T 0569/96 () of 28.7.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T056996.19980728
Datum der Entscheidung: 28 Juli 1998
Aktenzeichen: T 0569/96
Anmeldenummer: 91890106.7
IPC-Klasse: B21D 53/74
E06B 3/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Erzeugen gekrümmter Abschnitte in Hohlprofilleisten
Name des Anmelders: Lisec, Peter
Name des Einsprechenden: Lenhardt Maschinenbau GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel
Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0258/84
T 0182/88
T 0560/89
T 0951/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 890 106.7 ist am 9. März 1994 das europäische Patent Nr. 0 459 971 erteilt worden.

II. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Erzeugen kontinuierlich gekrümmter Abschnitte (71) in Hohlprofilleisten (53), bei dem die Hohlprofilleiste (53) unter einem Niederhalter (20, 80) zwischen Führungsbacken (3, 4), von unten abgestützt, vorgeschoben und nach dem Niederhalter (20, 80) aus der Förderrichtung der Hohlprofilleiste (53) durch eine zur Förderrichtung schräggestellte Auflauffläche (62) eines Biegehebels (59) abgelenkt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Auflauffläche (62) während des Krümmungsvorganges in ihrer Wirkstellung stillsteht, und daß die krümmungsaußenseitige Wand der Hohlprofilleiste (53) während des ganzen Krümmungsvorganges an der schräggestellten Auflauffläche (62) entlanggleitet."

III. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt.

IV. In Ergänzung ihres Einspruchsvorbringens, hat die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 30. Oktober 1995 geltend gemacht, daß einer ihrer Mitarbeiter, Herr Erhard Stephan, auf der Internationalen Fachmesse "Glas 88", die vom 28. September bis 1. Oktober 1988 in Düsseldorf stattfand, eine alternative Funktionsweise der dort ausgestellten Vorrichtung "Lenhardt Profilmat 2" einem unbekannten Messebesucher mündlich erläutert habe. Diese Vorrichtung sei mit einer Steuerung ausgerüstet gewesen, die es ermöglicht, aus Hohlprofilleisten Abstandhalterrahmen für Modellscheiben zu biegen, welche nicht nur rechtwinklige, sondern auch gekrümmte Abschnitte hätten. Zu diesem Zweck sei das Biegewerkzeug schrittweise längs der Profilleiste verfahren und der Biegehebel dabei wiederholt um kleinere Winkel ausgelenkt worden, so daß quasi kontinuierliche Bögen erzeugt werden konnten. Dies sei auf der Messe wiederholt vorgeführt worden. Einer der Besucher, dem es aufgefallen sei, daß die Bögen nicht streng kontinuierlich, sondern quasi-kontinuierlich erzeugt worden seien, habe sich danach erkundigt, ob die Biegung nicht auch völlig kontinuierlich durchgeführt werden könne; ihm sei daraufhin von Herrn Stephan erklärt worden, daß man sich darüber bereits Gedanken gemacht habe. Eine kontinuierliche Biegung sei möglich, wenn man den vorhandenen Biegehebel ausgelenkt stehen lasse und dann das Biegewerkzeug mittels seines Verschiebeantriebes längs der Profilleiste verfahre.

Zum Beweis der geltend gemachten Tatsachen wurden die Herrn Erhard Stephan und Uwe Bogner als Zeugen benannt.

Daraus zog die Beschwerdeführerin den Schluß, daß es bereits bekannt sei, in einer Vorrichtung zum Biegen von Abstandhalterrahmen für Isolierglasscheiben einen kontinuierlich gekrümmten Abschnitt einer Hohlprofilleiste dadurch herzustellen, daß man einen schräg gestellten, feststehenden Biegehebel und die Profilleiste relativ zueinander bewege, so daß die Profilleiste an der schräg gestellten Auflauffläche des Biegehebels entlanggleite und dadurch fortschreitend gerundet werde. Unterschiedlich bei dieser Arbeitsweise gegenüber dem Anspruch 1 des angegriffenen Patents sei lediglich, daß die Profilleiste ruhe und das Biegewerkzeug bewegt werde, wohingegen beim angegriffenen Patent das Biegewerkzeug ruhe und die Profilleiste bewegt werde. Dabei handele es sich jedoch um nichts anderes als eine kinematische Umkehr, die an dem übereinstimmenden Biegeprinzip nichts ändere und nicht erfinderisch sei.

