T 0274/97 () of 27.11.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T027497.20011127
Datum der Entscheidung: 27 November 2001
Aktenzeichen: T 0274/97
Anmeldenummer: 91105712.3
IPC-Klasse: B23C 3/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Maschine zur spanenden Metallbearbeitung
Name des Anmelders: Wera-Werk Hermann Werner GmbH & Co. ehemaliger
Name des Einsprechenden: LIEBHERR-VERZAHNTECHNIK GMBH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Zulässigkeit (bejaht)
Neuheit - (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 453 875 wurde mit der am 18. Dezember 1996 verkündeten und am 9. Januar 1997 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung widerrufen mit der Begründung, der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 des Patents sei nicht erfinderisch gegenüber dem der offenkundigen Vorbenutzung der Wälzfräsmaschine LC 752, die von der Einsprechenden an die Firma R.S. Stokvis & Fils S.A., Frankreich geliefert worden sei. Diese Lieferung werde mittels:

K3: Rechnung vom 12. Januar 1987, 12 Seiten, und

K8: Auftragsbestätigung vom 15. November 1985 zur Rechnung K3, 44 Seiten,

belegt und werde ihres Erachtens von der Patentinhaberin nicht bestritten.

Im Einspruchsverfahren wurden weiter noch folgende Beweismittel in Bezug auf die oben genannte offenkundige Vorbenutzung eingereicht:

K4: Bild einer Wälzfräsmaschine, Nummer 159 M-49

K5: Bild einer Bearbeitungsmaschinenaufstellung mit Entgrateinrichtung, Nummer 167 M-27.

II. Mit am 7. März 1997 empfangenen Telefax legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 11. April 1997 eingereicht.

Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 teilte die Einsprechende mit, daß sie ihren Einspruch zurückziehe. Zur Sache äußerte sie sich nicht.

III. In einer persönlichen Rücksprache mit dem Berichterstatter am 25. Oktober 2001 wurde ein mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 eingereichter Satz Ansprüche klargestellt und in Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ geändert. Gleichzeitig wurde eine an die Ansprüche angepaßte Beschreibung eingereicht.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis der Ansprüche 1, 4-10 und Beschreibungsseiten 2-4, eingereicht am 25. Oktober 2001, sowie der Ansprüche 2 und 3. vom 4. Oktober 2001 und der Figuren 1-6 des erteilten Patents aufrechtzuerhalten.

Der betreffende Anspruch 1 lautet:

"Schlagmesser-Fräsmaschine mit im Zwanglauf zueinander rotierendem Werkstückträger und Werkzeugträger, dessen windschief zur Werkstückträger-Drehachse (x) verlaufende einstellbare Achse (z) um eine Achse (y) schwenkbar und feststellbar ist, welche die Drehachse (x) des Werkstückes und die Werkzeugträgerachse (z) rechtwinklig schneidet, wobei der Werkzeugträger in Richtung der Werkstückträger-Drehachse (x) und der Werkzeugträger-Schwenkachse (y) verlagerbar ist, gekennzeichnet durch zwei über eine elektronische Zwanglaufeinrichtung (13) verbundene und je für sich von dieser abkoppelbare elektrische Einzelantriebe (6,7) für Werkstückträger (2) und Werkzeugträger (5), welcher seinerseits auf einem längs der Werkzeugträgerachse (z) verschiebbaren Werkzeugschlitten (16) sitzt, auf dem zusätzlich ein durch Relativbewegung zum Werkzeugschlitten (16) in Arbeitsstellung bringbarer Ergänzungswerkzeug-Träger (18) angeordnet ist, wobei die Drehzahl des Einzelantriebes (7) für den Werkstückträger auf eine zum Abdrehen notwendige Schnittgeschwindigkeit bringbar ist oder die Werkstückträgerdrehachse (x) stillsetzbar oder schrittweise drehbar ist und der Ergänzungswerkzeug-Träger (18) ein oder mehrere Drehmeißel, Fingerfräser oder einen Bohrer trägt."

IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Die vorbenutzte Wälzfräsmaschine sei keine Maschine zur Mehrfachbearbeitung wie die Schlagmesser-Fräsmaschine nach Anspruch 1, sondern ein Verzahnungszentrum und damit gattungsfremd. Es gebe in dieser Maschine außer dem Entgraten keine andere Bearbeitungsweisen, so wie es die Maschine nach Anspruch 1 erlaube.

