T 0468/97 (Fugendichtungsmassen/HENKEL) of 11.4.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T046897.20000411
Datum der Entscheidung: 11 April 2000
Aktenzeichen: T 0468/97
Anmeldenummer: 89106842.1
IPC-Klasse: C09D 5/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von nichtionischen Celluloseethern in Fugendicht- bzw. Beschichtungsmassen
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: Akzo Nobel Decorative Coatings AB
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit (nein) - Auslegung des Inhalts eines Anspruchs im Falle von Zweifeln unter Heranziehung der Beschreibung
Hilfsantrag - Änderung (zulässig) - zusätzliche Verfahrensmaßnahme unabhängig von weiteren stofflichen Merkmalen in Beispielen
Kategoriewechsel von Stoffanspruch zu Herstellungsverfahrensanspruch (zulässig)
Neuheit (ja, nach Änderung) - neue Verfahrensmaßnahme
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0016/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0674/02
T 0108/05
T 1544/07

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die am 17. Februar 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 339 427 die am 12. April 1997 eingegangene Beschwerde eingelegt und am 24. Juni 1997 eine Beschwerdebegründung eingereicht. Das Streitpatent enthielt acht Ansprüche, deren unabhängiger Erzeugnisanspruch 2 wie folgt lautete:

"2. Fugendicht- bzw. Beschichtungsmassen, enthaltend

a) wäßrige Dispersionen von Polyacrylaten bzw. Acrylat-Copolymeren,

b) nichtionische Celluloseether aus der von Hydroxyethyl-, Hydroxyethyl-methyl-, Hydroxypropyl-methyl- und Hydroxypropylcellulose gebildeten Gruppe mit Viskositäten nach Brookfield in 2 %-iger wäßriger Lösung bei 20 C von mindestens 3000, insbesondere mindestens 5000 mPa.s

sowie gegebenenfalls

c) übliche Zusätze wie Pigmente, Netzmittel, Weichmacher (Extender), Entschäumer, Dispergierhilfsmittel sowie Konservierungs- und Alterungsschutzmittel."

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdegegner (Einsprechenden) wegen unzureichender Ausführbarkeit der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ) und wegen mangelnder Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ) angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurde unter anderem die folgende Druckschrift angezogen:

(6) US-A-3 554 942.

III. Der angefochtenen Entscheidung lagen abgeänderte Ansprüche 1 bis 8 zugrunde, die sich von den erteilten einzig durch das Streichen des Merkmals "Beschichtungsmassen" in allen Ansprüchen unterschieden. Die Einspruchsabteilung stellte fest, daß der Gegenstand des Streitpatents zwar ausführbar, jedoch im Hinblick auf die Druckschrift (6) nicht neu sei.

Wenn auch der Verfahrensanspruch, der sich auf das Abdichten von Fugen beziehe, nur durch die im Verfahren eingesetzte Dichtungsmasse definiert werde, so sei das Verfahren doch wegen der Einfachheit der Verfahrensmaßnahmen sowie der Angaben in der Beschreibung, daß die Dichtungsmasse mit Spatel oder Finger geglättet werde, vom Fachmann durchaus ausführbar. Die Druckschrift (6) offenbare Massen zum Abdichten von Fugen, die ein gutes Streichverhalten zeigten. Diese Fugendichtungsmassen enthielten eine wäßrige Dispersion eines Acrylat-Copolymeren und Hydroxypropyl- oder Hydroxyethylcellulose, deren Viskosität im anspruchsgemäßen Bereich liege, weswegen sie den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnähmen.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 11. April 2000 hat der Beschwerdeführer als Hauptantrag einen geänderten, aus zwei unabhängigen Ansprüchen bestehenden Anspruchssatz mit einem Verwendungs- und einem Verfahrensanspruch und als ersten Hilfsantrag einen geänderten, aus zwei Ansprüchen bestehenden Anspruchssatz mit einem unabhängigen und einem davon abhängigen Verfahrensanspruch vorgelegt und die Aufrechterhaltung des Streitpatents nur noch in diesem Umfange begehrt. Der unabhängige Verfahrensanspruch 2 des Hauptantrages lautet:

