T 0509/96 () of 12.1.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T050996.19990112
Datum der Entscheidung: 12 Januar 1999
Aktenzeichen: T 0509/96
Anmeldenummer: 86100072.7
IPC-Klasse: C08J 5/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Polyesterfolie
Name des Anmelders: HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Toray Industries, Inc.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Vorbeschreibung - implizit enthaltenes Merkmal (verneint)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 188 198 der Hoechst Aktiengesellschaft, angemeldet am 4. Januar 1986 unter Inanspruchnahme einer DE Priorität vom 15. Januar 1985, wurde am 17. Juni 1992 auf der Basis von 23 Ansprüchen bekanntgemacht.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 21, 22 und 23 lauten wie folgt:

"1. Polyesterfolie mit verbesserter Abriebfestigkeit, Dimensionsstabilität, Streckbarkeit und verbesserten Gleiteigenschaften, die 0,005 bis 5,0 Gew.-% an organischen, vorzugsweise gehärteten oder vernetzten, Partikeln enger Korngrößenverteilung von Dw/Dn < 1,1 im Bereich von 0,01 bis 5 µm sowie ein Nukleierungsmittel in einer Menge von 0,01 bis 10 Gew.-%, beide Werte bezogen auf das Gewicht des die Folie bildenden Polymeren, enthält."

"21. Verfahren zur Herstellung einer monoaxial oder multiaxial gestreckten fixierten Folie mit guter Abriebfestigkeit und verbesserter Dimensionsstabilität und Streckbarkeit nach einem der Ansprüche 1 bis 19, dadurch gekennzeichnet, daß das Nukleierungsmittel mit dem die organischen, vorzugsweise vernetzten oder gehärteten Partikel enthaltenden Polymeren gemischt wird, das Gemisch dann aufgeschmolzen, durch eine Breitschichtdüse zu einer Vorfolie extrudiert und auf einer Kühlwalze abgeschreckt wird und danach entweder monoaxial, simultan in Längs- und Querrichtung oder multiaxial gestreckt und anschließend zwischen 150 und 240 C thermofixiert wird."

"22. Verwendung einer Folie nach den Ansprüchen 1 bis 20. als Trägerfolie für magnetische Aufzeichnungsmaterialien, reprografische und fotografische Zwecke, Elektrofolie oder Prägefolie."

"23. Verwendung einer Folie nach den Ansprüchen 1 bis 20. als Verpackungsfolie oder Teil einer Verpackungsfolie."

II. Gegen das Patent erhob, gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 a) EPÜ, Toray Industries am 17. März 1993 Einspruch und beantragte den Widerruf des Patents in seinem gesamten Umfang.

Die Einsprechende stützte ihre Anträge u. a. auf die Entgegenhaltungen

D1: JP-A-55 158937 (Englische Übersetzung) und

D2: EP-A-0 125 482.

In der mündlichen Verhandlung legte die Einsprechende drei weitere Entgegenhaltungen, darunter

D5: JP-A-59 168927 (Englische Übersetzung)

vor, die jedoch von der Einspruchsabteilung unter Berufung auf Artikel 114 (2) EPÜ nicht zugelassen wurden.

III. Mit ihrer am 5. März 1996 mündlich verkündeten und am 3. April 1996 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

In dieser Entscheidung wurde festgestellt, daß der Gegenstand des Streitpatents gegenüber den Entgegenhaltungen D1 und D2 neu sei und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Es sei nicht naheliegend, in Polyesterfolien gemäß D1 oder D2 gleichzeitig Nukleierungsmittel und vernetzte oder gehärtete Polymerteilchen der beanspruchten engen Korngrößenverteilung vorzusehen, um ihnen dadurch Abriebfestigkeit und Dimensionsstabilität zu verleihen; weder sei D1 oder D2 ein Hinweis auf die letztgenannte Eigenschaft zu entnehmen, noch hätte die Einsprechende glaubhaft gemacht, daß die gemäß D1 eingesetzten inerten Teilchen als Nukleierungsmittel wirkten.

IV. Gegen diese Entscheidung hat unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr die Einsprechende (Beschwerdeführerin) am 28. Mai 1996 Beschwerde eingelegt und am 6. August 1996 die Beschwerdebegründung nachgereicht. In Schriftsätzen vom 4. September 1996, 23. Juni 1997, 14. Dezember 1998, 18. Dezember 1998 und 4. Januar 1999 und während der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 1999 hat die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen ergänzt.

