T 0706/97 () of 3.8.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T070697.20000803
Datum der Entscheidung: 03 August 2000
Aktenzeichen: T 0706/97
Anmeldenummer: 91101722.6
IPC-Klasse: A61H 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Massagegerät
Name des Anmelders: Arnold, Gerhard
Name des Einsprechenden: SMD Schweisfurth GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 6. Mai 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, die am 28. Juli 1997 eingegangene Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 4. September 1997 eingereicht worden.

II. Das Patent war ursprünglich wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) angegriffen worden.

Gegen die geänderte Fassung des Patents wurde davon nur noch der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Druckschriften

D2: EP-A-346 942 (entspricht D3)

D3: EP-A-142 132

D4: FR-B-843 978

und auf eine offenkundige Vorbenutzung (belegt durch zwei Fotografien Anlagen A und B) aufrechterhalten. Zusätzlich wurde der Einwand unzulässiger Erweiterung der geänderten Fassung des Patents gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (Artikel 123 (2) EPÜ) und Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der erteilten Fassung des Patents (Artikel 123 (3) EPÜ) erhoben.

Es war im Einspruchsverfahren unbestritten, daß der vorbenutzte Gegenstand zum Stand der Technik gehörte. Die Einspruchsabteilung war jedoch zu der Auffassung gelangt, daß die geänderte Fassung des Patents die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfülle und der Gegenstand des geänderten Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. In ihrer Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin die Einwände der unzulässigen Änderung und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit aufrecht und zitierte erstmals die Druckschriften:

D5: Bulletin des dessins et modèles internationaux, Juin 1990, Seiten 3015 und 3016 (enthält das Gebrauchmuster DM/016949, das der offenkündigen Vorbenutzung entspricht)

D6: FR-PS-1 016 702

D7: DE-A1-3 313 893.

Da beide Parteien hilfsweise mündliche Verhandlung beantragt hatten, lud die Kammer mit Schreiben vom 12. Dezember 1999 zu einer mündlichen Verhandlung am 6. Juli 2000.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2000 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie an der Verhandlung nicht teilnehmen und nicht vertreten sein werde und erklärte sich mit einer Entscheidung nach Aktenlage einverstanden. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 12. Mai 2000 aufgehoben.

IV. Nach der Aktenlage liegen der vorliegenden Entscheidung folgende Anträge zugrunde:

Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerdebegründung, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner beantragte mit Schreiben vom 12. Januar 1998, "das Patent in der im Einspruchsverfahren erarbeiteten Fassung zu bestätigen" und somit sinngemäß die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wird eine weitere Änderung des Anspruchs 1 sowie eine mündliche Verhandlung beantragt.

V. Die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Fassung des Anspruchs 1 lautet:

"Massagegerät mit einem Handgriff (1) und zumindest einem zur Rollmassage dienenden, auf einer Rollkörperachse (6, 7) des Handgriffs (1) in einem Gabelteil (2, 3) drehbar gelagerten Rollkörper (8, 9), wobei die Rollkörperachse (6, 7) um eine senkrecht zur Rollkörperachse (6, 7) verlaufende Schwenkachse (4, 5) kippbar angeordnet ist und die Rollkörperachse (6, 7) seitlich des Handgriffes (1) in dem durch die Schwenkachse (4, 5) schwenkbar mit dem Handgriff (1) verbundenen Gabelteil (2, 3) angeordnet ist und die Schwenkachse (4, 5) mittig im Gabelteil (2, 3) und damit auch mittig zum Rollkörper (8, 9) verläuft, dadurch gekennzeichnet, daß der Handgriff (1) fluchtend hintereinander zwei Gabelteile (2, 3) mit jeweils einem Rollkörper (8, 9) aufweist."

VI. Die Beschwerdeführerin trug folgende Argumente vor:

Anspruch 1 verstoße gegen Artikel 123 (3) EPÜ. Der Ausdruck: "daß der Handgriff fluchtend hintereinander zwei Gabelteile aufweist" sei, entgegen der Behauptung der Patentinhaberin, nicht von dem ursprünglichen Anspruch 5 gedeckt, da der neue Ausdruck offen lasse, ob die Gabelteile sich im Handgriff oder am Handgriff befinden. Die letzere Möglichkeit sei aber nicht im ursprünglichen Anspruch 5 enthalten.

Die jetzige Fassung lasse offen, ob sich "fluchtend hintereinander" auf den Handgriff und eines der Gabelteile oder auf beide Gabelteile beziehe.

Die Druckschrift D3 lege den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe. Druckschrift D3 sei gattungsgemäß. Entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung sei in dieser Druckschrift die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe genannt, siehe Seite 6, Zeilen 11, 12; Seite 7, Zeile 3; Seite 8, Zeilen 19, 20; Seite 9, Zeile 13; Seite 11, Zeile 5 (siehe auch Druckschrift D2, Spalte 4, Zeile 18; Zeile 49; Spalte 6, Zeilen 1 und 2). In dieser Druckschrift werde auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß bei dem Massagegerät nach Figur 6 durch Spiel zwischen den Achsen und den Lageraugen ein optimaler Kontakt der Rollerkörper mit den zu behandelnden Körperpartien erreichbar sei (Seite 4, Absatz 3). Die Erhöhung des Wirkeffektes sei übrigens nicht nur in Druckschrift D3 erwähnt, sondern werde auch gemäß Streitpatent angestrebt. Das aus der Druckschrift D3, Figur 6, bekannte Massagegerät weise fluchtend hintereinander angeordnete Rollkörper auf.

