T 0387/97 () of 6.12.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T038797.20001206
Datum der Entscheidung: 06 Dezember 2000
Aktenzeichen: T 0387/97
Anmeldenummer: 88121476.1
IPC-Klasse: A61F 5/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fersenkissen
Name des Anmelders: Bauerfeind GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: (I) IPOS Gesellschaft für integrierte Prothesen-Entwicklung
(II) Heinz Schiebler KG
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die am 3. März 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen, haben sowohl die Einsprechende I als auch die erst im Laufe des Einspruchsverfahrens beigetretene Einsprechende II am 2. April 1997 Beschwerde erhoben und gleichzeitig die Beschwerdegebühren gezahlt. Beide Beschwerdebegründungen sind am 10. April 1997 eingegangen. Mit Brief vom 19. Januar 2000 hat jedoch die Einsprechende I den Einspruch zurückgezogen.

II. Das Patent war aus den Gründen der Artikel 100 a) EPÜ (Mangel an Neuheit bzw. an erfinderischer Tätigkeit) und 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.

III. Folgende, bereits in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D1: DE-U-8 700 681;

D2: Zeitschrift "Orthopädietechnik" 11/87, Seiten 654 bis 656;

D3: US-A-3 859 740.

IV. Entsprechend dem Antrag der Beschwerdegegnerin fand am 6. Dezember 2000 eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Parteien folgende Anträge stellten:

Die verbliebene Beschwerdeführerin (Beitretende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"Fersenbett (1) mit einer randseitig daran anschließenden Schale (2) und einem der Abstützung des Fersensporns dienenden, in das Fersenbett (1) eingebetteten Polster aus Silikon-Kautschuk, dessen Elastizität größer ist als die des Materials des Fersenbettes (1), dadurch gekennzeichnet, daß das Polster einen nur der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich (3) bildet und das Fersenbett (1) und dieser Bereich (3) insgesamt aus Silikonkautschuk unterschiedlicher Härteeinstellung bestehen."

VI. Die Beschwerdeführerin trug die folgenden Argumente vor:

a) Unzulässige Abänderung

Das Merkmal von Anspruch 1: "(Das Polster bildet einen) nur (der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich)" sei ursprünglich nicht offenbart.

In den ursprünglich eingereichten Unterlagen seien die folgenden Formulierungen offenbart:

"...so..., daß auch im Bereich des Fersensporns keine unerwünscht hohen Druckbelastungen auftreten" (EP-A-0 323 611, Spalte 1, ab Zeile 27);

"Dieser weicher eingestellte Bereich wird dort angeordnet, wo sich der Fersensporn auf dem Fersenbett abstützt" (Spalte 1, ab Zeile 31);

"Dieser Bereich ist so angeordnet, daß er sich unterhalb des Fersensporns befindet" (Spalte 2, ab Zeile 18).

Diese Passagen rechtfertigten nicht die Einführung des Merkmals "nur". Vielmehr stehe die Angabe in Spalte 1, ab Zeile 43 des angegriffenen Patents: "der weicher eingestellte Bereich führt jedenfalls (d. h. auch wenn er nicht nur der Abstützung des Fersensporns dient) zu einer geringeren Druckbelastung unter dem Fersensporn" seiner Einführung entgegen.

b) Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe aus folgenden Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit:

Das beanspruchte Fersenkissen unterscheide sich von dem aus der Druckschrift D1 bekannten lediglich durch die Merkmale, daß:

- (das Polster einen) nur (der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich bildet), und

- das Fersenbett aus Silikonkautschuk besteht.

Die Druckschrift D1 offenbare jedoch bereits ein Fersenbett, das eine geringere Elastizität als das Polster aufweist (siehe Anspruch 1, kennzeichnender Teil: "... in ein Grundmaterial [also ein Fersenbett] geringerer Elastizität Polster ... eingesetzt ... sind"). Dadurch weise das bekannte Polster insbesondere beim Fersensporn überlegene Eigenschaften auf (Seite 4, 3. Absatz). Das Fersenpolster diene insbesondere einer Druckverteilung und Schmerzmilderung bei Fersenspornbildung, siehe Seite 7, 2. Absatz; Figur 2, wobei die (kleinflächige) Vertiefung 13 in Figur 3 eine besondere Entlastung des Fersensporns erzeuge.