Neben den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Entgegenhaltungen stützte die Beschwerdeführerin ihre Ausführungen u. a. auf die Entgegenhaltungen D5 und

D6: JP-B-59 5216 (Englische Übersetzung).

V. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

i) Der Gegenstandes des Streitpatents sei gegenüber D6 nicht neu, weil diese Entgegenhaltung Polyesterfolien offenbare, die sowohl vernetzte Polymerteilchen, die mengenmäßig und bezüglich ihrer Teilchengröße dem Streitpatent entsprächen, als auch als Nukleierungsmittel wirksame anorganische Teilchen enthielten.

ii) Dem Gegenstand des Streitpatents fehle es auch an erfinderischer Tätigkeit, weil es naheliegend sei, durch eine Kombination der Offenbarungsinhalte von D5, das den Einsatz von Nukleierungsmitteln zur Verbesserung der Dimensionsstabilität lehre, mit D1, D2 oder D6, die alle den vorteilhaften Einfluß von vernetzten Polymerteilchen bestimmter Teilchengröße auf die Abriebfestigkeit beschrieben, zum Gegenstand des Streitpatents zu kommen. Insbesondere hätte die Tatsache, daß D5 die zwei auch erfindungsgemäß angestrebten Eigenschaften Abriebfestigkeit und thermische Dimensionsstabilität an separaten Lagen eines laminierten Films verwirkliche, den Fachmann nicht davon abgehalten, die in D2 zur Erzielung einer guten Abriebfestigkeit offenbarten Polymerteilchen enger Korngrößenverteilung auch in Monofilmen mit Nukleierungsmittel enthaltenden Polyestern zu kombinieren.

iii) Aufgrund der durch die im Schriftsatz vom 4. September 1996 vorgelegten Vergleichsversuche belegten Tatsache, daß Calziumcarbonat und Aluminumoxid in Polyethylenterephthalat nicht als Nukleierungsmittel wirksam seien, verletze Anspruch 1 die Bestimmungen der Artikel 83 und 84 EPÜ.

iv) Bezüglich D1 stellte die Beschwerdeführerin im Verlaufe der mündlichen Verhandlung abweichend von ihrer früher im Einspruchsverfahren vertretenen Meinung (Schriftsatz vom 26. Oktober 1994) fest, daß die dort eingesetzten inerten Präzipitat-Partikel in Polyestern nicht als Nukleierungsmittel wirksam seien.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin im Schriftsatz vom 6. Februar 1997 und während der mündlichen Verhandlung können wie folgt zusammengefaßt werden:

i) Die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatents sei gegenüber D6 u. a. schon wegen der fehlenden Offenbarung der erfindungsgemäßen Korngrößenverteilung der vernetzten Polymerteilchen gegeben.

ii) Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, da der Fachmann weder D2 noch D6 die Anregung hätte entnehmen können, die lamierten Polyesterfolien gemäß D5 durch Weglassen der abriebfesten Oberflächenschicht und gleichzeitiges Einmischen vernetzter Polymerteilchen der erfindungsgemäß geforderten Korngrößenverteilung in die Nukleierungsmittel-hältige Polyester-Lage zu modifizieren.

Ebensowenig läge es nahe, den Mono-Folien gemäß D2 zur Verbesserung ihrer Dimensionsstabilität ein Nukleierungsmittel zuzusetzen, da es in diesem Falle laut D5 zu einer Verminderung der Abriebfestigkeit kommen müßte.

iii) Was die Wirksamkeit von Calziumcarbonat und Aluminiumoxid als Nukleierungsmittel für Polyester betreffe, so könnten die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin nicht belegen, daß Anspruch 1 des Streitpatents zu weit gefaßt sei.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 83 und 84 EPÜ

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, Anspruch 1 genüge nicht den Bestimmungen dieser Artikel, weil einzelne der in der Beschreibung (Seite 3, Zeile 54 bis Seite 4, Zeile 1) genannten anorganischen Nukleierungsmittel diese Funktion nicht besäßen (cf. Punkt VI iii) supra), ist für diese Entscheidung, die in die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung nach Artikel 102 (2) EPÜ mündet, unbeachtlich.

