch langsam, in kristallines Siliziumdioxid, speziell Cristobalit, umwandelt (vgl. Tabelle 10.3 und Seite 153, Absatz 1). Daher sieht die Kammer keinen Widerspruch zwischen einerseits der Maßnahme gemäß Anspruch 1, kristallines Siliciumdioxid einzusetzen, und der Bedingung andererseits, daß dieses kristalline Siliciumdioxid ein bei Temperaturen im Bereich von über 1100 C bis zum Schmelzpunkt getemperter Quarz ist. Für die Auslegung des Anspruchs 1 ist es dabei unerheblich, ob und in welchem Ausmaß auch amorphes Material beim Tempern von Quarz entsteht.
1.3. Das Merkmal "mit hohem SiO2 : K2O-Molverhältnis" legt keinen konkreten Zahlenbereich fest.
Der Begriff "hohes" Alkalimetall : SiO2-Verhältnis wird z. B. in D1 und D20 verwendet (vgl. D1, Seite 2, Zeilen 16 bis 24 bzw. D20, Seite 1, letzter Absatz und Seite 2, 1. und 3. Absatz). Es ist ferner unbestritten, daß die nach D4 erhältlichen Produkte ein "hohes" Alkalimetall : SiO2-Verhältnis aufweisen. Der in Anspruch 1 verwendete Ausdruck mag also wenig exakt sein, hat aber nichtsdestoweniger eine für den Fachmann verständliche Bedeutung. Da das betreffende Merkmal im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 enthalten ist, wird es in der folgenden Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in derselben Weise wie im Stand der Technik interpretiert.
2. Neuheit
Ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Kaliumsilikatlösungen unter Einsatz von getempertem Quarz als kristallinem Siliziumdioxid ist in keinem Dokument des vorliegenden Standes der Technik offenbart. Die Neuheit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 wurde auch nicht bestritten.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Kaliumsilikatlösungen mit hohem SiO2 : K2O-Molverhältnis durch hydrothermale Umsetzung eines kristallinen Siliciumdioxids mit wäßriger Kaliumhydroxidlösung.
3.2. Die Kammer kann die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht teilen, daß D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Aus D1 kann zwar entnommen werden, daß für die Umsetzung mit Siliziumdioxid andere Alkalimetallhydroxyde als Natronlauge verwendbar sind (Seite 2, Zeilen 21 bis 25). Eine konkrete technische Lehre zur Herstellung der patentgemäß erhältlichen Produkte enthält diese Druckschrift jedoch nicht (näheres hierzu siehe Punkte 4.1 - 4.5).
Die Kammer sieht daher D4 als nächstliegenden Stand der Technik an, nachdem dieser sich mit der Synthese nicht nur allgemein von Alkalimetallsilikaten, sondern auch speziell von Kaliumsilikatlösungen befaßt (Beispiel 2).
3.3. Gegenüber dem Verfahren gemäß D4 kann die Kammer die technische Aufgabe darin sehen, ein weiteres Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches die hydrothermale Herstellung von hochmoduligen Kaliumsilikatlösungen ermöglicht.
3.4. Die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Lösung der gestellten Aufgabe unterscheiden sich im wesentlichen von dem Verfahren nach D4 darin, daß
i) als kristallines Siliciumdioxid getemperter Quarz verwendet und
(ii) dieser mit wäßriger Kaliumhydroxidlösung bei Temperaturen von 150 bis 300 C und den diesen Temperaturen entsprechenden Drücken von gesättigtem Wasserdampf umgesetzt wird.
3.5. Es ist unbestritten, daß Kaliumsilikatlösungen mit ähnlich hohen SiO2 : K2O-Molverhältnissen wie gemäß D4 durch das beanspruchte Verfahren erhältlich sind (vgl. Streitpatent, Tabelle Seite 6 und D4, Beispiel 2). Somit wird diese technische Aufgabe auch tatsächlich gelöst.
3.6. Es bleibt zu klären, ob die vorgeschlagene Lösung der gestellten Aufgabe durch den einschlägigen Stand der Technik nahegelegt wurde.
