T 0618/97 () of 28.3.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T061897.20010328
Datum der Entscheidung: 28 März 2001
Aktenzeichen: T 0618/97
Anmeldenummer: 91907454.2
IPC-Klasse: E05B 49/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 40 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb einer fernbedienbaren Zentralverriegelung eines Fahrzeuges
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: (01) Mannesmann VDO Aktiengesellschaft
(02) Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft das europäische Patent Nr. 0 523 137, das mit Wirkung vom 21. September 1994 auf der Grundlage einer internationalen Anmeldung erteilt wurde. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 des erteilten Patents lauten wie folgt:

Anspruch 1:

"Verfahren zum Betrieb einer fernbedienbaren Zentralverriegelung eines Fahrzeuges mittels eines Senders, der codierte Signale - z. B. akustisch mittels Ultraschall, optisch mittels IR und/oder mittels UKW-Hochfrequenzwellen - zu einem im oder am Fahrzeug angebrachten Empfänger übertragen kann,

- wobei vor der erstmaligen Betätigung der Zentralverriegelung eine Initialisierung, bzw. vor der nächsten Betätigung derselben zum Annullieren des bisherigen Code eine Re-Initialisierung, durchgeführt wird, also der zukünftig benutzbare Code, bzw. bei Wechselcode die betreffende zukünftig benutzbare Codemenge, erstmals oder erneut festgelegt wird, indem der Empfänger, z. B. mittels eines speziellen Steuercode, in einen Zustand gesteuert wird, in welchem er (re-)initialisiert werden kann, und

- wobei während der (Re-)Initialisierung eine vom Empfänger gesteuerte Anzeige, z.B. eine optische Anzeige, an die (re-)initialisierende Person gerichtet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß

- der Empfänger am Ende einer erfolgreichen (Re-)Initialisierung mittels einer sicht- und/oder hörbaren Betätigung der Zentralverriegelung des Fahrzeuges anzeigt, daß der Empfänger (re-)initialisiert wurde."

Anspruch 4:

"Verfahren zum Betrieb einer fernbedienbaren Zentralverriegelung eines Fahrzeuges mittels eines Senders, der codierte Signale - z. B. akustisch mittels Ultraschall, optisch mittels IR und/oder mittels UKW-Hochfrequenzwellen - zu einem im oder am Fahrzeug angebrachten Empfänger übertragen kann,

- wobei vor der erstmaligen Betätigung der Zentralverriegelung eine Initialisierung, bzw. vor der nächsten Betätigung derselben zum Annullieren des bisherigen Code eine Re-Initialisierung, durchgeführt wird, also der zukünftig benutzbare Code, bzw. bei Wechselcode die betreffende zukünftig benutzbare Codemenge, erstmals oder erneut festgelegt wird, indem der Empfänger, z. B. mittels eines speziellen Steuercode, in einen Zustand gesteuert wird, in welchem er (re-)initialisiert werden kann,

- z. B. nach einem der Patentansprüche 1 - 3,

dadurch gekennzeichnet, daß

- der Empfänger mittels einer normalerweise unüblichen Betätigung des Zündschlüssels, z. B. mittels raschem zehnmaligen Ein- und Ausschaltens der Zündung, in den Zustand des (Re-)Initialisierens gesteuert wird."

II. Gegen das erteilte Patent in vollem Umfang wurden zwei Einsprüche mit der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ) eingelegt. Die Einsprüche wurden unter anderem auf folgende Dokumente (in der Numerierung der angefochtenen Entscheidung) gestützt:

E1: DE-A-3 611 147

E2: DE-A-2 844 061

E3: G. Weihmann "Zentralverriegelungen - Einer für alle", mot-Technik, 17/1987, Seiten 86 - 87

E5: DE-A-2 926 304.

Das Dokument E1 entstammt der gleichen Patentfamilie wie das in der Patentschrift zitierte Dokument FR-A-2 580 128.

In einer am 14. April 1997 zur Post gegebenen Entscheidung der zuständigen Einspruchsabteilung wurden die Einsprüche gegen das Patent zurückgewiesen.

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) hat gegen diese Entscheidung am 11. Juni 1997 Beschwerde unter Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegt und am 8. August 1997 eine Beschwerdebegründung eingereicht.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin werde dem Fachmann, der von dem Dokument E1 als nächstkommenden Stand der Technik ausgehe, die beanspruchte Erfindung durch die Dokumente E3 bzw. E5 nahegelegt. Im Dokument E1 werde eine Leuchtdiode vorgesehen, um den (Re-) Initialisierungsmodus und die erfolgreiche Speicherung des neuen Codes anzuzeigen.

Weiterhin könnten zur Überprüfung, ob der Empfänger exakt auf die ihm übermittelten Befehle antwortet, Ausgänge eines Mikroprozessors zur Betätigung beispielsweise einer Fahrzeugverriegelung aktiviert werden. Daher sei es dem Fachmann nahegelegt, nach Ausführung der Registrierung eines neuen Codes die Ausgänge des Mikroprozessors zu aktivieren und damit die Zentralverriegelung zu betätigen.

