T 0798/97 (Dauerwellenfixierung/GOLDWELL) of 27.3.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T079897.20000327
Datum der Entscheidung: 27 März 2000
Aktenzeichen: T 0798/97
Anmeldenummer: 92120629.8
IPC-Klasse: A61K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 45 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Fixieren von Dauerwellen und Fixiermittel für Dauerwellen mit Peroxidasen
Name des Anmelders: GOLDWELL GmbH
Name des Einsprechenden: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein): Verfahren zum Fixieren von Dauerwellen durch analoges Verfahren auf dem angrenzenden Gebiet des oxidativen Färbens von Haaren für den Fachmann naheliegend
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0205/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 548 621 (Anmeldenummer: 92 120 629.8) wurde von der Beschwerdeführerin mit der Begründung, daß der Gegenstand des Streitpatents im Umfang sämtlicher Ansprüche 1 bis 15 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ), Einspruch eingelegt.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 des erteilten Patents hatten folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen, dadurch gekennzeichnet, daß auf das mit einem mindestens eine Thioverbindung enthaltenden Wellmittel behandelte, gespülte Haar eine Zusammensetzung aufgebracht wird, die eine katalasefreie Peroxidase enthält, und gleichzeitig oder anschließend mit einer Zusammensetzung behandelt wird, die 0,01 bis 1 Gewichtsprozent eines Oxidationsmittels, berechnet als Wasserstoffperoxid, enthält.

3. Mittel zur Fixierung von Dauerwellen enthaltend 0,01 bis 1 Gewichtsprozent, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, als Wasserstoffperoxid eines Oxidationsmittels, dadurch gekennzeichnet, daß es in räumlich getrennter Zusammensetzung davon eine katalasefreie Peroxidase enthält."

Die abhängigen Ansprüche 2 und 11 waren auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1, die abhängigen Ansprüche 4 bis 10 und 12 bis 15 auf besondere Ausführungsformen des Mittels nach Anspruch 3 gerichtet.

II. Zur Stütze ihres Einspruchs hat die Beschwerdeführerin unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen verwiesen:

(1) DE-A-2 155 390;

(2) EP-A-0 310 675;

(5) Römpps Chemie-Lexikon, 8. Auflage 1985, Seiten 3062 - 3063;

(7) Biochemica Information, Boehringer Mannheim GmbH, Biochemica, 1987.

III. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 30. April 1997 verteidigte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ihr Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage von 11 Ansprüchen. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 der geänderten Fassung haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen, dadurch gekennzeichnet, daß auf das mit einem mindestens eine Thioverbindung enthaltenden Wellmittel behandelte, gespülte Haar eine Zusammensetzung aufgebracht wird, die eine katalasefreie Peroxidase enthält, und gleichzeitig oder anschließend mit einer Zusammensetzung behandelt wird, die 0,01 bis 1 Gewichtsprozent Wasserstoffperoxid enthält.

3. Mittel zur Fixierung von Dauerwellen, enthaltend 0,01 bis 1 Gewichtsprozent Wasserstoffperoxid berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß es in räumlich getrennter Zusammensetzung davon eine katalasefreie Peroxidase enthält."

Der abhängige Anspruch 2 wurde in Anpassung an Anspruch 1 auf die Verwendung von Wasserstoffperoxid beschränkt. Die abhängigen Ansprüche 4 bis 11 entsprechen jenen des erteilten Patents.

IV. In der in der mündlichen Verhandlung verkündeten und den Parteien mit Datum vom 7. Juli 1997 in schriftlicher Form zugestellten Zwischenentscheidung gemäß Artikel 106 (3) EPÜ kam die Einspruchsabteilung zum Schluß, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genüge. Die Entscheidung wurde im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Die Neuheit der Ansprüche in der geänderten Fassung sei von der Einsprechenden nicht in Frage gestellt worden und die Einspruchsabteilung könne in Anbetracht des im Verfahren befindlichen Standes der Technik ebenfalls keinen Neuheitsmangel erkennen.

Die Aufgabe der Erfindung gemäß Streitpatent beinhalte die Bereitstellung eines Fixiermittels und eines Verfahrens zum Fixieren von Dauerwellen, das eine schonende Haarbehandlung gewährleiste. Die Aufgabe werde im wesentlichen durch die Anwendung eines Mittels gelöst, das neben Wasserstoffperoxid in entscheidend geringeren Konzentrationen als bisher üblich eine im wesentlichen katalasefreie Peroxidase enthalte.