Eine Kombination der Lehre von Druckschrift D1 mit den Angaben in der Beschreibung des angegriffenen Patents, Spalte 1, Zeile 20 (die herkömmlichen Fersenkissen bestehen durchgehend aus Silikonkautschuk) stelle somit das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für Anspruch 1 in Frage.

Unabhängig davon sei der patentierte Gegenstand durch eine Kombination der Lehre der Druckschriften D1 und D2 (die Fersenkissen aus Silikonkautschuk offenbart) oder durch die Kombination der Lehre der Druckschriften D3 (Spalte 3, erster Absatz) und D2 nahegelegt.

VII. Die Beschwerdegegnerin brachte folgende Argumente vor:

a) Ursprüngliche Offenbarung

Die Formulierung in Spalte 2, Zeilen 18 bis 23 der Beschreibung des angegriffenen Patents:

"Dieser Bereich ist so angeordnet, daß er sich unterhalb des Fersensporns befindet, so daß die Druckbelastung des Rückfußes unter dem Fersensporn geringer wird und der Druckbelastung des übrigen Rückfußes angepaßt wird."

impliziere, daß ein großflächiges Polster ausgeschlossen ist, weil ansonsten die angestrebte Funktion nicht zu erfüllen wäre.

Auch die weitere Angabe (Spalte 1, Zeilen 33 bis 36):

"Der weicher eingestellte Bereich [kann] mittig oder auch außermittig am Fersenbett angeordnet sein"

laufe auf eine solche Konzentration des Polsters unter dem Fersensporn hinaus.

Die Einfügung des Worts "nur" in Anspruch 1 stelle auf jeden Fall nur eine Einschränkung dar, die nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe. Der Ausdruck: "nur" bringe zum Ausdruck, daß das Polster jedenfalls nicht den gesamten Rückfuß abdecke und daß es die in den oben zitierten Passagen angegebene Funktion erfülle.

b) Erfinderische Tätigkeit

Aus der Druckschrift D1, Figur 2 sei ein großflächiges Fersenpolster bekannt, das sich über die gesamte Ferse erstrecke und einen nicht nur zur Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich bilde. Diese Einlage bestehe aus Silikon; das die Einlage umgebende Material der Sohle könne dagegen aus Metall, Kork, Leder, aus thermoplastischen Materialien oder Schaumstoffen bestehen (siehe Seite 3, Absatz 2, Zeilen 4 und 5). Einer der wesentlichen Grundgedanken der Erfindung, nämlich ein insgesamt aus Silikonkautschuk unterschiedlicher Härteeinstellungen bestehendes Fersenbett bereitzustellen, gehe aus D1 nicht hervor. Figur 3 dieser Druckschrift zeige ferner eine Vertiefung 13 in einem mittleren Bereich nur zur Entlastung des Fersensporns, die jedoch wegen des an seinem Rand entstehenden scharfen Druckübergangs zu einer wirksamen Entlastung des Fersensporns ungeeignet sei.

Da die Druckschrift D2 kein Polster und die Druckschrift D3 (Spalte 3, 2. Absatz) eine Sohle aus Filz offenbare, könnten auch diese Schriften nicht zum patentierten Gegenstand führen.

Eine Kombination der Lehre von Druckschrift D1 mit dem in der Patentschrift angegebenen Stand der Technik könne den beanspruchten Gegenstand nicht nahelegen, da dort kein relativ kleines Polster offenbart sei, das weicher sei als das Material des umgebenden Bereichs.

Auch eine Kombination der Lehren der Druckschriften D1 und D2 könne das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 nicht in Frage stellen, weil Silikonkautschuk kein thermoplastisches Material sei, und daher nicht unter die in Druckschrift D1, Seite 3 aufgelisteten Materialien falle.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Die Druckbelastung eines gesunden Fußes auf dem Fersen ist weitgehend gleichmäßig verteilt. Der Fersensporn (genauer genannt: Kalkaneussporn) ist ein dornartiger Knochenauswuchs des Kahlbeins (kalkaneus). Bei der Erfindung geht es um den unteren Kalkaneussporn und zwar um den Aponeurosensporn am Ursprung des ligamentum plantaris. Dieser Knochenauswuchs drückt gegen die Haut und preßt sie beim Stehen und Gehen schmerzhaft gegen die Sohle. Der wegen des Sporns entstehende Überdruck an der Fußsohle verteilt sich (u. a. über die Haut) ziemlich gleichmäßig auf einem Bereich um den Sporn herum. Außerhalb dieses Bereichs nimmt der Druck ab.