Einerseits stellt sich die Frage der Ausführbarkeit der Erfindung nach Artikel 83 EPÜ in diesem Verfahren nicht, weil Artikel 100 b) EPÜ nicht zu den ursprünglich genannten Einspruchsgründen zählt, und die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin seiner Einführung im Beschwerdeverfahren nicht zugestimmt hat (cf. G 0007/95, OJ EPA 1996, 626), und anderseits zählt Artikel 84 EPÜ überhaupt nicht zu den Einspruchgründen und kann hier auch nicht im Rahmen einer Überprüfung einer geänderten Anspruchsfassung (die hier nicht vorliegt) nach Artikel 102 (3) EPÜ angezogen werden.

3. Stand der Technik

3.1. Entgegenhaltung D1

Gemäß dem einzigen Anspruch bezieht sich D1 auf einen Polyester-Film enthaltend 0,01 bis 0,6 Gew.-% aus dem Reaktionssystem ausgefällte Teilchen einer inerten Substanz mit einer mittleren Teilchengröße von 0,5 bis 5 µm und 0,001 bis 4 Gew.-% Teilchen eines vernetzten Polymeren mit einer mittleren Teilchengröße von 0,1 bis 5 µm, das im wesentlichen kovalent an den Polyester gebunden ist.

Bei den "Teilchen einer inerten Substanz" handelt es sich um Polykondensate, die durch Reaktion von Monomer/Oligomer-Anteilen mit den eingesetzten Alkali- oder Erdalkali-Metall Esteraustausch-Katalysatoren, eventuell in Gegenwart von Phosphorverbindungen entstehen (cf. Seite 8, Zeile 16 bis Seite 11, Zeile 11).

Gemäß Seite 15, 1. vollständiger Absatz bis Seite 16, Zeile 4 bestehen die vernetzten Polymerteilchen aus einem Copolymer einer Monovinyl-Verbindung (A) mit einer funktionellen, reaktionsfähigen Gruppe, wie z. B. (Meth)Acrylsäure und Vinylacetat, und einem Vernetzer (B), wie z. B. Divinylbenzol und Divinylsulfon.

3.2. Entgegenhaltung D2

Diese Entgegenhaltung betrifft einen Polyesterrohstoff, z. B. ein Polyethylenterephthalat, mit 0,005 bis 5,0 Gew.-% vernetzten, durch Emulsionspolymerisation hergestellten Polymer-Teilchen mit einer Teilchengrößenverteilung von 0,02 bis 2,0 µm und einem Quotienten aus dem Gewichtsmittel des Teilchendurchmessers (Dw) und dem Zahlenmittel des Teilchendurchmessers (Dn) < 1,1 (Ansprüche 1 und 2).

Die vernetzten Polymer-Teilchen werden z. B. durch Emulsionspolymerisation aus ungesättigten nichtionischen Monomeren, wie Estern der Acryl- und Methacrylsäure, und vernetzenden Komponenten, wie Diallylphthalat oder Divinylbenzol, hergestellt, wobei sich bevorzugt kovalente Bindungen mit der Polyestermatrix ausbilden (Seite 9, Zeile 6 bis Seite 11, Zeile 2).

Gemäß Seite 11, Zeile 27 bis Seite 12, Zeile 15 besitzen die aus den Polyester-Rohstoffen hergestellten Folien gleichmäßige Oberflächenstrukturen mit, insbesondere bei kovalentem Einbau der Polymer-Teilchen, guter Abriebfestigkeit und günstigem Gleitverhalten.

3.3. Entgegenhaltung D5

Gemäß dem einzigen Anspruch betrifft diese Entgegenhaltung einen biaxial orientierten laminierten Polyester-Film für Magnetbänder bestehend aus einer inneren Lage hoher Kristallinität und Oberflächenlagen geringer Kristallinität, von denen wenigstens eine Lage gute Gleiteigenschaften aufweist.

Infolge ihrer hohen Kristallinität besitzt die innere Lage des Films eine gute thermische Dimensionsstabilität, die sie auf den gesamten Film überträgt, wobei diese Kristallinität vorzugsweise durch Zugabe von 0.05 bis 2 Gew.-% Nukleierungsmitteln, z. B. Metall-Carboxylaten, Talkpulver, Ionomeren, und gegebenenfalls zusätzlich von 0.1 bis 5 Gew.-% Kristallisationspromotern erzeugt wird (Seite 5, Zeile 17 bis Seite 6, Zeile 21; Seite 8, Zeile 19 bis Seite 9, Zeile 5).

Die Oberflächenlagen des Films besitzen dagegen zur Erzielung einer guten Kratzfestigkeit ( Abriebfestigkeit) eine geringere Kristallinität. Zusätzlich wird durch den Einbau in mindestens eine der Oberflächenlagen von 0.05 bis 2 Gew.-% von Teilchen eines organischen oder anorganischen Stoffes mit einer Teilchengröße zwischen 0.01 bis 5 µm eine die Gleiteigenschaften fördernde Rauhigkeit erzielt (cf. Seite 7, Zeile 11 bis Seite 8, Zeile 12).

3.4. Entgegenhaltung D6

Gemäß dem einzigen Anspruch betrifft diese Entgegenhaltung einen Polyester Film enthaltend 0.001 bis 4 Gew.-% vernetzte Polymer-Teilchen mit einem Teilchendurchmesser von 0,1 bis 5 µm, die im wesentlichen kovalent an den Polyester gebunden sind.

Die Polymerteilchen dienen der Verbesserung der Gleiteigenschaften sowie der Abriebbeständigkeit, und aufgrund dieser Eigenschaften eignen sich die Filme u. a. als Basisfilme für Magnetbänder (cf. Seite 16, Zeilen 7 bis 17; Seite 22, letzte Zeile bis Seite 23, Zeile 17).

4. Neuheit

4.1. Die Beschwerdeführerin hat die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber Entgegenhaltung D6 bestritten.

Allerdings offenbart D6 nicht explizit die Korngrößenverteilung der vernetzten Polymerteilchen, und dieses Merkmal kann D6 - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch implizit nicht entnommen werden.

Zwar wird auf Seite 13, Zeile 14 bis Seite 14, Zeile 20 beschrieben, daß die Polymerteilchen im Teilchengrößenbereich von 0.1 bis 5 µm durch Suspensions- oder Emulsionspolymerisation und eine eventuell anschließende Klassifizierung hergestellt werden, der Schluß der Beschwerdeführerin, daß sich aus dieser Herstellung zwangsläufig eine Korngrößenverteilung von Dw/Dn < 1,1 ergäbe, weil der Fachmann größere Teilchengrößenschwankungen für den gewünschten Zweck automatisch ausgeschlossen hätte (Beschwerdebegründung Seite 6, vorletzter Absatz und Brückenabsatz Seiten 6/7), ist allerdings eine durch nichts substantiierte Behauptung, die mithin keine Bedeutung für die Interpretation von D6 hat.

4.2. Die Neuheit der Ansprüche 21 bis 23 wurde von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Sie ergibt sich bei Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 daraus, daß das Herstellungsverfahren gemäß Anspruch 21 und die Verwendungsansprüche 22 und 23. auf Folien Bezug nehmen, die alle Merkmale des Anspruchs 1 besitzen.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Nächstliegender Stand der Technik

5.1.1. Gemäß Seite 2, Zeilen 3 bis 4 bezieht sich das Streitpatent auf Polyesterfolien mit verbesserter Dimensionsstabilität, Abriebfestigkeit, Streckbarkeit und verbesserten Gleiteigenschaften.

Von diesen Eigenschaften hat die Streckbarkeit im Vergleich zum zitierten Stand der Technik in diesem Verfahren keine Bedeutung und kann somit im folgenden außer Betracht bleiben.

Obwohl Abriebfestigkeit und Gleitfähigkeit an sich verschiedene Eigenschaften sind, besteht zwischen ihnen insoferne ein Zusammenhang, als u. a. die Konfiguration und materielle Beschaffenheit von Oberflächenvorsprüngen einen Einfluß auf beide Eigenschaften hat. Spitze, spröde Vorsprünge sind beispielsweise sowohl friktions- als auch abriebsfördernd.