Die Feststellung, daß die vorbenutzte Wälzfräsmaschine eine zum Abdrehen geeignete Umfangsgeschwindigkeit erreichen könne, sei nur unter Erfüllung zweier Grenzbedingungen möglich, die sich jedoch gegenseitig ausschlössen. Die Entgratung solle nur während der Wälzfräsbearbeitung stattfinden, jedoch erlaube eine zum Abdrehen geeignete Umfangsgeschwindigkeit keine gleichzeitige Wälzfräsbearbeitung.

Als nächstkommender Stand der Technik solle vielmehr

D1: DE-A-2 650 955

angesehen werden. Die Schlagmesser-Fräsmaschine nach Anspruch 1 unterscheide sich von der in D1 offenbarten Schlagmesser-Fräsmaschine durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils, die weder von dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung noch von dem weiter genannten Stand der Technik nahegelegt seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

2.1. Im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 enthält Anspruch 1 noch zusätzlich die Merkmale, daß die Drehzahl des Einzelantriebes für den Werkstückträger auf eine zum Abdrehen notwendige Schnittgeschwindigkeit bringbar ist oder die Werkstückträgerdrehachse stillsetzbar oder schrittweise drehbar ist und der Ergänzungswerkzeug-Träger ein oder mehrere Drehmeißel, Fingerfräser oder einen Bohrer trägt.

Diese Änderungen gehen zurück auf Seite 2, Zeile 34 bis Seite 3, Zeile 34 und Seite 8, Zeilen 5 bis 31 der ursprünglich eingereichten Beschreibung und sind somit nicht nach Artikel 123 (2) EPÜ zu beanstanden. Da sie den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 weiter einschränken sind auch die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt.

2.2. Die Streichung der Ausführungsform (erteilter Anspruch 13), nach der das Ergänzungswerkzeug ein Wälzfräskopf ist, ist zur Erfüllung der Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ notwendig, weil in den ursprünglichen Unterlagen der Wälzfräskopf nicht als Ergänzungswerkzeug, sondern als das Hauptwerkzeug (als Alternative zum Schlagmesser) dargestellt wurde (siehe Seite 3, Zeile 34 bis Seite 4, Zeile 12).

Diese Streichung entspricht auch den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ.

2.3. Die sonstigen Änderungen in den Ansprüchen betreffen Sprachkorrekturen und Klarstellungen, die den Gegenstand dieser Ansprüche und deren Schutzumfang nicht erweitern.

Die Änderungen in der Beschreibung betreffen Anpassungen an die geänderten Ansprüche und Sprachkorrekturen und sind ebenfalls nicht nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zu beanstanden.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit des Gegenstandes des jetzigen Anspruchs 1 wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten. Sie folgt schon daraus, daß keines der ermittelten Dokumente die Kombination einer Schlagmesser-Fräsmaschine mit einem auf dem Werkzeugschlitten angeordneten Ergänzungswerkzeug in Form eines Drehmeißels, Bohrers oder Fingerfräsers aufweist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die offenkundige Vorbenutzung einer LC 752 Wälzfräsmaschine, belegt durch K3 und K8, als nächstkommenden Stand der Technik angesehen, weil ihres Erachtens eine Wälzfräsmaschine zum Einsatz als Schlagmesser-Fräsmaschine geeignet sei.

4.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dieser Maschine dadurch, daß

a) es eine Schlagmesser-Fräsmaschine ist,

b) auf dem Werkzeugschlitten ein durch Relativbewegung zum Werkzeugschlitten in Arbeitsstellung bringbarer Ergänzungswerkzeugträger angeordnet ist,

c) die Drehzahl des Einzelantriebes für den Werkstückträger auf eine zum Abdrehen notwendige Schnittgeschwindigkeit bringbar ist, und

d) der Ergänzungswerkzeugträger ein oder mehrere Drehmeißel, Fingerfräser oder einen Bohrer trägt.

4.3. Diese Merkmale lösen die Aufgabe, auf einer Schlagmesser-Fräsmaschine an dem mit dem Schlagmesser zu bearbeitenden bzw. bearbeiteten Werkstück Vor- bzw. Nachbearbeitungen wie Drehen, Fingerfräsen und Bohren ausführen zu können, ohne das Werkstück ausspannen zu müssen. Es ist auch nicht nötig, das Werkzeug ein- und auszuspannen, weil der Ergänzungswerkzeugträger durch Relativbewegung zum Werkzeugschlitten in Arbeitsstellung bringbar ist.

Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung sind diese Vorteile und diese Aufgabe dem Patent zu entnehmen, siehe Seite 2, Zeilen 16 und 17 und Zeilen 25 bis 30.

4.4. Aus den von der Einspruchsabteilung verwendeten Beweismitteln K3 und K8 ist nicht herzuleiten, wo in der Wälzfräsmaschine LC 752 die auf Seite 9 der K3 bzw. Seite 30 der K8 erwähnte "Entgratstahleinrichtung mit 2. NC-Achsen (Radial-Axial)" angeordnet ist. Die Einspruchsabteilung stützte sich dazu auf die Erklärung der Einsprechenden, diese Vorrichtung sei an anderer Stelle des Maschinenraumes unabhängig vom Werkzeugschlitten angeordnet.

Unter Hinzuziehen der Bilder K4 und K5, von der die Einsprechende behauptete, sie zeigten die vorbenutzte Wälzfräsmaschine LC 752, stellt die Kammer fest, daß die Entgratungsvorrichtung am Maschinengestell praktisch diametral gegenüber dem Werkzeugschlitten angeordnet ist. Der Entgratstahl kann axial und radial zum Werkstück bewogen werden.

4.5. Die Einspruchsabteilung argumentierte, daß es bei der Anordnung des Ergänzungswerkzeugträgers auf dem Werkzeugschlitten um eine Auswahl aus zwei Alternativen mit vorhersehbaren Vor- und Nachteilen handele. Aufgabe der Erfindung sei nur gewesen, den Stand der Technik mit weiteren Vorrichtungen mit gleichen Wirkungen zu ergänzen.

Die Kammer kann sich dieser Auffassung der Einspruchsabteilung nicht anschließen.

4.6. Es ist ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht ausschlaggebend ist, ob der Fachmann den Gegenstand des Streitpatents hätte ausführen können, sondern vielmehr, ob er es in der Hoffnung auf eine Lösung der zugrundeliegenden technischen Aufgabe bzw. gerade in der Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 3. Auflage, 1998, I-D, 6.1).

In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung nicht dargetan, warum der Fachmann die bestehende Anordnung der Entgratstahleinrichtung separat vom Werkzeugschlitten, verlassen und sie auf dem Werkzeugschlitten anbringen würde. Dazu hätte es wenigstens einen Vergleich zwischen den genannten Vor- und Nachteilen und eine Schlußfolgerung, warum die Vorteile überwiegen, erfordert.

4.7. Die Kammer stellt dagegen fest, daß weder in den zur offenkundigen Vorbenutzung eingereichten Unterlagen noch in den sonstigen im Verfahren befindlichen Beweismitteln ein Hinweis zu finden ist, einen Ergänzungswerkzeugträger auf dem Werkzeugschlitten zu montieren und auch noch dafür zu sorgen, daß er relativ zum Werkzeugschlitten bewegt werden kann.

Sie ist der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der LC 752 Wälzfräsmaschine bereits durch dieses Merkmal die erforderliche erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) aufweist. Eine Abhandlung der sonstigen unterscheidenden Merkmale a), c) und d) braucht es daher nicht. Eine Prüfung der Frage, ob diese Vorbenutzung tatsächlich in der Form stattgefunden hat, wie von der Einsprechenden behauptet, entfällt aus dem gleichen Grund.

4.8. Die obige Schlußfolgerung ändert sich nicht, wenn von D1 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen wird, so wie es die Beschwerdeführerin will.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Maschine nach D1 nämlich durch die Merkmale seines kennzeichnenden Teils, der auch das oben genannte, die erfinderische Tätigkeit bereits begründende Merkmal b) umfaßt.

4.9. Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 10 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen der Schlagmesser-Fräsmaschine nach Anspruch 1 (Regel 29 (3) EPÜ) und sind somit ebenfalls bestandsfähig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Seiten 2, 3 und 4, eingereicht am 25. Oktober 2001

Ansprüche:

1, 4-10, eingereicht am 25. Oktober 2001

2, 3, eingereicht mit Schreiben vom 4. Oktober 2001

Figuren:

1-6 der Patentschrift.

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