"2. Verfahren zum Abdichten von Fugen in Bauwerken mittels Massen, enthaltend

a) wäßrige Dispersionen von Polyacrylaten bzw. Acrylat-Copolymeren,

b) nichtionische Celluloseether aus der von Hydroxyethyl-, Hydroxylethyl-methyl-, Hydroxypropyl-methyl- und Hydroxypropylcellulose gebildeten Gruppe mit Viskositäten nach Brookfield in 2 %iger wäßriger Lösung bei 20 C von mindestens 3000, insbesondere mindestens 5000 mPas

sowie gegebenenfalls

c) übliche Zusätze wie Pigmente, Netzmittel, Weichmacher (Extender), Entschäumer, Dispergierhilfsmittel sowie Konservierungs- und Alterungsschutzmittel, dadurch gekennzeichnet, daß man diesen Fugendichtungsmassen nichtionischen Celluloseether in einer Menge von 0,4 bis 6,0, insbesondere 0,6 bis 5,0 Gew.-%, bezogen auf den Feststoffgehalt der Dispersion, zusetzt."

Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrages lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung von Fugendichtungsmassen durch Mischen von

a) wäßrigen Dispersionen von Polyacrylaten bzw. Acrylat-Copolymeren,

b) nichtionischen Celluloseethern aus der von Hydroxyethyl-, Hydroxylethyl-methyl-, Hydroxypropyl-methyl- und Hydroxypropylcellulose gebildeten Gruppe mit Viskositäten nach Brookfield in 2 %iger wäßriger Lösung bei 20 C von mindestens 3000, insbesondere mindestens 5000 mPas,

sowie gegebenenfalls

c) üblichen Zusätzen wie Pigmente, Netzmittel, Weichmacher (Extender), Entschäumer, Dispergierhilfsmittel sowie Konservierungs- und Alterungsschutzmittel."

V. Der Beschwerdeführer hat zur Neuheit des Verfahrensanspruchs 2 des Hauptantrages im wesentlichen vorgetragen, daß dieser das Zusetzen des Celluloseethers b) zur Fugendichtungsmasse auf Basis der wäßrigen Acrylat-Dispersion a) als Verfahrensschritt fordere, während gemäß der Druckschrift (6) der Celluloseether b) und das Acrylat-Polymere a) trocken gemischt und dann mit Wasser versetzt würden, um die Fugendichtungsmasse zu erzeugen. Dieser Anspruch sei im Lichte der Offenbarung dieser Druckschrift auszulegen, so daß sich im Anspruch möglicherweise enthaltene Unstimmigkeiten dadurch zwanglos aufklärten. Aus diesem Grunde sei der Gegenstand des Anspruchs 2 des Hauptantrages von der Druckschrift (6) abgegrenzt.

Gemäß Verfahrensanspruch 1 des ersten Hilfsantrages würden die Celluloseether b) und die wäßrige Acrylat-Dispersion a) zur Herstellung der Fugendichtungsmassen gemischt. Diese Verfahrensmaßnahme sei in allen Beispielen ursprünglich offenbart und unterscheide den beanspruchten Gegenstand von der Druckschrift (6), die eine Mischung der trockenen Komponenten vornehme, der zur Herstellung der Fugendichtungsmassen anschließend Wasser zugegeben werde.

VI. Der Beschwerdegegner hat zur Neuheit des Verfahrensanspruchs 2 des Hauptantrages im wesentlichen vorgetragen, daß dieser nicht von der Druckschrift (6) abgegrenzt sei, sondern weiterhin von ihr vorweggenommen werde. In seinem Kennzeichen schreibe er nicht einen eigenständigen Verfahrensschritt des Zusetzens fest, sondern definiere lediglich die Mengenverhältnisse der im Oberbegriff angegebenen Komponenten. Dies ergebe sich aus der Beschreibung des Streitpatents. Dieser Verfahrensanspruch betreffe außerdem ein Verfahren zum Abdichten von Fugen und kein Verfahren zur Herstellung von Fugendichtungsmassen, weswegen eine bestimmte Herstellungsmaßnahme als Kennzeichen hier keinen Sinn ergebe. Darüber hinaus sei auch der Wortlaut des Anspruchs dahingehend unstimmig, daß der Celluloseether b) der Fugendichtungsmasse, welche jedoch bereits diese Celluloseether enthalte, zugesetzt werde.

