European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T011497.20000329 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 29 März 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0114/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91106334.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 35/54 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Elektrode für medizinische Anwendungen | ||||||||
Name des Anmelders: | Pacesetter AB | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BIOTRONIK Mess- und Therapiegeräte GmbH & Co Ingenieurbüro Berlin |
||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bestätigt) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 0 455 071 wurde auf die europäische Patentanmeldung 91 106 334.5 mit drei Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung einer Elektrode für medizinische Anwendungen, dadurch gekennzeichnet, daß auf einen bis zu Temperaturen von ca. 2500 C getemperten Formkörper aus Glaskohlenstoff durch Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen bei Temperaturen etwa zwischen 1800 und 2100 C Pyrographit abgeschieden wird, und daß nach dem Abkühlen die Pyrographitbeschichtung vom Formkörper entfernt und daraus eine Pyrographit-Elektrode gefertigt wird."
II. Gegen die Patenterteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) wegen nicht ausreichender Offenbarung und mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch eingelegt. Zur Stützung ihrer Vorbringen haben die Parteien auf folgende Druckschriften verwiesen:
E1: DE-A-3 047 805
E2: DE-A-2 604 165
E3: DE-B-2 613 052
E4: US-A-3 399 969
E5: DE-C-3 140 075
E6: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 1986, Band A5, Seiten 120-122.
III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß das beanspruchte Verfahren in der Patentschrift ausreichend offenbart werde. Keines der zitierten Dokumente beschreibe ein Verfahren, bei dem Kohlenwasserstoffe auf Glaskohlenstoff pyrolysiert werden oder lege eine solche Methode nahe. Aus dem nächstliegenden Stand der Technik E6 lasse sich kein Hinweis auf eine Lösung der dem Patent zugrundeliegenden Aufgabe entnehmen. Die in E6 offenbarte Verwendung von Glaskohlenstoff für Gußformen bei der Glasherstellung liege auf einem völlig gattungsfremden Gebiet.
IV. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und in der Beschwerdebegründung auf ein weitere Druckschrift, nämlich EP-A-0 055 406 (E7), verwiesen. Am 29. März 2000 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und in der mündlichen Verhandlung folgendes vorgetragen:
Als nächstkommmender Stand der Technik seien die Dokumente E1 bzw. E4 anzusehen. Die Ausbildung der Pyrographit-Körper als Elektroden für medizinische Anwendungen sei in E1 bzw. E4 zwar nicht explizit genannt, jedoch wisse der Fachmann, daß solche Formkörper als Elektroden dienen könnten. Außerdem sei eine derartige Ausbildung dem Fachmann aus E2 bzw. E3 hinlänglich bekannt. Der angeblichen Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von Pyrographit-Hohlkörpern anzugeben, bei dem der Hohlkörper durch die bei der Abkühlung auftretenden mechanischen Kräfte nicht beschädigt werde. E1 und E4 lehrten jeweils, daß das Substrat und die Beschichtung aus demselben Grundwerkstoff bzw. derselben Kohlenstoffmodifikation bestehen sollten. Der Fachmann werde folglich nur Kohlenstoff als Substratmaterial in Betracht ziehen.
Der Fachmann werde weiterhin davon ausgehen, daß die Beschädigung der Pyrographit-Hohlkörper beim Abkühlen aus dem anisotropen Aufbau der abgeschiedenen Beschichtung herrühren dürfte. Er werde danach trachten, eine möglichst isotrope Beschichtung zu erzeugen. Da er wisse, daß die Struktur einer durch Pyrolyse auf einem Substrat abgeschiedenen Beschichtung wesentlich durch die Struktur des Substrats bestimmt sei, werde er ein isotropes Substrat verwenden, um auch einen isotropen Hohlkörper zu erhalten. Der Fachmann werde folglich eine isotrope Kohlenstoffmodifikation als Substratwerkstoff einsetzen.