3.6.1. Als Siliziumdioxidquelle wird in D4 aktivierte Kieselsäure eingesetzt, die vorzugsweise durch chemische Behandlung von Serpentin erhalten wird (Seite 1, Zeilen 90 bis 91, Zeilen 101 bis 110). Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß im Lichte der Lehre von D20 getemperter Quarz auch als aktivierte Kieselsäure angesehen werde (siehe Seite 4, letzter vollständiger Absatz). Somit sei es naheliegend gewesen, das Verfahren gemäß D4 in der Weise zu modifizieren, daß man getemperten Quarz anstelle des chemisch behandelten Serpentins mit Kalilauge zur Reaktion bringt.
Die Kammer stellt jedoch fest, daß D4 keine weitere Beispiele für aktivierte Kieselsäure als das Produkt der Umsetzung von Serpentin der Korngröße von 1 bis 3 mm mit verdünnter Salzsäure nennt. Auf der anderen Seite lehrt D20 ebenso wie D1 konkret nur die Herstellung von Natriumsilikatlösungen.
3.6.2. Ferner, obwohl der Titel ein hydrothermales Verfahren zur direkten Synthese von Alkalimetallsilikaten ankündigt, wird in D4 die Anwendung erhöhter Drücke ausdrücklich vermieden (siehe Seite 1, Zeilen 80 bis 87). In der Tat wird das offenbarte Verfahren bei Temperaturen zwischen 60 und 110 C und atmosphärischem Druck durchgeführt (Zusammenfassung; Seite 1, Zeilen 88 bis 93 und Anspruch 1). Diese Bedingungen liegen somit außerhalb des in Anspruch 1 festgelegten Temperaturbereichs von 150 bis 300 C und der diesen Temperaturen entsprechenden Drücke von gesättigtem Wasserdampf.
3.6.3. Die Kammer kann daher aus D20 nicht entnehmen, daß der Fachmann getemperten Quarz als "aktivierte Kieselsäure" im Sinne von D4 in Betracht ziehen würde. Darüber hinaus würde keinesfalls der bloße Ersatz der speziellen aktivierten Kieselsäure durch getemperten Quarz im Verfahren gemäß D4 zum Verfahren gemäß Anspruch 1 führen, da zusätzlich Reaktionstemperatur und -druck geändert werden müßte. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit aus D4 in Kombination mit speziell D20 nicht herleitbar. Nachdem keine der weiteren im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften in diesem Zusammenhang relevante Informationen enthält, beruht der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Die Kammer wäre nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen, wenn sie von D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen wäre.
4.1. D1 betrifft ein hydrothermales Verfahren zur Herstellung von hochmoduligen Metallsilikatlösungen. Für das Verfahren können mikrokristalline und kryptokristalline Siliziumdioxide, und zwar sowohl hydratisierte wie nicht hydratisierte, verwendet werden. Beispiele hydratisierter Siliziumdioxidsorten sind Opal und Chalcedon in ihren verschiedenen Formen und Diatomit. Als Beispiel für eine nicht hydratisierte Siliziumdioxidart ist Tripoli genannt, das auch als amorphes Siliziumdioxid bekannt ist. Bevorzugt wird gemäß D1 wasserhaltiges Opalgestein, das mit einem Alkalimetallhydroxid, vorzugsweise Natronlauge, oder mit einem Alkalimetallcarbonat bei Temperaturen zwischen 110 und 130 C und unter Druck umgesetzt wird (Seite 1, Zeilen 61 bis 78 und Seite 2, Zeilen 23 bis 46).
4.1.1. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit folgen, daß aus D1 klar hervorgeht, daß Quarz und Cristobalit Bestandteile des Opalgesteins sind. Die Analysendaten zeigen jedoch, daß Opalgestein auch freies Wasser und gebundenes Wasser enthält, wobei der Gehalt an freiem und gebundenem Wasser durch Erhitzen bei 105 C bzw. 400 C, bis zur Gewichtskonstanz bestimmt wird (Seite 2, Zeilen 47 bis 60). Die Kammer hat auf der anderen Seite keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein bei Temperaturen ab 1100 C getemperter Quarz noch Wasser enthält. Selbst wenn mann zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgeht, daß der Fachmann Anlaß gehabt hätte, für das Verfahren gemäß D1 Opalgestein als Siliziumdioxidquelle auszuwählen, so kann dies ihn nicht dazu anregen, das hydratisierte Opalgestein durch getemperten Quarz zu ersetzen.
