European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:T050496.19991203 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Dezember 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0504/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89113803.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61B 5/00 G01N 21/31 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung von lokalen Farbstoff-Konzentrationen und von Streuparametern in tierischen und menschlichen Geweben | ||||||||
Name des Anmelders: | Kessler, Manfred, Prof. Dr. med. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unklarheit und Erweiterung des unabhängigen Anspruchs (nach Änderung verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Anmelder) legte gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 89 113 803.4 mit der Veröffentlichungsnummer 0 353 619 zurückzuweisen, Beschwerde ein.
Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß die Ansprüche 1 der beiden Anträge nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) bzw. des Artikels 84 EPÜ erfüllten.
II. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11, Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern wurde dem Beschwerdeführer unter anderem folgendes mitgeteilt: Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche sind unklar, weil der Begriff "Schar von gewebeartspezifischen Standard-Remissionskurven" dort nicht definiert ist. Die Streichung des Teilwortes "Grund" im bisher verwendeten Ausdruck "Standard-Grundremissionskurven" und die Definition allein in der Beschreibung ist nicht ausreichend. Überdies findet die neue Definition des Begriffs in der geänderten Beschreibung - unter einer "Schar von Standard-Grundremissionskurven" ist nicht nur eine Schar von Remissionskurven zu verstehen, die mit hämoglobinfreien Geweben erhalten werden, sondern eine Schar von Remissionskurven, die auch aus Geweben mit verschiedenen Hämoglobinkonzentrationen erhalten werden - keine Stütze in den ursprünglichen Unterlagen.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Entscheidung verkündet wurde.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die erste Instanz mit der Anordnung zurückzuverweisen, die erfinderische Tätigkeit der Anmeldung mit den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 9 zu überprüfen.
V. Der Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Bestimmung von lokalen Hämoglobin-Konzentrationen in tierischen und menschlichen Geweben, bei dem Licht unterschiedlicher Wellenlängen in einen Teilbereich des Gewebes eingestrahlt wird, zumindest ein Teil des rückgestreuten Lichtes aufgefangen und die Remission in Abhängigkeit von der Wellenlänge bestimmt wird und die Konzentration von Hämoglobin aus dem spektralen Remissionsgrad bestimmt wird, wobei in einem Schritt Strahlung aus einem ersten Wellenlängenbereich (I), in dem der Einfluß des Hämoglobins (Hb) auf die Remission gering ist, eingestrahlt und die Remission (MI0) im ersten Wellenlängenbereich (I) bestimmt wird und wobei in einem weiteren Schritt Licht aus einem zweiten Wellenlängenbereich (II), in dem die Remission vom Einfluß des Hämoglobins dominiert wird, in den gleichen Teilbereich des Gewebes eingestrahlt wird und die Remission (MII0) im zweiten Wellenlängenbereich (II) bestimmt wird und wobei die Daten über die Remission abgespeichert werden, dadurch gekennzeichnet, daß vorab eine Schar gewebeartspezifischer Standard-Grundremissionskurven an hämoglobinfreien Gewebeproben der gleichen Gewebeart über den ersten (I) und zweiten Wellenlängenbereich (II) gewonnen wird, daß weiterhin die im ersten Wellenlängenbereich gemessene Remissionskurve (MI0) am zu untersuchenden Gewebe der gleichen Gewebeart dem nächstpassenden Ast im ersten Wellenlängenbereich (I) aus der Schar der Standard-Grundremissionskurven zugeordnet wird und der zugehörige Ast dieser Standard-Grundremissionskurve im zweiten Wellenlängenbereich (II) als gewebepersonenspezifische Standard-Grundremissionskurve (SII0) ausgewählt wird, wobei die Zuordnung derart erfolgt, daß die Standard-Grundremissionskurve (MI0) mit dem Wert an einer vorbestimmten isosbestschen Wellenlänge im ersten Wellenlängenbereich, der gleich oder nächst dem gemessenen Remissionswert an dieser isosbestschen Wellenlänge ist, ausgewählt wird, und als Wert zur Ermittlung der Hämoglobinkonzentration (KHb1) der Wert der ausgewählten Standard-Grundremissionskurve (SII0) an einer vorbestimmten isosbestschen Wellenlänge im zweiten Wellenlängenbereich (II) benutzt wird, und daß zur Bestimmung der Oxygenierung des Hämoglobins vorab anhand einer Vielzahl von Messungen an der gleichen Gewebeart mit Hämoglobin unterschiedlicher Konzentration und unterschiedlicher Oxygenierung, eine zweidimensionale Schar von Vergleichskurven erstellt wird, daß dann die Vergleichskurven mit Hämoglobinkonzentrationen in der Umgebung der ermittelten Konzentration (KHbn) über den ganzen Oxygenierungsbereich durchsucht werden, und die bestpassende der Vergleichskurven bei einem angenommenen Wert für die Oxygenierung einen verbesserten Wert (KHbn+1) für die Konzentration liefert."