Der Fachmann erkenne weiterhin, daß die Beschädigung der Pyrographit-Beschichtung beim Abkühlen bzw. Ablösen von der der Wechselwirkung zwischen dem Substrat und der Pyrographit-Beschichtung abhänge. Um die Gefahr einer Beschädigung zu verringern, werde er nach einem Substratwerkstoff mit schwacher Oberflächen-Wechselwirkung suchen. Aus E6 sei zu entnehmen, daß Glaskohlenstoff aufgrund seiner stark vernetzten Struktur ein isotroper Werkstoff mit schwacher Neigung zur Oberflächen-Wechselwirkung sei. Die in D6 angegebenen Anwendungen des Glaskohlenstoffes seien ein Beleg für seine schwache Wechselwirkung. Glaskohlenstoff neige wenig zur Oberflächen-Wechselwirkung, da er eine weitgehend geschlossene, porenfreie Oberfläche aufweise. Es liege somit auf der Hand, auch bei der Lösung des hier vorliegenden Problems den isotropen und besonders wechselwirkungsschwachen Glaskohlenstoff als Substratwerkstoff zu verwenden. Der Fachmann habe daher aus der Lehre in E1 (oder E4) mit den durch E6 belegten Fachkenntnissen alle Merkmale des Anspruchs 1 gewinnen können.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich in naheliegender Weise auch aus einer Zusammenschau der Dokumente E7 und E6, wobei E7 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten sei. Es sei dem Fachmann unmittelbar klar, daß es sich bei den implantierbaren Einrichtungen aus E7 auch um Elektroden handeln könne. E7 nenne als bevorzugten Substratwerkstoff isotropen künstlichen Graphit, d. h. eine isotrope Kohlenstoffmodifikation. Die Beschichtung hafte jedoch an diesem Substrat. Ausgehend von E7 sei die Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung von Elektroden anzugeben, bei dem das Ablösen des Substrats erleichtert werde. Um dies zu erreichen, werde der Fachmann nach einem Substratwerkstoff mit schwacher Oberflächen-Wechselwirkung suchen. Aus E6 sei zu entnehmen, daß Glaskohlenstoff aufgrund seiner stark vernetzten Struktur ein isotroper Werkstoff mit schwacher Neigung zur Oberflächen-Wechselwirkung sei. Im Lichte der Lehre aus E6 stelle daher für den Fachmann die Verwendung von Glaskohlenstoff als Substratwerkstoff die einzige Alternative dar.
Die Beschwerdeführerin hat außerdem schriftlich geltend gemacht, der Fachmann sehe unmittelbar, daß für Elektroden mit einer einfachen rohrförmigen Geometrie ein weicher, leicht abzutragender Substratwerkstoff nicht erforderlich sei. Vielmehr sei in Anbetracht der angestrebten größeren Stückzahlen ein relativ widerstandfähiges isotropes Substrat zu wählen, das eine mehrfache Verwendung des Substrats ermögliche. Da der Fachmann aus E6 wisse, daß Glaskohlenstoff isotrop und gegenüber kristallinen Kohlenstoffmodifikationen fester und härter sei, hätte er auch aufgrund von E7 Glaskohlenstoff als Substratwerkstoff in Betracht gezogen.
V. Die Beschwerdegegnerin hat am 28. Februar 2000 geänderte Ansprüche als Hilfsantrag eingereicht. Sie hat u. a. folgendes geltend gemacht:
E7 betreffe keine Elektrode und sei nicht relevant. Das Substrat bestehe nicht aus Glaskohlenstoff und müsse zerstört werden. Die Abscheidetemperaturen seien weit niedriger als 1800 C und führten nicht zu einer Pyrographitschicht. Die Pyrokohlenstoffschicht weise einen sehr niedrigen Anisotrotropie-Faktor von 1,1 auf und sei nicht geeignet für eine Elektrode. E7 enthalte keinen Hinweis, daß der Fachmann für die Herstellung von Elektroden einen anderen Substratwerkstoff verwenden solle, geschweige denn Glaskohlenstoff. Um die bestehende Aufgabe zu lösen, hätte er andere Alternativen in Betracht ziehen können, z. B. die Änderung des Verfahrens, den Zusatz eines sich bewegenden Elements wie in E1, die Verwendung anderer Substratwerkstoffe wie z. B. Metalle oder andere Graphite. Aus E6 könne der Fachmann nicht entnehmen, wie das Trennen der Pyrographit-Beschichtung vom Substrat erleichtert werden könnte.
