T 0760/96 (Implantierbares medizinisches Gerät/ST. JUDE MEDICAL AB) of 1.2.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T076096.20010201
Datum der Entscheidung: 01 Februar 2001
Aktenzeichen: T 0760/96
Anmeldenummer: 89109172.0
IPC-Klasse: A61N 1/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Implantierbares medizinisches Gerät mit Mitteln zum Stimulieren von Gewebekontraktionen mit einstellbarer Stimulationsintensität und Verfahren zum Betrieb eines solchen Gerätes
Name des Anmelders: St. Jude Medical AB
Name des Einsprechenden: BIOTRONIK Mess- und Therapiegeräte GmbH & Co Ingenieurbüro
Berlin
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat ihre am 16. August 1996 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde gegen die am 18. Juni 1996 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung gerichtet, mit der das Patent in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde. Die Beschwerdebegründung wurde am 14. Oktober 1996 eingereicht.

II. Einspruch und Beschwerde gründen sich unter anderem auf die Einwände fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) sowie 52 (1), 54 (1)(2) und 56 EPÜ) unter Bezugnahme insbesondere auf die Dokumente:

E1: US-A-4 674 508,

E4: US-A-4 303 075 und

E6: DE-A-3 629 587.

III. Die Parteien wurden auf ihren Antrag zu einer mündlichen Verhandlung geladen, welche am 1. Februar 2001 stattfand.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis:

1. Der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung,

Ansprüche Nr. 1 - 6, eingereicht am 21. Mai 1996;

Spalten 1 - 4 der Beschreibung, eingereicht am 21. Mai 1996;

Spalten 5 - 25 der Patentschrift;

Zeichnungen: Blätter 1/4 - 4/4 der Patentschrift (Hauptantrag);

2. der Ansprüche Nr. 1 - 5, eingereicht am 21. Dezember 2000;

Spalten 1 - 4, 25 der Beschreibung, eingereicht am 21. Dezember 2000;

Spalten 5 - 24 der Patentschrift und Zeichnungen wie erteilt (erster Hilfsantrag);

3. der Ansprüche Nr. 1 - 5, eingereicht am 21. Dezember 2000;

Spalten 1 - 4, 25 der Beschreibung, eingereicht am 21. Dezember 2000;

Spalten 5 - 24 der Patentschrift und Zeichnungen wie erteilt (zweiter Hilfsantrag).

VI. Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. In den Körper eines Lebewesens implantierbares medizinisches Gerät mit Mitteln (20) zum elektrischen Stimulieren von Gewebekontraktionen mit einstellbarer Stimulationsenergie (A), mit einer Detektoreinrichtung (43) zur Detektion stimulierter Gewebekontraktionen und mit Stellmitteln (5, 24) zum Einstellen der Stimulationsenergie (A), die die Stimulationsenergie (A) selbsttätig derart einstellen, dass die Detektoreinrichtung (43) nach einer Stimulation eine stimulierte Gewebekontraktion detektiert, dadurch gekennzeichnet, dass die Detektoreinrichtung (43) stimulierte Gewebekontraktionen in einem elektrischen Impedanzsignal (IS) des stimulierten Gewebes detektiert."

Der Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut:

"1. Herzschrittmacher mit Mitteln (20) zum elektrischen Stimulieren von Herzgewebekontraktionen mit elektrischen Impulsen mit einstellbarer Stimulationsenergie (A), mit einer Detektoreinrichtung (43) zur Detektion stimulierter Gewebekontraktionen der Herzschläge und mit Stellmitteln (5, 24) zum Einstellen der Stimulationsenergie (A) der Stimulationsimpulse, die die Stimulationsenergie (A) selbsttätig derart einstellen, dass die Detektoreinrichtung (43) nach einer Stimulation eine stimulierte Gewebekontraktion eines Herzschlags detektiert, dadurch gekennzeichnet, dass die Detektoreinrichtung (43) stimulierte Gewebekontraktionen von Herzschlägen in einem elektrischen Impedanzsignal des stimulierten Gewebes detektiert."

Der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von demjenigen des ersten Hilfsantrags durch die ergänzende Angabe im Kennzeichen "wobei die Detektoreinrichtung an eine bipolar (sic) Elektrode (3) angeschlossen ist, die zur Einpflanzung in ein Ventrikel bestimmt ist".

VII. Die Einspruchsabteilung betrachtete in ihrem Beschluß Dokument E1 als den nächstkommenden Stand der Technik und sah die Neuheit des Patentgegenstandes in einer Detektoreinrichtung zur Detektion eines Impedanzsignals des stimulierten Gewebes gegeben.

Die erfinderische Tätigkeit sah sie darin begründet, daß keines der nachgewiesenen Dokumente einen Hinweis auf eine Detektion der Gewebeimpedanz zum Nachweis von stimulierten Gewebekontraktionen zum Zwecke des Einstellens der Stimulationsenergie gegeben habe. E1 lehre eine andere Lösung und es sei kein naheliegender Grund ersichtlich gewesen, die Lehre dieses Dokuments mit derjenigen eines anderen Dokuments zu kombinieren. Darüber hinaus habe eine derartige Kombination auch nicht zum Patentgegenstand geführt, da keines der angeführten Dokumente die Messung der Impedanz eines stimulierten Gewebes zum Gegenstand gehabt habe.

VIII. Der Vortrag der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Es sei fraglich, ob der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 des Hauptantrags tatsächlich geeignet ist, einen technischen Unterschied zu dem aus E1 bekannten Herzschrittmacher zu definieren, da zum einen der Anspruchswortlaut nicht eindeutig eine Detektoreinrichtung zur Durchführung einer Impedanzmessung verlange und zum anderen jedes elektrische Signal, und damit auch das gemäß E1 zum Nachweis einer erfolgten Stimulation am Herzen abgegriffene Spannungssignal, von der Impedanz des Meßkreises beeinflußt und somit als Impedanzsignal im weitesten Sinne anzusehen sei. Damit sei aber schon die Neuheit des beanspruchten Gerätes in Frage gestellt.

Wenn man hingegen den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags als auf ein Gerät mit einer Detektoreinrichtung zur Durchführung einer Impedanzmessung beschränkt ansehe, so könne dies nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen. Ausgehend von E1 hätte sich dem Fachmann die Aufgabe gestellt, nach Möglichkeiten zur Detektion erfolgreicher Stimulationen zu suchen. Dabei hätten sich ihm die aus den Dokumenten E4 und E6 für Herzschrittmacher bekannten Impedanzmessungen am Herzen als eine geeignete Alternative unmittelbar angeboten. Insbesondere E6 beschreibe zu dem Zweck eine Detektoreinrichtung zur Impedanzmessung, die selbst die baulichen Details gemäß den Ansprüchen 2 aller vorliegenden Anträge des Patentinhabers zeige, und bei der in ein Ventrikel des Herzens eingeführte, bipolare Elektroden Verwendung fänden, so daß auch die Gegenstände der Ansprüche 1 des ersten und zweiten Hilfsantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

IX. Die Beschwerdegegnerin stützte ihre Anträge im wesentlichen auf die folgenden Argumente:

Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergebe sich daraus, daß die Detektoreinrichtung ein Impedanzsignal des stimulierten Gewebes detektiere. Eine Messung der Impedanz verlange implizit das aktive Zuführen eines Wechselstroms zum Gewebe und die Messung des daraus resultierenden Spannungsabfalls, während im nächstkommenden Stand der Technik gemäß E1 lediglich passiv ein im Gewebe auftretendes Potential gemessen werde.

Das beanspruchte Gerät zum elektrischen Stimulieren sei auch erfinderisch, weil der Fachmann gar keine Veranlassung gehabt habe, von der mit E1 gegebenen Lehre abzugehen. Das aus E1 bekannte Gerät betreffe nämlich einen Herzschrittmacher, der mit möglichst geringem Energieaufwand betrieben werden solle. Es sei daher nicht zufällig, daß die verwendete Detektoreinrichtung zum Nachweis stimulierter Gewebekontraktionen ein nach dem Stimulationsimpuls in dem von der Stimulationselektrode kontaktierten Gewebe von selbst auftretendes Potential messe. Diese passive Messung verbrauche keine zusätzliche Energie, während demgegenüber eine Impedanzmessung einen nennenswerten zusätzlichen Stromverbrauch zur Folge haben könne. Andererseits sei die gemäß E1 verwendete Detektoreinrichtung insofern nachteilig, als eine als Folge der Stimulationspulse auftretende Gewebepolarisation deren Funktion beeinträchtigte und einen sicheren Nachweis stimulierter Kontraktionen gefährde.

Doch selbst wenn der Fachmann die Dokumente E4 und E6 in Betracht gezogen hätte, habe er nicht zum Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gelangen können, da diese Dokumente gar kein Impedanzsignal des stimulierten Gewebes nachwiesen. Sowohl bei E4 als auch bei E6 ginge es darum, einen Herzschrittmacher so zu kontrollieren, daß das Schlagvolumen des Herzens maximiert wird. Das zu diesem Zweck gemessene Impedanzsignal resultiere aus einer Änderung des Blutflusses durch das Herz. Dies sei insbesondere aus Dokument E6 ersichtlich, demzufolge der Einfluß des Herzgewebes auf die gemessene Impedanz eine Störung darstelle, die es zu unterdrücken gelte. Darüber hinaus ergebe sich aus der Beschreibung von E4 in Spalte 4, Zeilen 26 - 39, daß es beim Stand der Technik darum gehe, sowohl den Maximalwert als auch den Minimalwert der Blutimpedanz zu bestimmen. Die dazu erforderliche Dauerbeobachtung der Impedanz verbrauche relativ viel Energie. Schließlich folge das durch den Blutfluß erzeugte Impedanzsignal, wie der Kurve A der Figur 3 von E4 entnehmbar, annäherungsweise einem Sinusverlauf. Demgegenüber zeige, wie in Figur 3 des Patents als Kurve "IS" dargestellt, das Impedanzsignal des stimulierten Gewebes gemäß der Erfindung ausgeprägte Signalspitzen, welche, wie in Spalte 14, Zeilen 35 - 40 der Patentschrift erläutert sei, typisch für eine erfolgreiche Stimulation seien und mit Hilfe eines geeignet gewählten Bandpassfilters zuverlässig nachgewiesen werden können. Da es ausreiche, die genannten Signalspitzen zu detektieren, brauche beim vorliegenden Patent, wie sich aus Spalte 10, Zeilen 25 - 29 der Beschreibung ergebe, das Impedanzsignal nur in einem relativ kurzen Zeitintervall von etwa 100 ms nach einem Stimulationspuls gemessen werden. Aus diesen Gründen habe nicht einmal eine Zusammenschau des angeführten Standes der Technik den Fachmann zum Gegenstand des vorliegenden Patents gemäß Hauptantrag geführt, wobei, wie insbesondere E6 dokumentiere, geradezu ein Vorurteil des Standes der Technik gegen die Lehre des vorliegenden Patents bestanden habe.

Der erste Hilfsantrag verdeutliche noch stärker, daß die vorliegende Erfindung auf einer Impedanzmessung des stimulierten Herzgewebes beruhe.

Der zweite Hilfsantrag schließlich definiere mit dem Vorsehen einer in ein Ventrikel zu implantierenden bipolaren Elektrode einen zusätzlichen baulichen Unterschied zum nachgewiesenen Stand der Technik, da E4 räumlich getrennte Elektroden außerhalb des Herzens verwende und E6 eine komplizierte Multipol-Elektrode benötige.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist damit zulässig.

2. Änderungen

Die im Hauptantrag gegenüber dem erteilten Patent vorgenommenen Änderungen betreffen, neben der Streichung aller Verfahrensansprüche, im Anspruch 1 den Ersatz des Begriffs "Stimulationsintensität" durch den Begriff "Stimulationsenergie" sowie des Ausdrucks "in einem der elektrischen Impedanz des stimulierten Gewebes entsprechenden Signal (IS)" durch den Ausdruck "in einem elektrischen Impedanzsignal (IS) des stimulierten Gewebes".

Die Offenbarung des Begriffs "Stimulationsenergie" stützt sich auf die Angaben in Spalte 9, Zeilen 10 - 13 der veröffentlichten Anmeldung, woraus erkennbar ist, daß mit ihm die Energie eines einzelnen Stimulationsimpulses definiert ist. Die Klarstellung, daß es sich bei dem detektierten Signal um ein Impedanzsignal handelt, ist ebenfalls durch die ursprüngliche Beschreibung offenbart. Da die vorgenommenen Änderungen auch nicht über den Schutzbereich des erteilten Patents hinausgehen, bestehen keine Bedenken bezüglich der Zulässigkeit des Hauptantrags im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ.

Auch die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen werden als zulässig erachtet, da Herzschrittmacher die konkrete Ausführungsform des Patentes darstellen und eine Impedanzmessung mittels einer bipolaren Ventrikelelektrode u. a. durch Figur 1 und die Angaben in Spalte 12, Zeile 57 bis Spalte 13, Zeile 15 der ursprünglichen Beschreibung offenbart ist.

3. Neuheit (Artikel 52 (1) und 54 (1) und (2) EPÜ)

Der nächstliegende Stand der Technik gemäß Dokument E1 (vgl. insbesondere die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) zeigt als implantierbares medizinisches Gerät zum elektrischen Stimulieren von Gewebekontraktionen einen Herzschrittmacher, welcher - unbestritten - alle Merkmale des Obergriffs des Anspruchs 1 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag aufweist. Die Detektoreinrichtung zum Nachweis einer stimulierten Gewebekontraktion mißt im Herzmuskel ein durch dessen Kontraktion erzeugtes und mit der Stimulationselektrode aufgenommenes Signal ("post pulse lead recovery artifacts"), dessen Amplituden-Zeit-Verlauf ("waveform") charakteristisch für eine erfolgreiche Stimulation des Gewebes ist. Zwar hängt die Amplitude dieses Signals, wie die jedes elektrischen Signals, von der im Meßkreis auftretenden Impedanz ab, doch resultiert es nicht aus einer Impedanzmessung, da letztere das aktive Zuführen eines Meßstromes und eine gleichzeitige Strom-Spannungs-Messung voraussetzen.

Auch wenn das Kennzeichen des vorliegenden Anspruchs 1, "dass die Detektoreinrichtung stimulierte Gewebekontraktionen in einem elektrischen Impedanzsignal des stimulierten Gewebes detektiert" durchaus eine breite Auslegung zuließe, so interpretiert die Kammer für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses diese Vorschrift als sich auf eine eine Impedanzmessung durchführende Detektoreinrichtung beziehend. Bei einer derartigen, engen Auslegung des Anspruchswortlauts ist die Neuheit des beanspruchten Geräts nicht in Frage gestellt.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)

4.1. Hauptantrag

4.1.1. Im Lichte der vorstehenden Interpretation des Anspruchswortlauts unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem aus E1 bekannten Herzschrittmacher durch eine Detektoreinrichtung, welche stimulierte Gewebekontraktionen durch eine Messung der Impedanz des stimulierten Gewebes detektiert. Demgegenüber erfaßt die in dem aus E1 bekannten Herzschrittmacher verwendete Detektoreinrichtung ein auf der Stimulationselektrode als Reaktion auf eine Stimulation auftretendes Potential des Herzmuskels. Diesem passiv gemessenen Signal ist jedoch, wie in Spalte 1, Zeilen 33 - 47 der vorliegenden Patentbeschreibung ausgeführt ist, eine Polarisation des Gewebes überlagert, welche von der Energie des Stimulationspulses selbst herrührt und einen zuverlässigen Nachweis einer Gewebekontraktion erschwert.

4.1.2. Basierend auf dem identifizierten technischen Unterschied zum Stand der Technik gemäß E1 liegt dem Gegenstand des Anspruchs 1 die objektive Aufgabe zugrunde, eine alternativ arbeitende Detektoreinrichtung mit erhöhter Zuverlässigkeit des Nachweises von Gewebekontraktionen vorzusehen.

Nun sieht sich ein Durchschnittsfachmann regelmäßig mit dem Wunsch nach Verbesserung der Betriebsicherheit von ihm entwickelter Geräte konfrontiert. Dies gilt insbesondere für die Zuverlässigkeit der Funktion implantierter medizinischer Geräte wie Herzschrittmacher, da von ihr die Gesundheit des Patienten abhängen kann. Daher liefert nach Auffassung der Kammer die o. g. Aufgabenstellung keinen eigenen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit.

4.1.3. Auf der Basis von Impedanzmessungen des Herzens operierende Detektoreinrichtungen zum Zwecke der Ermittlung wesentlicher Betriebsparameter für die Steuerung von Herzschrittmachern fanden vor dem Prioritätstag des vorliegenden Patents allgemeine Verwendung.

So zeigt Dokument E4 (vgl. insbesondere Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung) einen Herzschrittmacher, bei dem eine Detektoreinrichtung die Maximaländerung der Amplitude des Impedanzsignals des Herzens zwischen dem Beginn einer Kontraktion (das Herz ist mit Blut gefüllt) und dem Ende der Kontraktion (das Herz ist blutleer) bestimmt. Entsprechend dem Ergebnis eines Vergleichs mit dem unmittelbar vorangehend bestimmten Wert der Maximaländerung der Impedanz wird das AV-Intervall verlängert oder verkürzt, um so das Schlagvolumen des stimulierten Herzens zu optimieren. Darüber hinaus enthält E4 die Lehre, daß das beobachtete Impedanzsignal auch zum Nachweis einer ventrikulären Fibrillation Verwendung finden kann, da bei ventrikulärer Fibrillation (d. h. bei Abwesenheit geordneter Kontraktionen des Herzens) keine Impedanzänderung auftritt (vgl. hierzu Spalte 3, Zeilen 19 - 32 und Spalte 7, Zeilen 56 - 66 in E4).

Ein ähnlicher Herzschrittmacher ist aus Dokument E6 (vgl. insbesondere die Figuren 1, 2 und 4 mit zugehöriger Beschreibung) bekannt. Die Impedanzmessung am Herzen dient dazu, das ventrikuläre Schlagvolumen mit größerer Genauigkeit zu messen. Darüber hinaus enthält E6 den Hinweis (vgl. Spalte 6, Zeile 60 - Spalte 7, Zeile 2), daß die Impedanzmessung auch bei der Diagnose von Rhythmusstörungen und Hypertrophie herangezogen werden kann und außerdem zur Überwachung von medikamentalen Eingriffen brauchbar ist, wie z. B. für die Beherrschung von kongestivem Herzversagen.

Auch wenn gemäß E4 und E6 der Zweck der Impedanzmessung nicht das Einstellen der Energie eines Stimulationsimpulses ist, so gewinnt der Durchschnittsfachmann aus beiden Dokumenten doch die Erkenntnis, daß das am Herzen gemessene Impedanzsignal eine zuverlässige Auskunft darüber liefert, ob eine Herzkontraktion stattgefunden hat oder nicht. Damit bot sich aber dem Durchschnittsfachmann die aus E4 bzw. E6 bekannte Detektoreinrichtung zur Verbesserung der Zuverlässigkeit des Nachweises von Herzkontraktionen auch bei dem aus E1 bekannten Herzschrittmacher unmittelbar an.

4.1.4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin vermag die Kammer in dem mit E1 verfolgten Ziel, den Energieaufwand zu verringern, kein Hindernis zu erkennen, das den Fachmann davon abgehalten hätte, eine alternative Detektoreinrichtung in Betracht zu ziehen. Zum einen beschäftigt sich die Lehre gemäß E1 gar nicht mit dem Energiebedarf für die Detektoreinrichtung sondern zielt auf eine Energieeinsparung durch Minimierung der Energie der Stimulationsimspulse ab, wobei sie sich in dieser Hinsicht in völliger Übereinstimmung mit dem vorliegenden Patent (vgl. Spalte 1, Zeilen 25 - 32 der Patentbeschreibung) befindet. Zum anderen verursacht eine Wechselstrom-Impedanzmessung, wie sie insbesondere in dem Herzschrittmacher gemäß Dokument E6 zur Anwendung kommt, einen relativ geringen Energieverbrauch im Vergleich zu demjenigen der Stimulationsimpulse.

Auch kann der Vortrag der Beschwerdegegnerin, das Patent messe im Gegensatz zu E4 und E6 ein Impedanzsignal des stimulierten Gewebes, die Kammer nicht überzeugen. Die Detektoreinrichtungen der Herzschrittmacher gemäß E4 als auch E6 messen ein Impedanzsignal des stimulierten Herzens mit Hilfe von Elektroden, die sich in elektrischem Kontakt mit dem Herzen befinden. Wie eingehend in E6 (vgl. Spalte 4, Zeile 50 - Spalte 5, Zeile 7) erläutert, ist die damit gemessene Impedanz notwendigerweise eine Kombination aus der Impedanz des das Herz bzw. das betreffende Ventrikel durchströmenden Blutes und der Impedanz des Herzgewebes, wobei letztere aufgrund der kleineren Leitfähigkeit des Gewebes die gemessene Gesamtimpedanz nur zu einem geringeren Teil bestimmt. Weder der vorliegende Patentanspruch noch die übrigen Patentunterlagen beinhalten Maßnahmen, durch welche bei einer Messung der Herzimpedanz der unvermeidliche Haupteinfluß der Blutes unterdrückt werden könnte. Insoweit sich die Argumentation der Beschwerdegegnerin auf spezielle technische Sachverhalte bezieht, wie z. B. den in Figur 3 des Patents gezeigten speziellen Impedanzverlauf IS für das Impedanzsignal des Gewebes oder dessen Messung mittels eines Bandpassfilters, sind diese mangels entsprechender technischer Merkmale im Patentanspruch unbeachtlich. Davon abgesehen, sieht die Kammer keinen qualitativen Unterschied zwischen der Wellenform IS gemäß Figur 3 des Patents und dem in Figur 4 von E6 gezeigten Impedanzverlauf, der vergleichbare Signalspitzen aufweist. Im Gegensatz dazu ist die in Figur 3 von E4 als Kurve A gezeigte sinusförmige Wellenform für den Fachmann klar ersichtlich eine lediglich schematische Darstellung der Tatsache, daß das Impedanzsignal zwischen zwei Extremwerten variiert. Damit ist aber das von der Beschwerdegegnerin behauptete Vorurteil des Standes der Technik gegenüber einer Impedanzmessung speziell des Herzgewebes nicht glaubhaft.

4.1.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, so daß der Anspruch 1 nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erfüllt.

4.2. Erster Hilfsantrag

Da sich die zitierten Dokumente des Standes der Technik ausnahmslos auf Herzschrittmacher beziehen, gelten die vorstehenden Ausführungen zum Hauptantrag mutatis mutandis auch für den Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags.

Damit erfüllt auch der Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

4.3. Zweiter Hilfsantrag

Das zusätzliche Vorsehen einer bipolaren Ventrikel-Elektrode für die Messung des Impedanzsignals gemäß Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ebenfalls nicht begründen, da diese Maßnahme auch schon aus E6 bekannt war. Zwar trifft es zu, daß E6 in den Figuren 1 und 2 eine in ein Ventrikel eingeführte multipolare Elektrode zeigt, doch ist der zugehörigen Beschreibung zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Messung der Impedanz jeweils an einem ausgewählten Elektrodenpaar erfolgt.

Damit erfüllt auch der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

5. Aus den vorstehend dargelegten Gründen sind weder der Hauptantrag noch die vorliegenden Hilfsanträge gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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