Der Beschwerdegegner hat die ursprüngliche Offenbarung der neuen Verfahrensmaßnahme des Mischens der Komponenten a) und b) in Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages angegriffen. Diese Verfahrensmaßnahme stelle eine unzulässige Verallgemeinerung der Offenbarung der ursprünglichen Beispiele dar, da das Mischen vom Feststoffgehalt der wäßrigen Dispersionen und von der Art des Füllstoffes abhänge. Daher gehe diese Änderung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und verletze Artikel 123 (2) EPÜ. Außerdem verleihe die Verfahrensmaßnahme des Mischens dem Verfahrensanspruch des ersten Hilfsantrages keine Neuheit gegenüber der Druckschrift (6), da diese die Zugabe von Wasser zu einer trockenen Mischung der Komponenten a) und b) offenbare. Nach der Zugabe eines Teils des Wassers entstehe eine wäßrige Acrylat-Dispersion, die dann weiter gemischt werde; dies entspreche dann der anspruchsgemäßen Verfahrensweise.

VII. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2000 eingereichten Ansprüchen 1 und 2 gemäß Haupt- oder erstem Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdegegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die geltenden Ansprüche 1 und 2 entsprechen den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 1 und 8, mit dem einzigen Unterschied, daß die auf Beschichtungsmassen gerichtete Ausführungsform dieser Ansprüche gestrichen ist und lediglich die auf Fugendichtungsmassen gerichtete Ausführungsform aufrechterhalten wird. Diese Einschränkung auf eine von zwei ursprünglich genannten gleichwertigen Alternativen geht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer eingereichten Fassung nicht hinaus.

Diese Abänderung der erteilten Ansprüche beschränkt den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Streitpatents im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.

Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Die Kammer hat keine Veranlassung von der Beurteilung der Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens durch die Einspruchsabteilung abzuweichen. Da im Beschwerdeverfahren mangelnde Ausführbarkeit durch unzureichende Offenbarung der Erfindung nicht geltend gemacht wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

4. Auslegung des Inhalts des Anspruchs 2

4.1. Im vorliegenden Fall ist die zutreffende Auslegung des Verfahrensanspruchs 2 im Beschwerdeverfahren strittig. Der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner haben gegensätzliche Auffassungen zu der Frage vertreten, ob dieser Anspruch das Zusetzen des Celluloseethers b) als eigenständigen Verfahrensschritt fordert. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, zuerst den Gegenstand dieses Anspruches festzustellen, bevor die Kammer über dessen Neuheit befinden kann.

4.2. Der Verfahrensanspruch 2 betrifft ein Verfahren zum Abdichten von Fugen mittels Massen, die wäßrige Acrylat-Dispersionen a) und anspruchsgemäß näher bestimmte nichtionische Celluloseether b) enthalten. Die Menge der Komponente b) beträgt anspruchsgemäß 0,4 bis 6,0 Gew.-%, bezogen auf den Feststoffgehalt der Dispersion. Dies sind die Fakten und insoweit besteht im Beschwerdeverfahren auch kein Streit zwischen den Parteien.

4.3. Der Beschwerdeführer hat indessen geltend gemacht, die Angabe im Kennzeichen dieses Verfahrensanspruches, daß "man diesen Fugendichtungsmassen nichtionische Celluloseether in einer Menge von....zusetzt", stelle einen Verfahrensschritt bei der Herstellung der Fugendichtungsmassen dar. Folglich schreibe dieser Anspruch die eigenständige Verfahrensmaßnahme mit der spezifischen Reihenfolge vor, den Celluloseether b) den Fugendichtungsmassen auf Basis der wäßrigen Acrylat-Dispersion a) zuzusetzen.