Offensichtliche Schreibfehler - ein fehlendes Komma in Zeile 10, der Ersatz von "isobestschen" durch "isosbestschen" in Zeile 38 und "Hämoglobin" durch "Hämoglobins" in Zeile 44 wurden korrigiert.
Die Ansprüche 2 bis 9 sind vom Anspruch 1 abhängig.
VI. Die Argumente des Beschwerdeführers werden wie folgt zusammengefaßt:
Es ist zuzugeben, daß sich aus den ursprünglichen Unterlagen nicht klar ergibt, daß Standard-Grundremissionskurven auch Meßkurven enthalten, die mit hämoglobinfreien Geweben erhalten werden. Das anmeldungsgemäße Verfahren kann aber auch mit Standard-Grundremissionskurven durchgeführt werden, die mit hämoglobinfreien Geweben erhalten werden, obwohl letztere schwer herzustellen sind. Somit wird der ursprüngliche Ausdruck "Standard-Grundremissionskurven" wieder in die Ansprüche eingeführt, und es sollen darunter Meßkurven verstanden werden, die aus hämoglobinfreien Geweben erhalten werden.
Eine Bestimmung der Hämoglobinkonzentration mittels einer derartigen Kurvenschar kann folgendermaßen erfolgen: Die Bestimmung eines ersten Wertes der Hämoglobinkonzentration (KHb1) erfolgt gemäß dem neuen Anspruch 1 nach der Auswahl der Standard-Grundremissionskurven im Bereich II (SII0) durch Ermittlung des Differenzwertes der gemessenen Kurve (MII0) und der Kurve SII0 bei der isosbestschen Wellenlänge. Dieser Wert ist in erster Näherung von der Oxygenierung unabhängig und liefert mittels des Lambert-Beer-Gesetzes über eine einfache Eichung KHb1; Einzelheiten hierzu müssen nicht im Anspruch oder in der Beschreibung stehen, da dies für den Fachmann ein selbstverständlicher Schritt ist. Die Abhängigkeit der Extinktion von der Hämoglobinkonzentration im Bereich I ist gering und etwa um einen Faktor 15 geringer als im Bereich II. Die Iterationsschritte gemäß dem letzten Teil des Anspruchs 1 dienen dazu, gemäß der in Figur 5 angedeuteten zweidimensionalen Kurvenscharen zu einer verbesserten Auswahl der SII0-Kurve zu kommen. Letztere führt dann zu einem verbesserten Wert der Hämoglobin-Konzentration (KHb2), der wiederum als Grundlage für den nächsten Iterationsschritt dient.
