T 0819/96 (Photochrome Verbindungen/RODENSTOCK) of 2.2.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T081996.19990202
Datum der Entscheidung: 02 Februar 1999
Aktenzeichen: T 0819/96
Anmeldenummer: 86904109.5
IPC-Klasse: C07D 498/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Photochrome Verbindungen
Name des Anmelders: Optische Werke G. Rodenstock
Name des Einsprechenden: PPG Industries, Inc.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 76(1)
Schlagwörter: Streichung einiger Bedeutungen eines Radikalen, einschließlich des dazugehörenden Disclaimers - keine Erweiterung
Effekt glaubhaft gemacht - Lösung durch Stand der Technik nicht nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0181/82
T 0197/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 23. April 1996 verkündete und am 12. Juli 1996 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0 232 295 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die geänderten Ansprüche die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) erfüllten und daß die beanspruchten Verbindungen neu seien. Weiterhin hat die Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit anerkannt, da mit den während des Prüfungsverfahrens eingereichten Vergleichsversuchen (Schreiben vom 25. Januar 1990 und vom 10. Juli 1991) die Überlegenheit der beanspruchten Verbindungen gegenüber den aus dem Dokument (1) (EP-A-0 141 407) bekannten Verbindungen glaubhaft gemacht worden sei.

III. Vor der Beschwerdekammer fand am 2. Februar 1999 eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) als Hauptantrag einen aus fünf Ansprüchen bestehenden Anspruchssatz und als Hilfsantrag einen aus vier Ansprüchen bestehenden Anspruchssatz einreichte.

Die Ansprüche 1 bis 3 des Hauptantrags lauteten:

1. Verbindung der allgemeinen Formel

FORMEL

worin die Bezeichnungen bedeuten:

R1 einen bis vier Substituenten aus der Reihe

-Z, -OZ, -NZ2, -NHZ, -NH2, -CN, -CF3 mit Z:

C1-C5 Alkyl, Phenyl, Pyridyl, Benzyl

R2 -H, -Z, -CH2Z,

R3, R4, R5 -NH2, -NHZ, -NZ2, -OZ, -Z, -H

R6 -H, -Z, -OZ, -CN, -NO2

HAr zwei- oder dreikerniger Heteroaromaten mit 1 oder 2 N-Atomen gemäß einer der nachstehenden Strukturformeln

FORMEL

2. Verbindung der in Anspruch 1 angegebenen allgemeinen Formel mit

R1: H,

R2: CH3

R3, R4: CH3 oder C2H5

R5: H

FORMEL

3. Verbindung der allgemeinen Formel nach Anspruch 1 mit

R1, R5: H,

R2, R3, R4: CH3

FORMEL

I: Benzo oder Pyrido

II: Pyrido.

Der erteilte Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag dadurch, daß HAr in der erteilten Fassung zusätzlich für zwei- oder dreikernige Heteroaromaten gemäß einer der Strukturformeln

FORMEL

worin R = R6 stehen kann, mit der Maßgabe, daß, wenn

FORMEL

R und R3 nicht gleichzeitig CH3 sind.

Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin eine dem Hauptantrag angepaßte Beschreibung (Seiten 2 bis 8) eingereicht.

Die Beschwerdeführerin hat für die von der Beschwerdegegnerin im Prüfungsverfahren eingereichten Vergleichsdaten, grafische Darstellungen mit Datum vom 29. Januar 1999 eingereicht.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat vorgetragen, in der angefochtenen Entscheidung seien die Gründe dafür nicht angegeben, warum die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt seien und warum die Vergleichsversuche dafür geeignet seien, eine erfinderische Tätigkeit gegenüber dem nächsten Stand der Technik glaubhaft zu machen. Sie hat auch behauptet, das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthalte nicht den wesentlichen Gang der mündlichen Verhandlung und verstoße somit gegen Regel 76 (1) EPÜ. Daher liege ein wesentlicher Verfahrensfehler vor.

In der Sache hat die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, das Streitpatent gemäß dem Hauptantrag und gemäß dem Hilfsantrag verstoße gegen Artikel 123 (3) EPÜ. Ferner hat sie bestritten, daß die während des Prüfungsverfahrens eingereichten Vergleichsversuche dafür geeignet seien, einen überraschenden Effekt gegenüber den in Dokument (1) beschriebenen 7-Chinolinen glaubhaft zu machen. Somit bestehe die gelöste Aufgabe gegenüber der Lehre des Dokuments (1) lediglich darin, zusätzliche Verbindungen mit photochromen Eigenschaften zur Verfügung zu stellen. Da die beanspruchten Verbindungen sich von den aus dem Dokument (1) bekannten Verbindungen lediglich durch die Struktur der HAr-Gruppe unterschieden und diese Struktur der 7-Chinoline-Struktur ähnlich sei, war sie der Meinung, die beanspruchten Verbindungen erfüllten nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

V. Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag der Schutzbereich der Ansprüche erweitert worden sei. Sie hat geltend gemacht, daß mit den beanspruchten Verbindungen die hohe Migrationsneigung sowie die große Temperaturabhängigkeit des photochromen Effekts der aus dem Dokument (1) bekannten Verbindungen überwunden würden, wie die während des Prüfungsverfahren eingereichten Vergleichsversuche belegten. Da dies aus dem Stand der Technik nicht ableitbar gewesen sei, würden die beanspruchten Verbindungen nicht nahegelegt.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 232 295. Ferner beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen der gerügten Verfahrensfehler.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie beantragte, das Patent auf der Grundlage von Ansprüchen 1 - 5 nach dem Hauptantrag oder von Ansprüchen 1 - 4 nach dem Hilfsantrag - beide Sätze in der mündlichen Verhandlung überreicht - aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Artikel 123 (3) EPÜ

2.1.1. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, ein Fachmann würde Anspruch 1 in der erteilten Fassung nur so auslegen, daß lediglich Verbindungen mit einer R-substituierten HAr-Gruppe einen Substituenten tragen und daß dieser Substituent R6 entspreche. Da die vorliegende Fassung des Anspruchs 1 nur noch Verbindungen mit unsubstituierten HAr-Gruppen umfasse und der Disclaimer gestrichen worden sei, könne der Anspruch nur so ausgelegt werden, daß alle beanspruchten Verbindungen einen R6-Substituent haben. Somit liege aber eine Erweiterung des Schutzumfanges vor.

Weiterhin widersprach die Beschwerdeführerin der Meinung der Beschwerdegegnerin, daß aus der erteilten Fassung des Anspruchs 1 deutlich hervorgehe, daß in allen beanspruchten Verbindungen die HAr-Gruppe mit R6 substituiert sei, unabhängig davon ob diese HAr-Gruppe darüber hinaus noch einen oder zwei zusätzliche R-Substituenten trage, da durch eine solche Auslegung ein Widerspruch im erteilten Anspruch 1 zwischen der allgemeinen Formel, die lediglich einen Substituent R6 erlaube, und der Definition von HAr, die auch zwei Substituenten R erlaube, bestehen würde.

2.1.2. Die Kammer kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, da der erteilte Anspruch 1 eindeutig so definiert ist, daß bei allen gemäß der allgemeinen Formel beanspruchten Verbindungen die Gruppe HAr an einer beliebigen Stelle einen R6-Substituenten trägt, unabgesehen davon, ob Verbindungen mit einer bestimmten Gruppe HAr noch zusätzlich einen oder zwei R-Substituenten tragen. Der erteilte Anspruch 1 enthält somit keinen Widerspruch.

2.1.3. Die Beschwerdeführerin wies auch darauf hin, daß im erteilten Anspruch 1 R1 als "einen bis vier Substituenten ..." definiert werde, während die Zahl der R6-Substituenten nicht angegeben werde, und daß dies ein Indiz dafür sei, die Gruppe HAr hätte nur einen Substituenten.

Auch dem kann die Kammer nicht folgen, da die Zahl der R1-Substituenten kein beschränkendes Merkmal für die Zahl der R6-Substituenten ist, geschweige denn für die Gesamtzahl der R6- und der R-Substituenten.

2.1.4. Da der vorliegende Anspruch 1 keine Verbindungen mit einer einen oder zwei R-Substituenten tragenden HAr-Gruppe umfaßt, kann nach Ansicht der Kammer die Streichung des Disclaimers keinen Einfluß auf den Schutzumfang dieses Anspruch haben. Im vorliegenden Anspruch 1 liegt deshalb keine unzulässige Erweiterung vor. Da die Kammer sich auch davon überzeugt hat, daß die unabhängigen Ansprüche 2 und 3 nicht gegenüber der erteilten Fassung erweitert sind, was die Beschwerdeführerin auch nie behauptet hat, kommt die Kammer zum Schluß, daß die unabhängigen Ansprüche 1 bis 3 nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen.

2.2. Neuheit

Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die beanspruchten Verbindungen in keiner zitierten Entgegenhaltung vorbeschrieben und somit gegenüber diesem Stand der Technik neu sind; da dies nicht bestritten wurde, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.

2.3. Erfinderische Tätigkeit

2.3.1. Die Kammer ist, wie die Einspruchsabteilung und die Parteien, der Ansicht, daß das in Zeile 34 der zweiten Seite des Streitpatents zitierte Dokument (1) den nächsten Stand der Technik darstellt.

2.3.2. Diese Entgegenhaltung offenbart photochrome Verbindungen mit einer ähnlichen Struktur wie die Verbindungen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1, mit der Ausnahme, daß bei den bekannten Verbindungen HAr eine 7-Chinolin-Struktur darstellt (siehe Dokument (1), Seite 2, Zeilen 8 bis 16):

FORMEL

2.3.3. Gemäß den Ausführungen im Streitpatent vermindern die im Dokument (1) beschriebenen Verbindungen im nicht angeregten Zustand die Transmission beispielsweise eines Brillenglases praktisch nicht; als nachteilig wird es jedoch bezeichnet, daß sie in üblicher Weise für Kunststoff-Brillengläsern eingesetzten Materialien eine große Neigung zur Migration zeigen (Seite 2, Zeilen 35 bis 42).

2.3.4. Ausgehend vom Dokument (1) ist, wie bereits im Streitpatent angegeben (Seite 2, Zeilen 46 bis 47), die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, photochrome Verbindungen zur Verfügung zu stellen, die demgegenüber eine geringe Neigung zur Migration zeigen.

2.3.5. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die Verbindungen der geltenden unabhängigen Ansprüche 1 bis 3 vorgeschlagen (siehe Punkt III oben).

Die Beschwerdeführerin hat in Zweifel gezogen, daß es mit den während des Prüfungsverfahrens eingereichten Testergebnissen glaubhaft gemacht worden sei, daß die oben genannte Aufgabe tatsächlich gelöst werde.

2.3.6. Die Beschwerdegegnerin hat schlüssig dargelegt, die Temperaturabhängigkeit der Sättigungstransmission sei ein Maß für die Migrationsneigung, wobei die Sättigungstransmission erreicht werde, wenn ebenso viele Moleküle durch das Bestrahlungslicht angeregt werden wie durch die thermische Rückreaktion wieder in die Ausgangsform zurückkehren (siehe Schreiben vom 25. Januar 1990, Seite 2, letzter Absatz bis Seite 4, erster Absatz). Dies hat die Beschwerdeführerin nicht widerlegt.