Diese Lesart des Anspruchs 2 steht jedoch im inneren Widerspruch zu seinem weiteren Merkmal, laut welchem der Celluloseether bereits in der Fugendichtungsmasse enthalten ist, so daß der Celluloseether schwerlich der Masse zugesetzt werden kann. Des weiteren betrifft dieser Verfahrensanspruch kein Verfahren zur Herstellung von Fugendichtungsmassen, sondern ein einstufiges Verfahren zum Abdichten von Fugen, dessen Kennzeichnung durch eine spezifische Herstellungsmaßnahme keinen Sinn ergibt.

Nachdem aus diesen Gründen die Lesart des Beschwerdeführers zu wesentlichen Unstimmigkeiten im Anspruch 2 führt, bestehen ernsthafte Zweifel an deren Richtigkeit insoweit dieser Anspruch die Verfahrensmaßnahme des Zusetzens des Celluloseethers zur Fugendichtungsmasse als eigenständiges Merkmal umfassen soll.

4.4. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist im Falle von Zweifeln über die zutreffende Bedeutung eines Merkmals in einem Anspruch eines erteilten Patents die Beschreibung zur Auslegung der Patentansprüche mit heranzuziehen, wenn es darum geht, den Inhalt eines Anspruchs objektiv festzustellen, um die Neuheit und das Naheliegen seines Gegenstandes beurteilen zu können (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Auflage, 1999, Kapitel II, B.4.; insbesondere Entscheidung T 16/87, ABl. EPA 1992, 212, Punkt 6 der Entscheidungsgründe). Infolgedessen geht auch der Einwand des Beschwerdeführers fehl, der Anspruch 2 sei nicht im Lichte der Beschreibung sondern der Druckschrift (6) auszulegen.

Im vorliegenden Fall ist daher die Beschreibung des Streitpatents zur Auslegung des Anspruchs 2 heranzuziehen, um die zutreffende Bedeutung dessen kennzeichnenden Merkmals festzustellen. In dem entsprechenden Abschnitt der Streitpatentschrift wird auf Seite 2, Zeile 55 bis Seite 3, Zeile 1 darauf verwiesen, daß gemäß der Erfindung "die nichtionischen Celluloseether...in einer Menge von... enthalten" sind. Damit legt die Beschreibung unzweideutig fest, daß der Celluloseether in einer bestimmten Menge in der Fugendichtungsmasse enthalten ist und folglich das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 2 lediglich eine Mengenangabe des Celluloseethers in der Fugendichtungsmasse darstellt. Die weitergehende Lesart des Beschwerdeführers, das kennzeichnende Merkmal bedeute hingegen die eigenständige Verfahrensmaßnahme des Zusetzens des Celluloseethers zur Fugendichtungsmasse, wird somit durch die Beschreibung des Streitpatents widerlegt.

Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß im Lichte der Beschreibung der Anspruch 2 in seinem Kennzeichen lediglich die Menge des Celluloseethers in der Fugendichtungsmasse festschreibt und dessen objektiv festzustellender Inhalt nicht über die in Punkt 4.2 oben angegebenen technischen Merkmale hinausgeht.

5. Neuheit

Nachdem der Gegenstand des Verfahrensanspruch 2 und die darin enthaltenen Merkmale festgestellt worden sind, ist dessen Neuheit im Hinblick auf den Stand der Technik in Form der Druckschrift (6) zu untersuchen.

5.1. Diese Druckschrift offenbart ein Verfahren zum Abdichten von Fugen mittels Massen (Anspruch 5; Spalte 1, Zeilen 39. bis 44), in dem als Fugendichtungsmasse eine wäßrige Dispersion von Acrylat-Copolymeren und den Celluloseethern Hydroxyethyl- oder Hydroxypropylcellulose eingesetzt wird (Anspruch 1). Diese Celluloseether weisen eine Viskosität von bis zu 8000 mPas in 2 %iger Lösung bei 25 C auf (Anspruch 1), beispielsweise von 4000 mPas (Spalte 3, Zeilen 55 und 56), welche notwendigerweise oberhalb der anspruchsgemäßen Untergrenze von mindestens 3000 mPas bei 20 C liegt. Das Gewichtsverhältnis des Celluloseethers zum Acrylat-Copolymer beträgt bis zu 1:40 (Anspruch 1; Spalte 2, Zeilen 6 und 7), das einer Menge von 2,5 Gew.-% Celluloseether, bezogen auf das Acrylat-Copolymer und damit auf den Feststoffgehalt der Dispersion, entspricht. Dieser Offenbarungsgehalt der Druckschrift (6) ist vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch nicht bestritten worden.