Der Fachmann müsse nur zwischen zwei vorhandenen Einrichtungen wählen, nämlich der Leuchtdiode und der Zentralverriegelung, um die Aufgabe des Streitpatents zu lösen.

Aus dem Dokument E3 sei ferner bekannt, bei Zentralverriegelungen den erfolgreichen Abschluß eines Öffnungs- oder Schließvorganges optisch durch Heben oder Senken der Türknöpfe, bei geräuschbehafteten Zentralverriegelungen auch akustisch durch typische "Klack"-Geräusche anzuzeigen. Beim Einsatz einer solchen Zentralverriegelung in einer Einrichtung gemäß Dokument E1 werde bei Aktivierung der Ausgänge des Mikroprozessors eine solche optische oder akustische Anzeige zwingend ausgelöst.

Bei dem Stand der Technik nach Dokument E5 sei eine Codeübertragung nur bei einer bestimmten Anordnung des Zündschlüssels im Zündschloß möglich. Daher sei für den Fachmann auch die beanspruchte Auslösung der (Re-)Initialisierung durch eine besondere Betätigung des Zündschlüssels vom Stand der Technik nahegelegt.

Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und erläutert, daß das Dokument E1 keinen Hinweis auf die Betätigung der Zentralverriegelung nach erfolgreicher Initialisierung gebe und daher eine Kombination der Dokumente E1 und E3 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führe. Ferner gebe auch das Dokument E2 keinen Hinweis auf die Erfindung, insbesondere nicht auf den Gegenstand des Anspruchs 4, da dieses Dokument weder die Initialisierung von Zentralverriegelungen noch die beanspruchte "unübliche Betätigung des Zündschlüssels" zum Inhalt habe.

IV. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents beantragt.

Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Die Beschwerde wurde ausschließlich damit begründet, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 sich in naheliegender Weise aus dem durch die Dokumente E1, E3 und E5 belegten Stand der Technik ergebe und daher der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ) der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegenstehe. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall bestehende Sach- und Rechtslage sieht die Beschwerdekammer keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung über diesen durch die Beschwerdebegründung vorgegebenen Rahmen hinaus zu überprüfen.

2.1. Die vorliegende Erfindung setzt sich u. a. das Ziel, bei Fahrzeugverriegelungen der in Dokument E1 beschriebenen Art, die mit Hilfe codierter Signale fernbedienbar sind und bei denen durch Initialisierung und Reinitialisierung eines Empfängerteils der Schließcode erstmals bzw. erneut festgelegt werden kann, den im Zusammenhang mit der (Re-)Initialisierung erforderlichen technischen Aufwand zu verringern (siehe Spalte 2, Zeilen 41 bis 51 des Streitpatents).

Beide Parteien wie auch die erste Instanz waren der Auffassung, daß das Dokument E1 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen sei. Es ist festzustellen, daß sich die anderen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nicht mit der Initialisierung oder Reinitialisierung des Empfängerteils von fernbedienbaren Fahrzeugverriegelungen befassen und daher das Dokument E1 in der Tat der geeignete Ausganspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist.

2.2. Gemäß Patentschrift (siehe Spalte 1, Zeilen 12 bis 16) ist der Oberbegriff beider Ansprüche 1 und 4 aus den Merkmalen gebildet, die in Verbindung miteinander aus dem Dokument FR-A-2 580 128 und damit aus dem Dokument E1 bekannt sind; diese Abgrenzung der beanspruchten Erfindung gegen den nächstkommenden Stand der Technik wurde weder von den Parteien noch von der ersten Instanz in Frage gestellt.

Die Abgrenzung ist jedenfalls insoweit zutreffend, als daß der jeweils zweite Teil beider Ansprüche einen Unterschied zwischen beanspruchter Erfindung und dem nächstkommenden Stand der Technik definiert. Dieser Unterschied liegt im wesentlichen darin, daß die Fahrzeugverriegelung und insbesondere der Zündschlüssel zusätzlich zu deren eigentlichen Funktion als Anzeige- bzw. Eingabeelement bei der (Re-)Initialisierung verwendet werden. Hierdurch wird die Aufgabe, den im Zusammenhang mit der (Re-) Initialisierung erforderlichen technischen Aufwand zu verringern, in einem gewissen Sinn gelöst, so daß die beanspruchte Erfindung in der Tat einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet.

2.3. Weder im Hinblick auf eine Verringerung des im Zusammenhang mit der (Re-)Initialisierung erforderlichen technischen Aufwands noch unter dem Gesichtspunkt der Lösung einer anderen technischen Aufgabe wird die beanspruchte Erfindung durch den angezogenen Stand der Technik nahegelegt.

In der in Dokument E1 vorgeschlagenen Steuerung von Betätigungsmitteln wird eine separate Leuchtdiode 30 und eine separate Taste 28 für die (Re-)Initialisierung verwendet. Einen Hinweis auf die Benutzung der Fahrzeugverriegelung oder des Zündschüssels zu diesem Zweck, oder anderer schon im Fahrzeug vorhandener Elemente, gibt die Entgegenhaltung nicht. Zwar beschreibt Dokument E1, daß der Mikroprozessor in Reaktion auf die Eingabe eines "Universalcodes" aktiviert werden soll, um die Funktionsfähigkeit der Steuerung verifizierbar zu machen, was eine sicht- oder hörbare Betätigung einer angeschlossenen Fahrzeugverriegelung zur Folge haben würde. Dieses Merkmal bezieht sich aber ausschließlich auf die Endkontrolle bei der Herstellung oder die Kontrolle beim Einbau der Anlage in das Fahrzeug und erfordert die Benutzung eines speziellen den Universalcode abgebenden Senders. Nur ein solcher spezieller Sender, der dem Benutzer normalerweise nicht zur Verfügung steht, erlaubt es, alle Betätigungsmittel probehalber zu aktivieren (siehe Dokument E1, Seite 5, unten und Seite 9, oben). Die damit erzeugten akkustischen oder optischen Signale zeigen dann aber nicht die erfolgreiche Initialisierung und Reinitialisierung des Empfängerteils an, sondern die Funktionstüchtigkeit der Anlage. Somit kann - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch die Existenz dieser Sonderfunktion in Dokument E1 dem Fachmann nicht die im Streitpatent beanspruchte Lösung nahelegen.

Das Dokument E3 befaßt sich mit der Frage, welche Art Antriebssysteme in Zentralverriegelungen von Kraftfahrzeugen Anwendung finden; die Codierung und Signalverarbeitung bei solchen Verriegelungssystemen werden nicht weiter behandelt. Zwar macht dieses Dokument deutlich, daß die Betätigung der Zentralverriegelung akustisch oder optisch wahrnehmbar ist (siehe Seite 87, rechte Spalte, 1. Absatz), was selbstverständlich dem Benutzer anzeigen würde, ob die Verriegelung geschlossen oder geöffnet ist. Das Dokument gibt aber keinen Hinweis, daß der akustisch und optisch wahrnehmbare Schließvorgang zur Anzeige anderer Informationen als eben des Schließvorgangs selbst genutzt werden könnte. Die Verwendung der Zentralverriegelung als Anzeigemittel gemäß dem Anspruch 1 des Streitpatents in der Funktion der Leuchtdiode 30 des Dokument E1 ist daher auch durch das Dokument E3 nicht nahegelegt.

Dokument E5 offenbart das Merkmal, den Zündschlüssel bei einer elektronischen Fahrzeugverriegelung in einer bestimmten Weise zu betätigen, um einen Code-Sender zu aktivieren und damit die Übertragung eines Codewortes an einen Empfänger, der wiederum die Fahrzeugverriegelung betätigt, freizugeben oder auszulösen (siehe insbesondere Seite 16, letzter Absatz bis Seite 17, 1. Absatz). Der Schlüssel wird hierzu, im Unterschied zu dem entsprechenden Merkmal bei der beanspruchten Erfindung, nur in eine normale "Arbeitsposition", beispielsweise die Start- oder Fahrtstellung, gebracht. Der Zündschlüssel wirkt dabei nicht direkt mit dem Empfänger zusammen, wie das für eine Initialisierung und Reinitialisierung eines Empfängerteils zur Festlegung der benutzbaren Codeworte erforderlich wäre, sondern bewirkt nur das Ein- und Ausschalten des Senders, beispielsweise durch die Herstellung seiner Stromversorgung aus der Fahrzeugbatterie, wie das auf Seite 16 des Dokuments beschrieben ist.

Demgegenüber dient in Dokument E1 die Taste 28 dazu, einen bestimmten logischen Signalwert am Eingang 27 des Mikroprozessors zu setzen. Das erfordert vom Fachmann technisch wesentlich andere Überlegungen, insbesondere im Hinblick auf die erforderliche elektrische Störsicherheit, als die die bei der Vorrichtung nach Dokument E5 erforderlich sind. Die Anwendung des Zündschlüssels als Eingabemittel gemäß Anspruch 4 des Streitpatents in der Funktion der Taste 28 wird daher vom Stand der Technik gleichfalls nicht nahegelegt.

2.4. Die Beschwerdeführerin konnte somit nicht überzeugend darlegen, daß die beanspruchte Erfindung durch den angezogenen Stand der Technik nahegelegt sei, und sie hat auch keine anderen Gründe vorgebracht, die die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung rechtfertigen könnten. Daher kann der Beschwerde nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation