T 0796/96 () of 16.2.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T079696.20000216
Datum der Entscheidung: 16 Februar 2000
Aktenzeichen: T 0796/96
Anmeldenummer: 89118945.8
IPC-Klasse: B01F 7/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Misch- und Knetvorrichtung
Name des Anmelders: Blach, Josef A.
Name des Einsprechenden: Beschichtungs- u. Verschleisstechnik GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 29(1)
Schlagwörter: Form der Patentansprüche
Erfinderische Tätigkeit (ja): unzulässige rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, daß unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen der Gegenstand des europäischen Patents mit der Veröffentlichungsnummer 0 422 272 den Erfordernissen des Übereinkommens genüge. Der angefochtenen Entscheidung lagen geänderte Ansprüche 1 bis 4 zugrunde.

II. Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem das folgende Dokument angeführt:

D1: Sonderdruck der Seiten 287 - 290 aus der Zeitschrift Kunststoffe, 73. Jahrgang (1983), Heft 6; Seiten 1 - 4.

III. Die Beschwerdeführerin hat erstmals im Beschwerdeverfahren das folgende Dokument genannt:

D4: US-A-4 824 256.

IV. Die Beschwerdeführerin trug vor, die Vorrichtung gemäß D4 weise auch die kennzeichnenden Merkmale des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 auf.

V. Die Beschwerdegegnerin reichte in der am 16. Februar durchgeführten mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruchssatz mit zwei Ansprüchen ein. Anspruch 1 lautete wie folgt:

"Vorrichtung zum Mischen bzw. Kneten von flüssigen, zähflüssigen, plastischen, pulverförmigen oder körnigen Stoffen, welche aus wenigstens zwei, auf zueinander parallelen Wellen in einem Gehäuse (18) angeordneten und gleichsinnig drehenden einstückig ausgebildeten Knetblöcken besteht, von denen jeder aus in Achsrichtung hintereinander und in Umfangsrichtung wendeltreppenartig gegeneinander versetzt angeordneten Kurvenscheiben (1 - 5) besteht, wobei der Umriß der Kurvenscheiben aus Kreisbögen (6, 7, 8, 9) gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchlaßöffnung zwischen zwei Kurvenscheiben (1 - 5) durch einen Werkstoffabtrag an wenigstens einer Kurvenscheibe derart vergrößert ist, daß zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kurvenscheiben (1 - 5) eine Zwischenscheibe (13 - 16) angeordnet ist, die einen Umriß aufweist, welcher der kleinsten gemeinsamen Fläche der benachbarten Kurvenscheiben entspricht, und das Verhältnis der Dicken von Kurvenscheibe (1 - 5) zu Zwischenscheibe (13 - 16) zwischen 1:3 bis 3:1 beträgt."

Anspruch 2 richtete sich auf eine bevorzugte Ausführungsart des Gegenstands gemäß Anspruch 1.

VI. Zur Begründung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes trug die Beschwerdegegnerin vor, das Ausmaß des Werkstoffabtrags gemäß Anspruch 1 sei neu und erfinderisch gegenüber der Lehre gemäß D4, auch in Kenntnis von D1.

VII. Die Beschwerdeführerin erhob den Einwand, der Wortlaut des Anspruchs 1 sei mit Regel 29 (1) EPÜ nicht vereinbar, da der Gegenstand dieses Anspruchs sich vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß D4 nur durch das Verhältnis der Dicken von Kurvenscheibe zu Zwischenscheibe unterscheide. Darüber hinaus sei es in Kenntnis von D1 naheliegend, bei der Vorrichtung gemäß D4 die Durchlaßöffnung zwischen zwei Kurvenscheiben in der Art und Weise zu vergrößern, wie dies im Anspruch 1 definiert sei.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung waren die Anträge wie folgt:

- Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 422 272.

- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1 und 2 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen

Der neue Anspruch 1 enthält sämtliche Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 3 bis 5. Anspruch 2 entspricht der weiteren bevorzugten Ausführungsart gemäß dem ursprünglichen Anspruch 4. Die Änderungen sind daher mit Artikel 123 (2) und (3) EPÜ vereinbar.

2. Neuheit

2.1. Es ist unbestritten, daß keine der angeführten Entgegenhaltungen Knetblöcke mit Kurvenscheiben und Zwischenscheiben offenbart, welche ein Dickenverhältnis gemäß Anspruch 1 aufweisen. Der beanspruchte Gegenstand ist daher neu.

2.2. Die Beschwerdeführerin hat jedoch geltend gemacht, daß die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 gegenüber der Vorrichtung gemäß D4 nicht richtig abgegrenzt sei. Um den Erfordernissen der Regel 29 (1) EPÜ zu genügen, sei das Merkmal, wonach "die Durchlaßöffnung zwischen zwei Kurvenscheiben (1 - 5) durch einen Werkstoffabtrag an wenigstens einer Kurvenscheibe derart vergrößert ist, daß zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kurvenscheiben (1 - 5) eine Zwischenscheibe (13 - 16) angeordnet ist, die einen Umriß aufweist, welcher der kleinsten gemeinsamen Fläche der benachbarten Kurvenscheiben entspricht", dem Oberbegriff und nicht dem kennzeichnenden Teil desselben Anspruchs zuzuordnen.

2.3. Die Beschwerdegegnerin hat nicht bestritten, daß die Druckschrift D4 eine Vorrichtung mit allen Merkmalen im Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart. Darüber hinaus hat sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die gemäß D4 bekannten Knetblöcke Kurvenscheiben enthalten haben, bei welchen ein Werkstoffabtrag in einem Ausmaß vorgenommen wurde, daß eine dünne Zwischenscheibe entstanden ist. Sie hat auch nicht in Abrede gestellt, daß der Umriß einer solchen Zwischenscheibe der kleinsten gemeinsamen Fläche der benachbarten Kurvenscheiben entsprach.

2.4. Wie die Beschwerdegegnerin jedoch glaubhaft gemacht hat, wurde mit dem Werkstoffabtrag im Stand der Technik keine Vergrößerung der Durchlaßöffnung erreicht, sondern er diente lediglich dazu, die im Betrieb notwendige Distanz ("Toleranz") zwischen den Kurvenscheiben im Betrieb sicherzustellen. Somit ist das technische Merkmal, wonach "die Durchlaßöffnung zwischen zwei Kurvenscheiben (1 - 5) durch einen Werkstoffabtrag an wenigstens einer Kurvenscheibe derart vergrößert ist" (Hervorhebung durch die Kammer) aus D4 nicht eindeutig zu entnehmen. Es kann daher auch im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 verbleiben. Das Ausmaß dieser Vergrößerung wird durch die übrigen kennzeichnenden Merkmale präzisiert. Die Formulierung des Anspruchs 1 ist somit mit Regel 29 (1) EPÜ vereinbar.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. In Übereinstimmung mit den Parteien ist die Kammer der Auffassung, daß das Dokument D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

3.2. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, gegenüber D4 bestehe die Aufgabe darin, eine Vorrichtung zum Mischen bzw. Kneten bereitzustellen, mit welcher eine bessere Homogenisierung der zu verarbeitenden Stoffe erzielt wird. Die Kammer stellt fest, daß für eine solche Verbesserung keine Beweise vorliegen. Die Kammer kann jedoch die bestehende Aufgabe darin sehen, eine weitere Misch- bzw. Knetvorrichtung zur Homogenisierung der zu verarbeitenden Stoffe bereitzustellen.

3.3. Es ist unbestritten, daß die bestehende Aufgabe durch die Gestaltung der Durchlaßöffnung zwischen zwei Kurvenscheiben, wie dies durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 definiert ist, gelöst wurde. Es stellt sich somit nur noch die Frage, ob die beanspruchte Lösung der bestehenden Aufgabe aus dem angeführten Stande der Technik in naheliegender Weise herleitbar ist.