Folglich offenbart diese Druckschrift bereits jenes Verfahren zum Abdichten von Fugen mit allen seinen technischen Merkmalen, das vom Streitpatent erneut beansprucht wird.

5.2. Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluß, daß die Druckschrift (6) den Gegenstand des Anspruch 2 des Hauptantrages neuheitsschädlich vorwegnimmt.

5.3. Da über einen Antrag nur als Ganzes zu entscheiden ist, war auf den weiteren unabhängigen Anspruch 1 nicht weiter einzugehen.

Der Hauptantrag des Beschwerdeführers ist folglich wegen mangelnder Neuheit gemäß Artikel 52 (1) und 54 EPÜ nicht gewährbar.

Hilfsantrag

6. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

6.1. Die Ansprüche 1 und 2 sind auf ein Verfahren zur Herstellung von Fugendichtungsmassen gerichtet, welche ihrerseits ihre Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 2. und 4 finden. Die Herstellung der Fugendichtungsmassen durch die Verfahrensmaßnahme des Mischens der wäßrigen Acrylat-Dispersion a) und der nichtionischen Celluloseether b) ist in jedem der fünf ursprünglichen Beispiele offenbart (Seite 6, Zeilen 2 und 3, Seite 7, Zeilen 7 bis 9 und 23 bis 25, Seite 8, Zeilen 13 und 14 sowie Seite 9, Zeilen 14 und 15). Nachdem alle Beispiele ausnahmslos die Herstellung der Fugendichtungsmassen durch Mischen der Komponenten a) und b) vornehmen, ist diese Verfahrensmaßnahme unmittelbar und unzweideutig als für die patentgemäßen Fugendichtungsmassen allgemein geltende Herstellungsweise aus den ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen.

Der Beschwergegner hat eingewandt, daß diese Verfahrensmaßnahme eine unzulässige Verallgemeinerung der ursprünglichen Beispiele darstelle, denn das Mischen hänge vom Feststoffgehalt der wäßrigen Dispersion und von der Art des Füllstoffs ab. Indessen handelt es sich bei der Verfahrensmaßnahme des Mischens um eine reine Tätigkeit, für welche die stofflichen Merkmale der zu vermischenden Komponenten bedeutungslos sind. Somit ist der Mischvorgang als solcher unabhängig von in den Beispielen angegebenen individuellen stofflichen Merkmalen der einzelnen Komponenten, wie des Feststoffgehalts oder der Füllstoffart, so daß diese Verfahrensmaßnahme im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdegegner losgelöst von weiteren Angaben in den Beispielen als allgemein anzuwendende Verfahrensweise aus den ursprünglichen Unterlagen hervorgeht.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß der geltende Anspruchssatz keine technischen Merkmale enthält, die der Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar aus der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung entnimmt, so daß jener alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.

6.2. Das Streitpatent in seiner erteilten Fassung umfaßte den Stoffanspruch 2, der auf Fugendichtungsmassen per se gerichtet war, während der geltende Anspruchssatz ein Verfahren zu deren Herstellung betrifft. Das Verbot der Erweiterung des Schutzbereiches im Einspruchsverfahren gemäß Artikel 123 (3) EPÜ steht diesem Kategoriewechsel nicht entgegen, da der Schutzbereich des geltenden Anspruchssatzes nichts umfaßt, was nicht schon durch den erteilten Anspruch 2 geschützt gewesen ist. Nachdem ein Patent, in dem ein Stoff per se beansprucht wird, absoluten Schutz für diesen Stoff gewährt, hat der erteilte Stoffanspruch 2 neben den Fugendichtungsmassen als solchen damit auch jegliches Verfahren zu deren Herstellung geschützt, während der Schutz der geltenden Ansprüche auf ein bestimmtes Herstellungsverfahren und dessen unmittelbar hergestellte Fugendichtungsmassen beschränkt ist.

