European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T045396.20010607 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Juni 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0453/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90917481.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01D 5/088 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Spinnvorrichtung zur Herstellung von Mikrofilamenten | ||||||||
Name des Anmelders: | Corovin GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Firma Carl Freudenberg Hoechst Trevira GmbH & Co KG, Frankfurt |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das auf die Anmeldung Nr. 90 917 481.5 erteilte europäische Patent Nr. 0 541 552 wurde mit der am 21. März 1996 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung widerrufen mit der Begründung, die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 (Herstellungsverfahren) und 9 (Spinnvorrichtung) beruhten im Hinblick auf folgenden Stand der Technik:
E5: AT-C-283 575 in Zusammenschau mit der Lehre der
E6: Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 1976, Band 11, Seiten 270 und 271
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Für Anspruch 9 wurde zusätzlich Bezug genommen auf:
E2: US-A-3 954 361.
II. Für das Beschwerdeverfahren sind folgende im Einspruchsverfahren genannten Dokumente noch relevant:
E1: US-A-3 053 611
E3: DE-A-3 024 468
E4: DE-B-1 435 461.
III. Am 20. Mai 1996 legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, die sie am 22. Juli 1996 begründete. Sie beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen (d. h. das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten), hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Außerdem stellte sie einen Hilfsantrag zur Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung.
Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 01) beantragte ohne weiteres inhaltliches Vorbringen mit Schreiben vom 5. August 1996 die Zurückweisung des Hauptantrages und Entscheidung nach Aktenlage über den Hilfsantrag.
Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 02) beantragte mit Schreiben vom 2. Oktober 1996 Zurückweisung der Beschwerde. Sie wiederholte inhaltlich die Begründung ihres Einspruchsschriftsatzes zur fehlenden Neuheit und fehlenden erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 nach dem Hauptantrag. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 nach dem Hilfsantrag seien ebenfalls weder neu noch erfinderisch.
Antrag auf mündlicher Verhandlung wurde von Seiten der Beschwerdegegnerinnen nicht gestellt.
IV. Der Wortlaut der beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 9 in der erteilten Fassung nach dem Hauptantrag ist folgender:
"1. Verfahren zur Herstellung von Mikrofilamenten mit kleinem Durchmesser für synthetische Garne oder für Spinnvliese, wobei die Mikrofilamente aus mit einer Schmelze gespeisten Spinndüsen durch ein Spinnloch (Düsenbohrung) nach Durchlaufen eines Bereiches, der quer mit Kühlluft angeblasen wird, mit einer großen Abzugsgeschwindigkeit abgezogen und verstreckt werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Mikrofilamente unmittelbar nach dem Austritt aus dem Spinnloch in der Weise einem heißen Luftstrom ausgesetzt werden, daß der heiße Luftstrom das Mikrofilament sofort nach dem Austritt aus dem Spinnloch mantelförmig umhüllt."
"9. Spinnvorrichtung zur Herstellung von Mikrofilamenten mit kleinem Durchmesser für synthetische Garne oder für Spinnvliese, wobei die Mikrofilamente aus mit einer Schmelze gespeisten Spinndüse durch ein Spinnloch (Düsenbohrung) nach Durchlaufen eines Bereiches, der quer mit Kühlluft angeblasen wird, mit einer großen Abzugsgeschwindigkeit abgezogen und verstreckt werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Spinnvorrichtung (10) eine Mehrfach-Spinndüse (26) mit mehreren Spinnlöchern (34) enthält, durch welche die Schmelze austritt, und daß die Mehrfach-Spindüse konzentrisch zu jedem Spinnloch (34) mit einer Öffnung versehen ist, durch welche ein heißer Luftstrom (A) austritt."
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Hauptantrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Die Druckschrift E5 sei als nächstkommender Stand der Technik zu betrachten. Dort werde ein Verfahren zur Herstellung von Mikrofilamenten offenbart, bei dem die Mikrofilamente nach dem Austritt aus dem Spinnloch einem heißen Luftstrom ausgesetzt würden. Entsprechendes gelte für die dort offenbarte Vorrichtung. Das Verfahren nach Anspruch 1 bzw. die Vorrichtung nach Anspruch 9 in der erteilten Fassung unterschieden sich davon lediglich dadurch, daß die Mikrofilamente unmittelbar nach dem Austritt aus der Spinndüse dem Luftstrom ausgesetzt würden und daß jedes Mikrofilament dabei mantelförmig umhüllt werde. Keines der anderen Dokumente zum Stand der Technik lege eine solche Maßnahme nahe.