2.2. Aufgrund dieser Überlegungen und der Angaben in der Patentschrift ist der Ausdruck

"(Das Polster bildet einen) nur (der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich)"

in dem Sinne zu verstehen, daß das Polster nicht den gesamten Rückfuß deckt, sondern nur den den Sporn unmittelbar umgebenden Bereich, und daß es die Funktion erfüllt, die ursprünglich in der Patentanmeldung offenbart wurde (siehe die von der Beschwerdegegnerin zitierten Fundstellen, oben, Punkt VII a)). Diese Auslegung entspricht dem Vortrag der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung.

Somit verstößt Anspruch 1 nicht gegen die Erfordernisse von Artikel 100 c) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Erfindung geht von einem Fersenkissen aus Silikonkautschuk mit einer durchgehend gleichen Elastizität aus (Spalte 1, ab Zeile 14). Ein solches Fersenkissen ist aus der Druckschrift D2 bekannt. Bei solchen Fersenkissen ist die Druckverteilung am gesunden Rückfuß weitgehend gleichmäßig. Liegt jedoch ein Fersensporn vor, so ist in seinem Bereich die Druckbelastung höher. Aufgabe der Erfindung ist es somit, ein Fersenkissen der eingangs beschriebenen Gattung so zu verbessern, daß auch im Bereich des Fersensporns keine unerwünscht hohen Druckbelastungen auftreten.

Der Fachmann wird auf der Suche nach einer Lösung für die gestellte Aufgabe auf die gattungsgemäße Druckschrift D1 stoßen.

Aus dieser Druckschrift ist ein Fersenbett (Seite 3, 2. Absatz, ab Zeile 5) mit einem in das Fersenbett eingebetteten Polster aus Silikon-Kautschuk bekannt, dessen Elastizität größer ist als die des Materials des Fersenbettes und das einen nur der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich bildet (siehe Seite 4, 2. vollständiger Absatz, Seite 3, 2. Absatz und Anspruch 1).

Da dem Silicon-Kautschuk verarbeitenden Fachmann aus den Datenblättern seiner Werkstoff-Lieferanten geläufig ist, daß Silikon-Kautschuk in unterschiedlichen Härtegraden erhältlich ist, lag es für ihn ohne weiteres nahe, die aus der Druckschrift D1 bekannte Maßnahme, nämlich zur Abstützung des Fersensporns ein Polster größerer Elastizität einzusetzen, auf das aus der Druckschrift D2 bekannte Fersenkissen zu übertragen und in das Fersenkissen aus Silikon-Kautschuk ein Polster desselben Materials, jedoch mit größerer Elastizität, zur Abstützung des Fersensporns einzubetten.

Für die Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, kann dabei nicht von Bedeutung sein, daß gemäß dem Streitpatent das Polster eine "nur" der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich bildet, wogegen das aus der Druckschrift D1 bekannte Polster "großflächig" im Fersenbereich ausgeführt werden soll. Da - wie auch die Beschwerdegegnerin zugibt - Figur 3 von Druckschrift D1 eine Vertiefung 13 zeigt, die "in diesem Bereich eine besondere Entlastung des Fersensporns erzeugt" (Seite 7, dritter Absatz), wobei alternativ hierzu Polster vorgesehen werden können (Seite 3, 4. und 5. Zeile, siehe auch Seite 4, Anfang des dritten Absatzes), ist ein Polster, das einen "nur" der Abstützung des Fersensporns dienenden Bereich in dem Sinne bildet, daß gezielt der in diesem Bereich gegebenen Druckempfindlichkeit begegnet wird, aus der Druckschrift D1 schon explizit bekannt. Darüber hinaus ist aus der Druckschrift D3, Spalte 3, erster Absatz bekannt, die Größe und relative Lage des Polsters an die Position des Fersensporns anzupassen.

Da sich somit die Merkmale des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2 ergeben, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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