V. Mit Schreiben vom 23. März 1996 reichte die Beschwerdeführerin eine eidesstattliche Erklärung des Herrn Stephan ein. In dieser werden nähere Einzelheiten der Arbeitsweise des "Profilmats 2" sowie des geltend gemachten Gesprächs mit dem unbekannten Messebesucher angegeben. Herr Stephan trägt vor, er erinnere sich an die Begebenheit gut, weil er sich mit der Idee, mit dem Profilmat auch kontinuierliche Bögen zu biegen, nicht nur in Gedanken beschäftig habe, sondern auch schon praktische Versuche dazu durchgeführt habe. So habe er bereits im Mai 1988 aus Anlaß von Wartungsarbeiten an einem an die Firma Arvah B. V. in Holland gelieferten "Profilmat 2" dort einige Male das kontinuierliche Biegen von Hohlprofilleisten durch Verschieben eines Biegewerkzeuges mit permanent ausgestellter Biegewange durchgeführt.

Mit demselben Schreiben überreichte die Beschwerdeführerin einen Aussetzungsbeschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf im parallelen Verletzungsprozess, in dem festgestellt wird, daß die geltend gemachte mündliche Beschreibung auf der Fachmesse "Glas 88", sollte sie sich als Stand der Technik erweisen, das Bestehen des betreffenden Gebrauchsmusterschutzes in Frage stellen würde.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. April 1996 vor der Einspruchsabteilung reichte der Beschwerdegegner einen geänderten Patentanspruch 6 mit folgendem Wortlaut ein:

"6. Vorrichtung zum Erzeugen gekrümmter Abschnitte (71) in Hohlprofilleisten (53), insbesondere beim Herstellen von Abstandhalterrahmen für Isolierglasscheiben, mit einer im wesentlichen horizontalen Förderbahn (54), mit einer der Förderbahn (54) zugeordneten Vorschubvorrichtung (51, 52) für die Hohlprofilleiste zu einem Werkzeug, das zwei Führungsbacken (3, 4) aufweist, zwischen denen die Hohlprofilleiste (53) aufgenommen ist, mit einem Niederhalter (20, 80) für die Hohlprofilleiste (53), dessen vorderes Ende (53, 70, 81) in seiner Wirkstellung gegen die ihm zugekehrte Innenwand der Hohlprofilleiste (53) anliegt, und mit einem aus der Förderrichtung hochschwenkbaren Hebel (59) mit einer Auflauffläche (62) für die Hohlprofilleiste (53), dadurch gekennzeichnet, daß die Förderbahn (54) sich am unteren Ende einer (seitlichen) Auflagefläche (69) für den wenigstens einen gekrümmten Abschnitt (71) der Hohlprofilleiste (53) befindet, daß die Führungsbacken (3, 4) beidseits der Hohlprofilleiste (53) angeordnet sind, daß der Niederhalter (20, 80) beweglich angeordnet ist und in seiner Wirkstellung mit seinem vorderen Ende (35, 70, 81) zwischen die Führungsbacken (3, 4) eingreift, so daß das vordere Ende (35, 70, 81) des Niederhalters (20, 80) an die Innenwand der Hohlprofilleiste anlegbar ist und daß der Biegehebel (59) mit der Auflauffläche (62) für die aus den Führungsbacken (3, 4) austretende Hohlprofilleiste (53) in beliebigen Winkelstellungen zur Förderrichtung der Hohlprofilleiste (53) festlegbar ist, derart, daß die Auflauffläche (62) während des Krümmungsvorganges in ihrer Wirkstellung stillsteht."

VI. Mit ihrer in der mündlichen Verhandlung verkündeten und am 28. Mai 1996 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.

Im Punkt 1 der Entscheidungsgründe wird ausgeführt, eine Überprüfung nach Artikel 114 (1) EPÜ der mit Schreiben vom 30. Oktober 1995 vorgebrachten Beweismittel habe ergeben, daß diese für die Entscheidung nicht relevant seien. Bei der angeblich mündlich beschriebenen Vorrichtung werde nämlich das Biegewerkzeug auf das am Bearbeitungstisch fixierte Werkstück zubewegt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin sei die Durchführung der dazu umgekehrten Bewegungskinematik auf der mündlich beschriebenen Vorrichtung nicht möglich, da die Mittel zur Bewegung des Werkstückes nicht vorhanden seien. Diese Beweismittel würden deshalb gemäß Artikel 114 (2) EPÜ unberücksichtigt bleiben.

Der restliche entgegengehaltene Stand der Technik, treffe den Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 bzw. des Vorrichtungsanspruchs 6 weder neuheitsschädlich, noch könne er ihn nahelegen.

VII. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 22. Juni 1996 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 5. September 1996 eingereicht worden.

Die Beschwerde wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Einspruchsabteilung die geltend gemachte mündliche Offenbarung auf der Fachmesse "Glas 88" hätte berücksichtigen müssen.