VI. Die Beschwerdegegnerin I hat sich inhaltlich nicht zur Beschwerde geäußert.
Die Argumente der Beschwerdegegnerin II zu den Ansprüchen nach dem Hauptantrag sind im wesentlichen folgende:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung sei nicht neu gegenüber dem aus den jeweiligen Dokumenten E4 und E5 bekannten Stand der Technik, die beide ein Verfahren zur Herstellung von Mikrofilamenten beträfen, bei dem heiße Luft die Mikrofilamente gleich nach dem Austritt aus der Spinndüse umhülle. Falls die Kammer meine, daß diese beiden Dokumente keinen Bereich, der quer mit Kühlluft angeblasen werde, nachwiesen, fehle dem Gegenstand dieses Anspruchs die notwendige erfinderische Tätigkeit, weil eine solche Maßnahme nach der E6 dem Fachmann geläufig sei.
Dem Gegenstand des Anspruchs 9 in der erteilten Fassung fehle ebenfalls die erfinderische Tätigkeit, weil er bei einer Zusammenschau der Lehren der E4 oder E5 mit der E2 naheliege.
VII. Die Kammer hat den Parteien in einer Mitteilung nach Artikel 12 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vom 23. November 1999 ihre vorläufige Meinung kundgetan, nach der die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 9 in der erteilten Fassung gegenüber dem vorhandenen Stand der Technik gegeben zu sein scheine.
Als nächstliegender Stand der Technik werde E4 bezeichnet. Die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 9 in der erteilten Fassung scheine in Bezug auf die Zusammenschau der Dokumente E4 und E6 bereits dadurch gegeben zu sein, daß die in E6 diskutierte Queranblasung mit Kühlluft, wenn in dem nach E4 bekannten Verfahren angewendet, zu Turbulenzen führen werde, die gerade vermieden werden sollten. Die Kombination der Lehren der E5 und E6 komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die nach der E6 quer angeblasene Luft den pneumatischen Abzug und die Verstreckung der Monofilamente nach der E5 hindern würde.
Im Bescheid wurde schließlich der im Einspruchsschriftsatz der Beschwerdegegnerin II vorgebrachten, in der angegriffenen Entscheidung jedoch nicht abgehandelten Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 9 aufgegriffen, der sich auf die Kombination der Lehren der E1 und E2 stützte. Dabei hat die Kammer auf das Dokument:
E7: US-A-3 905 734
hingewiesen, auf das in E2 für die verwendete Spinnvorrichtung Bezug genommen wurde.
Keine der Parteien hat sich zu diesem Bescheid geäußert.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit
Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1
2.1. Die Beschwerdegegnerin II argumentierte, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung sei nicht neu gegenüber E4.
In diesem Dokument fehlt es allerdings zumindest an dem Merkmal, daß die Mikrofilamente, nachdem sie dem heißen Luftstrom ausgesetzt wurden, einen Bereich durchlaufen, der quer mit Kühlluft angeblasen wird, und danach abgezogen und verstreckt werden. In dem Bereich (siehe Figur 3 der E4) wird Raumluft durch den heißen Luftstrom lediglich mitgerissen (siehe Spalte 4, Zeile 41). Die Filamente werden somit nicht quer mit Kühlluft angeblasen.
2.2. Auch in Bezug auf die E5 sei nach der Beschwerdegegnerin II die Neuheit nicht gegeben.
Diesem Dokument ist allerdings ebenfalls nicht das Merkmal zu entnehmen, daß die Mikrofilamente, nachdem sie dem heißen Luftstrom ausgesetzt wurden, durch einen Bereich geführt werden, der quer mit Kühlluft angeblasen wird. Der vorhandene kühle Luftstrom ist nicht quer zur Filamentrichtung, sondern schräg (nach der Figur 2) oder sogar parallel (nach dem Anspruch 1) zu ihr ausgerichtet.