Die Entgegenhaltungen (1) und (2) bildeten den nächstliegenden, verfügbaren Stand der Technik. Entgegenhaltung (1) betreffe ein unter milden Bedingungen durchführbares, enzymaktiviertes, oxydatives Haarfärbeverfahren durch Behandlung des Haares mit einer Lösung, die 0,01 ppm bis etwa 500 ppm eines Peroxidaseenzyms, 0,01 bis 6 Gew.-% Wasserstoffperoxid und 0,01 bis etwa 1,0 Gew.-% einer oder mehrerer, aromatischer Oxidationsfarbstoff-Vorstufen enthalte und einen pH von 4 - 10 aufweise. Das bevorzugte Peroxidaseenzym sei die sogenannte Meerretichperoxidase mit der Klassifizierungszahl 1.11.1.7.

Entgegenhaltung (2) offenbare Zusammensetzungen mit oxydierenden Eigenschaften, welche sowohl zum Färben von Haaren mittels Oxidationsfarbstoffen als auch zum Fixieren von Dauerwellen geeignet seien und auf der Aktivierung von Luftsauerstoff mit einer Oxidase beruhten, so daß sich der schädliche Einfluß von bekannten Oxidationsmitteln, wie Natrium-borat oder -perborat oder Wasserstoffperoxid auf Haut und Haare vermeiden ließe. Zwar sei (2) zu entnehmen, daß sich die Färbewirkung durch die Kombination der Oxidase mit Mutarotase und/oder einer Peroxidase verbessern ließe, jedoch sei aus (2) nichts über den Einfluß von Peroxidasen auf die Fixierung von Dauerwellen zu entnehmen.

Keine der beiden Entgegenhaltungen enthalte im Gegensatz zum Streitpatent Angaben zur Katalase-Aktivität der jeweils verwendeten Peroxidasen. Auch wenn man unter Berücksichtigung der Lehre von Entgegenhaltung (7) davon ausgehe, daß die am Prioritätstag der Entgegenhaltung (2) erhältlichen Peroxidasen im wesentlichen katalasefrei gewesen seien, lege selbst eine Kombination der Lehren von (1) und (2) die im Streitpatent vorgeschlagene Lösung nicht nahe, da Entgegenhaltung (2) zeige, daß die Fachwelt inzwischen von der Verwendung von Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel abgekommen sei und einen anderen Weg, nämlich den der enzymatischen Aktivierung von Luftsauerstoff eingeschlagen habe.

V. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 17. Juli 1997 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingegangene und mit der Eingabe vom 13. November 1997 begründete Beschwerde.

VI. Nachdem die Kammer zu Beginn der mündlichen Verhandlung gewisse Bedenken hinsichtlich der Neuheit des Mittelanspruchs 3 des im schriftlichen Verfahren eingegangenen Hauptantrags geäußert hatte, der in seiner Gesamtheit dem von der ersten Instanz als gewährbar erachteten Antrag entsprach, legte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag vor, dessen Ansprüche 1 und 2 den Ansprüchen 1 und 2 des erstinstanzlichen Antrags entsprechen (siehe Paragraph III oben) und dessen unabhängiger Anspruch 3 folgenden Wortlaut hat:

"Mittel zur Fixierung von Dauerwellen enthaltend 0,01 bis 1 Gewichtsprozent, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, als Wasserstoffperoxid eines Oxidationsmittels, dadurch gekennzeichnet, daß es in räumlich getrennter Zusammensetzung davon eine katalasefreie Peroxidase und etwa 0,1 bis 4,0 Gew.-% mindestens eines nichtionischen Tensids enthält."

Die Ansprüche 4 bis 10 entsprechen den Ansprüchen 4, 5 und 7 bis 11 des erteilten Patents.

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen, dadurch gekennzeichnet, daß auf das mit einem mindestens eine Thioverbindung enthaltenden Wellmittel behandelte, gespülte Haar eine Zusammensetzung aufgebracht wird, die eine katalasefreie Peroxidase und etwa 0,1 bis 4,0 Gew.-% mindestens eines nichtionischen Tensids enthält, und gleichzeitig oder anschließend mit einer Zusammensetzung behandelt wird, die 0,01 bis 1. Gewichtsprozent Wasserstoffperoxid enthält."

Die Ansprüche 2 bis 10 des Hilfsantrags entsprechen jenen des Hauptantrags.

VII. Im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die von der Einspruchsabteilung in der Entscheidungsbegründung vertretene Ansicht, weder Entgegenhaltung (1) noch Entgegenhaltung (2) könne eine Information hinsichtlich des Katalasegehalts der Peroxidasen entnommen werden, sei nicht haltbar. Denn im Einspruchsverfahren sei bereits ausführlich dargelegt worden, daß die in (1) bevorzugt verwendete Meerretichperoxidase mit der Klassifizierungszahl 1.11.1.7. aufgrund ihrer Herkunft katalasefrei im Sinne der Definition im Streitpatent sei.