VIII. Es wurde am 28. Juli 1998 vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Zur Stützung ihres Antrags trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:

Die Einspruchsabteilung habe ihre Ermessensentscheidung, die geltend gemachte mündliche Offenbarung nicht zu berücksichtigen, mit einem angeblichen Sachvortrag seitens der Beschwerdeführerin begründet, welcher den vorgetragenen Tatsachen nicht entspreche. Die Einspruchsabteilung habe deshalb ihre Ermessensentscheidung auf eine falsche Grundlage gestellt, so daß es geboten sei, daß die Beschwerdekammer hier korrigierend eingreife (vgl. T 0182/88, ABl. EPA 1990, 287).

Die betreffende mündliche Offenbarung sei auch ausreichend belegt worden. Was die Frage des unbekannten Messebesuchers und die darauf gegebene Antwort anbelange, handele es sich um mündliche Äußerungen, die naturgemäß nicht durch Vorlage eines Schriftstückes belegt werden könnten, sondern nur durch Zeugenbeweis, der angetreten worden sei. Allein durch die Art seiner Frage ergebe sich, daß der Messebesucher fachkundig und in der Lage gewesen sei, die ihm geschilderte alternative Arbeitsweise des ausgestellten "Profilmats 2" ohne weiteres nachzuvollziehen. Dieser Messebesucher stelle die Öffentlichkeit im Sinne des Artikels 54 (2) dar; es komme dabei nicht darauf an, wie er heiße oder ob er die Information tatsächlich an andere weitergegeben habe.

Im übrigen müßten die bei der Firma Arvah durchgeführten Versuche mit dem "Profilmat 2" als eine offenkundige Vorbenutzung der in Frage stehenden, mündlich beschriebenen alternativen Arbeitsweise dieser Vorrichtung angesehen werden.

Die Tatsache, daß die mündliche Offenbarung schon im Januar 1995 im parallelen deutschen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren geltend gemacht worden sei, d. h. neun Monate früher als im europäischen Einspruchsverfahren, habe zu keiner Verzögerung des europäischen Verfahrens geführt und stelle keinen Verfahrensmißbrauch dar.

Der Beschwerdegegner widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:

Das verspätete Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich der angeblichen mündlichen Offenbarung durch einen ihrer eigenen Mitarbeiter sei ein taktischer Schachzug zur Verzögerung des Verfahrens. In diesem Zusammenhang sei auch bemerkenswert, daß der Umfang der Schilderung der geltend gemachten Umstände ständig zunehme. Allein aufgrund dieses offensichtlichen Verfahrensmißbrauchs sei es gerechtfertigt, das verspätete Vorbringen gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen (vgl. T 0951/91, ABl. EPA 1995, 202).

Die behauptete mündliche Offenbarung sei auch bezüglich der Art und Weise, wie die Information der Öffentlichkeit zugänglich geworden sein soll, unzureichend substantiiert. Auch wenn man davon ausgehen würde, daß das geschilderte Gespräch zwischen Herrn Stephan und dem unbekannten Messebesucher tatsächlich stattgefunden habe, könne der letztere nicht mit der Öffentlichkeit im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ gleichgesetzt werden, da er u. a. durchaus ein geschäftliches Interesse daran gehabt haben könnte, die betreffende Information für sich zu behalten.

Dies gelte auf jeden Fall für etwaige Mitarbeiter der Firma Arvah B. V., die eventuell die in Rede stehenden Versuche des Herrn Stephan auf dem im Besitz der Firma befindlichen "Profilmat 2" beobachtet haben könnten, was jedoch nicht einmal geltend gemacht worden sei.

Angesichts sowohl der mangelnden Substantiierung als auch der fehlenden sachlichen Relevanz der verspätet vorgebrachten Tatsachen - in letzterer Hinsicht seien die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung nicht zu beanstanden - sei deren Nichtberücksichtigung gemäß Artikel 114 (2) EPÜ völlig gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 1 (1) und 64 EPÜ. sie ist daher zulässig.

2. Im Spannungsfeld zwischen dem in Artikel 114 (1) EPÜ verankerten Amtsermittlungsgrundsatz und dem im Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumten Ermessen, verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht zu berücksichtigen, hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, vgl. Seiten 252 bis 264 der Zusammenstellung "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts" herausgegeben 1996.