E1 und E4 beträfen ebenfalls keine Elektroden. Die Beschichtung der in E2 und E3 offenbarten Elektroden sei nicht aus Pyrographit sondern aus Pyrokohlenstoff. Obwohl E2 die Möglichkeit offenbare, die Elektroden vollständig aus pyrolytischem Kohlenstoff zu fertigen, sei kein entsprechendes Herstellungsverfahren beschrieben. E6 befasse sich nicht mit dem Problem der Oberflächenkräfte zwischen dem Substrat und dem Pyrographit während der Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen und enthalte keinen Hinweis, daß Glaskohlenstoff ein wechselwirkungsschwaches Material sei. Der unbewiesenen Behauptung der Beschwerdeführerin, daß ein Werkstoff mit einer stark vernetzten Struktur schwache Oberflächenkräfte aufweise, könne nicht gefolgt werden.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der am 28. Februar 2000 eingegangenen Ansprüche 1 und 2.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik. Da die Neuheit von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
3. Es stellt sich die Frage, welches Dokument den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin kommt E1 (bzw. E4) dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten. E1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von dünnwandigen Formkörpern aus pyrolytischem Graphit durch thermische Zersetzung einer gasförmigen Kohlenstoffverbindung und Abscheidung auf einem Substrat aus Graphit und anschließende Abkühlung. Die Pyrolyse der Kohlenstoffverbindung wird bei Temperaturen von wenigstens 1800 C durchgeführt (siehe Anspruch 1; Seite 3, Zeilen 7-35; die Seitenangaben zu E1 beziehen sich hier und im folgenden auf die handschriftlich geänderte Paginierung). Dieses Dokument betrifft nicht die Herstellung von Elektroden für medizinische Anwendungen, jedoch befaßt es sich mit dem Problem der Beschädigung bzw. Zerstörung der Pyrographitschicht durch die während der Abkühlung auftretenden mechanischen Kräfte. Nach der Beschwerdegegnerin treten bei der Herstellung von Elektroden aus Kohlenstoffmaterialen für medizinische Anwendungen während der Abkühlung ebenfalls mechanischen Kräfte auf, die zur Zerstörung der Pyrographitschicht führen können. Die Beschwerdegegnerin hat selbst vorgetragen, daß die auf solche Elektroden gerichteten Dokumente E2 und E3 nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden können, da die Beschichtung nicht aus pyrolytischem Graphit sondern aus pyrolytischem Kohlenstoff bestehe, so daß diese Elektroden keine guten Eigenschaften aufweisen. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Außerdem offenbaren diese Dokumente nicht, wie Elektroden in Form von Hohlkörpern hergestellt werden und sie befassen sich nicht mit den bei der Herstellung von Elektroden in Form von Hohlkörpern auftretenden Schwierigkeiten. Unter diesen Umständen kann die Kammer zugunsten der Beschwerdeführerin akzeptieren, daß E1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
3.1. In E1 ist insbesondere offenbart, daß bei der Abkühlung das Substrat durch den wesentlich größeren thermischen Ausdehnungskoeffizienten des Substratmaterials im Vergleich zum aufgewachsenen Pyrographit stärker schrumpft und die Pyrographitbeschichtung sich vom Substrat ablöst. Bei ungleichmäßiger Ablösung kann die dünnwandige Pyrographitschicht durch die auftretenden mechanischen Kräfte zerstört werden. Diese bei der Abkühlung auftretenden Schwierigkeiten werden gemäß E1 dadurch überwunden, daß die besagten mechanischen Kräfte durch einen Druckausgleich zwischen dem Reaktionsraum und dem bei der Abkühlung entstehenden Zwischenraum zwischen Substrat und Pyrographitschicht vermieden werden (siehe Seite 3, Zeilen 7-24; Seite 4, Zeilen 13-22).
Ausgehend von E1 kann die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren anzugeben, das die Herstellung von Elektroden für medizinische Anwendungen insbesondere in Form von Hohlkörpern ermöglicht und bei dem das Risiko einer Beschädigung der Beschichtung ebenfalls verringert wird.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird das Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen. Dieses Verfahren unterscheidet sich von demjenigen aus E1 insbesondere dadurch, daß als Substrat ein bis zu Temperaturen von ca. 2500 C getemperter Formkörper aus Glaskohlenstoff verwendet wird, und daß aus der Pyrographit-Beschichtung eine Pyrographit-Elektrode für medizinische Anwendungen gefertigt wird. Im Hinblick auf das Beispiel und die Hinweise im Streitpatent ist glaubhaft, daß die Aufgabe durch das beanspruchte Verfahren tatsächlich gelöst wird. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
3.2. Die in E1 zur Vermeidung der Zerstörung der Pyrographitschicht offenbarten Maßnahmen gehen in eine ganze andere Richtung und deuten keinenfalls darauf hin, den als Substratmaterial verwendeten Graphit durch ein anderes Material zu ersetzen, geschweige denn durch Glaskohlenstoff. Der Fachmann hätte aus den in E1 (Seite 3, Zeile 7 bis Seite 4, Zeile 11) angegebenen Gründen für die Beschädigung der Pyrographitschicht ableiten können, daß deren Ausmaß u. a. von den Ausdehnungskoeffizienten der Schicht und des Substrats, von der Haftung der Pyrographitschicht an ihrer Unterlage und von der Struktur des pyrolytischen Graphits abhängt; jedoch konnte er daraus nicht entnehmen, daß die Verwendung von Glaskohlenstoff als Substratwerkstoff die bestehende Aufgabe hätte lösen können.
3.3. In E1 wird für das Substrat Graphit und für die Beschichtung Pyrographit verwendet. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, der Fachmann hätte daraus schließen können, daß für die Lösung der bestehenden Aufgabe das Substrat und die Beschichtung aus demselben Grundwerkstoff bzw. aus derselben Kohlenstoffmodifikation bestehen sollten. Diesem Vorbringen kann die Kammer nicht folgen, denn E1 zeigt im Gegenteil, daß zusätzliche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Beschädigung der Beschichtung bei der Abkühlung zu verhindern, wenn die Beschichtung und das Substrat aus Pyrographit bzw. Graphit bestehen. Ferner ist Glaskohlenstoff weder die selbe Kohlenstoffmodifikation wie Pyrographit noch dem Pyrographit materialgleich. E1 enthält keinen Hinweis darauf, ein anderes Material als Graphit, geschweige denn Glaskohlenstoff, als Substratmaterial zu verwenden, um die bestehende Aufgabe zu lösen.
3.4. Selbst wenn der Fachmann erkannt hätte, daß in E1 die Beschädigung der Pyrographit-Beschichtung beim Abkühlen unter anderem von der Wechselwirkung zwischen dem Substrat und der besagten Beschichtung abhängt, hätte sich aus E1 und E6 nicht in naheliegender Weise ergeben, für die Abscheidung des Pyrographits ein Substrat aus Glaskohlenstoff anstatt Graphit zu verwenden. E6 lehrt, daß Glaskohlenstoff eine stark vernetzte Struktur aufweist, isotrop und gegenüber polygranularen Kohlenstoffen fester und härter ist. In E6 sind zusätzlich mehrere mögliche Anwendungen für Glaskohlenstoff aufgelistet, darunter die Verwendung als Gußformen bei der Glasherstellung und als Stimulationselektrode für Herzschrittmacher (siehe Seite 121, linke Spalte, zweiter Absatz). Die Beschwerdeführerin hat behauptet, Glaskohlenstoff habe aufgrund seiner stark vernetzten Struktur eine schwache Neigung zur Oberflächen-Wechselwirkung. Es ist der Kammer nicht klar, aus welchem Grund aus der stark vernetzten Struktur des Glaskohlenstoffes gefolgert werden könnte, daß dieses Material bei den verwendeten Pyrolysetemperaturen von wenigstens 1800 C nur wenig zur Oberflächen-Wechselwirkung mit Pyrographit neigen würde. Auf Befragung der Kammer während der mündlichen Verhandlung konnte die Beschwerdeführerin keine Erklärung hierzu geben und antwortete lediglich, daß die in E6 angegebenen Anwendungen des Glaskohlenstoffes einen Beleg dafür darstellten. Jedoch kann aus der Anwendung des Glaskohlenstoffes als Gußformen bei der Glasherstellung nicht gefolgert werden, daß die Wechselwirkungen zwischen Pyrographit und Glaskohlenstoff bei den besagten Temperaturen schwach sind, da es sich bei dieser Anwendung nicht um die Wechselwirkung mit Pyrographit, sondern um diejenige mit Glas handelt. In den anderen Anwendungen wird Glaskohlenstoff nicht in Kontakt mit Pyrographit gebracht, so daß hieraus ebenfalls kein Schluß hinsichtlich der Oberflächen-Wechselwirkung mit Pyrographit bei den besagten hohen Temperaturen gezogen werden kann. Die Beschwerdeführerin hat ihre von der Beschwerdegegnerin bestrittene Behauptung nicht weiter substantiiert.
Auch aus dem Umstand, daß Glaskohlenstoff eine weitgehend geschlossene, porenfreie Oberfläche aufweist, folgt für die Kammer nicht zwingend, daß der Fachmann bei den in E1 verwendeten Pyrolysetemperaturen nur schwache Wechselwirkungen zwischen Pyrographit und Glaskohlenstoff erwartet hätte, denn in diesem Zusammenhang sind nicht nur mechanische Wechselwirkungen sondern alle Wechselwirkungen in Betracht zu ziehen.
Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, daß aus E6 entnommen werden konnte, daß Glaskohlenstoff bei den verwendeten Pyrolysetemperaturen nur wenig zur Oberflächen-Wechselwirkung mit Pyrographit neigt. Folglich hätten die aus E1 und E6 entnehmbaren Lehren den Fachmann nicht dazu anregen können, für die Abscheidung des Pyrographits ein Substrat aus Glaskohlenstoff statt Graphit zu verwenden, um die bestehende Aufgabe zu lösen.
3.5. Die schriftlichen Argumente der Beschwerdeführerin, daß der Fachmann eine isotrope Kohlenstoffmodifikation als Substratwerkstoff einsetzen würde (siehe vorstehender Punkt IV, dritter Absatz) sind ebenfalls nicht überzeugend. Diese Argumente basieren darauf, daß einerseits der Fachmann eine möglichst isotrope Pyrographit-Beschichtung erzeugen würde, und daß andererseits die Struktur einer durch Pyrolyse auf einem Substrat abgeschiedenen Beschichtung wesentlich durch die Struktur des Substrats bestimmt ist. Letzteres ist jedoch nicht in Übereinstimmung mit der Offenbarung in E4, aus der eindeutig hervorgeht, daß andere Parameter eine wesentliche Rolle spielen. Gemäß E1 ist der durch thermische Zersetzung von Kohlenwasserstoffen bei Temperaturen von beispielweise etwa 2000 C auf einem Graphitsubstrat abgeschiedene Pyrographit anisotrop (siehe Seite 2, zweiter Absatz). In E1 ist nicht offenbart, wie eine möglichst isotrope Pyrographit-Beschichtung hergestellt werden könnte. Die Kammer hat Zweifel, daß der Fachmann Versuche in dieser Richtung unternommen hätte, da E1 keinesfalls darauf hindeutet, daß die Verwendung eines isotropen Substrats die bestehende Aufgabe hätte lösen können.
3.6. Die Dokumente E2, E3, E4 und E5 enthalten ebenfalls keine Lehre, die den Fachmann ohne weiteres zur beanspruchten Lösung hätte führen können. Gemäß E2 ist es möglich, die Elektroden vollständig aus pyrolytischem Kohlenstoff zu fertigen (siehe Seite 12, dritter Absatz). Selbst wenn man unterstellen würde, daß es sich bei den vollständig aus pyrolytischem Kohlenstoff gefertigten Elektroden um Elektroden in Form von Hohlkörpern, wie z. B. Ringelektroden, handelt, enthält E2 keine Information darüber, wie solche Elektroden hergestellt werden. Dies gilt ebenfalls für E3. Die bei der Herstellung von Pyrographit-Elektroden in Form von Hohlkörpern auftretenden Schwierigkeiten werden in E2 und E3 überhaupt nicht erörtert. Aus diesen Dokumenten ist nicht zu entnehmen, daß für die Herstellung von Elektroden in Form von Hohlkörpern ein anderes Substratmaterial als Graphit verwendet werden könnte. E4 betrifft nicht die Herstellung von Elektroden für medizinische Anwendungen, sondern ein Verfahren zur Herstellung von isotropen pyrolytischen Kohlenstoffkörpern. In E4 wird als Substrat für die Abscheidung des isotropen pyrolytischen Kohlenstoffs ein Graphitstab verwendet (siehe Spalte 5, Zeilen 38-40). Andere Substratwerkstoffe als Graphit werden nicht erwähnt; E4 enthält auch keine Information, die den Fachmann hätte veranlassen können, als Substratmaterial Glaskohlenstoff statt Graphit zu verwenden, um die bestehende Aufgabe zu lösen. E5 betrifft nicht die Herstellung von Elektroden aus Kohlenstoffmaterialen; die dort offenbarte Ringelektrode ist aus Pt/Ir gefertigt.