5.1.2. Dem genannten Anforderungsprofil kommen die Polyester-Filme gemäß Entgegenhaltung D5 am nächsten, weil sie in gleicher Weise um die Optimierung der Eigenschaften thermische Dimensionsstabilität, Abriebfestigkeit und Gleitfähigkeit bemüht sind (siehe Punkt 3.1 supra; D5: Anspruch; Seite 4, letzter Absatz; Seite 5, Zeilen 17 bis 20; Seite 6, Zeilen 11 bis 21).

Von den Folien gemäß Anspruch 1 des Streitpatents unterscheiden sich die Filme gemäß D5 im wesentlichen dadurch, daß diese Eigenschaften nicht alle zugleich an einem einlagigen Film realisiert werden, sondern an einem mehrlagigen Film, wobei eine innere Lage hoher Kristallinität für die thermische Dimensionsstabilität sorgt, und Oberflächenlagen für die gewünschte Abriebfestigkeit und Gleitfähigkeit verantwortlich sind.

5.2. Aufgabe und Lösung

Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik in D5 bestand die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, weitere (alternative) Polyesterfolien guter thermischer Dimensionsstabilität, Abriebfestigkeit und Gleitfähigkeit zu entwickeln.

Die Lösung dieser Aufgabe besteht gemäß dem Streitpatent in der Bereitstellung einer Polyesterfolie, die in derselben Folienlage sowohl organische Polymerteilchen enger Korngrößenverteilung Dw/Dn < 1,1 im Bereich von 0,01 bis 5 µm als auch Nukleierungsmittel, jeweils in den beanspruchten Mengen, enthält.

Daß die vorliegende technische Aufgabe durch den Gegenstand des Anspruchs 1 tasächlich gelöst wurde, ist unbestritten und ergibt sich aus den Meßresultaten des thermischen Schrumpfs, der Abriebfestigkeit und des Gleitreibungskoeffizienten, wie sie in den Tabellen in Beispielen 1 und 2 (Seiten 5 und 6) des Streitpatents enthalten sind.

5.3. Naheliegen

5.3.1. Entgegenhaltung D5

5.3.1.1. Auf Seite 3, Zeile 21 bis Seite 4, Zeile 13 von D5 wird ausgeführt, daß es bekannt war, die Abriebfestigkeit ("scratch resistance") von Polyester-Filmen, die für Magnetbänder verwendet werden, einesteils durch das Vorsehen einer gewissen Oberflächenrauhigkeit, die von der Dispersion anorganischer Additive oder der Verwendung von Katalysator-Präzipitat-Teilchen herrührt, und andernteils zugleich durch Reduktion der Kristallinität des Polyester-Films zu verbessern:

"In the prior art, this problem [insufficient shaving resistance] is overcome by forming fine protrusions on the surface of the film by dispersing particles of inorganic additives, such as ..., or by utilizing the particles formed by precipitation of the catalyst, and simultaneously by reducing the crystallization of the polyester film." [emphasis by the Board]

5.3.1.2. Im Anschluß an obige Feststellung schließt D5 (Seite 4, Zeilen 13 bis 20), daß die Eigenschaften thermische Dimensionsstabilität und Abriebfestigkeit ("scratch resistance") miteinander bezüglich des jeweils zweckmäßigen Grades an Kristallinität im Widerspruch stehen, so daß bisher der Grad an Kristallinität einer Polyesterfolie nach der jeweiligen praktischen Bedeutung einer dieser beiden Eigenschaften, zum Nachteil der anderen Eigenschaft, gewählt wurde.

5.3.1.3. Die in D5 gefundene Lösung dieses Dilemmas besteht in der Zuweisung dieser beiden bezüglich der Kristallinität widersprüchlichen Eigenschaften zu verschiedenen Lagen eines mehrlagigen Films.

5.3.1.4. Daß dadurch Polyester-Filme mit zugleich guter thermische Dimensionsstabilität und Abriebfestigkeit hergestellt werden können, wird durch die Resultate in Tabelle 1 von D5 (Seite 17) glaubhaft gemacht, derzufolge mehrlagige Folien gemäß dieser Lehre sowohl einen niedrigen Hitzeschrumpffaktor ("Factor of Heat Shrinkage") als auch einen zufriedenstellend niedrigen Grad an Verkratzung ("Degree of Scratches") aufweisen, während einlagige Folien, die nur aus dem Material der Innenlage (Vergleichsbeispiel 1) oder nur aus dem Material der Oberflächenlagen (Vergleichsbeispiel 2) bestehen, entweder unbefriedigende Verkratzungsresistenz oder einen hohen Hitzeschrumpf besitzen.

5.3.1.5. Aus dem Obigen folgt, daß D5 eindeutig eine mehrlagige Folienkonstruktion mit die beiden Eigenschaften Abriebfestigkeit und thermische Dimensionsstabilität unterschiedlich zugeordnenden Folienlagen empfiehlt. Ausgehend von D5 lag es daher nicht nahe, eine Polyester-Monofolie vorzusehen, die durch die Anwesenheit von Nukleierungsmittel eine hohe Kristallinität (und damit eine gute thermische Dimensionsstabilität) und durch die Beimengung von rauhigkeitserzeugenden Partikeln zugleich eine gute Abriebfestigkeit aufweist.

5.3.1.6. Die Feststellung der Beschwerdeführerin, D5, insbesondere die in Punkt 5.3.1.1 diskutierte Passage, lehre nicht, daß anorganische Additive die Kristallinität verschlechterten, ist zwar richtig, der weitergehende Schluß der Beschwerdeführerin, daß D5 folglich auch den Einsatz rauhigkeitserzeugender anorganischer Additive in der hochkristallinen Innenlage der Polyesterfolie nicht ausschließe, entbehrt aber angesichts der vorstehenden Ausführungen jeder faktischen Grundlage.

5.3.1.7. Auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, der Fachmann wäre sich, wegen der in D5 beispielhaft belegten Verwendung von rauhigkeitserzeugenden Calziumcarbonat-Partikeln in der hochkristallinen Innenschicht der Folie (siehe D5 Beispielsbeschreibung auf Seite 14), schon bewußt gewesen, daß er die beiden Eigenschaften thermische Dimensionsstabilität und Abriebfestigkeit auch an einer Mono-Folie verwirklichen könnte, steht nicht im Einklang mit der faktischen Offenbarung von D5. Tatsächlich weist diese Entgegenhaltung den Fachmann durch das oben (Punkt 5.3.1.4) schon diskutierte Vergleichsbeispiel 1 klar darauf hin, daß eine solche Folie, die Calziumcarbonat als vermeintlichen "Abriebverbesserer" enthält, bezüglich ihrer Abriebeigenschaften nicht befriedigt.

5.3.1.8. Die weitere Behauptung der Beschwerdeführerin, daß die Abriebfestigkeit einer Folie gemäß diesem Vergleichsbeispiel von D5 sich nicht essentiell von der gemäß dem Streitpatent erzielten Abriebfestigkeit unterschiede, ist ebenso unbelegt, wie die Behauptung, daß generell die gemäß D5 erreichte Abriebfestigkeit so außerordentlich hoch wäre, daß die Folien gemäß dem Streitpatent demgegenüber nur als nicht erfinderische verschlechterte Ausführungsformen gelten könnten. Diese beiden unsubstantiierten Behauptungen müssen daher bei der Beurteilung der erfinderische Tätigkeit des Streitpatents außer Betracht bleiben.

5.3.2. Entgegenhaltung D2

5.3.2.1. Rein formal würde die Kombination der Offenbarung dieser Entgegenhaltung mit der von D5 dann zum Erfindungsgegenstand führen, wenn die in D2 beschriebenen rauhigkeitserzeugenden Polymerteilchen als organische Gleitmittelteilchen in Polyesterfolien eingemischt werden, die in derselben Folienlage auch die gemäß D5 verwendeten kristallisationsbewirkenden Nukleierungsmittel enthielten.

Da allerdings in den obigen Punkten 5.3.1.4 und 5.3.1.5. festgestellt wurde, daß die Lehre von D5, wegen des "Kristallinitäts-Konflikts" dieser Eigenschaften (siehe Punkt 5.3.1.2 supra), in jedem Fall für die Abriebfestigkeit und die thermische Dimensionsstabilität verschiedene Folienlagen vorsieht, besteht für den Fachmann, der ausgehend von D5 mit dem vorliegenden technischen Probleme konfrontiert ist, keinerlei Anlaß, einen solchen Schritt zu tun, da er nicht erwarten konnte, daß dadurch der obig angesprochene "Kristallinitäts-Konflikt" in befriedigender Weise gelöst werden kann.

