European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T069897.20001212 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 Dezember 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0698/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90115060.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41F 13/42 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Offset-Rotationsdruckmaschine mit Schallschutzvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Heidelberger Druckmaschinen Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (01) MAN Roland Druckmaschinen AG (02) KBA Koenig & Bauer-Albert AG |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Verspätet eingereichte Änderungen (zulässig) Schutzbereich der Ansprüche erweitert (nein) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 417 465 Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften
E1: DE-A-3 115 475 und
E2: König und Bauer Report 3/76
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Am 12. Dezember 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der folgenden Unterlagen:
a) Hauptantrag: Anspruch 1 überreicht in der mündlichen Verhandlung; oder
b) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 6 eingereicht am 24. Juli 1997; oder
c) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 6 eingereicht am 19. November 1997.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechenden 01 und 02) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdeführerin lautet:
"1. Offset-Rotationsdruckmaschine, insbesondere Bogenrotationsdruckmaschine, mit Druckwerken und daran angebrachten flächenförmigen Schutzabdeckungen, die zu Einstell- und Wartungsarbeiten entfernbar angeordnet und mit elektrischen Schutzschaltungen abgesichert sind, dadurch gekennzeichnet, daß eine aus den Schutzabdeckungen gebildete Schutzvorrichtung (4) aus schallminderndem Material ausgebildet ist und die Druckwerke (2) kapselförmig als Schallschutz umschließt, und zur Durchführung von Einstell- oder Wartungsarbeiten insgesamt oder teilweise abhebbar oder öffenbar ist."
V. Zur Begründung ihrer Anträge führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:
Den nächstkommenden Stand der Technik bilde die Druckschrift E1, die eine Offset-Rotationsdruckmaschine mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbare. Die Aufgabe der Erfindung bestehe darin, einen Schallschutz für die Druckwerke zu schaffen. Die Druckschrift E2 biete nur zwei Möglichkeiten an, diese Aufgabe zu lösen, nämlich die auf Seite 31 in Bild 2a und b abgebildeten Teil- oder Komplettkapselungen.
Eine Teilkapselung gemäß Bild 2a, in der jedes einzelne Druckwerk für sich gekapselt wird, führe weg von der Erfindung, gemäß der die Schutzvorrichtung mehrere Druckwerke kapselförmig als Schallschutz umschließe.
Eine Komplettkapselung gemäß Bild 2b, in der ein schallisolierender Raum im Raum gebaut wird, führe auch nicht zur Erfindung, denn es mache keinen Sinn, die Türen eines solchen Raums mit elektrischen Schutzschaltungen abzusichern, was zur Folge hätte, daß bei jedem Betreten des Raums durch das Bedienungspersonal die Druckmaschine stillgesetzt würde.
VI. Zur Begründung ihrer Anträge führten die Beschwerdegegnerinnen I und II im wesentlichen folgendes aus:
Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hauptantrag sollte als verspätet zurückgewiesen werden.
Der Anspruch 1 sei nicht klar und enthalte eine im Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ unzulässige Erweiterung. Zum ersten Mal würde eine Druckmaschine beansprucht, in der die Schutzvorrichtung die Schutzabdeckungen einschließt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe ferner nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn neben der Teilkapselung und der Komplettkapselung gehe auch die vermeintlich beanspruchte dritte Möglichkeit, nämlich Komplettkapselung der Druckwerke, jedoch Freilassung des Anlegers und des Auslegers, aus der Druckschrift E2 hervor. Die im Bild 2b der Druckschrift E2 gezeigte Komplettkapselung sei eine Alternative zu der auf Seite 41 und im Gebrauchsmuster 7 243 922 beschriebenen Komplettkapselung.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Verspätete Einreichung
Die Beschwerdeführerin hat den geänderten Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als Reaktion auf Beanstandungen der Beschwerdegegnerinnen hinsichtlich Klarheit und Auslegung während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die vorgenommenen Änderungen betreffen eine klarstellende Einschränkung des Gegenstands des Anspruchs 1 des erteilten Patents und dienen dazu, die Beanstandungen der Beschwerdegegnerinnen auszuräumen. Diese Änderungen machen es nicht erforderlich, neue Dokumente oder wesentlich neue Argumente in Betracht zu ziehen, um die Frage der erfinderischen Tätigkeit zu erörtern. Die Kammer erachtet daher die Einreichung des Anspruchs 1 erst während der mündlichen Verhandlung als zulässig.
2. Änderungen
Die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen gestützt. Hierzu wird insbesondere auf die ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 2, Zeilen 4 bis 6 und Seite 3, dritter Absatz, verwiesen.
Im Anspruch 1, wie erteilt, ist es offen, ob die im ersten Teil des Anspruchs erwähnten Schutzabdeckungen ein Teil der im zweiten Teil des Anspruchs erwähnten Schutzvorrichtung bilden oder nicht. Im Vergleich zu Anspruch 1, wie erteilt, ist der Ausdruck "aus den Schutzabdeckungen gebildete" vor "Schutzvorrichtung" eingefügt worden. Dadurch ist nunmehr klargestellt, daß die im zweiten Teil des Anspruchs erwähnte Schutzvorrichtung die im ersten Teil des Anspruchs erwähnte Schutzabdeckungen einschließt. Durch diese Änderung ist der Anspruch auf eine Druckmaschine beschränkt, in der die Schutzvorrichtung aus den im ersten Teil des Anspruchs erwähnten Schutzabdeckungen gebildet ist, und dadurch zwei verschiedene Funktionen ausübt, nämlich Schutz gegen Verletzungen und Schallschutz.
Der geänderte Anspruch 1 ist daher im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.