Die erfindungsgemäße Lösung sei auch aus den Druckschriften D6 und D7 (die Rollkörper 1, 2 bzw. 3, 4 sind fluchtend hintereinander angeordnet) bekannt. Druckschrift D6 rege den Fachmann an, ein weiteres Gabelteil mit Rollkörper vorzusehen, und zwar in Fluchtlage hinter dem schon vorhandenen Gabelteil.

Von Druckschrift D5 ausgehend, die die offenkundige Vorbenutzung wiedergibt, finde der Fachmann in Druckschrift D6 ausreichende Anregungen, um ein weiteres Gabelteil mit Rollkörper entsprechend dem Kennzeichen des Anspruchs vorzusehen.

VII. Der Beschwerdegegner trug folgende Argumente vor:

Aus den Zeichnungen gehe klar hervor, daß die Gabelteile eigentlich nicht im Handgriff angeordnet, sondern darin lediglich gelagert seien, da sie aus dem Handgriff herausragten.

Die kennzeichnenden Merkmale würden nicht durch die Druckschriften D3, D5, D6 und D7 nahegelegt. Druckschriften D3 und D6 zeigten zwei achsparallel zueinander angeordnete Rollkörper. Keine der Druckschriften weise hintereinander pendelnd gehaltene Gabelteile auf.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auf einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 5, wobei der Ausdruck "(im Handgriff sind zwei Gabelteile) angeordnet" durch den Ausdruck "(der Handgriff zwei Gabelteile) aufweist" ersetzt worden ist.

Der Ausdruck "angeordnet" ist auf der Grundlage der Beschreibung und der Zeichnungen in der Weise zu verstehen, daß er auch die Ausführungsform nach den Figuren 4 und 5 umfaßt, bei der die Gabelteile (2, 3) mit dem Handgriff mittelbar, nämlich mittels eines Gelenks, verbunden sind, siehe Patentschrift, Seite 2, ab Zeile 52. Für diesen Sachverhalt wäre der Ausdruck "aufweist" ebenfalls zutreffend.

Der Ausdruck "fluchtend hintereinander" kann sich nur auf die beiden Gabelteile beziehen, da es keinen technischen Sinn ergibt, ihn auf jeweils ein Gabelteil und den Handgriff zu beziehen.

Die vorliegende Anspruchsfassung verstößt somit nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (3) EPÜ und und beruht auch auf der ursprünglichen Offenbarung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Kammer schließt sich der angegriffenen Entscheidung insoweit an, als der Oberbegriff des Anspruchs 1 vom Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung als Stand der Technik ausgeht. Die offenkundige Vorbenutzung wird auch vom Patentinhaber nicht weiter bestritten (vgl. Seite 5 der angegriffenen Entscheidung).

Davon unterscheidet sich Anspruch 1 dadurch, daß gemäß kennzeichnendem Teil der Handgriff (1) fluchtend hintereinander zwei Gabelteile (2, 3) mit jeweils einem Rollkörper (8, 9) aufweist.

Es besteht Übereinstimmung zwischen den Parteien darin, daß die durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöste Aufgabe der Erfindung darin besteht, ohne Verletzungsgefahr der Haut großflächige gekrümmte Körperpartien zu massieren (siehe angegriffene Entscheidung, Seite 5, und Patentschrift, Seite 1, ab Zeile 18).

Aus der Druckschrift D3, insbesondere Figur 6, ist ein Massagegerät bekannt, das ein U-förmiges Lagerstück mit auf jedem Flansch zwei miteinander fluchtenden Lageraugen aufweist, die zwei Rollkörper tragen. Der Steg (26) des Lagerstücks ist mit dem Handgriff (28) mittelbar durch einen Verbindungsbolzen (27) verbunden. Zwei fluchtend hintereinander verlaufende Gabelteile sind der Druckschrift D3 jedoch nicht zu entnehmen.

Das im Anspruch 1 beanspruchte Merkmal der Erfindung, daß die Gabelteile hintereinander angeordnet sind, ermöglicht es, zusammen mit der Schwenkbarkeit derselben, gekrümmte, großflächige Körperteile zu behandeln. Das ist gemäß Druckschrift D3 nicht möglich, auch nicht durch die auf Seite 4, 3. Absatz vorgesehene Lagerung der Achsen "mit geringem Spiel".

Die Druckschriften D5, D6 und D7 weisen auch keine fluchtend hintereinander verlaufenden schwenkbare Gabelteile auf und können somit zur Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe nicht beitragen.

Dementsprechend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Da somit dem Hauptantrag des Beschwerdegegners stattzugeben ist, kommen die Hilfsanträge nicht zum Tragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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