European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T083797.20010329 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 März 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0837/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93116239.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61B 8/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Endoluminales Ultraschallgerät und seine Anwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | ACOUSTIC IMAGINING TECHNOLOGIES CORPORATION | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ursprüngliche Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 14. März 1997, mit der die europäische Patentanmeldung 93 116 239.0 mit den Ansprüchen 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 1997, und den Ansprüchen 3 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 23. September 1996, zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungabteilung befand, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ), und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag gegenüber den Druckschriften WO-A-92/11 055 ("D1") und EP-A-0 429 799 ("D2") nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Der Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ betreffe die Auslassung eines Merkmals, das im ursprünglichen Anspruch 1 definiert worden sei, ohne daß die ursprüngliche Anmeldung dazu eine Grundlage biete. Es handele sich hier um die Definition, wonach die Elektronik an den Antrieb angeschlossen sei.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat gegen diese Entscheidung, die am 2. Mai 1997 eingegangene Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde mit Brief vom 17. Juli 1997 eingereicht.
IV. Zuletzt war folgende Antragslage gegeben:
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:
- Hauptantrag:
Ansprüche 1 und 2 wie eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 1997,
Ansprüche 3 - 6 sowie Seiten 1, 1a, 2 und 4 - 6 der Beschreibung jeweils wie eingereicht mit Schreiben vom 23. September 1996
Beschreibungsseiten 3 und 7 und Figuren 1 - 5 wie ursprünglich eingereicht.
- Hilfsantrag:
Anspruch 1 mit weiteren Einfügungen wie eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 1997, sonst wie vorstehend.
V. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Endoluminales Ultraschallgerät mit einem Antrieb (12) mit drehbarer, sich hin- und herbewegender Antriebswelle (14), einer flexiblen Katheterhülle (16), einem Ultraschallwandler (18) und durch die Katheterhülle (16) verlaufenden elektrischen Leitungen (24) zum elektrischen Anschluß des Ultraschallwandlers (18) an eine zu dessen Steuerung dienende Elektronik, dadurch gegenzeichnet, daß die Katheterhülle (16) an ihrem proximalen Ende mit der Antriebswelle (14) verbunden ist und mit ihr schwingt und der Ultraschallwandler (18) an das distale Ende der Katheterhülle (16) gekoppelt ist und mit dieser mitschwingt."
Als Hilfsantrag wird anstelle der Formulierung "an eine zu dessen Steuerung dienende Elektronik" die Formulierung "an eine zu dessen Steuerung dienende, an den Antrieb (12) angeschlossene Elektronik" gesetzt.
VI. Die Beschwerdeführerin brachte folgende Argumente vor:
Der Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsabteilung beruhe im wesentlichen auf der Annahme, bei dem Antriebsschaft (drive shaft 72) gemäß der Druckschrift D1 handele es sich um eine Katheterhülle entsprechend der Katheterhülle des Anmeldungsgegenstandes. Diese Betrachtungsweise sei nicht zulässig, denn D1 weise einen Katheter mit einem als äußere Umhüllung dargestellten flexiblen Katheterkörper (catheter body 52) auf, der dort eindeutig die Funktion einer Katheterhülle im Sinne des Anmeldungsgegenstandes habe. Der Katheter gemäß D1 komme als integrierte Gesamtanordnung zum Einsatz, und es sei insofern nicht zulässig, gedanklich einzelne Teile davon (drive shaft 72) zu isolieren und zu behaupten, nur diese stellten den eigentlichen Katheter mit einer eigenen Katheterhülle dar.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, daß die Auslassung des Merkmals, wonach die Elektronik an den Antrieb angeschlossen ist, zulässig ist, und Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt. Die Beschreibung auf Spalte 1, Zeilen 29 bis 58. der EP-A-0 591 966 stellt die Erfindung in ihrem breitesten Aspekt dar. Dieser Absatz beschreibt die Merkmale, die für die Lösung der Aufgabe wesentlich sind, aber weder diese Passage, noch der darauffolgende Absatz ("Ein weiterer wesentlicher Teil der Erfindung ist......."), noch der Rest der Beschreibung stellt die Art der Verbindung zwischen der Elektronik und dem Antrieb als erfindungswesentlich dar.
Dem ist noch hinzufügen, daß die Erfindung "von dem Prinzip des letztgenannten US-Patents (US-A-5 010 879) für ein endoluminales Ultraschallgerät" ausgeht (Seite 1, letzter Absatz). Auch in dieser Patentschrift ist die Verbindung zwischen Elektronik und Antrieb nirgends als ein wesentliches Merkmal dieser Erfindung beschrieben worden.