4.1.2. Von der Wahl des einzusetzenden Siliziumdioxids abgesehen, hält die Kammer es nicht für glaubhaft, daß Natrium- und Kaliumsilikatlösungen sich prinzipiell analog verhalten. Der das allgemeine Fachwissen repräsentierende Inhalt des Handbuchs D7 zeigt nämlich, daß der Fachmann erhebliche Bedenken dagegen haben mußte, eine für Natriumsilikat geltende Lehre mit einiger Aussicht auf Erfolg auf die Herstellung von Kalisilikat zu übertragen. In D7 wird ausgeführt, daß der Aufschluß von Quarzsand in Natronlauge bei Temperaturen oberhalb 170 C mit ausreichender Geschwindigkeit gelinge; Kaliwasserglas lasse sich jedoch auf diesem Weg nicht herstellen (Seite 61, letzter Absatz bis Seite 62, Absatz 2).
4.2. Die Kammer kann in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften einen Anhaltspunkt dafür finden, daß der Fachmann trotz des sich aus D7 ergebenden Fachwissens unter den bekannten Verfahren zur Herstellung von hochmoduligen Natriumsilikatlösungen nach Lösungen für die hier bestehende Aufgabe der hydrothermalen Herstellung hochmoduliger Kaliumsilikatlösungen gesucht hätte.
4.2.1. In der nach dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichten Druckschrift D18 wird erwähnt, daß Verfahren zur Herstellung von Natriumwasserglas mit Cristobalit bekannt seien. Der Fachmann könne jedoch aus dem Stand der Technik nicht ableiten, Cristobalit mit gutem Ergebnis zur Herstellung von Kaliwasserglas einzusetzen (Seite 2, Zeilen 19 bis 25).
4.2.2. D9 betrifft die Herstellung von Kalziumsilikat aus Cristobalit und Kalk. Die Beschwerdeführerin hat nicht angegeben, und es entgeht der Kammer, warum diese Offenbarung relevant für die hier zu klärende Frage ist. Die gleiche Feststellung gilt ebenso der Entgegenhaltung D10, welche die Herstellung von aufgeschäumten Silikaten aus Cristobalit, Tridymit oder Opal offenbart.
4.2.3. D20 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Alkalisilikaten, bei dem hochreines Siliziumdioxid in Anwesenheit von Alkalimetallsalz thermisch behandelt und anschließend mit Alkalihydroxid unter hydrothermalen Bedingungen umgesetzt wird (Anspruch 1). Es wird ferner bemerkt, daß das ursprüngliche Siliziumdioxid vom Quarztyp ist und die thermische Behandlung bevorzugt im Temperaturbereich von 1300 bis 1500 C durchgeführt wird (Seite 4, Absätze 1 und 2). In Zusammenhang mit Alkalisilikaten wird jedoch nur das Verhältnis Siliziumdioxid/Natriumoxid spezifiziert (siehe Seite 1, letzter Absatz; Seite 2, Absätze 1 und 3; Seite 3, letzter Absatz, Seite 4, Absätze 1 und 2; Seite 5, Absatz 1; Beispiele 1 bis 4). Auch wird in dieser Entgegenhaltung kein Verhältnis Siliziumdioxid zu Kaliumoxid speziell erwähnt.
4.3. Die Beschwerdeführerin hat gegen die in D7 zum Ausdruck gebrachten Bedenken eingewandt, aus D13 sei bereits bekannt, sowohl hochmoduliges Natriumwasserglas als auch Kaliumwasserglas herzustellen, das ein höheres SiO2 : K2O-Verhältnis aufweist als nach D7 erwartet werden konnte.
D13 betrifft die Herstellung von Silikatlösungen mit hohem SiO2/Me2O-Gewichtsverhältnis (Seite 5, Zeilen 33 bis 34). Dieses Verhältnis wird unter anderem von der Konzentration der eingesetzten Alkalilösung beeinflußt (Seite 6, Zeilen 13 bis 17). Als genügend reich an SiO2 werden Natriumsilikatlösungen betrachtet, deren Gewichtsverhältnis SiO2/Na2O zwischen 2 und 2.5 liegt (Seite 5, Zeilen 12 bis 17). Diese werden durch Aufschluß von Siliziumdioxid mit Natriumlauge erhalten, die eine Konzentration an Na2O zwischen 8,9 und 28,6 Gewichtsprozent hat (Seite 6, Zeilen 27 bis 33). Ein Konzentrationsbereich für die eventuell zu verwendende Kalilauge wird nicht angegeben; es scheint jedoch derselbe Bereich in Betracht zu kommen (Seite 6, Zeilen 14 bis 27). Im Beispiel 1 wird eine Natronlauge mit einer Konzentration an Na2O von 19,6 Gewichtsprozent eingesetzt. Dabei weist die erhaltene Silikatlösung ein SiO2/Na2O-Gewichtsverhältnis von 2.5 und liegt damit an der oberen Grenze der angestrebten Gewichtsverhältnisse. Im Vergleich dazu bedarf es im Beispiel 8 eine Kalilauge mit 26,7 Gewichtsprozent K2O, um eine Silikatlösung mit einem SiO2/K2O-Gewichtsverhältnis von nur 1,75 zu produzieren (siehe hierzu Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 3. Dezember 1997, Seite 5, letzter Absatz bis Seite 6, Absatz 1).
Die Kammer ist daher der Auffassung, daß D13 keinen Beweis für eine Gleichstellung der Systeme SiO2/Na2O und SiO2/K2O liefert. Infolgedessen ist D13 nicht geeignet, die auf D7 basierten Bedenken auszuräumen und die von der Beschwerdeführerin vorgetragene "Äquivalenzthese" zu stützen.
4.4. Schließlich spricht auch der Zeitfaktor als sekundäres Indiz gegen die These einer Äquivalenz der hydrothermalen Bildungsbedingungen von Natriumsilikat und Kaliumsilikat.
Es ist unbestritten, daß ein Bedürfnis für hochmodulige Kalisilikatlösungen als technische Produkte schon immer bestanden hat. Solche Lösungen werden üblicherweise über Schmelze hergestellt, was bekanntlicherweise verschiedene Probleme nach sich zieht (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 13 bis 21). Andererseits ist es unbestritten, daß die hydrothermalen Verfahren zur Herstellung von hochmoduligen Natriumwasserglaslösungen seit langem bekannt sind. Der früheste Beleg unter den angeführten Druckschriften ist die bereits am 28. August 1969 veröffentlichte Offenlegungsschrift D19 (siehe Seite 2, Absatz 2 bis Seite 3, Absatz 1 und Seite 4, letzter Absatz). Die korrespondierende US-Patentschrift D1 und die japanische Patentanmeldung D20 tragen das Veröffentlichungsdatum 16. Dezember 1970 bzw. 17. Oktober 1984. Wenn trotzdem bis zum Prioritätstag des Streitpatents vom 23. November 1989 kein Versuch bekannt geworden ist, hochmodulige Kaliumsilikatlösungen hydrothermal herzustellen, dann erscheint es der Kammer nicht plausibel, daß eine Übertragung der Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Natriumsilikatlösungen auf die hydrothermale Herstellung von Kaliwasserglas nahegelegen haben soll.
4.5. Aus dem vorhergehenden schließt die Kammer, daß das modifizierte Verfahren gemäß Anspruch 1 weder aus D1 für sich allein noch in Kombination mit einer anderen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltung herleitbar ist.
5. Die Ansprüche 2 bis 9 betreffen bevorzugte Ausführungsarten des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Deren Gegenstand ist somit ebenfalls neu und erfinderisch. Dem Hauptantrag kann daher stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.