T 0829/96 () of 18.10.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T082996.20011018
Datum der Entscheidung: 18 October 2001
Aktenzeichen: T 0829/96
Anmeldenummer: 89113081.7
IPC-Klasse: G07F 7/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Unterscheidbarmachen von elektronischen Schaltungen mit nichtflüchtigem Speicher
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: GAO Gesellschaft für Automation und Organisation mbH
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 112(1)(a)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja) nach Änderungen
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - abgelehnt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) hat gegen die am 10. Juli 1996 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Juni 1996 über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 353 530 die am 6. September 1996 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 14. November 1996 eingegangen. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden, weil der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

Die Einspruchsabteilung hat folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1 = DE-A-27 38 113

D2 = EP-A-0 112 461

D3 = EP-A-0 217 281

II. In der Anlage zur Ladung vom 4. Mai 2001 zu der vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer ihre vorläufige, unverbindliche Auffassung zur Patentfähigkeit des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs dargelegt. Am 18. Oktober 2001 fand eine mündliche Verhandlung statt.

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung bestätigte der Beschwerdeführer seinen Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

IV. Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent

- in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder

- gemäß Hilfsanträgen I bis III, eingereicht am 19. September 2001 oder

- gemäß Hilfsantrag IV, umfassend Ansprüche 1 bis 3 und vollständig angepaßte Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3-5, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie Figur wie erteilt

aufrechtzuerhalten.

Ferner beantragt der Beschwerdegegner, der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Fragen zur Entscheidung vorzulegen:

1. In welchen Verfahrensphasen (Erteilung, Einspruch, Beschwerde) vor dem Europäischen Patentamt darf im Zusammenhang mit der Beurteilung der Patentfähigkeit eines Anspruchsgegenstandes ein Rückgriff auf die Beschreibung für die Interpretation seiner Merkmale erfolgen?

2. Ist während des Einspruchsverfahrens im Zusammenhang mit der Beurteilung der Patentfähigkeit eines Anspruchsgegenstandes ein Rückgriff auf die Beschreibung für die Interpretation seiner Merkmale erlaubt?

3. Falls Frage 2 bejaht wird, gilt dies auch für den Fall, daß es um die Interpretation von breitgefaßten, für sich genommen klaren Ausdrücken geht und nicht um die Interpretation von unklaren oder mehrdeutigen Ausdrücken?

4. Welche Bedeutung kommt Artikel 69 (1) EPÜ im Hinblick auf die Fragen 1 bis 3 zu?

V. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebenden Fassungen der unabhängigen Ansprüche 1 lauten wie folgt, wobei in den Hilfsanträgen jeweils diejenigen Teile des Anspruchs unterstrichen sind, durch die sich der Hilfsantrag vom Hauptantrag unterscheidet:

Hauptantrag:

"1. Verfahren zur elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher (22) enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen (2), wobei ein Verändern der einmal in den Speicher (22) eingeschriebenen Daten durch eine Blockiereinrichtung (23) verhindert wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung (2) durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten in den nichtflüchtigen Speicher (22, 22a) eingebracht wird."

Hilfsantrag I:

"1. Verfahren zur elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher (22) enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen (2), wobei ein Verändern der einmal in den Speicher (22) eingeschriebenen Daten durch eine Blockiereinrichtung (23) verhindert wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß ein Unterscheidungsmerkmal während des Herstellungsprozesses der integrierten Schaltung innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung (2) durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten in den nichtflüchtigen Speicher (22, 22a) eingebracht wird."

Hilfsantrag II:

"1. Verfahren zur dauerhaften elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher (22) enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen (2), wobei ein Verändern der einmal in den Speicher (22) eingeschriebenen Daten durch eine Blockiereinrichtung (23) verhindert wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung (2) durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten in den nichtflüchtigen Speicher (22, 22a) eingebracht wird."

Hilfsantrag III:

"1. Verfahren zur elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher (22) enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen (2), wobei ein Verändern der einmal in den Speicher (22) eingeschriebenen Daten durch eine Blockiereinrichtung (23) verhindert wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung (2) durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten in den nichtflüchtigen Speicher (22, 22a) eingebracht wird und das Unterscheidungsmerkmal auslesbar ist."