3.4. Lösungsvorschläge gemäß Stand der Technik

3.4.1. In D1 wird gelehrt, daß die in Betriebsuntersuchungen an den dort beschriebenen Knetvorrichtungen festgestellte gute Homogenisierleistung der Knetscheiben durch "Anbringen von schmalen seitlichen Absätzen im Bereich der Profilspitze, sogen. Schultern" zu erklären sei (siehe Seite 2, rechte Spalte: "Stoffbewegung im Schneckenkanal reduziert Lärm und verbessert die Durchmischung"). Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dieser Befund lehre, daß eine optimale Homogenisierungsleistung der Knetvorrichtung durch Vergrößerung der Durchlaßöffnung zu erhalten sei. Der Fachmann wisse außerdem, daß diese Vergrößerung nur auf zweierlei Weisen erreicht werden könne: entweder in radialer oder in achsialer Richtung zur Knetachse. In D4 sei die Durchlaßöffnung bereits durch Werkstoffabtrag der Knetscheiben bis zum Erhalt von Zwischenscheiben vergrößert, siehe Punkt 2.3 oben. Um die Homogenisierleistung der Vorrichtung gemäß D4 weiter zu steigern, sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, diese Durchlaßöffnung in achsialer Richtung weiter zu vergrößern. Das Ergebnis eines solchen weitergehenden Werkstoffabtrags wäre es gewesen, daß die Dicke der Zwischenscheibe dann in einem Verhältnis zur Dicke der Kurvenscheiben stehe, das von dem in Anspruch 1 definierten Bereich umfaßt werde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß D4 in Verbindung mit der Lehre gemäß D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.4.2. Die Kammer kann dem Vortrag der Beschwerdeführerin jedoch nicht folgen. In D1 wird ein Schneckenextruder vorgeschlagen, "bei dem, durch die Anordnung schmaler Polygonscheiben auf einer kurzen Länge, eine Vielzahl von mischwirksamen Profilspitzen untergebracht ist" (Seite 2, rechte Spalte, letzter Satz). Dies mag den Fachmann dazu anregen, die Homogenisierleistung der in D1 untersuchten Knetvorrichtung durch Anbringung einer größeren Anzahl an Kurvenscheiben mit Profilspitzen oder durch Anbringung von schmaleren Kurvenscheiben zu erhöhen. Die Kammer sieht in diesen Angaben jedoch keine konkrete Anregung dazu, den Werkstoffabtrag an wenigstens einer Kurvenscheibe derart vorzunehmen, daß zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kurvenscheiben eine Zwischenscheibe angeordnet ist, die einen Umriß aufweist, welcher der kleinsten gemeinsamen Fläche der benachbarten Kurvenscheiben entspricht.

Wie oben bereits dargelegt (siehe Punkt 2.3 bis 2.4), wurde andererseits im Stand der Technik gemäß D4 zwar Werkstoff von den Knetscheiben soweit abgetragen, daß zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kurvenscheiben eine Zwischenscheibe angeordnet ist, die einen Umriß aufweist, welcher der kleinsten gemeinsamen Fläche der benachbarten Kurvenscheiben entspricht. Diese Maßnahme diente jedoch nach den unwiderlegten und einleuchtenden Ausführungen der Beschwerdegegnerin nur dazu, den im Betrieb notwendigen Abstand zwischen den Kurvenscheiben zu gewährleisten. Die Beschwerdeführerin selbst hat eingeräumt, daß D4 keine nähere Erläuterung zum Zweck dieser lediglich den Zeichnungen entnehmbaren Ausgestaltung enthält (siehe auch Eingabe vom 1. November 1996, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Absatz 2). Es war daher auch unstrittig, daß die Dicke der entstandenen Zwischenscheibe keineswegs der Definition gemäß Anspruch 1 entspricht. Ein weitergehender Werkstoffabtrag zum Zweck der Durchlaßvergrößerung wurde in D4 nicht angesprochen. Um eine optimale Homogenisierung der Stoffe zu erreichen, schlägt D4 dagegen vor, den Spalt zwischen Knetblöcken und Gehäusewandung in bestimmter Weise auszubilden (siehe Zusammenfassung, Spalte 2, Zeilen 11 bis 25; 44 bis 54 und Anspruch 1).

Somit schlägt für die gleiche Aufgabe der Stoffhomogenisierung sowohl der Stand der Technik gemäß D4 als auch derjenige gemäß D1 einen anderen Lösungsweg als denjenigen gemäß Anspruch 1 vor. Auf der anderen Seite wird weder in D1 noch in einer der anderen sich im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zum Zweck der Vergrößerung der Durchlaßöffnung ein weitergehender Werkstoffabtrag als im Kammbereich der Knetscheiben angesprochen. Die Kammer stellt infolgedessen fest, daß die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe aus keiner Entgegenhaltung, weder für sich betrachtet noch in Kombination, herleitbar war. Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zur Kombination der Entgegenhaltungen D4 und D1 sind lediglich das Ergebnis einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise. Somit ist die Kammer zu der Überzeugung gekommen, daß der Gegenstand gemäß Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Anspruch 2 betrifft eine besondere Ausführungsart der Vorrichtung nach Anspruch 1 und beruht daher ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Die Beschreibung ist jedoch noch nicht im Einklang mit diesen Patentansprüchen. Insbesondere stellt die Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin an dieser Stelle fest, daß der Wortlaut der so geänderten Ansprüche 1 und 2 den durch Fig. 2a, 2b und 3 illustrierten Gegenstand nicht mehr umfaßt. Es ist daher eine grundlegende Überarbeitung der Beschreibung erforderlich. Gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin und gestützt auf Artikel 111 (1) EPÜ überläßt die Kammer die Entscheidung über die Fassung der Beschreibung der Einspruchsabteilung.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben,

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 und 2 und einer noch anzupassenden Beschreibung (einschließlich Zeichnungen), aufrechtzuerhalten.

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