3.7. In einer zweiten Argumentationlinie hat die Beschwerdeführerin E7 als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet und die Lehre aus E7 mit E6 in Verbindung gebracht. Die Kammer kann jedoch E7 nicht als nächstliegenden Stand der Technik ansehen. Im Verfahren zur Herstellung von Prothesen aus Pyrokohlenstoff (z. B. Ringe für künstliche Herzklappen) gemäß E7 wird nicht Pyrographit sondern Pyrokohlenstoff auf dem Substrat abgeschieden. Die Abscheidetemperaturen liegen normalerweise zwischen 1300 und 1500 C, d. h. erheblich niedriger als beim beanspruchten Verfahren. Nach der unbestrittenen Behauptung der Beschwerdegegnerin ist eine Pyrokohlenstoffschicht mit dem in E7 bevorzugten Anisotropie-Faktor von 1,1 für eine Elektrode nicht geeignet. Als Substratwerkstoff wird auch nicht Glaskohlenstoff, sondern isotroper künstlicher Graphit verwendet. Ferner haftet die Beschichtung am Substrat und kann nicht einfach entfernt werden, sondern muß zerstört werden (siehe E7 Ansprüche 1-3, 9 und 10; Seite 6, Zeilen 21-24; Seite 7, Zeilen 23-31; Seite 8, Zeilen 17-34; Seite 12, Zeilen 4-6). Daraus geht eindeutig hervor, daß das Verfahren gemäß E7 vom Gegenstand des Anspruchs 1 viel weiter entfernt ist als das Verfahren nach E1.
3.8. Das beanspruchte Verfahren ergibt sich auch nicht in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Lehre aus E1, E6 und E7. Bezüglich E1 und E6 gelten die in den vorstehenden Punkten 3.3 bis 3.5 angegebenen Überlegungen. Aus E7 ist zwar zu entnehmen, daß für das Substrat andere Werkstoffe als der bevorzugte isotrope künstliche Graphit verwenden werden können, jedoch müssen sie im Vergleich zu dem Pyrokohlenstoff der Beschichtung leicht maschinell verarbeitbar, insbesondere weniger abriebfest sein, damit sie leicht z. B. durch Abschleifen abgetragen werden können (siehe Anspruch 2; Seite 7, Zeilen 23- 33; Seite 9, Zeilen 25-31). Diese Lehre kann nicht in Verbindung mit der Lehre aus E1 und E6 auf die beanspruchte Lösung hindeuten, da einerseits Glaskohlenstoff relativ fest und hart ist (siehe E6, Seite 121, linke Spalte, dritter Absatz) und andererseits E7 keine weitere Information enthält, woraus der Fachmann hätte ableiten können, daß durch die Verwendung eines Substrats aus Glaskohlenstoff anstatt Graphit für die Abscheidung des Pyrographits die Beschädigung der Pyrographit-Beschichtung ebenfalls vermieden werden könnte.
Die weiteren Argumente der Beschwerdeführerin, daß der Fachmann in Anbetracht der angestrebten größeren Stückzahlen von Elektroden im Lichte von E6 Glaskohlenstoff als Substratwerkstoff verwenden würde, basieren auf einer rückschauenden Betrachtungsweise, denn einerseits bestand die zu lösende Aufgabe nicht darin, die mehrfache Verwendung des Substrates zu ermöglichen und andererseits ist E7 eindeutig nicht der nächstliegender Stand der Technik. Daher kann die Kammer diesen Argumenten nicht folgen.
4. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und damit auch die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 und 3 die Voraussetzungen für die Patentfähigkeit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ erfüllen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.