2.3.7. In den während des Prüfungsverfahren eingereichten Vergleichsversuchen wurden die 0/ s-Werte, sowie die OD (optische Dichteänderung) und die relative Leistung OD (15 C = 100 %) von beanspruchten Verbindungen den strukturähnlichen im Dokument (1) veröffentlichten Verbindungen bei 15 C, 23 C, 30 C und 40 C direkt gegenübergestellt. Dabei ist 0 die nach V bewertete Transmission eines Glases, das im Dunklen zunächst eine Stunde bei 80 C ausgeheizt und dann eine Stunde bei Raumtemperatur gelagert wurde. s (Sättigungstransmission) ist die nach V bewertete Transmission dieses Glases nach einer Belichtung von 15. Minuten Dauer nach DIN 58217 mit 60 Klux bei einer konstanten Temperatur. OD = log 0 - log s stellt die durch die photochrome Reaktion hervorgerufene optische Dichteänderung dar.

In den Vergleichsversuchen wurden Verbindungen 1 bis 12. gemäß dem Hauptantrag mit den aus dem Dokument (1) bekannten Verbindungen V1 bis V4 und V7 bis V12 verglichen, wobei jede der Verbindungen 1 bis 4 und 7 bis 12 sich von jeder der Verbindungen V1 bis V4 und V7 bis V12 lediglich durch die Struktur des zweikernigen Heteroaromaten HAr unterscheidet und jede der Verbindungen 5 und 6 sich von der Verbindung V1 lediglich durch einen dreikernigen statt einem zweikernigen Heteroaromaten HAr unterscheidet.

Den Vergleichsversuchen ist zu entnehmen, daß bei den gemessenen Temperaturen die relative Leistung OD (15 C = 100 %) der Verbindungen 1 bis 12 gemäß dem Hauptantrag derjenigen der im Dokument (1) beschriebenen Verbindungen V1 bis V4 und V7 bis V12 überlegen ist. Lediglich bei 40 C hat die Verbindung 5. und bei 23 C die Verbindung 11 eine etwas niedrigere relative Leistung OD (15 C = 100 %) als Verbindung V1 (22.2 gegenüber V1: 22.9) beziehungsweise V11 (80.5 gegenüber V11: 80.7).

Diese beiden Werte widersprechen jedoch dem Gesamtergebnis nicht, daß die optische relative Leistung OD (15 C = 100 %) der beanspruchten Verbindungen in dem Hauptanwendungsbereich derjenigen der aus dem Dokument (1) bekannten Verbindungen überlegen ist. Aus diesen Angaben kann nur entnommen werden, daß bei den oben genannten Temperaturen die beiden Verbindungen gemäß dem Hauptantrag eine ähnliche hohe relative Leistung OD (15 C = 100 %) wie die nächstkommenden bekannten 7-Chinoline aufweisen, während die gleichen Verbindungen bei den anderen gemessenen Temperaturen diesen 7-Chinolinen überlegen sind.

Aufgrund der während der mündlichen Verhandlung eingereichten graphischen Darstellungen mit Datum vom 29. Januar 1999 (siehe oben Punkt III, letzten Absatz) hat die Beschwerdeführerin bestritten, daß die relative Leistung (15 C = 100 %) der Verbindungen 2, 8, 10 und 11 bei jeder Temperatur derjenigen der aus dem Dokument (1) bekannten Verbindungen V2, V8, V10 und V11 überlegen sei, da die die gemessenen Werte verbindenden geraden Linien mit steigenden Temperaturen konvergent zueinander verlaufen.

In der Bewertung der Vergleichsversuche ist es jedoch im vorliegenden Fall nicht wesentlich, ob die relative Leistung OD (15 C = 100 %) der Verbindungen gemäß Hauptantrag den Verbindungen gemäß dem Stand der Technik bei jeder Temperatur überlegen sind, sondern ob es glaubhaft ist, daß die beanspruchten Verbindungen in dem Temperaturbereich, wo üblicherweise photochrome Verbindungen verwendet werden (d. h. insbesondere bei 15 C bis 30 C), dem Stand der Technik überlegen sind.

2.3.8. Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, daß die während des Prüfungsverfahrens eingereichten Vergleichsversuche nicht den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA entwickelten Kriterien entsprächen und insbesondere nicht die in T 181/82 (ABl. EPA 1984, 401) und T 197/86 (ABl. EPA 1989, 371) beschriebenen Erfordernisse erfüllten, weil in den vorgelegten Vergleichsversuchen die patentgemäßen Verbindungen nicht explizit im Streitpatent offenbart seien.

Hinsichtlich der Entscheidung T 181/82 kann aus dem Entscheidungsgrund 5 lediglich entnommen werden, daß ein Vergleichsversuch bestimmte Kriterien erfüllen muß, um relevant zu sein. Hierzu gehören die Wahl einer anmeldungsgemäß offenbarten Verbindung einerseits und einer dem Stand der Technik entnommenen Vergleichssubstanz andererseits sowie eine größtmögliche Übereinstimmung des verglichenen Paars in Struktur und Anwendung.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin kann dieser Entscheidung jedoch nicht entnommen werden, daß die patentgemäße Verbindung explizit im Streitpatent offenbart sein muß.

Vielmehr ist aus T 197/86 zu entnehmen,

i) daß den Grundsätzen der Entscheidung T 181/82 zufolge Vergleichsversuche, wenn diese als Beweismittel für eine unerwartete Wirkung vorgelegt werden, bei vergleichbarem Anwendungsgebiet sich auf Vergleichsverbindungen größtmöglicher Strukturnähe zum Erfindungsgegenstand beziehen müssen (Entscheidungsgrund 4) und

ii) daß es hierfür erforderlich sein kann, "die Vergleichselemente so abzuwandeln, daß sie nur in diesem Unterscheidungsmerkmal von der Erfindung abweichen" (Entscheidungsgrund 6.1.3).

Da in den vorgelegten Vergleichsversuchen jede der Verbindungen 1 bis 4 und 7 bis 12 sich von der entsprechenden Vergleichsverbindung lediglich durch die Struktur des zweikernigen Heteroaromaten HAr unterscheidet und die Verbindungen 5 und 6 sich von der Verbindung V1 lediglich durch einen dreikernigen statt eines zweikernigen Heteroaromaten HAr unterscheiden, ist die Kammer davon überzeugt, daß die Vergleichsversuche sich auf Vergleichsverbindungen größtmöglicher Strukturnähe zum Erfindungsgegenstand beziehen und somit als Beweismittel einer unerwarteten Wirkung geeignet sind.

2.3.9. Da die Verbindungen 1 bis 4 und 7 bis 12 repräsentativ für die Verbindungen gemäß Anspruch 1 sind und die Verbindungen 5 und 6 den Gegenstand des Anspruchs 3 stützen, ist die Kammer davon überzeugt, daß eine geringere Temperaturabhängigkeit der Sättigungstransmission für die in den Ansprüchen 1 und 3 beanspruchten Verbindungen nachgewiesen wurde.

Obwohl aus dem Streitpatent nicht deutlich hervorgeht, ob 0 und s für die dort beschriebene Verbindung 1 unter den gleichen Bedingungen in den nachgebrachten Vergleichsversuchen gemessen wurden und somit ein direkter Vergleich mit einer in Dokument (1) beschriebenen Verbindung nicht möglich erscheint, zeigen die im Streitpatent angegebenen OD-Werte bei 15 C (0.584), 23 C (0.432), 30 C (0.262) und 40 C (0.128), daß die relative Leistung OD (15 C = 100 %) 73.97 % bei 23 C, 44.86 % bei 30. C und 21.9 % bei 40 C beträgt. Diese Werte sind aber ein Indiz dafür, daß bei 23 C und 30 C die Temperaturabhängigkeit der Verbindung 1 geringer ist als die der strukturähnlichen Verbindung V1. Da die im Streitpatent explizit beschriebene Verbindung 1 repräsentativ für die in Anspruch 2 beanspruchten Verbindungen ist, ist die Kammer davon überzeugt, daß auch eine geringere Temperaturabhängigkeit der Sättigungstransmission für die im Anspruch 2 beanspruchten Verbindungen glaubhaft ist.

Da die Beschwerdeführerin nicht widerlegt hat, daß die Temperaturabhängigkeit der Sättigungstransmission ein Maß für die Migrationsneigung der photochromen Verbindung ist (siehe Punkt 2.3.6 oben), kommt die Kammer zum Schluß, daß eine geringere Neigung zur Migration für die in den Ansprüchen 1, 2 und 3 beanspruchten Verbindungen nachgewiesen wurde.

2.3.10. Es bleibt somit zu entscheiden, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die in Punkt 2.3.4 oben definierte Aufgabe dadurch zu lösen, daß man die 7-Chinolin-Heteroaromaten in den aus Dokument (1) bekannten Verbindungen durch einen in den Ansprüchen 1, 2 und 3 definierten Heteroaromaten ersetzt.

2.3.11. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß ausgehend von Dokument (1) die Aufgabe lediglich darin bestand, zusätzliche Verbindungen mit photochromen Eigenschaften zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht jedoch nicht den von der Kammer festgestellten Vorteilen, die gemäß Streitpatent objektiv erzielt werden.

In Anbetracht der von der Kammer festgestellten geringeren Neigung zur Migration für die in den Ansprüchen 1, 2 und 3 beanspruchten Verbindungen, stellt sich daher die Frage, ob der Fachmann irgendwo einen Hinweis für die nun beanspruchte Lösung der Aufgabe bekommen konnte.

Die Beschwerdeführerin hat zwar behauptet, es sei naheliegend gewesen, den bekannten 7-Chinolin-Heteroaromaten durch einen isomeren Heteroaromaten zu ersetzen. Sie war jedoch nicht in der Lage, in Dokument (1) oder in irgend einem anderen zum Stand der Technik gehörenden Dokument eine Fundstelle anzugeben, der ein Hinweis zu entnehmen wäre, wie die Migration von photochromen Verbindungen verringert werden könnte.

2.3.12. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß in Abwesenheit irgendeines Hinweises im Stand der Technik auf die gemäß Streitpatent vorgeschlagene Lösung der Aufgabe die Gegenstände der Ansprüche 1, 2 und 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

2.4. Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 4 und 5 betreffen besondere Ausführungsformen der in den Ansprüchen 1 bis 3 beanspruchten Verbindungen und haben daher zusammen mit diesen Ansprüchen ebenfalls Bestand.

2.5. Die Beschreibung wurde den Ansprüchen angepaßt. Die Beschwerdeführerin hatte dagegen keine formellen Einwände, solche Einwände sind auch für die Kammer nicht ersichtlich.

2.6. Der Aufrechterhaltung des Patentes im Umfang des Hauptantrags steht daher nichts im Wege.

3. Hilfsantrag

Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die Gewährbarkeit des Hilfsantrags einzugehen.

4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr mußte schon deswegen erfolglos bleiben, weil dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Widerruf des Patentes im wesentlichen nicht stattgegeben werden konnte. Gleichwohl sieht sich die Kammer zu einem Hinweis veranlaßt, was die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Protokollberichtigung angeht. Die Einspruchsabteilung hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, an den Gründen für die Aufrechterhaltung des Patents habe sich nichts geändert. Dies war jedoch nicht der zutreffende Maßstab dafür, ob eine Protokollberichtigung veranlaßt war. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob das Protokoll die Voraussetzungen der Regel 76 EPÜ erfüllt, insbesondere ob es den Gang der mündlichen Verhandlung zutreffend wiedergibt (Regel 76 (1) EPÜ). Da das Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben hat, ihre Auffassung über den Gang der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorzutragen und aktenkundig zu machen, besteht keine Veranlassung der Frage nachzugehen, ob der Antrag auf Protokollberichtigung inhaltlich zutreffend verbeschieden worden ist. Da diese Frage nicht mehr relevant ist, kann auch dahinstehen ob sie im Zusammenhang des vorliegenden Verfahrens geprüft werden könnte.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angegriffene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 5 wie in der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag überreicht.

Beschreibung: Seite 2 bis 8 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht.

3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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