T 1094/96 () of 21.9.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T109496.19990921
Datum der Entscheidung: 21 September 1999
Aktenzeichen: T 1094/96
Anmeldenummer: 88114157.6
IPC-Klasse: B24C 3/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 33 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung lochfraßbeständiger hartgezogener Rohre aus Kupfer oder Kupferlegierungen
Name des Anmelders: KM Europa Metal AG
Name des Einsprechenden: I: Outokumpu Oy
II: Metallwerk Möllersdorf
III: HME Nederland BV
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung (verneint)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Amendments - added subject-matter (no)
Inventive step - non-obvious combination of known features
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0002/81
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der mündlichen Verhandlung vom 27. September 1996 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 306 810 widerrufen, wobei die schriftliche Entscheidung am 24. Oktober 1996 erging.

In ihr kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des damaligen Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und zwar im Hinblick auf die Druckschriften

(D1) British Hospital Technical Memorandum 22, Mai 1972, Ausgabe 1977

(D2) Metals Handbook, 9. Auflage, 1982, Seite 617

(D3) "Rohre aus Kupferlegierungen für Wärmetauscher", Metall, 36. Jahrgang, Heft 11, November 1982

(D5) EP-A-0 180 228

(D6) Russian Engineering Journal, Vol. 58, Nr. 10, 1978, Seiten 39 und 40

(D7) GB-A-2 116 284

(D11) FR-A-2 308 436 (D11-DE: DE-A-2 617 406) und

(D17) "Pitting Corrosion in Copper Tubes in Cold Water Service", Br. Corros. J., 1973, Vol. 8, September.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 14. Dezember 1996 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 27. Februar 1997 (Telefax) begründet.

III. Sie stellt den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 27. Februar 1997 eingegangenen Ansprüche 1 bis 5 sowie der am gleichen Tag eingegangenen, angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

IV. Vorstehend genannter Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Behandlung von hartgezogenen Rohren aus Kupfer oder einer Kupferlegierung zur Verwendung im Sanitärbereich,

bei welchem die bei der Kaltverformung auf Endmaß gezogenen Rohre zunächst in ein organisches Lösungsmittelbad getaucht und hierdurch die Innenoberflächen entfettet werden,

daß anschließend die Innenoberflächen der Rohre während eines Zeitraums von etwa 3 bis 30 Sekunden mit einem Strahlmittel aus Sand- oder Korundteilchen beaufschlagt werden,

und daß dadurch an den Innenoberflächen ein Mittenrauhwert von 0,4 bis 1,0 µm erzeugt wird."

V. Die Einsprechenden I bis III - nachfolgend Beschwerdegegnerinnen I bis III - beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK fand am 21. September 1999 eine mündliche Verhandlung statt. Die wesentlichen Argumente der Parteien zur Stützung ihrer vorgenannten Anträge lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Beschwerdeführerin:

- Der geltende Anspruch 1 sei aus der Sicht des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ nicht angreifbar, da mit Blick auf die Bereichsgrenzen der Mittenrauhwerte zu beachten sei, daß der ursprüngliche Anspruch 9 auf den ursprünglichen Anspruch 8 rückbezogen sei und daß die Neufassung des Anspruchs 1 in ein "Verfahren zur Behandlung von ..." der Klarstellung diene, jedenfalls nicht über die Ursprungsoffenbarung hinausgehe;

- (D1) betreffe zunächst das Gebiet der Medizin und offenbare zwei nicht miteinander kompatible Wege der Rohrreinigung, nämlich Dampf- bzw. Lösungsmittelreinigen mit anschließendem Strahlputzen bzw. Trocknen; das Strahlputzen stehe nicht im Zusammenhang mit einem chemischen Tauchbad-Entfetten;

- aus den zu berücksichtigenden Druckschriften betreffe nur (D7) den Ausgangspunkt der Erfindung, ohne aber das Tauchbad-Entfetten, das Strahlputzen während einer bestimmten Zeit und zur Erzielung bestimmter Mittenrauhwerte zu offenbaren;