Es ist ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer (siehe, z. B. T 331/87, ABL. EPA 1991, 22), daß die gesamten ursprünglichen Unterlagen und nicht nur die Ansprüche zur Ermittlung des Inhaltes der ursprünglichen Offenbarung und der Zulässigkeit der Streichung eines Merkmals aus dem Anspruch heranzuziehen sind. Das Ersetzen oder Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch verstößt danach nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, wenn der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennt, daß 1. das Merkmal in der Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt worden ist, 2. es als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der zu lösenden technischen Aufgabe nicht unabdingbar ist, und 3. das Ersetzen oder Streichen keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordert.
Im vorliegenden Fall betrifft die Erfindung den Aufbau eines Katheters, bei dem ein endoluminales Ultraschallgerät mit einem Antrieb mit drehbarer Antriebswelle, die hin und her schwingt, ausgestattet ist, und eine flexible Katheterhülle an ein Antriebsende gekoppelt ist und mit der Antriebswelle schwingt. Die Art der Verbindung zwischen der Elektronik und dem Antrieb ist für die Funktion des Katheters dabei unerheblich. Auch hat die Streichung dieses Merkmals keine Angleichung anderer Merkmale zu Folge. Die Änderung ist somit zulässig.
3. Erfinderische Tätigkeit
Die vorliegende Anmeldung bezieht sich auf ein endoluminales Ultraschallgerät, das einen rotierenden Ultraschallwandler am Ende eines flexiblen Katheters aufweist. Ein Wandlerelement rotiert um den Katheter und führt somit eine Abtastung senkrecht zur Katheterachse aus.
3.1. Druckschrift D1 ist der nächstkommende Stand der Technik und offenbart eine mit Ultraschall zu betreibende Kathetersonde, bei der in einer flexiblen Katheterhülle 52. gemäß Figur 3 außer einem Führungsdraht 68 ein flexibler Antriebsschaft 72 angeordnet ist, welcher an seinem distalen Ende mit einer Ultraschall Bilderzeugungs-Anordnung 74 versehen ist, und an seinem proximalen Ende über eine Spindel 86 mit einem Antriebsmotor in Verbindung steht. Dieser Antriebsschaft 72. kann einschließlich des Ultraschallwandlers mit Hilfe des Motors in eine Rotationsschwingung versetzt werden, bei der sich jedoch die flexible Katheterhülle 52 nicht mitdreht.
3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 der Anmeldung ist dadurch gegenzeichnet, daß die Katheterhülle an ihrem proximalen Ende mit einer Antriebswelle eines Antriebs verbunden ist und mit ihr schwingt, und an ihrem distalen Ende mit dem Ultraschallwandler gekoppelt ist, sodaß dieser wiederum mit der Katheterhülle schwingt.
Dies führt dazu, daß die für die Untersuchung notwendige Drehbewegung der Wandlersonde über die Katheterhülle selbst, und nicht über einen durch sie hindurch verlaufenden flexiblen Antriebsschaft dem Ultraschallwandler vermittelt wird. Die Katheterhülle braucht also nicht mehr für die Aufnahme eines derartigen Antriebsschaftes ausgelegt zu sein, ihr Durchmesser kann somit gegenüber der bekannten Ausführung verkleinert sein.
3.3. Der Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsabteilung beruht im wesentlichen auf der Auffassung, bei dem Antriebsschaft (drive shaft 72) der Druckschrift D1 handele es sich um eine Katheterhülle entsprechend der Katheterhülle 16 des Anmeldungsgegenstandes. Demnach unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Gerät aus der Druckschrift D1 nur dadurch, daß die drehbare Antriebswelle sich hin und her bewege.
3.4. Die Kammer teilt diese Betrachtungsweise nicht. Der gesamte Inhalt einer Druckschrift, wie er vom Fachmann verstanden wird, zusammen mit allem was implizit offenbart ist, ist bei der Beurteilung der Offenbarung des Standes der Technik in Betracht zu ziehen. Demnach würde der Fachmann den Antriebsschaft 72 der Druckschrift D1 nicht einer Katheterhülle gleichsetzen, denn gemäß der Druckschrift D1 ist der Antriebsschaft 72 immer zusammen mit und innerhalb der Hülle 52 zu verwenden.
3.5. Außerdem stellt normalerweise die Katheterhülle die äußere Umhüllung eines Katheters dar, innerhalb derer sich andere Bestandteile des Katheters befinden und die dazu dient, den Katheter schonend in das Körperinnere einzuführen. Außer einer gewissen Flexibilität muß die Katheterhülle dafür einige wichtige Eigenschaften besitzen (siehe EP-A-0 591 966, Spalte 3, erste Absatz), u. a.:
- eine bestimmte Weichheit und Geschmeidigkeit, damit der Katheter sicher in ein Blutgefäß geführt werden kann, ohne es zu verletzen
- er muß aus einem biokompatiblen Stoff hergestellt sein
- das Führungsende muß abgerundet sein.