5.3.2.2. Auch wenn man von der Hypothese ausgeht, D2 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, ergibt sich der Erfindungsgegenstand nicht in naheliegender Weise durch eine Kombination von D2 und D5.

In diesem Fall bestünde die zu lösende Aufgabe in der Verbesserung der thermischen Dimensionsstabilität der in D2 offenbarten abriebfesten Polyesterfolien bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung ihrer in D2 erreichten guten Abriebfestigkeit und Gleitfähigkeit.

Auch in diesem Fall besteht für den Fachmann keinerlei Anlaß, sich von der Zugabe eines kristallisationsfördernden Nukleierungsmittels, das gemäß D5 in der Lage ist, die thermische Dimensionsstabilität zu verbessern, eine Lösung des diesfalls vorliegenden technischen Problems zu erwarten. Denn der Fachmann muß, wie im vorstehenden Punkt ausgeführt, gemäß der Offenbarung von D5 davon ausgehen, daß eine Erhöhung der Kristallinität zwar zu einer Verbesserung der thermische Dimensionsstabilität führen wird, daß damit aber gleichzeitig eine Reduktion der Abriebfestigkeit einhergehen wird.

5.3.3. Entgegenhaltung D1

5.3.3.1. Wie in Punkt 3.1 ausgeführt, offenbart D1 Polyesterfolien, die Katalysator-Präzipitat-Teilchen und vernetzte Polymerteilchen enthalten. Dadurch erreichen die biaxial orientierten Folien ausgezeichnete Gleitfähigkeit und Abriebfestigkeit (cf. Seite 2, Zeilen 11 bis 13).

D1 offenbart nicht die gemäß Anspruch 1 des Streitpatents geforderte Korngrößenverteilung der Polymerteilchen und erwähnt weder die thermische Dimensionsstabilität der Folien, noch die Anwesenheit von Nukleierungsmitteln. Bezüglich des letzgenannten Merkmals hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ihre ursprüngliche Behauptung aufgegeben und eingeräumt, daß die Katalysator-Präzipitat-Teilchen definitiv nicht als Nukleierungsmittel wirksam seien (siehe Punkt V iv) supra).

5.3.3.2. Es ergibt sich aus der in Punkt 5.3.2.2 supra gemachten Schlußfolgerung bezüglich einer Kombination von D5 mit D2, derzufolge ein Einsatz der in D2 offenbarten Polymerteilchen in Monofolien, die Nukleierungsmittel gemäß D5 beinhalten, nicht nahelag, daß dieselbe Schlußfolgerung auch für die in D1 offenbarten Polymerteilchen gelten muß. Dabei liegt eine (hypothetische) Kombination von D5 mit D1 dem Gegenstand des Anspruch 1 des Streitpatents noch ferner als eine Kombination von D5 mit D2, weil D1 - im Gegensatz zu D2 - die patentgemäß geforderte Korngrößenverteilung der Polymerteilchen nicht offenbart.

5.3.4. Entgegenhaltung D6

Auch die Polyesterfolien gemäß dieser Entgegenhaltung unterscheiden sich von denen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents durch die Abwesenheit von kristallisations- und dimensionsstabilitätsfördernden Nukleierungsmitteln und durch die fehlende Offenbarung einer Korngrößenverteilung der Polymerteilchen.

Es gilt somit hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Streitpatents das im vorstehenden Punkt 5.3.3.2 Ausgeführte.

5.3.5. Der Gegenstand des Anspruchs wird somit durch den zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt.

5.3.6. Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 20 betreffen besondere Ausführungsformen der Polyesterfolie nach Anspruch 1 und sind somit ebenfalls erfinderisch.

5.3.7. Die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 21, 22 und 23 ergibt sich, wie bezüglich der Neuheit in Punkt 4.2 ausgeführt, aus ihrem Bezug auf die Polyesterfolien gemäß Anspruch 1.

5.3.8. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit insgesamt durch den zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt.

6. Die von der Beschwerdeführerin angeführten zulässigen Gründe stehen somit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in unverändertem Umfang nicht entgegen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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