Das im Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen ist in mehreren Entscheidungen (vgl. z. B. T 0258/84, ABl. EPA 1987, 119; T 0560/89, ABl. EPA 1992, 725) durch die sogenannte Relevanzprüfung konkretisiert worden. Unter der Relevanzprüfung ist eine Erwägung dahingehend zu verstehen, ob die verspätet vorgebrachten Tatsachen bzw. Beweismittel aufschlußreicher oder überzeugender sind als das bereits vorliegende Material und die Entscheidung in eine andere Richtung lenken könnten.

Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Relevanz der angeblich offenkundig gewordenen alternativen Arbeitsweise des "Profilmats 2" folgendes:

In den vorliegenden unabhängigen Ansprüchen 1 und 6, wird von dem aus der DE-A-3 807 529 (Dokument D6) bekannten Stand der Technik ausgegangen. Bei diesem Stand der Technik werden Hohlprofilleisten zu Abstandhaltern für Isolierglasscheiben gebogen, indem sie während des Biegens vorgeschoben und ein Biegehebel oszillierend zum Widerlager hin- und von ihm wegbewegt wird, wobei während der Wegbewegung des Biegewerkzeuges das Profil vorgeschoben und bei der nächsten Bewegung des Biegewerkzeuges zum Widerlager hin eine Nachbarstelle des Profiles gegenüber der vorher gebogenen Stelle beaufschlagt und gebogen wird. Dadurch können je nach Vorschubgeschwindigkeit des Profiles und der Biegefrequenz bzw. des Biegehubs des Biegewerkzeuges unterschiedliche Bögen und Krümmungsradien erzeugt werden. Es werden aber keine stetig gekrümmten Bögen, sondern Abschnitte der Hohlprofilleiste erhalten, die mehrfach abgewinkelt sind.

Demgegenüber kommt bei dem Verfahren nach dem Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach dem Anspruch 6 ein Biegeprinzip zur Anwendung, bei welchem die Auflauffläche des Biegehebels während des Krümmungsvorganges in ihrer Wirkstellung stillsteht und die außenseitige Wand der Hohlprofilleiste während des ganzen Krümmungsvorganges an der schräggestellten Auflauffläche des Biegehebels entlanggleitet.

Gerade dieses Biegeprinzip soll nun als mündlich beschriebene bzw. offenkundig vorbenutzte Modifikation einer Vorrichtung gemäß dem "Profilmat 2", die in der normalen Arbeitsweise Krümmungen mit einem oszillierenden Biegehebel erzeugt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein. Unter der Annahme, der diesbezügliche von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Sachverhalt lasse sich mit ausreichender Sicherheit substantiieren, würde sich die für den Bestand des Patents entscheidungswesentliche Frage stellen, ob es für den Fachmann nahegelegen hat, das modifizierte Biegeprinzip auf eine Vorrichtung nach dem Dokument D6 zu übertragen, bei welcher die Hohlprofilleiste umgekehrt wie bei dem "Profilmat 2" auf das Biegewerkzeug zubewegt wird. Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, daß das verspätete Vorbringen durchaus relevant sein könnte und daher nicht unberücksichtigt bleiben kann. Die gegenteilige Auffassung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Durchführung einer umgekehrten Bewegungskinematik auf der ausgestellten Vorrichtung nicht möglich war, was aber für die Beurteilung der oben angegebenen Frage zur erfinderischen Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung zu sein scheint.

Zur Stützung des Einwands der Beschwerdegegnerin, das verspätete Vorbringen beruhe auf einer bewußten Verzögerungstaktik der Beschwerdeführerin, so daß in Anlehnung an der Entscheidung T 0951/91 (supra) die vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel, auch wenn sie relevant sein mögen, nicht berücksichtigt werden sollten, findet die Kammer keine Anhaltspunkte. Die Beschwerdeführerin hat Gründe dafür, daß der betreffende Sachverhalt zuerst im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren geltend gemacht wurde, überzeugend dargelegt. Darüber hinaus war zum späteren Zeitpunkt der Geltendmachung der entsprechenden Tatsachen und Beweismittel vor dem EPA das Einspruchsverfahren nicht so weit gediehen, daß hierdurch eine Verzögerung eingetreten ist.

Die Einspruchsabteilung hat sich noch nicht mit der Frage befaßt, ob die vorgebrachten Beweismittel geeignet sind, um mit ausreichender Sicherheit zu belegen, daß die geltend gemachte modifizierte Arbeitsweise des "Profilmats 2" bzw. die bei der Firma Arvah durchgeführten Versuche als Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ anzuerkennen sind. In dieser Hinsicht ist zu erwägen, ob die angebotenen Zeugen vernommen werden sollten. Um die Überprüfung dieser Frage von zwei Instanzen zu ermöglichen, macht die Kammer von ihrem Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Sache an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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