- (D11) bzw. (D11-DE) betreffe das Behandeln von Rohren bei erhöhten Temperaturen und stehe damit im Gegensatz zum Beanspruchten, bei dem kaltgezogene (hartgezogene) Rohre vorausgesetzt würden; die einleitenden Ausführungen von (D11) bzw. (D11-DE) beträfen den der Erfindung gemäß (D11) gegenüberstehenden Stand der Technik, weshalb es nicht gerechtfertigt sei, die beiden untereinander zu vermischen, um zum Beanspruchten zu gelangen;

- der restliche Stand der Technik sei irrelevant, weil er keinen Bezug zur Aufgabe des Verhinderns von Lochfraßkorrosion erkennen lasse; da Anspruch 1 auf eine Kombination von Merkmalen abgestellt sei, sei es unbeachtlich, wenn Einzelmerkmale für sich bekannt seien;

- zusammenfassend sei somit das Verfahren nach Anspruch 1 neu und erfinderisch und Anspruch 1 rechtsbeständig.

b) Beschwerdegegnerin I:

- Nächstliegender Stand der Technik sei (D11), zumal Anspruch 1 ein nachträgliches Glühen nicht ausschließe; es werde dabei ein Lösungsmittel-Entfetten mit einer mechanischen Strahlbehandlung kombiniert, wobei die Reihenfolge dieser Schritte bzw. das Tauchbad-Entfetten naheliegend sei, vgl. (D5), Seite 3, Zeilen 18 bis 21 bzw. (D2); lediglich die beanspruchten Parameter des Anspruchs 1 fehlten in (D11);

- Strahlzeiten zwischen 5 und 30 Sekunden seien (D17) entnehmbar; auch wenn dort nichts über Mittenrauhwerte ausgesagt sei, seien die beanspruchten Werte selbstverständlich, vgl. (D3), die ähnliche Rauhigkeitswerte wie im Anspruch 1 offenbare;

- die Kombination von (D11), (D7), (D5), (D3), (D2) und (D17) führe schon deshalb in naheliegender Weise zum Beanspruchten hin, weil der Fachmann die in Kombination bekannten Schritte des Entfettens und Strahlens praktisch ausführen müsse, was einerseits Versuche, aber auch Anleihen im weiteren Stand der Technik als naheliegendes Vorgehen voraussetze;

- Anspruch 1 definiere mithin kein Verfahren, das auf erfinderischem Tätigwerden des Fachmannes beruhe.

c) Beschwerdegegnerin II:

- Anspruch 1 widerspreche Artikel 123 (3) EPÜ, weil er von einem "Verfahren zur Herstellung von ..." abgeändert worden sei in ein "Verfahren zur Behandlung von ..." und weil aus dem erteilten Anspruch 6 nur eine von zwei Bereichsgrenzen übernommen worden sei;

- der Fachmann entnehme aus (D1) die Lehre, Kupferrohe zu entfetten und dann strahlzubehandeln, wobei das beanspruchte organische Lösungsmittel dem Fachmann ebenso vertraut sei wie die Notwendigkeit, beim Strahlbehandeln gewisse Parameter einzuhalten;

- (D11) lehre das Entfetten vor dem Glühen und offenbare wie (D1) die Kombination von chemischer und mechanischer Oberflächenbehandlung, so daß allein diese Druckschriften in Verbindung mit fachmännischem Wissen und Vorgehen zum Verfahren nach Anspruch 1 führten, zumal Parameter wie Strahlzeiten und die damit verbundene Oberflächenaufrauhung über gezielte Versuche ermittelbar seien;

- mit Blick auf die Beschwerdeführerin sei darauf zu verweisen, daß im Zusammenhang mit (D11) keine Vermischung des dort herangezogenen Standes der Technik mit der offenbarten Erfindung vorgenommen werde;

- zusammenfassend sei Anspruch 1 somit nicht auf ein erfinderisches Verfahren abgestellt.

d) Beschwerdegegnerin III:

- Die Bereichsgrenzen gemäß geltendem Anspruch 1 widersprächen der Aussage der ursprünglichen Ansprüche 8 bzw. 9, was anhand eines Neuheitstestes augenscheinlich werde;

- ansonsten seien (D7) und (D5) in Kombination so relevant, daß lediglich die im Anspruch 1 enthaltenen Parameter daraus nicht bekannt seien;

- (D7) beziehe sich nämlich auf hartgezogene Kupferrohre und darauf, daß Ziehmittelreste störten;

- (D5) lehre das chemische und dann mechanische Beseitigen von Rückständen an der Innenoberfläche von Rohren und sei ohne weiteres in Kombination zu bringen mit (D7), die auf ein ähnliches Problem abgestellt sei;

- die im Anspruch 1 enthaltenen Parameter seien banaler Natur, weil erkennbar eine zu kurze Strahlzeit kein Ergebnis zeitige und weil eine zu lange Strahlzeit zu einem unerwünschten Materialabtrag führe, vgl. (D6), die auch bezüglich der beanspruchten Mittenrauhwerte ergiebig sei;

- bei diesen Gegebenheiten sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 insgesamt nicht das Ergebnis erfinderischen Tätigwerdens des Fachmannes.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Die erste im Anspruch 1 vorgenommene Änderung betrifft dessen Zeile 1, in der anstelle eines Verfahrens "zur Herstellung ..." nunmehr ein "Verfahren zur Behandlung von hartgezogenen Rohren ..." beansprucht wird. Die Kammer geht davon aus, daß die vorgenommene Änderung lediglich der Klarstellung dient und deutlich macht, daß die Rohrherstellung im eigentlichen Sinne mit dem Kaltziehen - das ergibt ein hartgezogenes Rohr, wie es in Anspruch 1 als Ausgangspunkt des Verfahrens vorausgesetzt wird - abgeschlossen ist und daß das, was dann folgt, richtigerweise mit "Behandlung von Rohren" tituliert wird.

2.2. Ansonsten stellt Anspruch 1 eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 (Entfetten und Beaufschlagen mit Strahlmittel), 2 (organisches Lösungsmittel), 3 (Strahlzeit etwa 3 bis 30. Sekunden), 10 (zur Verwendung im Sanitärbereich), 8. und 9 (Mittenrauhwert von 0,4 bzw. 1,0 µm an der Innenoberfläche), 6 (Sand- oder Korundteilchen) und Spalte 2 Zeilen 37/38 (Beispiel 1) der EP-A2-0 306 810 (auf Endmaß durch Kaltverformung gezogen) dar.

Der Mittenrauhwert des Anspruchs 1 stellt eine Kombination der ursprünglichen aufeinander rückbezogenen Ansprüche 9 und 8 dar, wobei aus ersterem Anspruch (0,8 bis 1,0 µm) die Bereichsobergrenze von 1,0 µm und aus letzterem Anspruch (0,4 bis 1,5 µm) die Bereichsuntergrenze von 0,4 µm stammt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern: siehe insbesondere die Entscheidung T 2/81, ABl. EPA 1982, 394.

2.3. Im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen II und III kann bei diesen Gegebenheiten weder ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ noch gegen Artikel 123 (3) EPÜ gesehen werden, so daß der geltende Anspruch 1 - wie schon in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK zum Ausdruck gebracht wurde - formal nicht zu beanstanden ist. Diese Feststellung ist auch durch einen "Neuheitstest der Änderungen" nicht zu erschüttern, so daß der Beschwerdegegnerin III diesbezüglich nicht zu folgen ist.

Mit Blick auf Artikel 123 (3) EPÜ und das Vorbringen der Beschwerdegegnerin II ist noch herauszustellen, daß der erteilte Anspruch 6 (Bereich von 0,8 bis 1,0 µm) rückbezogen ist auf den erteilten Anspruch 1, so daß insgesamt wiederum die Situation vorliegt, daß aus einem Anspruch die jetzige Bereichsuntergrenze und aus einem darauf rückbezogenen Anspruch die Bereichsobergrenze entnommen wird, vgl. vorstehenden Abschnitt 2.2.

3. Neuheit

Die Frage der Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 war zu keinem Zeitpunkt strittig, so daß sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der nächstkommende Stand der Technik wurde von den Beschwerdegegnerinnen I bis III unterschiedlich gesehen, nämlich (D1) bzw. (D11). Da (D11), vgl. deren Anspruch 1, Ziehöl durch Glühen (Erwärmen) der Rohre nach deren Herstellung beseitigt und zwar durch Verdampfen und Austragen mittels Spülgas, steht diese Druckschrift dem beanspruchten Verfahren allein deshalb schon fern, weil gemäß Anspruch 1 ein hartgezogenes (d. h. kaltverformtes) Rohr behandelt wird und zwar ohne Zerstörung von dessen Herstellungsgefüge durch Glühen. Der Beschwerdegegnerin I ist auch darin nicht zuzustimmen, daß Anspruch 1 ein Glühen nach der Rohrherstellung nicht ausschließe, weil dieser Ansicht nicht nur die Merkmale des Anspruchs 1 widersprechen, sondern auch der Gesamtinhalt der EP-B1-0 306 810, vgl. z. B. Spalte 1, Zeilen 7 bis 12 und die Beispiele 1 bis 3, die sämtlich nicht auf ein Glühen der Rohre abgestellt sind. In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin ist somit (D1) als Ausgangspunkt der Erfindung anzusehen, vgl. auch die angefochtene Entscheidung und Abschnitt 5. der Entscheidungsgründe.

4.2. Aus (D1), vgl. Abschnitt 21, ist der vorzusehende Verfahrensablauf bestimmt vom Rohrdurchmesser, nämlich für Rohre unter 54 mm und für Rohre über 54. mm. Im erstgenannten Fall erfolgt das Entfetten mittels Dampfreinigen - Trocknen - Strahlputzen - Luftausblasen, während im zweiten Fall ggf. durch Anwendung von Lösungsmitteln entfettet und dann getrocknet wird. Es trifft in der Tat zu, daß es sich hierbei, wie es die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, um zwei völlig unterschiedliche, miteinander nicht kombinierbare Verfahrenszüge handelt.

4.3. Von diesem Stand der Technik ausgehend, liegt der Erfindung die in der geltenden Spalte 2 der Beschreibung entnehmbare, objektiv verbleibende technische Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Behandlung von hartgezogenen Rohren aus Kupfer oder einer Kupferlegierung zur Verwendung im Sanitärbereich zu schaffen, bei dem die Bildung von Kohlenstoff- und/oder Oxidfilmen beim Hartlöten oder Warmbiegen verhindert und damit die Lochfraßbeständigkeit dieser Rohre verbessert wird.

4.4. Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt erfindungsgemäß mit den Merkmalen des Anspruchs 1, nämlich durch Entfetten mittels Tauchbehandeln der auf Endmaß kaltgezogenen Rohre in einem organischen Lösungsmittel und durch Strahlbehandeln der Innenoberfläche im Anschluß daran, wobei das Strahlmittel Sand oder Korund ist, die Strahlzeit von etwa 3 bis 30 Sekunden beträgt und die erzeugten Mittenrauhwerte im Bereich von 0,4 bis 1,0 µm liegen.

4.5. Das vorgenannte Behandlungsverfahren führt zu Rohren, die eine ganz bestimmte Struktur der Innenoberfläche aufweisen, die bei einer späteren Wärmeeinbringung durch Warmbiegen oder Hartlöten keine haftenden Filme ergibt, so daß damit dem Auftreten von Lochfraßkorrosion ein wirksamer Riegel vorgeschoben ist.

4.6. Angesichts des hier zu berücksichtigenden Standes der Technik liegt nichts vor, was in Zusammenschau mit (D1) in direkter Weise auf das beanspruchte Verfahren hinführte:

4.6.1. (D7) bezieht sich u. a. auch auf hartgezogene Rohre, vgl. Spalte 1, Zeilen 17 bis 22 ("hard pipes"), lehrt den Fachmann aber, bei Wärmeanwendung durch Warmbiegen oder Hartlöten einen Stopfen ("plug") einzusetzen und mit einer Reinigungsflüssigkeit durch das Rohr hindurchzupumpen, um auf diese Weise einen Oxidfilm an der Rohrinnenseite zu beseitigen. Was mit Blick auf Anspruch 1 fehlt, ist somit ein Entfetten im Tauchbad und vor allem das Strahlmittelputzen an sich und mit den beanspruchten Parametern im besonderen. Damit würde auch eine kombinatorische Betrachtung von (D1) und (D7) den Fachmann, der vor der Lösung der in Abschnitt 4.3 angegebenen Aufgabe steht, nicht entscheidend weiterbringen.

4.6.2. Dies trifft auch für den weiteren Stand der Technik zu, da (D2) auf Seite 617, mittlere Spalte, letzter Absatz, zwar auf ein Tauchbad-Entfetten von Kupferlegierungen verweist, ansonsten aber ebenso irrelevant für die beanspruchte Merkmalskombination ist, wie (D3), in der auf Seite 1184, mittlere Spalte, Absatz 2, im Zusammenhang mit Wärmetauscherrohren wohl ein Sandstrahlen oder chemisches Behandeln der Rohre zur Erzielung einer Rauheit von 1 bis 2 µm bekannt ist, aber insgesamt das Verhalten in Meerwasser im Vordergrund steht und die Aufgabenstellung gemäß Streitpatent ebensowenig anklingt, wie die Kombination von Merkmalen gemäß Anspruch 1. Der aus (D3) herleitbare Rauheitsbereich liegt darüber hinaus mehrheitlich neben dem beanspruchten Mittenrauhwert-Bereich, so daß auch insoweit nicht anzunehmen ist, daß ein Fachmann selbst in Kenntnis von (D3) auf das Beanspruchte hingelenkt würde.

4.6.3. Losgelöst von Rohren aus Kupfer und dessen Legierungen und damit von der Problematik des Streitpatentes offenbart (D5) die Kombination von chemischer und mechanischer Rohrbehandlung, wobei die Rückstände ölig/teerig sind und nicht vom Rohrherstellungsprozeß, sondern vom betrieblichen Einsatz der Rohre als Rauchgas- oder Ölrohre herrühren, vgl. z. B. Seite 3, Zeilen 6 bis 14. Der Hinweis in (D5) auf ein "in situ-Reinigen", vgl. Seite 1, Titel und Zeilen 6 bis 9, steht diametral im Gegensatz zum Beanspruchten, wonach fabrikmäßig dem Herstellungsverfahren der Rohre ein Behandlungsprozeß nachgeschaltet ist mit dem Ziel, herstellungsbedingte Ziehmittelreste definiert zu beseitigen.

4.6.4. Wiederum nur ein Teilmerkmal des Anspruchs 1 klingt in (D6) bzw. (D17) an, nämlich gemäß (D6) bei einem Bauteil mit Sackloch eine Strahlzeit über einen Teilbereich des Anspruchs 1 hinweg (15 bis 30. Sekunden) bzw. gemäß (D17) und deren Seite 205, linke Spalte, letzter Absatz, mit der Strahlzeit von 5. bis 30 Sekunden; die gemäß (D17) zu verwendenden Strahlmittel Eisen- oder Aluminiumoxid-Teilchen liegen indes neben den im Anspruch 1 beanspruchten Materialien.

4.6.5. Obwohl alle Beschwerdegegnerinnen die Parameter der Strahlbehandlung als banal und trivialer Natur hingestellt haben, bleibt als Zwischenresumee festzuhalten, daß sie nur in Teilen - noch dazu in völlig anderen Zusammenhängen - als an sich bekannt nachweisbar waren.

4.6.6. Da Anspruch 1 ganz klar auf eine Kombination von Merkmalen abgestellt ist, ist es nach gefestigter Rechtsprechung unerheblich, wenn ein oder mehrere Merkmal(e) der Kombination bekannt ist/sind. Selbst wenn vorgenannte Druckschriften in Gesamtschau Berücksichtigung finden, ergibt sich für den Fachmann, der mit der Verhinderung von Lochfraßkorrosion von hartgezogenen Rohren aus Kupfer und dessen Legierungen befaßt ist, kein Weg nach Art einer Einbahnstraße auf das Verfahren von Anspruch 1 hin.

4.6.7. Es verbleibt, auf die Ausstrahlung von (D11) einzugehen. Vorstehend wurde bereits klargestellt, daß sie nicht den Ausgangspunkt der Erfindung bildet, vgl. z. B. den obligatorischen Glühschritt gemäß ihrem Anspruch 1, der allein das Kaltziehen und dessen Folge, nämlich das den Ausgangspunkt der Erfindung bildende hartgezogene Rohr, hinfällig machen würde, weil Glühen gleichbedeutend mit dem Verlust an Härte und Festigkeit ist.

4.6.8. Vor diesem Hintergrund ist es an sich müßig, weitere Überlegungen zur Relevanz der (D11) anzustellen, da sie gesamtheitlich betrachtet - und ohne die Erfindung zu kennen - vom Beanspruchten weg- und entgegen der Ansicht vor allem der Beschwerdegegnerinnen I und II nicht hinlenkt.

Was die besagten Beschwerdegegnerinnen mit Blick auf (D11) vortragen, ist das Ergebnis einer Mixtur aus einleitenden Zitaten zum Stand der Technik, vgl. Seiten 1 und 2 (bis einschließlich Zeile 35) der (D11), wobei z. B. Seite 2 und Zeile 4 der (D11) klar erhellt, daß (D11) irrelevant ist, weil dort Schmiermittelentfernen vorgesehen ist, während das Rohr gemäß Anspruch 1 weder im Herstellungs- noch im Behandlungsteil geglüht wird und Anspruch 1 und der gesamte Inhalt der Beschreibung auch nicht den Schluß zulassen, daß das Rohr geglüht wird.

4.6.9. Damit ist auch die globalere Betrachtung der Beschwerdegegnerinnen, wonach allein (D11) und fachmännisches Vorgehen ausreiche, das Verfahren nach Anspruch 1 zu erhalten, ohne stichhaltige Basis, zumal auch die Reihenfolge von chemischer und mechanischer Reinigung der Rohre aus (D11) heraus nicht angeregt ist, allenfalls aus weiterem Stand der Technik herleitbar ist. Auch der Hinweis darauf, daß bei Strahlbehandlung zwangsläufig Parameter zu ermitteln und betrieblich einzuhalten wären, vermag nicht zu überzeugen, da die Bestimmung von Parametern wie Strahlmittel, Strahlzeit und Mittenrauhwerten sich ganz und gar an der objektiven Problemstellung - hier Verhinderung von Lochfraßkorrosion - ausrichtet. Das Fehlen dieser Problemstellung in (D1), (D2), (D3), (D5), (D6), (D11) und (D17) ist ein deutliches Indiz dafür, daß auch die Basis für die Auswahl der Parameter bei diesem Stand der Technik nicht gegeben ist und daß es nicht angehen kann, Überlegungen anzustellen, was bei zu kurzen bzw. bei zu langen Strahlzeiten passiert, da derlei Überlegungen das Ergebnis rückschauender Betrachtungsweise sind.

4.6.10. Zusammenfassend ergibt sich, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu und erfinderisch ist, so daß Anspruch 1 geltender Fassung in Verbindung mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 5 und der angepaßten Beschreibung den Rechtsbestand des Patentes zu begründen vermag.

4.6.11. Die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung war auch deshalb aufzuheben, weil die einleitende Feststellung, wonach hartgezogene Rohre das übliche Ausgangshalbzeug seien, nicht zu überzeugen vermag. Wie der im Verfahren befindliche Stand der Technik erhellt, gibt es zumindest vier Härtegrade von Rohren - viertelhart, halbhart, hartgezogen, weichgeglüht -, so daß die Basis "hartgezogenes Rohr" bereits eine Vorauswahl aus mehreren Härtegraden darstellt. Es mag sein, daß diese Auswahl noch keinen erfinderischen Schritt darstellt, aber ein Nullum ist sie auch nicht, weil es die Grundlage der beanspruchten Verfahrensschritte und ihrer einzuhaltenden Parameter bildet. Mit Blick auf (D11) und ihren obligatorischen Glühschritt strahlt diese Materialauswahl auch noch auf die Relevanz einer Druckschrift im Zusammenhang mit Artikel 56 EPÜ aus.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 27. Februar 1997 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 5 sowie der am gleichen Tag eingegangenen angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation