T 0836/96 () of 26.1.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T083696.20000126
Datum der Entscheidung: 26 Januar 2000
Aktenzeichen: T 0836/96
Anmeldenummer: 88115318.3
IPC-Klasse: A61F 13/15
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hygienischer Zellstoffartikel als Einmalartikel und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Paul Hartmann Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: (I) Mölnlycke AB
(II) Procter & Gamle GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Novelty (yes)
Inventive step (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 23. Juli 1996 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents 313 800 die am 10. September 1996 eingegangene Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 25. November 1996 eingegangen.

II. Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte einzige Antrag war von den zwei Einsprechenden wegen mangelnder Neuheit, Klarheit und Ausführbarkeit angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung war zur Auffassung gekommen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift

(E1): EP-A-157 649

nicht neu war.

III. Am 26. Januar 2000 fand auf Antrag aller Parteien eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Am Ende der mündlichen Verhandlung lauteten die Anträge der Parteien wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit dem geänderten Anspruch 1, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt, Ansprüche 2 bis 5 wie erteilt (Hauptantrag) oder mit den am 23. Dezember 1999 eingereichten Ansprüchen 1 und 2 (Hilfsantrag).

Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

IV. Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"Hygienischer Zellstoffartikel als Einmalartikel, wie Windel oder Höschenwindel, mit folgenden Merkmalen:

- einer Wäscheschutzfolie,

- einer porösen Vliesstoffabdeckung auf der Körperseite,

- einem zwischen Wäschenschutzfolie und Vliesstoffabdeckung befindlichen Saugkörper, der sich vom Schrittbereich bis in die Taillenbereiche erstreckt und aus einer Mischung von Zellulosefasern und Quellstoffsubstanzen besteht, wobei dieser Saugkörper einen sich in der Längsmitte der Windel erstreckenden, im Schrittbereich angeordneten und mit den Saugkörper homogenen Verstärkungsbereich aufweist und die Quellstoffsubstanzen im Schrittbereich in größerer Menge vorliegen als im Taillenbereich,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Quellstoffsubstanzen entsprechend dem Verteilungsprofil der anfallenden Flüssigkeit in zunehmender und abnehmender Mengenkonzentration in Richtung der Windellängsachse derart aufgetragen sind, daß das Mengenmaximum in dem Verstärkungsbereich und die Mengenminima in den Taillenbereichen liegen, wobei die Konzentration der Substanzen im Saugkörper im Verstärkungsbereich 8 % bis 40 % und in den Taillenbereichen 1 % bis 7 % des Gewichtes des Saugkörpers beträgt."

Verfahrensanspruch 1 nach dem am 23. Dezember 1999 eingereichten Hilfsantrag besteht aus der Zusammenfassung der Ansprüche 1 und 4 laut Hauptantrag. Er lautet wie folgt:

"Verfahren zum Herstellen eines hygienischen Zellstoffartikels als Einmalartikel, wie Windel oder Höschenwindel, mit folgenden Merkmalen:

- einer Wäscheschutzfolie,

- einer porösen Vliesstoffabdeckung auf der Körperseite,

- einem zwischen Wäschenschutzfolie und Vliesstoffabdeckung befindlichen Saugkörper, der sich vom Schrittbereich bis in die Taillenbereiche erstreckt und aus einer Mischung von Zellulosefasern und Quellstoffsubstanzen besteht, wobei dieser Saugkörper einen sich in der Längsmitte der Windel erstreckenden, im Schrittbereich angeordneten und mit den Saugkörper homogenen Verstärkungsbereich aufweist und die Quellstoffsubstanzen im Schrittbereich in größerer Menge vorliegen als im Taillenbereich, wobei

- die Quellstoffsubstanzen in Richtung der Windellängsachse vom Verstärkungsbereich (32) nach außen abnehmend entsprechend dem Verteilungsprofil der anfallenden Flüssigkeit derart aufgetragen sind, daß die Konzentration der Substanzen im Saugkörper im Verstärkungsbereich 8 % bis 40 % und in den Taillenbereichen 1 % bis 7 % des Gewichts des Saugkörpers beträgt,

gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:

a) permanentes Zuführen eines Zellstoffgemisches mittels eines ersten Luftstromes (42) auf einen luftdurchlässigen, Vertiefungen (48) aufweisenden Träger (44);

Zuführen von Quellstoffsubstanzen in pulsierend zunehmender und abnehmender Mengenkonzentration mittels eines zweiten Luftstromes (52) in Richtung auf den ersten Luftstrom (42) bei gleichzeitiger Durchmischung beider mitgeführten Substanzen, derart, daß das Mengenmaximum in die vorgesehenen Verstärkungsbereiche (32) des Saugkörpers (28) gelangt;

Absaugen des auf dem durchlässigen Träger (44) auftreffenden Luftstromgemisches (42, 52) bei gleichzeitiger verdichtender Anlagerung beider durchmischter Substanzen auf diesem zu einer Materialbahn, derart, daß sich Saugkörper (28) und Verstärkungen (32) ausbilden;

b) Vereinigen der Saugkörper an Ober- und Unterseite mit Wäscheschutzfolie (10) und Vliesstoffabdeckung (32);

c) Querschneiden des komplettierten Bahnmaterials in Fertigprodukte."

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt.

Druckschrift E1 weise keine "zunehmende und abnehmende Mengenkonzentration" der Quellstoffsubstanzen auf. Ein solcher Ausdruck bedeute nämlich einen kontinuierlichen Verteilungsverlauf. Eine Stufenverteilung falle nicht unter die Definition der Erfindung. Druckschrift E1 führe von der Erfindung weg, da sie nur eine homogene Verteilung offenbare. In der Druckschrift E1 sei kein "pulsierendes" Verfahren offenbart. Auf Seite 3, Zeile 17, wird eine "uniformly dispersed" Quellstoffsubstanz zitiert; auf Seite 9, Zeile 29 sei die Quellstoffsubstanz nur in der "central portion" vorgesehen.

Die Beschwerdegegnerin I argumentierte wie folgt:

Anspruch 1 sei nicht neu oder zumindest nicht erfinderisch gegenüber der Druckschrift E1. Daß die Quellstoffsubstanzen entsprechend dem Verteilungsprofil der Flüssigkeit aufgetragen seien, müsse auch nicht eine kontinuierliche Verteilung der Quellstoffsubstanzen bedeuten. Die Verteilung der Flüssigkeit sei nämlich von verschiedenen Umständen abhängig, wie die Körperhaltung des Benutzers (Stehen, Sitzen, Liegen), das Flüssigkeitsmaß und die räumliche Verteilung des Saugmaterials selbst. Daraus könne man nur schließen, daß die Quellstoffsubstanzen mehr im Schrittbereich als im Taillenbereich sein sollen. "Zunehmend und abnehmend" schließe "stufenweise" ein.

Die Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags seien aus der Druckschrift E1, Seite 9, Zeilen 19 bis 30 bereits bekannt, so daß Anspruch 1 des Hilfsantrags mindestens nicht erfinderisch sei.

Die Beschwerdeführerin II vertrat die Ansicht, daß Anspruch 1 nicht neu gegenüber Druckschrift E1 sei. Das einzige Ausführungsbeispiel in der Beschreibung, in dem die Spalten 2 und 3 überbrückenden Absatz, offenbare eine Stufenverteilung und zwar mit dem Zentralwert von 12. % und dem Randwert von 3 %. Druckschrift E1 enthalte ferner auf Seite 3, Zeilen 15 bis 19, ein Ausführungsbeispiel, wonach die Quellstoffsubstanzen hauptsächlich im Zentralbereich aufgetragen seien.

Anspruch 1 des Hilfsantrags sei auch nicht neu beziehungsweise nicht erfinderisch gegenüber der Druckschrift E1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

Aus der Druckschrift (E1) ist ein hygienischer Zellstoffartikel als Einmalartikel, wie Windel oder Höschenwindel, mit folgenden Merkmalen (siehe insbesondere Figur 1) bekannt:

- einer Wäscheschutzfolie (32),

- einer porösen Vliesstoffabdeckung (31) (Seite 8, Zeile 20) auf der Körperseite,

- einem zwischen Wäschenschutzfolie und Vliesstoffabdeckung befindlichen Saugkörper (33), der sich vom Schrittbereich (41, 56, 57) bis in die Taillenbereiche (42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49) erstreckt und aus einer Mischung von Zellulosefasern und Quellstoffsubstanzen besteht, wobei dieser Saugkörper einen sich in der Längsmitte der Windel erstreckenden, im Schrittbereich angeordneten und mit dem Saugkörper homogenen Verstärkungsbereich (41) aufweist und die Quellstoffsubstanzen im Schrittbereich in größerer Menge vorliegen als im Taillenbereich (siehe Beschreibung, Seite 6, 1. Absatz und Seite 8, 2. Absatz),

- wobei die Quellstoffsubstanzen entsprechend dem Verteilungsprofil der anfallenden Flüssigkeit in zunehmender und abnehmender Mengenkonzentration in Richtung der Windellängsachse derart aufgetragen sind, daß das Mengenmaximum in dem Verstärkungsbereich (41) und die Mengenminima in den Taillenbereichen (42, 43) liegen (Seite 3, Zeile 18: "disposed primarily in the central portion (41)"), wobei die Konzentration der Substanzen im Saugkörper im Verstärkungsbereich (41) 2 bis 30 %, also auch im beanspruchten Bereich, des Gewichtes des Saugkörpers beträgt (siehe Seite 3, Zeilen 8 bis 15). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß dem Merkmal "entsprechend dem Verteilungsprofil der anfallenden Flüssigkeit" keine zusätzliche unterscheidende Kraft zukommt, da dieses Profil je nach den individuellen Gegebenheiten eines Benutzers unterschiedlich sein kann.

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag von diesem Stand der Technik dadurch, daß die Konzentration in den Taillenbereichen 1 % bis 7. % des Gewichtes des Saugkörpers beträgt.

Ausgehend von der Druckschrift E1 besteht die Aufgabe der Erfindung darin, Quellstoffsubstanzen zu sparen. Außerdem sollen die Quellstoffsubstanzen weder aus dem Windel austreten, noch die Schneidmesser abstumpfen, siehe Beschreibung, Spalte 1, Zeilen 19 bis 29 und 30 bis 40. Diese Aufgabe wird durch das unterscheidende Merkmal gelöst.

Die Lösung dieser Aufgabe ist schon in Druckschrift E1 angedeutet, indem dort (siehe Seite 3, Zeilen 17 bis 19) vorgeschlagen wird, die Quellstoffsubstanzen hauptsächlich im Zentralbereich aufzutragen. Druckschrift E1 enthält ferner auch Hinweise auf die Vorteile einer solchen Verteilung, wenn auf Seite 12, Zeilen 18 bis 24 darauf hingewiesen wird, daß - wenn die Flüssigkeit im Zentralbereich gehalten wird - seitliches Lecken vermieden werden kann. Somit wird der einschlägige Fachmann durch die Druckschrift E1 bereits in Richtung auf die Erfindung geführt.

Die Wahl des günstigsten Konzentrationsbereichs in den Taillenbereichen ist dann nur noch ein Optimierungsschritt, der zu den Routineaufgaben eines Fachmannes gehört. Dementsprechend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Bewertung des Anspruchs 1 ist es ohne Belang, ob das Merkmal "Zuführen von Quellstoffsubstanzen in pulsierend zunehmender und abnehmender Mengenkonzentration" eine stufenförmige Verteilung ausschließt oder nicht. Denn bei der Herstellung des aus E1 bekannten Produkts werden, wie bei dem patentgemäßen Verfahren, die Quellstoffsubstanzen dem Strom der Zellulosefasern hinzugefügt (siehe Seite 9, 2. Absatz), was eine ähnliche Verteilungsform impliziert und übrigens nach den Naturgesetzen eine streng stufenförmige Verteilung ausschließt.

3. Hilfsantrag

Anspruch 1 des Hilfsantrags besteht aus einer Zusammenfassung der Merkmale der Ansprüche 1 (hygienischer Artikel) und 4 (Herstellungsverfahren) des Hauptantrags.

In Druckschrift E1 sind neben den unter Punkt 2 aufgeführten Produktmerkmalen die folgenden Verfahrensmerkmale, geordnet nach den Merkmalen im Kennzeichen von Anspruch 1, bekannt:

a) permanentes Zuführen eines Zellstoffgemisches mittels eines ersten Luftstromes auf einen luftdurchlässigen, Vertiefungen aufweisenden Träger (Seite 9, Zeile 19: "air laying"; "thickness profiled");

Zuführen von Quellstoffsubstanzen in pulsierend zunehmender und abnehmender Mengenkonzentration mittels eines zweiten Luftstromes in Richtung auf den ersten Luftstrom bei gleichzeitiger Durchmischung beider mitgeführten Substanzen, derart, daß das Mengenmaximum in die vorgesehenen Verstärkungsbereiche des Saugkörpers gelangt (Seite 9, Zeilen 24 bis 30: Dort wird beschrieben, daß die Quellstoffsubstanzen ["absorbent particulate material"] in einer Luftstrom mit den Fasern vorgemischt werden und daß sie, vorzugsweise, nur in den Zentralbereich des gefertigten Artikels landen. Damit erfolgt das Zuführen pulsierend, und es ergibt sich zwangsläufig eine kontinuierlich abnehmende und zunehmende Mengenkonzentration der Quellstoffsubstanzen. Eine scharfe Aufteilung zwischen Zonen mit und ohne Quellstoffsubstanzen oder eine stufenförmige Verteilung ist mit dem angegebenen Verfahren unrealisierbar, siehe Punkt 2, letzter Absatz);

Absaugen des auf dem durchlässigen Träger auftreffenden Luftstromgemisches bei gleichzeitiger verdichtender Anlagerung beider durchmischter Substanzen auf diesem zu einer Materialbahn, derart, daß sich Saugkörper und Verstärkungen ausbilden (diese Verfahrensschritte sind Bestandteil der üblichen "air laying" Verfahren und sind somit implizit durch Druckschrift E1 offenbart);

b) Vereinigen der Saugkörper an Ober- und Unterseite mit Wäscheschutzfolie (10) und Vliesstoffabdeckung;

c) Querschneiden des komplettierten Bahnmaterials in Fertigprodukte (die Verfahrensschritte b) und c) sind notwendiger Bestandteil des Herstellungsverfahrens eines Windels oder dergleichen und sind somit als implizit durch Druckschrift E1 offenbart angesehen).

Dementsprechend beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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