T 0259/97 (Bohrspülungen II/COGNIS) of 8.11.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T025997.20001108
Datum der Entscheidung: 08 November 2000
Aktenzeichen: T 0259/97
Anmeldenummer: 89122820.7
IPC-Klasse: C09K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung ausgewählter Esteröle in Bohrspülungen insbesondere zur off-shore-Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen (II)
Name des Anmelders: Cognis Deutschland GmbH, et al
Name des Einsprechenden: FINA Research
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Lösung
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein) - Voraussetzung nicht erfüllt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0220/84
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 28. Januar 1997 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.

II. Der Entscheidung lagen die erteilten Ansprüche 1 bis 15 zugrunde, wobei die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 lauteten:

"1. Verwendung ausgewählter im Temperaturbereich von 0 bis 5 °C fließ- und pumpfähiger Ester aus monofunktionellen Alkoholen mit 2 bis 12, insbesondere 4 bis 12 C-Atomen und aliphatisch gesättigten Monocarbonsäuren mit 12 bis 16 C-Atomen als Ölphase oder wenigstens überwiegender Anteil der Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen, die für eine umweltschonende off-shore-Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase eine disperse wäßrige Phase zusammen mit Emulgatoren, Beschwerungsmitteln, fluid-loss-Additiven, Viskositätsbildnern und gewünschtenfalls weiteren üblichen Zusatzstoffen enthalten."

"11. Mineralölfreie Invert-Bohrspülungen, die für die off-shore-Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase auf Basis Esteröle eine disperse wäßrige Phase zusammen mit Emulgatoren, Verdickern, Beschwerungsmitteln, fluid-loss-Additiven und gewünschtenfalls weiteren üblichen Zusatzstoffen enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß die Ölphase zum wenigstens überwiegenden Anteil aus Estern monofunktioneller Alkohole mit 2 bis 12 C-Atomen und aliphatisch gesättigten Monocarbonsäuren mit 12 bis 16 C-Atomen gebildet ist, wobei diese Ester der Ölphase im Temperaturbereich von 0 bis 5 °C eine Brookfield(RVT)-Viskosität nicht oberhalb 50 mPas aufweisen."

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 8. November 2000 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat geltend gemacht, der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber den Lehren der Dokumente

(2) Vegetable oils (Ashland Chemical Cy) - Composition and constants of natural fats and oils; und Ullmanns - Encyclopädie der technischen Chemie (Band 11, Seite 542),

(7) US-A-4 631 136,

(37) Mineral oil free oil-based drilling fluids - Developments and Outlook - C.-P. Herold, H. Müller, Dr. von Tapavicza from the laboratories of Henkel KGaA. Düsseldorf und

(40) Speciality Chemicals in the Oil Industry - General Aspects and some Recent Developments, Dr. C.-P. Herold, Henkel GGaA, West Germany, Presentation to the NIF Course - Oil Field Chemicals - Fargernes, March 1987

nicht erfinderisch. Insbesondere vertrat sie die Meinung, aus den Dokumenten (37) und (40) gehe hervor, daß jeder Fettsäureester als Ölphase in Invert-Bohrspülungen verwendet werden kann und daß es somit naheliegend war, die anspruchsgemäßen Fettsaüreester auszuwählen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat dagegen vorgetragen, weder in Dokument (37) noch in Dokument (40) finde sich einen Hinweis darauf, die anspruchsgemäßen Fettsäureester als Ölphase in Invert-Bohrspülungen zu verwenden.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 374 672, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Da nach Feststellung der Kammer die beanspruchten mineralölfreien Invert-Bohrspülungen und die beanspruchte Verwendung der anspruchsgemäßen Ester als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen nirgendwo vorbeschrieben sind und somit nicht als Stand der Technik i. S. von Artikel 54 EPÜ sind, ist der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 15 als neu anzusehen. Da dies weder von der Einspruchsabteilung noch von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Obwohl im Streitpatent die Verwendung von Triglyceriden oder gereinigten Isooctyl-Monoalkohol-Ester hochreiner Tallölfettsäuren als Stand der Technik gewürdigt wurde (Seite 2, Zeile 51 bis Seite 3, Zeile 5), war unbestritten, daß das Dokument (40) und insbesondere das Dokument (37), in denen gleichermaßen die Verwendung von Isobutyl-Oleat, OMC 233, als Ölphase in Invert-Bohrspülungen beschrieben wird (siehe Dokument (37), Seite 4, zweiter Absatz und Dokument (40), Seite 6, Zeilen 26 bis 28 und die letzten drei Zeilen) den nächstliegenden Stand der Technik darstellen.

3.2. In Bezug auf die im Streitpatent beschriebenen Versuche als auch auf die während des Einspruchsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens eingereichten Vergleichsversuche, in denen die rheologischen und hydrolytischen Eigenschaften von patentgemäßen Estern mit diesen von Isobutyl-Oleat verglichen wurden, haben die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer nicht mehr bestritten, daß solche Vergleichsversuche nur beschränkt aussagekräftig sind, da diese Versuche in einem geschlossenen System durchgeführt wurden, während Invertbohrungen in einem offenen System stattfinden.

In Ermangelung eines glaubhaften Nachweises für einen unerwarteten technischen Effekt war unbestritten, daß, ausgehend von der Lehre des Dokumentes (37) oder des Dokumentes (40) die Aufgabe darin bestand, weitere für die Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignete Invert-Bohrspülungen zur Verfügung zu stellen, die hinsichtlich ihres Einsatzverhaltens mit Isobutyl-Oleat vergleichbar sind.

3.3. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die im Anspruch 11 definierten Ester aus monofunktionellen Alkoholen mit 2 bis 12 C-Atomen und aliphatisch gesättigten Monocarbonsäuren mit 12 bis 16 C-Atomen als Ölphase vorgeschlagen (siehe Punkt I).

Es wurde nicht bestritten, daß die anspruchsgemäßen Ester die oben genannte Aufgabe erfüllen. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin auf den weltweiten großtechnischen Einsatz von PETROFREE®, einer Invert-Bohrspülung auf Basis eines patentgemäßen Esters.

3.4. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, diese Aufgabe durch die Verwendung von Estern aus monofunktionellen Alkoholen mit 2 bis 12 C-Atomen und aliphatisch gesättigten Monocarbonsäuren mit 12 bis 16 C-Atomen als Ölphase zu lösen.

3.5. Die Beschwerdeführerin vertrat den Standpunkt, eine solche Anregung sei sowohl Dokument (37) als auch Dokument (40) zu entnehmen. Insbesondere vertat sie die Meinung, aus dem letzten Absatz der Seite 2 und dem dritten Absatz der Seite 10 des Dokumentes (37) gehe hervor, daß jeder Fettsäureester in Invertbohrspülungen verwendet werden kann und daß die Auswahl der anspruchsgemäßen Ester somit naheliegend war.

3.6. Der letzte Absatz auf Seite 2 des Dokumentes (37) besagt jedoch nur, daß ein Trägersystem für Bohrspülflüssigkeiten auf der Basis von Fettsäureestern entwickelt wurde und der dritte Absatz auf der Seite 10 des Dokumentes (37) enthält nur die allgemeine Aussage, daß Fettsäureester als Trägeröl in Invert-Bohrspülungen verwendet werden können und daß Ester teilweise hydrolysieren. Konkrete Hinweise auf bestimmte Ester oder Estergruppen werden dort aber nicht gegeben.

Auf Seite 3 wird dann die chemische Struktur von Estern bzw. Fettsäureestern erklärt und deren Emulgiervermögen und Hydrolyseeigenschaften, sowie deren Verwendung als Motoröle, insbesondere in Flugzeugmotoren beschrieben. Weiterhin ist dem letzten Absatz der Seite 3 zu entnehmen, daß in der Anwendung als Bohrspülflüssigkeiten die Träger eine niedrige Viskosität, einen Erstarrungsbereich unter -15 C und so hoch wie mögliche Siede- und Flammpunkte haben sollen, daß diese Erfordernisse durch Auswahl von geeigneten Säure- und Alkoholkomponenten erreicht werden können, und daß prinzipiell der Schmelzpunkt durch Verzweigung der Esterkohlenstoffenketten und durch die Anwesenheit von Doppelbindungen herabgesetzt werden kann. Auf Seite 4 wird dargelegt, daß Isobutyl-Oleat wegen seines hohen Flammpunktes und seiner mit konventionellen Trägerölen vergleichbaren Temperaturstabilität den vorteilhaftesten Ester darstellt.

Nirgendwo jedoch ist dem Dokument (37) zu entnehmen, ob andere Ester als Isobutyl-Oleat die notwendigen Erfordernisse, wie einen hohen Flammpunkt und eine mit konventionellen Trägerölen vergleichbare Temperaturstabilität, erfüllen und ebensowenig ist diesem Dokument ein Hinweis darauf zu entnehmen, daß die anspruchsgemäßen Ester solche Erfordernisse erfüllen. Vielmehr geht aus dem letzten Absatz auf Seite 3 hervor, daß ungesättigte Ester bevorzugt sind, da der Schmelzpunkt von Estern durch die Anwesenheit einer Doppelbindung herabgesetzt wird.

3.7. Das Dokument (40), die Wiedergabe eines Vortrages eines der Autoren des Dokumentes (37), geht nicht über die Offenbarung des Dokuments (37) hinaus und enthält insbesondere keine entscheidungserheblichen Informationen, die nicht auch Dokument (40) zu entnehmen wären.

3.8. Da somit in den Dokumenten (37) und (40) nur beschrieben ist, daß ein insbesondere Isobutyl-Oleat enthaltendes Esteröl (OMC 233) die notwendigen Erfordernisse zur Verwendung als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen erfüllt und diesen Dokumenten nicht zu entnehmen ist, ob andere Estertypen diese Erfordernisse auch erfüllen könnten, sind weder die beanspruchten mineralölfreien Invert-Bohrspülungen gemäß Anspruch 11, noch die beanspruchte Verwendung von Estern aus monofunktionellen Alkoholen mit 2 bis 12 C-Atomen und aliphatisch gesättigten Monocarbonsäuren mit 12 bis 16 C-Atomen als überwiegender Anteil der Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen gemäß Anspruch 1 durch die Lehre des Dokumentes (37) und/oder (40) nahegelegt.

3.9. Die Beschwerdeführerin hat auch geltend gemacht, die beanspruchten Gegenstände würden durch die Lehre der Dokumente (2) und (7) nahegelegt, weil aus dem Dokument (2) hervorgehe, daß der überwiegende Teil der Fettsäurekomponente in den Ölen pflanzlichen und tierischen Ursprungs sei und weil die Verwendung von Ölen tierischen Ursprungs, die 12 bis 24 Kohlenstoffatome in den Fettsäuren haben, in W/O Invert-Bohrschlämmen aus dem Dokument (7) bekannt sei.

Da jedoch Dokument (2) nur die Fettsäure-Komponenten von Ölen pflanzlichen und tierischen Ursprungs auflistet und diesem Dokument nicht zu entnehmen ist, welche Öle, geschweige denn, welche Fettsäuren als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen geeignet sind, würde ein Fachmann dieses Dokument nicht in Betracht ziehen.

Dokument (7) ist zu entnehmen, daß Öle pflanzlichen und tierischen Ursprungs, die vorzugsweise 12 bis 24 Kohlenstoffatome in den Fettsäurekomponenten enthalten, als Ölphase in W/O Invert-Bohrspülungen verwendet werden können (Spalte 3, Zeile 66 bis Spalte 4, Zeile 35). Diese Offenbarungsstelle besagt lediglich, daß bevorzugt durch Mischung der verwendeten Öle die Zahl der Doppelbindungen und der Dreifachbindungen verringert oder eliminiert wird. Weil Oxidation der Doppelbindungen und Dreifachbindungen bekanntlich zur Polymerisation der Öle führt, wird in diesem Dokument vorgeschlagen, solche Oxidationen durch Verwendung von Antioxidantien zu verringern oder gar zu eliminieren (Spalte 4, Zeilen 36 bis 46). In diesem Dokument, in dem eine Lösung zur Beseitigung der mit der Verwendung von Ölen entstandenen Probleme vorgeschlagen wird, konnte der Fachmann jedoch keinen Hinweis zur Lösung der im Punkt 3.2 genannten Aufgabe finden.

3.9. Die Beschwerdeführerin verwies zuletzt noch auf Punkt 7 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 220/84 vom 16. März 1986 (nicht veröffentlicht im ABl EPA).

Im Punkt 7 ihrer Entscheidung hat die erkennende Beschwerdekammer klargestellt, daß bei der Auswahl eines erfindungsgemäßen Gases aus einer Gruppe von sieben Gasen zur Verwendung in einem Verfahren die Einsprechende nicht darlegen müßte, warum andere Gase nicht für den betreffenden Zweck geeignet sind, da in dem Fall ein Fachmann erwarten konnte, daß alle sieben Gase geeignet sind.

Wie aus den Darlegungen in Punkt 3.5 bis 3.8 hervorgeht, ist im vorliegenden Fall die wesentliche Frage gerade nicht darin zu sehen, ob ein Fachmann erwarten konnte, daß die in Rede stehenden Ester die Erfordernisse zur Verwendung als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen in ähnlicher Weise wie das bekannte, auf Isobutyl-Oleat basierende Esteröl erfüllen würden. Da die Kammer im vorliegenden Fall zum Schluß gekommen ist, daß ein Fachmann dieses eben nicht erwarten konnte, kann der Entscheidung T 220/84 kein für den vorliegenden Fall auch nur irgendwie bedeutsamer Grundsatz entnommen werden.

3.10. Da der Gegenstand des unabhängigen Sachanspruchs 11 durch den zitierten Stand der Technik somit nicht nahegelegt wurde, ist hier das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) erfüllt. Dasselbe gilt für den unabhängigen Verwendungsanspruch 11, da nach den vorstehenden Darlegungen deutlich ist, daß auch die beanspruchte Verwendung der in Rede stehenden Ester durch den Stand der Technik nicht nahegelegt wurde.

Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 15 betreffen besondere Ausführungsformen der in den Ansprüchen 1 und 11 beanspruchten Verwendung oder Invert-Bohrspülungen, sie haben daher zusammen mit diesen Ansprüchen ebenfalls Bestand.

4. Beschwerdegebühr

Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ ist, daß der Beschwerde stattgegeben wird. Das ist hier nicht der Fall, so daß schon aus diesem Grunde die von der Beschwerdeführerin beantragte Rückzahlung dieser Gebühr nicht angeordnet werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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