European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T010797.20010308 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 März 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0107/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92121151.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41F 27/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zwischen zwei Druckwerkseitenwänden gelagerter Übertragungszylinder mit einer auswechselbaren Hülse | ||||||||
Name des Anmelders: | MAN Roland Druckmaschinen AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Heidelberger Druckmaschinen AG KBA Koenig & Bauer-Albert AG |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Gegenstand der Teilanmeldung geht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 549 936 Beschwerde eingelegt.
Mit zwei Einsprüchen war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) und Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der in Artikel 100 c) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents über den Inhalt der Stammanmeldung, aus welcher das angefochtene Patent als Teilanmeldung ausgeschieden wurde, hinausginge.
II. Der Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"1. Zwischen zwei Druckwerkseitenwänden (12, 13) gelagerter Übertragungszylinder (5), der mit einem Ende (30) in der zugeordneten Druckwerkseitenwand (12) fliegend gelagert ist und dessen anderes Ende (31) vom Lager (32) in der zugeordneten Druckwerkseitenwand (13) freilegbar ist, so daß eine Ausnehmung (34) in dieser Druckwerkseitenwand (13) entsteht, deren Querschnitt größer ist als der Querschnitt einer durch diese Ausnehmung (34) auf den Übertragungszylinder (5) aufschiebbaren Übertragungshülse (1 a), die einen auf einer Trägerhülse (2) angeordneten elastischen Belag (11) trägt, wobei nach dem Aufbringen der Übertragungshülse (1 a) auf den Übertragungszylinder (5) das Lager (32) des Übertragungszylinders (5) wieder in die Ausnehmung (34) auf der Höhe des Übertragungszylinders (5) einsetzbar ist."
III. Am 8. März 2001 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an welcher der ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegner I (Einsprechende I) nicht teilnahm.
IV. Der Beschwerdeführer hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Stammanmeldung offenbare zwei voneinander unabhängige technische Lehren, nämlich einerseits auf den Seiten 1 bis 6 und in den Ansprüchen 1 und 11 die Lehre, daß in einer Druckmaschine die Übertragungszylinderbeläge und die Offsetdruckformen als Hülsen ausgebildet sein sollen, um endlose Drucke schnell und in großen Breiten herstellen zu können, und andererseits auf den Seiten 7 bis 12 sowie in den Figuren 6 bis 8 die Lehre, wie Hülsen vom Druckformzylinder oder vom Übertragungszylinder gewechselt werden können, ohne daß die Zylinder aus der Druckmaschine herausgenommen werden müssen.
Aus der Stammanmeldung sei in die Teilanmeldung die den Austauschvorgang der Übertragungshülse betreffende zweite unabhängige Lehre übernommen worden. Dies stünde im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, wonach ein in einer Stammanmeldung separat offenbarter technischer Sachverhalt als Gegenstand einer Teilanmeldung beansprucht werden könne.
Der Fachmann erkenne, daß die den Austauschvorgang der Hülsen betreffende Lehre der Stammanmeldung sowohl auf den Druckformzylinder als auch auf den Übertragungszylinder separat anwendbar sei, und daß daher in der Teilanmeldung zu Recht nur die Auswechseleinrichtung für den Übertragungszylinder als in eine Druckmaschine einzubauendes Element beansprucht sei.
Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.
V. Der Beschwerdegegner I (Einsprechende I) hat schriftlich und der Beschwerdegegner II (Einsprechende II) hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Stammanmeldung offenbare durchgängig eine Druckmaschine, welche im Einklang mit den Ansprüchen 1 und 11 als wesentliches Merkmal beinhalte, daß sowohl die Druckform auf dem Druckformzylinder als auch der Übertragungsbelag auf dem Übertragungszylinder als austauschbare Hülsen ausgebildet seien. Die Beschreibungseinleitung und die Darstellung der Erfindung gemäß Aufgabe und Lösung auf den Seiten 1 bis 6. offenbarten, daß es bei der erfindungsgemäßen Druckmaschine insbesondere darauf ankomme, daß die Druckform als Hülse ausgebildet sei. Ebenso sei der Hülsenaustauschvorgang gemäß den Seiten 7 bis 12 in erster Linie im Hinblick auf den Austausch der Druckformhülse beschrieben. Lediglich im letzten Absatz der Seite 12 sei beiläufig darauf hingewiesen, daß für den Austauschvorgang der Übertragungshülse die gleichen Verfahrensschritte und Konstruktionsprinzipien wie für die Druckformhülse gelten.
Der Stammanmeldung könne kein Hinweis auf eine Druckmaschine entnommen werden, in welcher die Merkmale, daß der Druckformzylinder eine Druckformhülse aufweise und daß für die Druckformhülse eine Auswechseleinrichtung gemäß den Figuren 6, 7 oder 8 vorgesehen ist, nicht vorhanden sind.
Daher genüge der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht dem Erfordernis des Artikel 76 (1) EPÜ.
Die Beschwerdegegner beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Auslegung des Anspruchs 1
Das Merkmal "zwischen zwei Druckwerkseitenwänden gelagerter Übertragungszylinder" des Anspruchs 1 des Streitpatents besagt, daß der Übertragungszylinder innerhalb einer Druckmaschine montiert ist, und zwar zwischen den beiden Seitenwänden dieser Druckmaschine. Ferner impliziert der Ausdruck "Übertragungszylinder" für den Fachmann, daß es sich bei der Druckmaschine um eine Offsetdruckmaschine handelt und daß dem Übertragungszylinder notwendigerweise ein Druckformzylinder zugeordnet sein muß, wobei die Seitenwände der Offsetdruckmaschine auch als Lager für den Druckformzylinder dienen (vgl. Spalte 3, Zeilen 9 bis 16 des Streitpatents).
Die Kammer kann daher der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach der Anspruch 1 einen Übertragungszylinder und dessen speziell ausgebildete Lagerung als separates, von den übrigen Teilen der Druckmaschine unabhängiges Element betreffe, nicht folgen.
Der Anspruch 1 betrifft somit eine Offsetdruckmaschine, in deren Seitenwänden ein Druckwerk, enthaltend einen Druckformzylinder und einen Übertragungszylinder gelagert ist, und wobei Mittel vorgesehen sind, die es erlauben, daß eine auf dem Übertragungszylinder angeordnete Übertragungshülse seitlich durch eine der Druckwerkseitenwände hindurch vom Übertragungszylinder abgezogen und auf diesen seitlich wieder aufgeschoben werden kann.
Der Anspruch 1 läßt offen, wie die auf dem Druckformzylinder angeordnete Druckform beschaffen ist und welche Mittel vorgesehen sind, um diese Druckform auswechseln zu können. Daher umfaßt der Anspruch 1 auch Offsetdruckmaschinen, in denen die Druckform nicht als seitlich auswechselbare Hülse sondern als auf dem Druckformzylinder aufzuspannende Platte ausgebildet ist.
2. Ursprüngliche Offenbarung
Die ursprünglich eingereichte Stammanmeldung offenbart eine Offsetdruckmaschine, welche gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 11 dadurch gekennzeichnet ist, daß die Offsetdruckform und die Übertragungszylinderbeläge fest auf dem Form- und Übertragungszylinder haftende, jedoch austauschbare Hülsen sind. Aus der einleitenden Beschreibung der Stammanmeldung geht hervor, daß durch die Ausbildung der Druckform und des Übertragungsbelages als Hülsen im Gegensatz zum Stand der Technik, in welchem als Druckformen Platten verwendet werden, relativ hohe Druckgeschwindigkeiten mit großen Arbeitsbreiten bei großen Umfängen der Druckformen hergestellt werden können. Aus den Seiten 1 bis 6 der Beschreibung der Stammanmeldung geht hervor, daß es insbesondere wichtig ist, daß bei der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine die Druckform als Hülse ausgestaltet ist (vgl. Seite 2, Zeilen 6 bis 15; Seite 3, dritter und vierter Absatz; Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, zweiter Absatz; Seite 5, letzter Absatz bis Seite 6, erster Absatz).
Auf den Seiten 7 bis 12 der Stammanmeldung sind unter Bezugnahme auf die Figuren 1 bis 8 bevorzugte Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine beschrieben, wobei gemäß den Figuren 6. bis 8 vorteilhafte Ausgestaltungen der Offsetdruckmaschine offenbart sind, die es erlauben, den Austausch der Druckformhülse vom Druckformzylinder vorzunehmen. Im letzten Absatz der Seite 12 der Stammanmeldung ist dann angegeben, daß für die Übertragungshülse mit der Gummischicht die gleichen Verfahrensschritte und die gleichen Konstruktionsprinzipien bezüglich des Austauschvorgangs gelten.