Die Kammer sieht aus diesen Gründen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ durch die Änderung der Kategorie in den geltenden Ansprüchen nicht verletzt. Diesem Schluß hat der Beschwerdegegner auch nicht widersprochen.

7. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Der Beschwerdegegner hat die Ausführbarkeit des beanspruchten Herstellungsverfahrens wegen unzureichender Offenbarung der Erfindung im Beschwerdeverfahren nicht angegriffen. Nachdem die Kammer auch keine Veranlassung sieht, von sich aus dessen Ausführbarkeit in Zweifel zu ziehen, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

8. Neuheit

8.1. Die Druckschrift (6) offenbart die Herstellung der Fugendichtungsmassen durch Mischen einer trockenen Mischung (Anspruch 1, Spalte 4, Zeile 67) aus Acrylat-Copolymer a) und Celluloseether b) mit Wasser. Dieses Herstellungsverfahren wird auch in Anspruch 5 beschrieben. In der beispielhaften Ausführung der Beschreibung wird im einzelnen angegeben, das Acrylat-Copolymer a) trocken mit dem Celluloseether b) zu mischen (Spalte 3, Zeilen 53 bis 55) und diese trockene Mischung dann mit Wasser zu versetzen. Hingegen wird im beanspruchten Verfahren die Herstellung der Fugendichtungsmassen durch Mischen einer wäßrigen Dispersion des Acrylat-Copolymers a), die bereits das Wasser beinhaltet, mit dem Celluloseether b) vorgenommen.

Aufgrund dieser grundsätzlich anderen Vorgehensweise unterscheidet sich das Herstellungsverfahren des Anspruchs 1 von dem der Druckschrift (6).

8.2. Der Beschwerdegegner hat demgegenüber vorgetragen, die Verfahrensmaßnahme des Mischens grenze den Verfahrensanspruch 1 nicht von der Druckschrift (6) ab, da nach der Zugabe eines Teils des Wassers zu der trockenen Mischung der Komponenten a) und b) eine wäßrige Acrylat-Dispersion entstehe, die anschließend weiter gemischt werde; dies entspreche dann der anspruchsgemäßen Verfahrensweise.

Dieser Einwand mißdeutet indessen das in dieser Druckschrift offenbarte Herstellungsverfahren, beschreibt es doch das weitere Mischen der entstehenden Dispersion mit Wasser als Mischungskomponente, während anspruchsgemäß der Celluloseether b) die Mischungskomponente darstellt. Aus diesen Gründen vermag das Vorbringen des Beschwerdegegner die Kammer nicht zu überzeugen.

8.3. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages durch die entgegengehaltene Druckschrift (6) nicht neuheitsschädlich vorwegegenommen wird und damit den Erfordernissen der Artikel 52 (1) und 54 EPÜ genügt.

Diese Schlußfolgerung gilt zwangsläufig auch für den Gegenstand des abhängigen Anspruchs 2, da dieser eine engere Ausgestaltung des Herstellungsverfahrens im Umfange des Anspruch 1 betrifft.

9. Zurückverweisung (Artikel 111 EPÜ)

Da das Streitpatent in seiner vormaligen Fassung von der Einspruchsabteilung einzig wegen mangelnder Neuheit widerrufen worden ist, die Kammer indessen die Neuheit des Gegenstandes der im Beschwerdeverfahren geänderten Ansprüche 1 in 2 gemäß Hilfsantrag festgestellt hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit gefällt, da die Einspruchsabteilung zu weiteren Fragen der Patentierbarkeit des Streitgegenstandes, insbesondere der erfinderischen Tätigkeit, keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden, um auch diesbezüglich den Parteien das Recht auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz zu erhalten. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück. Durch diese Zurückverweisung wird weder dem Beschwerdeführer noch dem Beschwerdegegner die Möglichkeit eröffnet, vor der ersten Instanz auf bereits von der Kammer entschiedene Fragen erneut zurückzukommen, da die Einspruchsabteilung bei unverändertem Tatbestand an die rechtliche Beurteilung durch die Kammer gemäß Artikel 111 (2) EPÜ gebunden ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung auf Basis der Ansprüche 1 und 2 des ersten Hilfsantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 11. April 2000, an die erste Instanz zurückverwiesen.

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