Hilfsantrag IV:

"1. Verfahren zur elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher (22) enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen (2), wobei ein Verändern der einmal in den Speicher (22) eingeschriebenen Daten durch eine Blockiereinrichtung (23) verhindert wird und ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung (2) durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten in den nichtflüchtigen Speicher (22, 22a) eingebracht wird, dadurch gekennzeichnet,

daß als spezifisches Kennzeichen bei nacheinander gemessenen integrierten Schaltungen eine stetig zunehmende Zeiteintragung vorgesehen ist."

VI. Der Beschwerdeführer führte zum Hauptantrag aus, daß aus der Druckschrift D3 diverse Tests an integrierten Schaltungen bekannt seien (Spalte 1, Z. 43-46; Spalte 3, Z. 29-34; Spalte 4, Z. 14-19; Spalte 5, Z. 38-41 ), bei denen jeweils die Funktionsfähigkeit des Chips geprüft werde, und man daher nicht von "dem" Funktionstest "an sich" sprechen könne. Der Fachmann werde sich daher der bei einem Test bereits bestehenden Kommunikationsverbindungen zwischen Chip und Außenwelt bedienen, um das Unterscheidungsmerkmal einzuschreiben, das dem Schutzcode im Speicher 13 der Druckschrift D1 vollständig entspreche, denn durch diesen Schutzcode werde jeder einzelne Chip individuell gekennzeichnet.

Somit gelange der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 durch einfache Kombination der Lehren der Druckschriften D1 und D3.

VII. Der Beschwerdegegner macht im wesentlichen folgendes geltend:

Der Gegenstand des Patents unterscheide sich, wie selbst der Beschwerdeführer einräumt, dadurch vom Stand der Technik, daß

ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Testphase des Funktionstests der integrierten Schaltung in den nichtflüchtigen Speicher eingeschrieben wird.

Ein solches Unterscheidungsmerkmal für Chipkarten-Chips sei im gesamten Stand der Technik nicht bekannt. Es sei irrig, den aus der Druckschrift D1 bekannten Schutzcode mit dem Unterscheidungsmerkmal der Erfindung gleichzusetzen, denn der Schutzcode wird durch einen Zufallsgenerator erzeugt und somit sei nicht auszuschließen, daß für zwei verschiedene Chipkarten der gleiche Schutzcode vergeben werde, weshalb diese beiden Karten bzw. Chips nicht mehr unterscheidbar wären. Darüber hinaus diene das Einschreiben eines Schutzcodes lediglich der "Authentifizierung" nicht jedoch der individuellen "Identifizierung", denn es könnten ganze Gruppen mit dem gleichen Schutzcode authentifiziert werden. Darüber hinaus würde der Fachmann niemals auf die Druckschrift D3 zurückgreifen, da darin keinerlei Unterscheidbarkeitsmachung erwähnt werde. Somit sei diese Druckschrift für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht heranzuziehen.

Im vorliegenden Patent gehe es um die Unterscheidbarmachung von integrierten Schaltungen und nicht von Chipkarten. Beim Gegenstand des vorliegenden Patents werde das Unterscheidungsmerkmal nicht während irgendeines Tests eingeschrieben, sondern während des Funktionstests, der grundsätzlich am noch ungeteilten Wafer erfolgt, also noch vor Aufteilung des Wafers in einzelne Chips. Gemäß der Druckschrift D3 werden jedoch, so man überhaupt von eingeschriebenen Unterscheidungsmerkmalen sprechen könne, die unterschiedlichen Codes erst in den Verfahrensschritten S10, S12 oder S14 gemäß der Figur 4 nach der Herstellung einer Chipkarte eingeschrieben, während der Funktionstest der integrierten Schaltung bereits im Verfahrensschritt S2 erfolge.

Darüber hinaus handle es sich beim Gegenstand des Patents um ein Unterscheidungsmerkmal und nicht wie beim Gegenstand der Druckschrift D1 um einen Schutzcode. Ein Unterscheidungsmerkmal sei dadurch charakterisiert, daß es ein lesbares Merkmal ist, das zur Kenntnis genommen werden kann. Dies treffe für den Schutzcode der Druckschrift D1 in keiner Weise zu, denn er könne weder gelesen noch zur Kenntnis genommen werden.

Somit gebe weder die Druckschrift D1 noch die Druckschrift D3 einen Hinweis in Richtung der beim Gegenstand des Patents gefundenen Lösung und keine dieser beiden Druckschriften könne den Gegenstand nahelegen.

VIII. Hinsichtlich des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I, der sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch unterscheidet, daß im kennzeichnenden Teil nach dem Wort "Unterscheidungsmerkmal" der Ausdruck "während des Herstellungsprozesses der integrierten Schaltung" eingefügt ist, führte der Beschwerdegegner folgendes aus:

Durch diese Klarstellung seien alle Verfahrensschritte der Druckschrift D3 nach dem Schritt S3 eindeutig nicht mehr relevant, denn sie gehörten nicht mehr zur Phase "während der Herstellung". Da die Halbleiterproduzenten üblicherweise die vollständigen Wafer veräußern, folge zwingend, daß die Herstellungsphase mit der Wafertestung beendet ist.

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, daß das beanspruchte Verfahren zur "dauerhaften" elektrischen Unterscheidbarmachung geeignet sein soll. Hierzu führte der Beschwerdegegner aus, daß unter "dauerhaft" eine lebenslängliche Unterscheidbarkeit der integrierten Schaltung zu verstehen sei. Die Offenbarung dieses Merkmals ergebe sich indirekt aus Spalte 3, Zeilen 41-42, des Patents, wo die "nachträgliche Zuordenbarkeit" der einzelnen elektronischen Schaltungen offenbart sei, aus der sich die dauerhafte Auslesbarkeit ableiten lasse. Mit dieser dauerhaften Zuordenbarkeit sei eine genaue Dokumentation der integrierten Schaltung verbunden und damit eine Verbesserung der Sicherheit.

X. Zum Anspruch 1 des Hilfsantrags III, der sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch unterscheidet, daß das Unterscheidungsmerkmal auslesbar ist, trug der Beschwerdegegner vor, daß gerade in diesem Merkmal, dessen Offenbarung durch den ursprünglichen Anspruch 7 gegeben sei, der Unterschied zum Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 bestehe. In der Druckschrift D1 gemäß der vom Beschwerdeführer zitierten Stelle Seite 16, Absatz 2, wird eben nicht ein Unterscheidungsmerkmal, sondern ein Schutzcode gespeichert, der der Authentifizierung und nicht der Identifizierung diene und der eben nicht ausgelesen werden könne, sondern lediglich intern zu Vergleichszwecken zur Verfügung stehe.

XI. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich dadurch vom Anspruch 1 des Hauptantrags, daß er den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als bekannt voraussetzt (Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV) und diesen Gegenstand dahingehend weiterbildet, daß als spezifisches Kennzeichen bei nacheinander gemessenen integrierten Schaltungen eine stetig zunehmende Zeiteintragung vorgesehen ist (kennzeichnender Teil).

XII. Der Beschwerdeführer brachte gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags IV den Einwand vor, daß die Eintragung einer Zeit-Nummer nichts anderes darstelle als eine Serien-Nummer, wobei ein Zählwerk mitläuft, dessen Zählerstand sich mit der Zeit ändert. Der Gegenstand dieses Anspruchs beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da Serien-Nummern für jeden Fachmann eine Selbstverständlichkeit darstellen.

Demgegenüber machte der Beschwerdegegner geltend, daß es keinen Stand der Technik gebe, der Serien-Nummern zur elektrischen Unterscheidbarmachung von monolithisch integrierten Schaltungen in einen nichtflüchtigen Speicher einschreibt. Aber selbst von einem derartigen Gegenstand würde sich der Gegenstand des Anspruchs 1 noch dadurch unterscheiden, daß er eine Zeiteintragung anstelle einer Serien-Nummer benutzt. Da die Zeit aber kontinuierlich fortschreitet, könne es nicht passieren, daß dieselbe Nummer zweimal vergeben wird, z. B. für unterschiedliche Los-Nummern.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

2.1. Mangelnde Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 des Hauptantrages oder auch nach einem der Hilfsanträge wurde vom Beschwerdeführer weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht. Auch im Hinblick auf die Entscheidung der Gro en Beschwerdekammer G 7/95 (ABL. EPA 1996, 626) sah die Kammer keinen Anla , auf die Frage der Neuheit näher einzugehen.

Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche wird daher formal als neu erachtet.

2.2. Hauptantrag

2.2.1. Die Druckschrift D1 stellt den dem Gegenstand nach Anspruch 1 nächstkommenden Stand der Technik dar.

Aus der Druckschrift D1 ist ein

Verfahren zur elektrischen Unterscheidbarmachung von mindestens einen nichtflüchtigen Speicher [PROM-Speicher 13 in Figur 2] enthaltenden monolithisch integrierten Schaltungen [IC 6 in Figur 2], wobei ein Verändern der einmal in den Speicher [13] eingeschriebenen Daten [Schutzcode] durch eine Blockiereinrichtung [Tor 20 und Seite 14, Absatz 2] verhindert wird,

das dadurch gekennzeichnet ist,

daß ein Unterscheidungsmerkmal der integrierten Schaltung [6] durch Einschreiben von ein spezifisches Kennzeichen bildenden Daten [nämlich des Schutzcodes, der jeden einzelnen IC in spezifischer Weise charakterisiert] in den nichtflüchtigen Speicher [13] eingebracht wird;

bekannt; vgl. insbesondere die Figur 2 nebst zugehöriger Beschreibung Seite 12, Absatz 3 bis Seite 17, Absatz 2.

2.2.2. Von diesem bekannten Verfahren unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 - wenn überhaupt so höchstens - dadurch, daß das Unterscheidungsmerkmal

"innerhalb der Testphase des Funktionstests"

der integrierten Schaltung in den Speicher eingebracht wird.

Nach übereinstimmender Auffassung von Beschwerdegegner und Beschwerdeführer ist die tatsächliche Aufgabe des vorliegenden Patents die Verbesserung der Sicherheitsaspekte von in sogenannte Chip-Karten eingebauten integrierten Schaltungen.

Diese allgemeine Aufgabenstellung ist bereits aus der Druckschrift D1 bekannt; vgl. Seite 7, Absatz 2, Satz 3, sowie Seite 9, Absatz 1.

2.2.3. Als Ergebnis der sehr ausführlichen Diskussion während der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zu dem Schluß, daß der o. g. höchst geringfügige - wenn überhaupt existierende - Unterschied beinahe bedeutungslos ist. Nachdem an keiner Stelle der Beschreibung eine Erläuterung dessen zu finden ist, was unter "der Testphase des Funktionstests" zu verstehen ist, und eine integrierte Schaltung im Laufe ihrer Herstellung mehrmals auf ihre Funktionsfähigkeit gestestet wird, liegt es im Belieben des Fachmannes, bei welchem dieser Tests er unter Ausnutzung der vom Test her bereits bestehenden Verbindungen zur integrierten Schaltung das Unterscheidungsmerkmal in den Speicher einschreibt. Desweiteren konnte sich die Kammer auch nicht dem Vorbringen des Beschwerdegegners anschließen, daß unter "der Testphase des Funktionstests" ausschließlich der "On-Wafer-Test" noch vor der Aufteilung des Wafers in Einzel-Chips zu verstehen ist. Die Kammer ist der Auffassung, daß es zum Allgemeinwissen des Halbleiterfachmannes gehört, daß mit der Herstellung des Wafers die Herstellung einer integrierten Schaltung nicht beendet ist, sondern auch noch die Kontaktierung sowie der Verguß in einem Plastikgehäuse zur Herstellungsphase eines IC's gehört, bevor er auf den Markt gebracht wird. Ebenso ist im Falle des Einbaus eines IC's in Form eines nackten Halbleiterkörpers und seiner anschließenden Kontaktierung und Kunstoffummantelung in einer Chipkarte der für jeden Fachmann als Selbstverständlichkeit geforderte, anschließende Funktionstest noch der Herstellungsphase der in die Karte eingebauten integrierten Schaltung zuzurechnen.

Die Kammer kann sich auch nicht der Auffassung des Beschwerdegegners anschließen, wonach der in den Speicher 13 des IC's gemäß der Druckschrift D1 eingeschriebene Schutzcode keine Identifizierung erlaube, sondern lediglich eine Authentifizierung darstelle. Jede Authentifizierung geht eine vorherige Identifizierung voraus, denn sonst wäre eine Authentifizierung sinnlos. Auch das Argument des Beschwerdegegners, daß bei der Vergabe des Schutzcodes gemäß D1 durch einen Zufallsgenerator der gleiche Schutzcode mehrfach vergeben werden könnte und damit eine Identifizierung nicht mehr möglich sei, kann nicht durchgreifen, denn jeder Fachmann weiß, daß solche Sicherheitscodes vergebende Zufallsgeneratoren in der Regel diejenigen Codes sperren, die bereits einmal vergeben wurden.

Auch das Argument des Beschwerdegegners, wonach der Schutzcode im Speicher 13 der Druckschrift D1 nicht lesbar sei und somit kein Unterscheidungsmerkmal darstelle, weil ein nicht lesbarer Code nicht zu einer Unterscheidung dienen könne, ist nicht zutreffend. Denn auch gemä Druckschrift D1 ist der Schutzcode lesbar und wird gelesen, wenn auch nur durch die Zentraleinheit 10, und führt zur Unterscheidbarkeit von autorisierten Chipkarten gegenüber manipulierten oder gefälschten Chipkarten. Schließlich kann auch die Auffassung des Beschwerdegegners nicht durchgreifen, daß ein Unterscheidungsmerkmal "jederzeit" und während der gesamten Lebensdauer des Chips auslesbar sein müsse, denn weder der Anspruch noch die zum Patent gehörige Beschreibung bieten für eine derartige eingeschränkte Interpretation eine Stütze.

2.2.4. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem aus der Druckschrift D1 bekannten Stand der Technik in Verbindung mit dem Allgemeinwissen des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

2.3. Hilfsantrag I

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I weist gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal auf, daß das Unterscheidungsmerkmal "während des Herstellungsprozesses der integrierten Schaltung" innerhalb der Testphase in den Speicher eingeschrieben werden soll.

Da durch diesen Versuch einer Klarstellung mittels Hinzufügung des genannten Merkmals der Anspruchsgegenstand gegenüber dem Gegenstand des Hauptantrags inhaltlich nicht geändert ist, beruht auch der Gegenstand dieses Anspruchs aus den unter Punkt 2.2.3. bereits dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.4. Hilfsantrag II

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich dadurch vom Gegenstand des Hauptantrags, daß es sich um ein Verfahren zur "dauerhaften" elektrischen Unterscheidbarmachung handelt.

Der Beschwerdegegner führte zu dem durch den Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Ambivalenz dieses Ausdrucks und seiner mangelnden Offenbarung aus, daß "dauerhaft" die gleiche Bedeutung wie "nicht flüchtig" habe, und somit der Chip lebenslänglich identifizierbar bliebe.

Aus dieser Argumentation folgt eindeutig, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die Aufnahme des Wortes "dauerhaft" inhaltlich nicht geändert wird, denn bereits im Anspruch 1 des Hauptantrags wird verlangt, daß das Unterscheidungsmerkmal in den "nichtflüchtigen" Speicher geschrieben wird, der gegen eine Veränderung der eingeschriebenen Daten gesichert ist.

Daher beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5. Hilfsantrag III

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III weist gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal auf, daß das Unterscheidungsmerkmal "auslesbar" ist.

Wie bereits unter Punkt 2.2.3 zum Hauptantrag ausgeführt, ist aus der Druckschrift D1 die Auslesbarkeit eines Unterscheidungsmerkmals bekannt. Somit bewirkt diese sprachliche Präzisierung des unabhängigen Anspruchs ebenfalls keine inhaltliche Änderung gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, so daß die dort dargelegten Überlegungen in gleicher Weise für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III gelten.

Daher beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.6. Hilfsantrag IV

2.6.1. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich dadurch vom Anspruch 1 des Hauptantrags, daß er den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als bekannt voraussetzt (Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV) und diesen bekannten Gegenstand dahingehend weiterbildet, daß als spezifisches Kennzeichen bei nacheinander gemessenen integrierten Schaltungen eine stetig zunehmende Zeiteintragung vorgesehen ist (kennzeichnender Teil).

2.6.2. Der kennzeichnende Teil dieses Anspruchs ist ursprünglich offenbart in Spalte 3, Zeilen 42 bis 44 der zum vorliegenden Patent gehörenden veröffentlichten Patent-Anmeldung sowie in der vorliegenden Patentschrift enthalten (Spalte 3, Zeilen 32 bis 34). Auch schränken die zusätzlichen Merkmale den unter Schutz gestellten Gegenstand des erteilten Patents weiter ein. Somit sind die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ erfüllt.

2.6.3. Der Gegenstand dieses Anspruchs wird, wie nachstehend dargelegt, als neu und erfinderisch gegenüber dem berücksichtigten Stand der Technik erachtet, wobei die Kammer nicht auschlie en kann, daß der im Verfahren verfügbare Stand der Technik unvollständig ist, nachdem die zum vorliegenden Patent gehörige Anmeldung in der Internationalen Patentklassifikation (IPC) G07F-7/10 ausgezeichnet, recherchiert und geprüft wurde. Der nunmehr gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unter Schutz zu stellende Gegenstand hat aber mit den in G07F-7/10 behandelten Kredit-, Sicherheits- und Chip-Karten nichts zu tun, sondern bezieht sich ganz allgemein auf Verfahren zur Kennzeichnung integrierter Schaltungen.

2.6.4. Dem Gegenstand dieses Anspruchs 1 liegt die Aufgabe zugrunde,

ein Verfahren bereitzustellen, das eine Eingrenzung, Auslieferung oder Sperrung definierter Fertigungsmengen von elektronischen Schaltungen in gleicher Weise erlaubt, wie es eine fortlaufende Seriennummerierung erlauben würde, ohne daß eine entsprechende aufwendige Dokumentation erforderlich ist.

Diese ursprünglich offenbarte (vgl. Spalte 3, Zeilen 45 bis 50 der zum Patent gehörigen veröffentlichten Patentanmeldung) und auch in der Patentschrift wiedergegebene Aufgabe ist aus dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht herleitbar. Die Aufgabe wird mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teils auch gelöst.

Der Gegenstand dieses Anspruchs 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu, denn aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften, die sich sämtlich ausschließlich mit der Verbesserung der Sicherheit von Kredit-, Sicherheits- und Chip-Karten befassen, sind die Merkmale des kennzeichnenden Teils bekannt.

Der Gegenstand dieses Anspruchs 1 beruht gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, wie im folgenden gezeigt wird:

Das beanspruchte Verfahren betrifft die Kennzeichnung einer integrierten Schaltung mittels einer Art Serien-Nummer. Der Kern der Erfindung liegt dabei darin, daß diese Kenndaten (Serien-Nummer) elektrisch in den integrierten Schaltkreis in nicht wieder veränderbarer oder löschbarer Form eingeschrieben werden und auch elektrisch wieder auslesbar sind. Nachdem der nachgewiesene Stand der Technik die Idee einer elektronisch einschreibbaren und lesbaren, individuellen Produktkennzeichnung nach Art einer Serien-Nummer nicht offenbart, liegt auch nicht annähernd eine Anregung dahingehend vor, eine solche Serien-Nummer in Form einer in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Vornahme eines Produkttests stetig zunehmenden Zeiteintragung zu vergeben.

Um vom Allgemeinwissen des Fachmanns, der weiß, daß beinahe jede Art von Produkt mit einer Serien-Nummer versehen ist (sei es durch Aufspritzen oder Einpressen/ Einschlagen), zum Gegenstand des Patents zu gelangen, waren somit mindestens zwei nicht als bekannt nachgewiesene Schritte erforderlich:

- Kennzeichnungsdaten in einen nichtflüchtigen elektronischen Speicher in nicht mehr veränderbarer Weise einzuschreiben;

und

- die Kennzeichnungsdaten in Form einer stetig zunehmenden Zeiteintragung vorzusehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV beruht somit gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.6.5. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 stellen besondere Weiterbildungen des Gegenstands nach Anspruch 1 dar und ihre Gegenstände genügen somit ebenfalls den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

2.6.6. Der Patentinhaber hat gleichzeitig eine dem gültigen Anspruch 1 angepaßte vollständige Beschreibung eingereicht, aus der alle sich nicht auf den Gegenstand des Anspruchs 1 beziehenden Teile gestrichen wurden. Diese Beschreibung genügt ebenfalls den Erfordernissen des EPÜ.

2.6.7. Aufgrund der oben dargelegten Gründe ist die Kammer der Auffassung, daß das Patent mit den Änderungen gemäß Hilfsantrag IV des Beschwerdegegners den Erfordernissen des EPÜ genügt.

3. Antrag auf Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer

3.1. Die Rechtsfragen laut Vorlageantrag des Beschwerdegegners - im wesentlichen, ob und unter welchen Voraussetzungen zur Interpretation von Anspruchsmerkmalen auf die Beschreibung zurückgegriffen werden darf - stellen sich im vorliegenden Fall nicht, weil der Wortlaut der zu beurteilenden Anspruchsfassungen allein es schon ermöglichte, den inhaltlichen Unterschied des Anspruchsgegenstandes zum nächstliegenden Stand der Technik zu bestimmen.

3.2. Da somit die Beantwortung dieser Fragen keinen Einfluß auf die Beschwerdeentscheidung hatte, war - auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung - eine Befassung der Großen Beschwerdekammer mit diesen Fragen nicht erforderlich (Artikel 112 (1) a) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein europäisches Patent mit den geänderten Unterlagen gemäß Hilfsantrag IV,

d. h. umfassend Ansprüche 1 bis 3 und vollständig angepaßte Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3-5, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie der Figur wie erteilt

aufrechtzuerhalten.

3. Der Antrag des Beschwerdegegners (Patentinhaber) auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

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