3. Klarheit
Der Anspruch 1 bringt klar zum Ausdruck, daß die flächenförmigen Schutzabdeckungen Teile einer einzigen Schutzvorrichtung sind, die alle Druckwerke umschließt. Der Anspruch schließt daher die Anwesenheit einer Mehrzahl von Schutzvorrichtungen aus. Dies wird durch die Beschreibung auf Spalte 1, Zeilen 50 und 51 des Streitpatents bestätigt, wonach "die beschriebene Lösung nur noch eine Schutzeinrichtung benötigt". Der Anspruch genügt daher den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Nächster Stand der Technik
Die Druckschrift E1 offenbart den der Erfindung am nächsten kommenden Stand der Technik, nämlich eine Offset-Rotationsdruckmaschine mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Wie insbesondere aus der Figur 1 dieser Druckschrift ersichtlich ist, sind hierbei die Schutzabdeckungen (4) aufklappbar an den Druckwerken angebracht. Beim Aufklappen der Schutzabdeckungen wird die Maschine stillgesetzt oder es werden nur noch bestimmte Funktionen gestattet. Es gibt jedoch keine Schallschutzmaßnahmen.
4.2. Aufgabe
Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, einen Schallschutz zu schaffen, ohne den Verletzungsschutz und die Zugänglichkeit für Rüst- und Wartungszwecke zu beeinträchtigen.
4.3. Lösung
Diese Aufgabe wird gemäß dem kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß eine aus den Schutzabdeckungen gebildete Schutzvorrichtung aus schallminderndem Material ausgebildet ist und die Druckwerke kapselförmig als Schallschutz umschließt, und zur Durchführung von Einstell- oder Wartungsarbeiten insgesamt oder teilweise abhebbar oder öffenbar ist.
4.4. Diese erfindungsgemäße Lösung wird durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Die Druckschrift E2 offenbart zwei Möglichkeiten, einen Schallschutz für eine Druckmaschine zu schaffen.
Gemäß der ersten Möglichkeit, der sogenannten Teilkapselung gemäß Bild 2a auf Seite 31, wird jedes Druckwerk einzeln mit einer Schallschutzvorrichtung gekapselt. Die Schallschutzvorrichtung ist mit aufklappbaren Schutzabdeckungen versehen, um zu erlauben, Arbeiten in der Druckeinheit zu verrichten. Die Anwendung einer solchen Teilkapselung in der Maschine gemäß der Druckschrift E1 führt nicht zum Gegenstand des Streitpatents, in dem die Schutzvorrichtung alle Druckwerke kapselförmig umschließt.
Gemäß der zweiten Möglichkeit, der sogenannten Komplettkapselung gemäß Bild 2b auf Seite 31, wird die gesamte Druckmaschine mit einer Schallschutzvorrichtung gekapselt. Die Druckschrift E2 lehrt jedoch, daß die gesamte Druckmaschine einschließlich der Bedienungsgalerien innerhalb eines Schalldämmungsgehäuses angeordnet ist. Das Bedienungspersonal kann die Vorrichtung durch Türen betreten (Seite 41, Spalte 1, Zeilen 33 bis 48). Es wäre daher nicht zweckmäßig, die Türen mit elektrischen Schutzschaltungen zu versehen, denn dies würde dazu führen, daß jedesmal, wenn das Personal durch eine Tür eintritt, die Druckmaschine automatisch stillgesetzt wird. Bei der Anwendung einer solchen Komplettkapselung gemäß der Druckschrift E2 in der Maschine der Druckschrift E1 wären daher die in der Druckschrift E1 gezeigten Schutzabdeckungen an den einzelnen Druckwerken noch zusätzlich nötig. Das bedeutet, daß bei einer Komplettkapselung gemäß Druckschrift E2 die Sicherheitsschutzvorrichtungen von den Schallschutzvorrichtungen getrennt sind.
Die im Streitpatent beanspruchte Schutzvorrichtung stellt daher eine dritte Art der Kapselung dar. Wie bei der in der Druckschrift E2 offenbarten Komplettkapselung wird zwar die gesamte Druckmaschine mit einer Schallschutzvorrichtung gekapselt, die Verletzungsschutzvorrichtungen sind jedoch in die Schallschutzvorrichtung integriert.
Die Kammer kann den Ausführungen der Beschwerdegegnerinnen nicht folgen, wonach eine solche Vorrichtung als eine dritte Art der Kapselung in der Druckschrift E2 bereits offenbart sei. Gemäß Seite 41, Zeilen 8 bis 13 der Druckschrift E2 wird die auf Seite 31 erwähnte zweite Möglichkeit der Komplettkapselung im Gebrauchsmuster Nr. 7 243 922 näher behandelt. Auf Seiten 41 bis 43 der Druckschrift E2 wird diese Vorrichtung kurz beschrieben und dargestellt. Die im Bild 2b auf Seite 31 gezeigte Komplettkapselung kann nicht als eine Offenbarung der im Streitpatent beanspruchten Schutzvorrichtung betrachtet werden, denn das Bild 2b stellt nur eine schematische Darstellung des Prinzips der auf Seiten 41 bis 43 beschriebenen Vorrichtung dar.
4.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellt somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ dar. Das gleiche gilt auch für die Gegenstände der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6, welche besondere Ausführungsformen der Schutzvorrichtung betreffen.
5. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist daher gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
a) Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung und Ansprüche 2 bis 6 wie erteilt;
b) Beschreibung, Seite 2, Spalten 1 und 2, Zeilen 1 bis 31, überreicht in der mündlichen Verhandlung und
c) Zeichnung wie erteilt.