Vom Vorhandensein diese Eigenschaften geht der Fachmann einer Katheterhülle auch dann aus, wenn sie nicht ausdrücklich angegeben sind; sie sind damit implizit mitoffenbart.
Abgesehen davon, daß es fraglich ist ob der Antriebsschaft 72 gemäß Druckschrift D1 alle diese wesentlichen Eigenschaften besitzt, ist der Antriebsschaft allein aufgrund des eckigen Spiegels 78 am Führungsende des Antriebsschaftes 72 nicht dazu geeignet, selbständig endoluminal in das Körperinnere eingeführt zu werden. Im Vergleich dazu zeigt die Figur 2 der Anmeldung einen Katheter mit einem abgerundeten Ende.
Dies wird auch durch die in D1 gewählten Bezeichnungen deutlich, nämlich "flexible catheter body" für die Positionsnummer 52 in D1 im Gegensatz zu "drive shaft" für die Positionsnummer 72.
3.6. Die Anmeldung betrifft ein endoluminales Kathetergerät, d. h. einen zur Einführung in ein Blutgefäß geeigneten Katheter, dessen wesentliches Merkmal ein Führungsdraht ist, mit dem er in das Körperinnere eingeführt wird. Gemäß Spalte 3, Zeilen 51 bis 55 der EP-A-0 591 966 ist hinsichtlich des Anmeldungsgegenstandes ausgesagt, daß der zur Einführung der Katheterhülle in den Körperhohlraum dienende Leiter innen durch die Katheterhülle geführt ist. Dies findet seine Entsprechung bei dem Leiter (guidewire 68) gemäß der Druckschrift D1, der ebenfalls in der dortigen Katheterhülle 52 geführt ist. Auch hieraus ergibt sich, daß in der Druckschrift D1 die Katheterhülle nicht mit dem Antriebsschaft 72 gleichgesetzt werden kann, denn dieser Schaft nimmt keinen Führungsdraht auf.
3.7. Am Ende der Beschreibung der Anmeldung ist eine Ausführungsform beschrieben, bei der die Katheterhülle von einem nichtrotierendes Außenrohr integriert wird, anstatt direkt in das Blutgefäß, wogegen auf Seite 13, Zeilen 2 und 3 der Druckschrift D1, die Alternative erwähnt ist, daß die elektrischen Leitungen entlang oder durch den Antriebsschaft 72 verlaufen können. Dies rechtfertigt es nach Ansicht der Prüfungsabteilung, die Funktion des Antriebsschafts 72 von der Druckschrift D1 mit der der Katheterhülle im Sinne des Anmeldungsgegenstandes gleichzusetzen.
Auch dieses Argument vermag nicht durchzugreifen, weil diese Ausführungsform aufzeigt, daß der Katheter geeignet ist, sowohl selbständig als auch zusammen mit einem Außenrohr in das Körperinnere eingeführt zu werden. Der eigentliche Katheter des Anmeldungsgegenstandes, wie er in Figur 2 dargestellt ist, ist jedoch auch ohne ein Außenrohr bereits voll funktionsfähig.
Im Gegensatz dazu ist der als eigentliche Katheterhülle fungierende Teil mit der Positionsnummer 52 des Katheters 50 gemäß der Druckschrift D1 nicht schwingfähig. Der Katheter der Druckschrift D1 kommt als integrierte Gesamtanordnung zum Einsatz. Aus diesem Grunde ist es nicht zulässig, einzelne Teile isoliert zu betrachten und ihnen die Funktion des eigentlichen Katheters mit einer eigenen Katheterhülle zuzuschreiben, zumal der Antriebsschaft 72 gemäß der Druckschrift D1 wie oben dargelegt (Punkt 3.5) schon aufgrund des Spiegels 78 nicht geeignet ist, selbständig in das Körperinnere eingeführt zu werden. Außerdem gibt es überhaupt keinen Hinweis in der Druckschrift D1, der Antriebsschaft 72 aus der Gesamtordnung des Katheters 50 auszubauen und als selbständigen Katheter zu verwenden.
4. Es ist weder aus der Druckschrift D1 bzw aus D2, noch aus einem anderen Stand der Technik bekannt, die Drehbewegung der Wandlersonde über die Katheterhülle selbst, und nicht über einen durch sie hindurch verlaufenden flexiblen Antriebsschaft dem Ultraschallwandler zu vermitteln. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hauptantrag ist daher gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Ansprüche 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 1997
- Ansprüche 3 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 23. September 1996
- Beschreibung, Seiten 1, 1a, 2 und 4 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 23. September 1996
- Beschreibung Seiten 3 und 7, Figuren 1 bis 5, wie ursprünglich eingereicht.