Aus der Gesamtoffenbarung der Stammanmeldung entnimmt der Fachmann also die Lehre, daß in der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine die Druckform und der Übertragungsbelag aus Hülsen ausgebildet sein sollen, und daß es insbesondere wichtig ist, daß die Druckform als Hülse ausgebildet ist. Ferner vermittelt die Stammanmeldung die Lehre, daß die Hülsen in vorteilhafter Weise mit einer der Ausgestaltungen der Offsetdruckmaschine gemäß den Figuren 6 bis 8 ausgetauscht werden können, wobei auch in Bezug auf den Austauschvorgang vorrangig der Austausch der Druckformhülse beschrieben ist.
Die beiden Lehren, nämlich, erstens, Erzielung hoher Druckgeschwindigkeiten durch die Verwendung von Hülsen und, zweitens, Erleichterung des Auswechselns der Hülsen durch eine besondere Ausgestaltung der Zylinderlager und einer Druckwerkseitenwand, kann man als voneinander unabhängige Offenbarungsgehalte der Stammanmeldung ansehen. Es wäre daher ohne Verstoß gegen Artikel 76 (1) EPÜ möglich, die gesamte zweite Lehre als Teilanmeldung aus der Stammanmeldung herauszunehmen. Diese zweite Lehre betrifft jedoch - ebenso wie die erste Lehre - eine Offsetdruckmaschine, in welcher sowohl die Druckform als auch der Übertragungsbelag als Hülsen ausgebildet sind.
Denn an keiner Stelle der Stammanmeldung findet sich ein Hinweis darauf, daß in der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine die Druckform anders als in Form einer Hülse - also beispielsweise in Form von auf den Druckformzylinder aufspannbaren Platten - ausgeführt sein könnte.
Auch die Aussage im zweiten Absatz der Seite 5 der Stammanmeldung, wonach die Offsetdruckmaschine geeignet sein soll "bei relativ hohen Druckgeschwindigkeiten vorzugsweise unendliche Drucke mit großen Arbeitsbreiten bei großen Umfängen der Druckformen herzustellen" kann nicht als Hinweis für den Fachmann angesehen werden, daß in der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine die Druckform auch anders als in Form einer Hülse, d. h. in Form einer Platte, gestaltet sein könnte.
Aus der Angabe "vorzugsweise unendliche Druck" kann zwar geschlossen werden, daß auch "endliche Drucke" hergestellt werden können. Jedoch muß diese Aussage im Lichte der vorhergehenden Beschreibungseinleitung so gedeutet werden, daß mit der erfindungsgemäßen Offsetdruckmaschine, welche eine Druckformhülse und eine Übertragungshülse aufweist, nicht nur unendliche Drucke sondern auch endliche Drucke hergestellt werden können. Denn der Fachmann weiß, daß eine mit einer Druckformhülse und einer Übertragungshülse ausgestattete Offsetdruckmaschine beliebige Drucke, also unendliche und endliche Drucke, herstellen kann.
Die Aussage "vorzugsweise unendliche Drucke" ist daher nicht geeignet, dem Fachmann zu suggerieren, daß die in der Stammanmeldung offenbarte Offsetdruckmaschine zwar zwingend eine Übertragungshülse aber nicht notwendigerweise auch eine Druckformhülse aufweisen muß.
Die vom Beschwerdeführer angezogenen Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts sind für den vorliegenden nicht einschlägig, weil diesen Entscheidungen durchwegs Sachverhalte zugrundeliegen, bei welchen der Fachmann aus der ursprünglichen Offenbarung explizite oder implizite Hinweise auf einen Gegenstand entnehmen kann, welcher über den Inhalt eines ursprünglich eingereichten unabhängigen Anspruchs hinausgeht. Wie oben dargelegt wurde, liegt aber ein solcher Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht vor.
3. Aus den vorstehend genannten Gründen geht der Gegenstand des Anspruchs 1 des auf der Teilanmeldung Nr. 92 121 151.2 aus der Stammanmeldung Nr. 86 115 898.8 beruhenden Streitpatents über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, so daß das Streitpatent nicht das Erfordernis des Artikels 76 (1) EPÜ erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.