Entscheidungsgründe
1. Änderungen des Anspruchs 1 (Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ)
Die Merkmale des neuen Anspruchs 1 sind an folgenden Stellen der ursprünglichen Unterlagen offenbart: Die Merkmale der Zeilen 1 bis 14, 17 bis 19 sind dem Anspruch 1 zu entnehmen. Die Beschränkung von "Farbstoff-Konzentrationen" und "Farbstoffen" in den Zeilen 1 bzw. 5 auf "Hämoglobin-Konzentrationen" bzw. "Hämoglobin" ist lediglich eine gebotene Anpassung an den nachfolgenden Text des (ursprünglichen) Anspruchs, wo ausschließlich die Bestimmung von Hämoglobin, nicht aber die eines anderen Farbstoffs beschrieben wird. Die Einfügung, daß die Schar gewebeartspezifischer Standard-Grundremissionskurven an hämoglobinfreien Gewebeproben der gleichen Gewebeart gewonnen wird, steht im Einklang mit der (ursprünglichen) Beschreibung, vergleiche dort insbesondere Seite 16, erster Satz, Seiten 15, 16 und 20 jeweils letzter Absatz, Seite 31, Absatz 3, Seite 32, erster Satz und Seite 34, Zeilen 11 bis 21.
Die Datenabspeicherung gemäß Zeile 15 ist dem Anspruch 21 und Seite 16, Zeilen 23 bis 26 zu entnehmen, die Merkmale der Zeilen 20 bis 25 dem Anspruch 2, die Merkmale der Zeilen 26 bis 33 dem Anspruch 3 und die restlichen Merkmale dem Anspruch 14, wobei die (ursprünglichen) Ansprüche 2 und 14 auf den Anspruch 1 und der (ursprüngliche) Anspruch 3 auf den Anspruch 2 rückbezogen sind bzw. ist.
Der Anspruch 1 verletzt daher den Artikel 123 (2) des EPÜ nicht.
2. Klarheit des Anspruchs 1
Der im Prüfungsverfahren als unklar beanstandete Ausdruck "Schar von gewebeartspezifischen Standard-Grundremissionskurven" ist nunmehr durch den Zusatz "an hämoglobinfreien Gewebeproben der gleichen Gewebeart" ausreichend festgelegt.
Der Ausdruck "gewebepersonenspezifische Standard-Grundremissionskurve (SII0)" wird durch das Merkmal, in dem er vorkommt (nämlich in den Zeilen 20 bis 25), hinreichend definiert. Da gemäß den ersten beiden Zeilen des Anspruchs 1 mit dem Verfahren lokale Hämoglobin-Konzentrationen in tierischen und menschlichen Geweben bestimmt werden sollen, ist klar, daß mit diesem Ausdruck das Verfahren nicht auf menschliche Gewebe beschränkt werden soll.
In Zeile 33 heißt es zwar: "daß zur Bestimmung der Oxygenierung des Hämoglobin ... ". Aus dem nachfolgenden Text wird aber klar, daß dies nur ein Zwischenschritt ist, der letztlich dazu dient, einen verbesserten Wert für die Hämoglobin-Konzentration zu liefern.
Der geänderte Anspruch 1 als Ganzes gibt nunmehr eine ausreichend klare Lehre für ein Verfahren zur Bestimmung von lokalen Hämoglobin-Konzentrationen; vgl. hierzu auch die Ausführungen des Beschwerdeführers gemäß Punkt VI. oben, die von der Kammer als zutreffend angesehen werden.
Der Anspruch 1 steht daher im Einklang mit Artikel 84 EPÜ.
3. Es muß noch geprüft werden, ob die Anmeldung die anderen Erfordernisse des EPÜ erfüllt, insbesondere ob die Gegenstände der geänderten Ansprüche das Ergebnis erfinderischer Tätigkeit sind. Ferner ist noch die Beschreibung anzupassen.
Um einen Instanzenverlust im Hinblick auf die nicht geprüften Erfordernisse des EPÜ zu vermeiden, weist die Beschwerdekammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) EPÜ und entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers die Angelegenheit an die erste Instanz zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung mit den während der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 1999 eingereichten Ansprüchen 1 bis 9 zurückverwiesen.