Die Einspruchsabteilung selbst führe in der angefochtenen Entscheidung aus, gemäß der Lehre von (1) könnten die Peroxidaseenzyme in ihrer reinen kristallinen Form eingesetzt werden und technisch erhältliche Enzympräparate enthielten nicht zwangsläufig mehr Verunreinigungen als die kristallinen Präparate. Dem Fachmann sei bekannt, daß Stoffe in kristalliner Form in der Regel den höchsten Reinheitsgrad aufwiesen und Fremdstoffe nur in Form von Kristallbaufehlern enthielten. Das Merkmal der Katalasefreiheit im angegriffenen Patent ergebe sich daher bereits zwangsläufig aus den in (1) offenbarten Angaben.

Es seien zwar eine Vielzahl von Dauerwell-Mitteln auf dem Markt und in einschlägigen Handbüchern beschrieben, die Wasserstoffperoxid oder ein entsprechendes Oxidationsmittel enthielten. Der Beschwerdeführerin sei jedoch kein einziges Handelsprodukt bekannt, dessen Dauerwell-Fixierung auf dem System Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff beruhe. Die lediglich auf (2) als einziger Grundlage aufbauende Ansicht der Einspruchsabteilung, daß die Fachwelt den "Wasserstoffperoxid-Weg" verlassen habe und die Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen (1) und (2) daher von der im Streitpatent vorgeschlagenen Lösung der gestellten Aufgabe wegführe, sei unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht haltbar.

VIII. Im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin den Argumenten der Beschwerdeführerin widersprochen und dies im wesentlichen folgendermaßen begründet:

Der im Jahre 1972 veröffentlichten Entgegenhaltung (1) lasse sich an keiner Stelle entnehmen, daß die in (1) offenbarten Entwickler-Zusammensetzungen für Haarfarben auf Basis von Peroxiden eine katalasefrei Peroxidase im Sinne des im Streitpatent definierten Gehalts von "weniger als 0.7 % Katalase" enthielten. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sei bei der Interpretation einer Entgegenhaltung stets auf den Zeitpunkt von deren Veröffentlichung abzustellen. Die Beschwerdegegnerin versuche das Merkmal der Katalasefreiheit der Peroxidase unter Heranziehung eines wesentlich jüngeren Standes der Technik in die Offenbarung der Entgegenhaltung (1) hineinzulesen.

Die Fachwelt habe den in (1) für Haarfärbemittel beschriebenen Weg für Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen offensichtlich nicht für zielführend gehalten, da erst 15 Jahre nach der Veröffentlichung von (1) eine weitere, in eine ähnliche Richtung gehende Erfindung getätigt worden sei, die in der Entgegenhaltung (2) ihren Niederschlag gefunden habe. Die in (2) vorgeschlagene Problemlösung liege jedoch in Abweichung von (1) und dem Gegenstand des Streitpatents darin, Oxidasen einzusetzen und Luftsauerstoff als Akzeptor zu verwenden. Zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents hätte (2) den Fachmann daher davon abgehalten, sich einer Weiterentwicklung der 20 Jahre zuvor vorgeschlagenen, jedoch aufgrund ihrer Unvollständigkeit nicht funktionsfähigen Lehre aus (1) zu widmen und damit zu Erfindung zu gelangen.

Alle ex post facto-Betrachtungen über die zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents zur Verfügung stehenden, katalasefreien Enzympräparate lägen daher neben der Sache und entsprächen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die erfinderische Tätigkeit des Patentgegenstandes sei daher nicht ernsthaft zu bestreiten.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Aufrechterhaltung des Patents die am 19. Februar 1998 als Hauptantrag eingegangenen Ansprüche 1 und 2 sowie die in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 3 bis 10, hilfsweise die am 19. Februar 1998 eingegangen Ansprüche 1 bis 10 zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Sämtliche Ansprüche des Haupt- und Hilfsantrags wurden im Verlaufe des Einspruchsverfahrens bzw. des Einspruchsbeschwerdeverfahrens auf die Verwendung von Wasserstoffperoxid als einziges mögliches Oxidationsmittel beschränkt. Diese Beschränkung findet ihre Grundlage in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sowohl im letzten Absatz auf Seite 1 der Beschreibung, wo Wasserstoffperoxid als bevorzugtes Oxidationsmittel ausdrücklich offenbart ist, als auch in den Beispielen 1 bis 3 sowie in der Patentschrift auf Seite 2, Zeilen 14 und 15 und ebenfalls in den Beispielen 1 bis 3.

2.2. Der in der mündlichen Verhandlung geänderte Mittelanspruch 3 des Hauptantrags und der gleichlautende Mittelanspruch 3 des Hilfsantrags entspringen einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 3 und 6 und enthalten außerdem die in Punkt 2.1 (oben) genannte Beschränkung.

2.3. Das zusätzlich eingeführte Merkmal im Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags, wonach die auf das gespülte Haar aufzubringende Zusammensetzung neben der katalasefreien Peroxidase noch 0,1 bis 4,0 Gew.-% mindestens eines nichtionischen Tensids enthält, findet seine Grundlage im ursprünglichen Anspruch 6 und in den Zeilen 1 bis 3 auf Seite 3 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung sowie in der Patentschrift auf Seite 2, Zeilen 30 und 31.

2.4. Insgesamt sind die geänderten Ansprüche sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags durch die Beschreibung und die Ansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung ausreichend gestützt und entsprechen in dieser formalen Hinsicht den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ. Da die geänderten Ansprüche im Vergleich mit den entsprechenden Ansprüchen in der erteilten Fassung des Streitpatents zumindest ein zusätzliches technisches Merkmal enthalten, welches den Schutzbereich beschränkt, wurden auch die Bestimmungen von Artikel 123 (3) EPÜ eingehalten.

3. Neuheit

Die Beschwerdeführerin hat im Verlaufe des Verfahrens mangelnde Neuheit nicht als Einspruchsgrund geltend gemacht. Die Kammer selbst hat keine Bedenken mehr gegen die Neuheit der vorliegenden Anträge. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den im Streitpatent beanspruchten Gegenständen gemäß Haupt- und Hilfsantrag gegenüber dem für die Beurteilung der Neuheit relevanten Stand der Technik in den Entgegenhaltungen (1) und (2) lassen sich, wie folgt, kurz zusammenzufassen:

- Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags ist auf ein Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen gerichtet und unterscheidet sich somit grundlegend vom Verfahren gemäß Entgegenhaltung (1), welche ein Haarfärbeverfahren betrifft;

- der unabhängige Mittelanspruch 3 sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags unterscheidet sich von dem in der Entgegenhaltung (1) in dem die Seiten 16 und 17. überegreifenden Absatz offenbarten Mittel durch die zusätzliche Anwesenheit von 0,1 bis 4,0 Gew.-% mindestens eines nichtionischen Tensids;

- während in den Verfahrens- und Mittelansprüchen sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags als oxidationswirksames System die Kombination katalasefreie Peroxidase/Wasserstoffperoxid eingesetzt wird, beschreibt die Entgegenhaltung (2) ausschließlich die Verwendung der Kombination Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff als Oxidationsmittel.

4. Nächstliegender Stand der Technik

4.1. Ausgehend davon, daß Anspruch 1 des Streitpatents ein Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen betrifft, welches gemäß den Angaben auf Seite 2, Zeile 20 des Streitpatents eine schonende Haarbehandlung gewährleistet, ist zumindest hinsichtlich des beanspruchten Verfahrens von der Entgegenhaltung (2) als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen. Denn (2) hat sich bereits zum Ziel gesetzt, neben einem schonenden, schwach oxidativen Verfahren zur Haarverfärbung, ein schonendes Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen bereitzustellen, bei dem gegenüber herkömmlichen Fixierverfahren die Haarschädigung und Hautreizung vermindert werden kann (siehe insbesondere Seite 6, Zeilen 21 bis 24, Beispiele 2 und 11 bis 13).

4.2. Obwohl von der Beschwerdegegnerin nicht in Zweifel gezogen wurde, daß die in (2) zur Fixierung von Dauerwellen als Oxidationsmittel vorgeschlagene Kombination aus Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff, gegebenenfalls in Anwesenheit einer Peroxidase, beispielsweise die Kombination Pyranoseoxidase/D-Glucose/Luftsauerstoff in Gegenwart einer Peroxidase (siehe Beispiel 11) oder die Kombination Glucoseoxidase/D-Glycose/Luftsauerstoff in Gegenwart von Mutarotase und Peroxidase (siehe Beispiel 12), haar- und hautschonender ist, als das üblicherweise in einer Konzentration von etwa 2,5 bis 5. Gew.-% als Oxidationsmittel verwendete Wasserstoffperoxid, sieht sie bei der in (2) vorgeschlagenen Methode einen gewissen Nachteil darin, daß eine ausreichende Dauerwellen-Fixierung wegen der geringeren Oxidationswirkung von Luftsauerstoff eine für Kunden unzumutbar lange Einwirkungszeit des Oxidationsmittels erfordert.

4.3. Dieser von der Beschwerdegegnerin ins Treffen geführte Nachteil wurde einerseits von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt und ist darüber hinaus auch deshalb glaubhaft, da bereits in Entgegenhaltung (1) berichtet wird, daß im Falle der mit der oxidativen Fixierung eng verwandten oxidativen Haarfärbung bei der Verwendung der Kombination Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff, beispielsweise Glucoseoxidase/Glucose/Luftsauerstoff, als Oxidationsmittel zum Erzielen des gleichen Färbeeffektes längere Zeiträume erforderlich sind, als bei der Zugabe der erforderlichen Menge an Wasserstoffperoxid zur Lösung zu Beginn des Verfahrens (siehe (1), Seite 16, Zeilen 1 bis 8).

5. Aufgabe und Lösung

5.1. Auf der Grundlage der Ausführungen in Punkt 4 (oben) kann daher die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (2) dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen bereitzustellen, das hinsichtlich Haar- und Hautschonung zu vergleichbar guten Ergebnissen führt, wie das aus (2) bekannte Verfahren, jedoch gleichzeitig innerhalb einer den Kunden zumutbaren Einwirkungszeit von 5 bis 10 Minuten eine brauchbare Dauerwellen-Fixierung ergibt.

5.2. Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem auf das mit einem eine Thioverbindung enthaltenden Wellmittel behandelte, gespülte Haar

- eine Zusammensetzung aufgebracht wird, die eine katalasefreie Peroxidase enthält, und das Haar gleichzeitig oder anschließend mit

- einer Zusammensetzung behandelt wird, die als Oxidationsmittel 0,01 bis 1 Gewichtsprozent Wasserstoffperoxid enthält.

5.3. In Beispiel 1 des Streitpatents ist beschrieben, daß nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 fixierte Haarsträhnen gegenüber mit einem üblichen Fixiermittel mit einer Wsserstoffperoxid-Konzentration von 3,5 Gew.-% behandelten Strähnen eine wesentlich bessere Elastizität aufweisen, was auf eine minimale Haarschädigung bei Anwendung des Verfahrens gemäß Streitpatent im Vergleich zur konventionellen Fixierung schließen läßt. Gemäß Beispiel 2 wurde bei Haaren, die nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 mit sehr gutem Wellergebnis fixiert wurden, die gleiche Elastizität wie bei einer unbehandelten Haarsträhne gemessen, was darauf schließen läßt, daß das behandelte, gewellte Haar keine Schädigung aufwies. Ein ähnliches Ergebnis wird in Beispiel 3 des Streitpatents berichtet. In allen Beispielen 1 bis 3 wurden die oben angeführten günstigen Ergebnisse bei einer Einwirkungszeit von maximal 10 Minuten erzielt.

5.4. Auf der Grundlage der oben angeführten Ergebnisse der Vergleichversuche und in Anbetracht dessen, daß die Beschwerdeführerin die im Streitpatent angeführten, vorteilhaften Ergebnisse ebenfalls nicht in Frage gestellt hat, sieht die Kammer keinen Grund in Zweifel zu ziehen, daß die oben definierten Aufgabe durch das Verfahren gemäß Streitpatent tatsächlich gelöst wird.

6. Entgegenhaltung (1) als relevanter Stand der Technik

6.1. Aus dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (2) entnimmt der Fachmann einerseits, daß bei Verfahren, welche die oxidative Behandlung von Haaren betreffen, seien dies

- oxidative Verfahren zur Haarfärbung,

- oxidative Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen,

- oxidative Verfahren zum Bleichen von Kopf- oder Körperhaaren. etc.

die gleichen Probleme, insbesondere die Vermeidung von Hautreizungen und Haarschädigungen, eine entscheidende Rolle spielen (siehe (2), insbesondere Seite 1, vorletzter Absatz bis Seite 2, Zeile 5). Andererseits vermittelt (2) dem Fachmann die Lehre, daß die bei allen oben genannten oxidativen Haarbehandlungen auftretenden Probleme und Nachteile im wesentlichen auf ein und dieselbe Weise gelöst, bzw. vermieden werden können (siehe insbesondere Seite 6, Zeilen 5 bis 25).

6.2. In Anbetracht der obigen Ausführung muß vom Fachmann, der sich in Kenntnis des nächstliegenden Standes der Technik gemäß (2) nach einer Lösung der bestehenden Aufgabe im Stand der Technik umsah, erwartet werden, daß er außer dem Stand der Technik auf dem Spezialgebiet der oxidativen Verfahren zur Fixierung von Dauerwellen, auch die unmittelbar angrenzenden Fachgebiete der oxidative Verfahren zur Haarfärbung, bzw. zum Bleichen von Kopf- oder Körperhaaren zu Rate zieht, nachdem er beispielsweise aus (2) bereits wissen mußte, daß auf allen diesen Gebieten die gleichen Probleme eine Rolle spielen. Diese Erwartung an den Fachmann gehört im vorliegenden Fall zu einer durchaus praxisnahen Einschätzung von dessen Rolle bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

6.3. Unter diesen Umständen wäre der Fachmann angesichts der hier zu lösenden Aufgabe ganz offenkundig auf die Entgegenhaltung (1) gestoßen, die er aus den nachstehend dargelegten Gründen mit Interesse aufgenommen hätte:

Ungeachtet dessen, daß sich die Entgegenhaltung (1) mit oxidativen Verfahren zur Haarfärbung befaßt, werden in (1)

- einerseits genau dieselben Probleme wie im Streitpatent angesprochen, nämlich das Auftreten von Hautreizungen und Haarschädigungen bei der konventionellen Verwendung von Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel in Konzentrationen von 3 Gew.-% oder darüber, insbesondere im alkalischen Milieu bei pH-Werten von 8,5 oder darüber (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 14 bis 18; Entgegenhaltung (1): insbesondere Beginn des Textes auf Seite 1 (druckschriftliche Seitennumerierung) bis Seite 2, Zeile 5);

- andererseits erfährt der Fachmann aus (1) bereits, daß bei der Verwendung der in (2) als mildes Oxidationsmittel vorgeschlagenen Kombination Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff insofern Nachteile zu erwarten sind als zur Erzielung des gleichen oxidativen Effekts längere Zeitspannen erforderlich sind als bei Verwendung der erforderlichen Menge an Wasserstoffperoxid (siehe (1), Seite 16, Zeilen 1 bis 8).

6.4. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, die ungefähr 15 Jahre nach der Entgegenhaltung (1) veröffentlichte Entgegenhaltung (2) zeige, "daß die Fachwelt den Wasserstoffperoxid verlassen und die Entwicklung eine andere Richtung, nämlich die der enzymatischen Aktivierung von Luftsauerstoff eingeschlagen habe", womit sie wohl ausdrücken wollte, daß sich (1) auf eine veraltete, am Prioritätstag des Streitpatents von der Fachwelt nicht mehr angewandte technische Lehre beziehe. Die Kammer kann dieser Auffassung nicht folgen.

Abgesehen davon, daß Artikel 54 (2) EPÜ ganz eindeutig ohne jede zeitliche Einschränkung bestimmt, daß der Stand der Technik alles umfaßt, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, kann die Annahme, die Entgegenhaltung (1) beziehe sich auf ein in der Fachwelt am Prioritätstag des Streitpatents nicht mehr gebräuchliche Technologie oder eine veraltete, von der Fachwelt nicht mehr angewandte technische Lehre nicht allein auf eine einzige Druckschrift gestützt werden. Das gilt insbesondere für den vorliegenden Fall, da die spätere Entgegenhaltung (2) lediglich eine in der früheren Entgegenhaltung (1) bereits vorgeschlagene, aber wegen des Nachteils der erforderlichen längeren Einwirkungszeit in (1) nicht empfohlene Technologie, nämlich die Verwendung des Systems Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff, wieder aufnimmt, ohne jedoch irgendeine Lösung für die in (1) bereits erkannten Nachteile dieses Systems anbieten zu können (siehe auch Punkt 4.3 oben).

6.5. In diesem Zusammenhang muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Beschwerdegegnerin das Argument der Beschwerdeführerin nicht widerlegt hat, es seien zwar, wie allgemein bekannt, eine Vielzahl von Fixierungsmitteln für Dauerwellen auf Basis von Wasserstoffperoxid oder entsprechenden Oxidationsmitteln auf dem Markt und in gängigen Handbüchern beschrieben, es sei ihr jedoch kein einziges Produkt auf dem Markt bekannt, dessen Dauerwell-Fixierung auf dem System Oxidase/Substrat/Luftsauerstoff beruhe.

6.6. In Anbetracht der obigen Ausführungen kann die Entgegenhaltung (1), die sich weder auf eine veraltete, in der Fachwelt nicht mehr gebräuchliche Technologie bezieht noch eine am Prioritätstag des Streitpatents von der Fachwelt verworfene Lehre enthält, nicht als relevanter Stand der Technik außer acht bleiben, nur weil (1) rund 15 Jahre vor der Entgegenhaltung (2) veröffentlicht wurde.

7. Erfinderische Tätigkeit

Hauptantrag

7.1. Der Fachmann, der bei Durchsicht der Lehre von (1) unmittelbar erkennen konnte, daß bei oxidativen Haarfärbeverfahren das konventionell angewandte, potentiell haut- und haarschädigende Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid in Konzentrationen von 3 % oder darüber mit guten Ergebnissen durch die Kombination Wasserstoffperoxid in einer haut- und haarschonenden niedrigen Konzentration von 0,1 bis 1,0 Gew.-% in Gegenwart einer Peroxidase ersetzt werden kann, hatte in Anbetracht der Ausführungen in den vorangehenden Punkten allen Grund mit guter Aussicht auf Erfolg davon ausgehen, daß sich die in (1) gegebene technische Lehre hinsichtlich des Oxidationsmittels auch zur Lösung der bestehenden Aufgabe eignet.

Die Beschwerdegegnerin scheint die Ansicht zu vertreten, der Fachmann hätte die in (1) offenbarte Methode zur oxidativen Haarfärbung nicht zur Lösung der bestehenden Aufgabe angewandt, da er sich nicht sicher sein konnte, ob sich diese Methode gleichermaßen zur Fixierung von Dauerwellen eignet. Im vorliegenden Fall erhielt der Fachmann aus dem oben zitierten Stand der Technik jedoch so klare Hinweise und Anregungen für die im Streitpatent vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe, daß es nur mehr notwendig war, das zu erwartende Ergebnis experimentell zu überprüfen. Die Notwendigkeit ein Ergebnis, das mit guter Aussicht auf Erfolg zu erwarten war, experimentell zu überprüfen, kann aber keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.

7.2. Die Beschwerdegegnerin hat demgegenüber geltend gemacht, auch wenn die Kammer die Entscheidung, die in (1) im Zusammenhang mit oxidativen Haarfärbeverfahren entwickelte technische Lehre auf die Fixierung von Dauerwellen anzuwenden, für den Fachmann als naheliegend ansehe, führe ihn dies noch keineswegs zum Ziel, da für eine erfolgreiche Lösung der bestehenden Aufgabe diesem ersten Schritt ein zweiter folgen müsse, für den es in der Entgegenhaltung keinerlei Anregung gäbe, nämlich die Verwendung einer katalasefreien Peroxidase. Diese Ansicht der Beschwerdegegnerin kann die Kammer nicht teilen, da die Entgegenhaltung (1) dem Fachmann auch hinsichtlich diese zweiten Schrittes zielführende Hinweise und Anregungen erteilt.

7.3. So wird in der Entgegenhaltung (1) in dem die Seiten 3 und 4 (druckschriftlich numeriert) übergreifenden Absatz als bevorzugtes Peroxidase-Enzym die sogenannte Meerrettichperoxidase mit der Klassifizierungszahl 1.11.1.7 erwähnt, die auch im Streitpatentschrift (siehe Seite 3, Zeile 8; Beispiele 1 bis 3) als besonders bevorzugt hervorgehoben wird. Hinsichtlich der Form, in der das Peroxydaseenzym verwendet werden kann, empfiehlt (1) auf Seite 4, Zeilen 9 bis 14, zunächst dessen Verwendung in der reinen kristallinen Form, die durch Isolierung des Enzyms aus den anderen bei ihrer Herstellung vorhandenen Stoffen erhältlich ist. Da der Fachmann unter einem reinen, kristallinen Enzym nur eine Form verstehen kann, die frei von fremden Enzymaktivitäten, also katalasefrei im Sinne des Streitpatents (Katalasegehalt weniger als 0,7 % der Gesamt-Peroxidase-Aktivität) ist, ist im Stand der Technik gemäß (1) zunächst bereits eine Ausführungsform offenbart, die dem Fachmann die klare Anregung mit auf den Weg gibt, eine reine (katalasefreie) Peroxidase einzusetzen.

7.4. Im zweiten vollen Absatz auf Seite 4, Zeilen 15 bis 25, von (1) ist hinsichtlich der anderen möglichen Form, in der das Peroxydaseenzym verwendet werden kann, von technisch erhältlichen Enzympräparaten die Rede, die "das Enzym meist gemeinsam mit inertem Streckmittel und Trägerstoff, wie Kohlehydraten, agglutinierenden Proteinen, anorganischen Salzen, wie Natriumsulfat oder Calciumsulfat, und dergleichen enthalten". Daraus kann, wie die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht der Kammer zutreffend festgestellt hat, ohne jeden Beweis des Gegenteils nicht zwangsläufig der Schluß gezogen werden, daß in den oben beschriebenen technisch erhältlichen Enzympräparaten, denen die Streckmittel und Trägerstoffe ja nachträglich zugesetzt wurden, das Enzym selbst mehr Verunreinigungen als das reine kristalline enthält und mit nicht inerten Begleitstoffen, beispielsweise mit Fremdenzymen, wie der Katalase, verunreinigt oder vergesellschaftet ist. Der Fachmann, der sich, wie im vorliegenden Fall, mit dem Einsatz von Enzymen in Oxidationsverfahren auf welchem Gebiet auch immer befaßt, mußte zwangsläufig zu diesem Schluß gelangen, da es am Prioritätstag des Streitpatents zu seinem Allgemeinwissen gehörte, daß in Peroxidasen gleichzeitig anwesende Katalase Wasserstoffperoxid unmittelbar in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet und die Peroxidase, die die Reaktion eines Substrats mit Wasserstoffperoxid katalysieren soll, ihre Wirkung nicht mehr entfalten kann, wenn Wasserstoffperoxid unter Einwirkung der Katalase bereits teilweise oder gänzlich zersetzt ist [siehe in dieser Hinsicht beispielsweise Entgegenhaltung (5)]. Der Fachmann hätte also gewußt, daß nur eine Peroxidase, die im wesentlichen katalasefrei ist, die Reaktion eines Substrats mit Wasserstoffperoxid, das heißt im vorliegenden Fall die odidative Fixierung von Daurwellen, wirkungsvoll kartalysieren kann.

7.5. Dementsprechend wurde im gesamten Verfahren kein Dokument vorgelegt, welches ein Peroxidase-Enzym mit einer Katalaseaktivität von mehr als der in der Streitpatentschrift als tolerabel angesehenen Aktivität von 0,7 % der Gesamtperoxidaseaktivität beschreibt. Ganz im Gegenteil, als einzige Literaturstelle in dieser Hinsicht beschreibt die Entgegenhaltung (7) eine handelsübliche Peroxidase, die ohne weiteres für das Verfahren gemäß Streitpatent eingesetzt werden kann und ausweislich der Angaben in (7) eine maximale Katalaseaktivität von 0,7 % oder weniger aufweist.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, daß bei der Interpretation einer Druckschrift stets auf den Zeitpunkt von deren Veröffentlichung abzustellen sei und deshalb in die Offenbarung der 1972 veröffentlichten Entgegenhaltung (1) nicht die Lehre der 1987 veröffentlichten Entgegenhaltung (7) hineingelesen werden dürfe und daher außer acht bleiben müsse. Dieser Grundsatz gilt ausschließlich für die Ermittlung der Offenbarung der Entgegenhaltung (1) im Rahmen einer Neuheitsprüfung, die hier nicht ansteht. Für die Ermittlung der erfinderischen Tätigkeit ist die vorveröffentlichte Entgegenhaltung (7) sehr wohl heranzuziehen, da im Bereich der Prüfung im Hinblick auf das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit durchaus die Frage zu stellen ist, ob sich das beanspruchte Verfahren am Prioritätstag für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Kombination der Lehre von (1) mit jener von (7) ergibt (siehe in dieser Hinsicht beispielsweise T 205/91 vom 16.06.92).

7.6. In Anbetracht der obigen Ausführungen ergibt sich die Lösung der bestehenden Aufgabe für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Entgegenhaltung (1), bzw. einer Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen (1) und (5), die das Allgemeinwissen des Fachmanns wiedergibt oder einer Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen (1) und (7). Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag

7.7. Daß die Behandlung von Haaren mit Tensiden als Benetzungsmittel zur Erzielung einer üblichen und erwarteten Wirkung, nämlich zur Förderung der Aufnahmefähigkeit der Haare für das Fixierungsmittel, für den Fachmann an sich naheliegend ist, hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Sie sieht es jedoch als unerwartet an, daß die Verwendung speziell von nichtionischen Tensiden nach ihren Angaben nicht zu einer Verminderung der Aktivität des Peroxidase-Enzyms führt. Aus (1) entnimmt der Fachmann bereits, daß Zubereitungen, die Peroxidase-Enzyme enthalten, zusätzlich Haarkonditionierungsmittel, z. B. kationische Polysiloxane), Lösungsmittel, oberflächenaktive Stoffe, Stabilisatoren, Verdickungsmittel, z. B. kationische Cellulosederivate und dergleichen enthalten können, ohne daß dies zu einer Verminderung der Enzymaktivität führt (siehe (1), Seite 17 (druckschriftlich), Zeilen 1 bis 4 von unten).

7.8. Die Auswahl von anderen geeigneten Tensiden (z. B. Haarkonditionierungsmitteln, oberflächenaktiven Stoffen) aus dem Angebot von kommerziell erhältlichen Produkten geht nicht über das Maß von Versuchen hinaus, die der Fachmann bei der Entwicklung eines Produktes für die Haarkosmetik routinemäßig durchführt. Ein gegenüber dem Stand der Technik unerwartete Verbesserung oder überraschender Effekt als Ergebnis dieser Versuche wurde nicht gezeigt.

8. Da weder der Haupt- noch der Hilfsantrag unter Berücksichtigung der in der vorliegenden Entscheidungsgründen angeführten Entgegenhaltungen und Beweismittel die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) i. V. mit Artikel 56 EPÜ) erfüllen, braucht auf die übrigen, im Verlaufe des Verfahrens vorgebrachten Entgegenhaltungen und Beweismittel nicht eingegangen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird widerrufen.

Quick Navigation