Weiterhin ist nicht eindeutig offenbart, daß die heißen Luftströme jedes Mikrofilament sofort nach dem Austritt aus dem Spinnloch mantelförmig umhüllen. Denn die heißen Luftströme treten schräg zur Filamentrichtung aus den Luftschlitzen neben den Spinndüsen aus (nach Figur 2). Sie werden das Mikrofilament und einander daher erst in einem gewissen Abstand von der Spinndüse treffen. Erst ab diesen Punkt könnte es zu einer mantelförmigen Umhüllung der Mikrofilamente durch den hieraus entstehenden parallelen heißen Luftstrom kommen. Die Mikrofilamente werden von dem heißen Luftstrom zunächst vorverstreckt und nachher von dem kalten Luftstrom weiterverstreckt (Anspruch 1).
2.3. Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 in Bezug auf den übrigen Stand der Technik wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten. Die Einspruchsabteilung hat zurecht festgestellt, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu. Denn auch nach Auffassung der Kammer offenbart keine der vorhandenen Druckschriften für sich allein alle Merkmale des Verfahrens nach dem erteilten Anspruch 1 (Artikel 54 EPÜ).
3. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 9 in der erteilten Fassung
Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 9 wurde weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren angegriffen, sondern lediglich fehlende erfinderische Tätigkeit geltend gemacht.
4. Nächstliegender Stand der Technik
4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer kommt es bei der Wahl des nächstliegenden Standes der Technik zunächst darauf an, daß er auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet ist wie die Erfindung. Andernfalls kann er den Fachmann nicht in naheliegender Weise zu der beanspruchten Erfindung hinführen.
Bei der vorliegenden Erfindung geht es darum, bei der Herstellung von Mikrofilamenten diese direkt nach Austritt aus der Spinndüse mit einem Heißluftstrom zu umhüllen, damit sie langsam abkühlen, ohne Turbulenzen ausgesetzt zu sein (siehe Streitpatent, Seite 3, Zeilen 20-47).
4.2. Für das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 9 in der jeweils erteilten Fassung stellt das Dokument E4 den nächstliegenden Stand der Technik dar. Denn dieses Dokument betrifft ebenfalls die Herstellung von Mikrofilamenten von 1 den (=1,1 dtex), die als Fadenschar unmittelbar nach dem Austritt aus der Spinndüse von einem heißen Luftstrom umgeben werden, der wie im Streitpatent parallel zur Filamentlängsrichtung ausgeblasen wird (siehe Figur 2a) und die Mikrofilamente mitführt sowie streckt. Die Mikrofilamente werden dadurch keinen Turbulenzen ausgesetzt (siehe Spalte 3, Zeilen 40-43 der E4). Sie werden vielmehr mit dem Luftstrom in einem Führungskanal s geführt und dann zu Vliesen abgelegt bzw. auf entsprechende Formen abgesaugt. Dabei wird durch die Sogwirkung des warmen Luftstromes (kühlere) Raumluft seitlich in das Führungskanal eingesaugt.
Entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung ist die Kammer der Auffassung, daß beim Verfahren gemäß E4 nach dem Mitreißen der kühleren Raumluft doch noch eine Streckung der Filamente in dem Führungskanal s stattfindet, wie es der Spalte 4, Zeilen 29-39 dieses Dokuments zu entnehmen ist: "Die Länge des Führungskanals s wird ..... so gewählt, daß die durch die Konstruktion der erfindungsgemäßen Düse linear gesteuerten Reibungs- und Schubkräfte ausreichend lange an den Filamenten angreifen können, bis ihre Verstreckung erfolgt ist; .....". Dies kann nur bedeuten, daß die Streckung bis zum Ende des Führungskanals stattfindet und die Kühlung durch die mitgerissene Raumluft dies nicht behindert.
4.3. Die Einspruchsabteilung ist in ihrer Entscheidung vom Dokument E5 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Die Kammer teilt diese Meinung nicht, weil die heiße Luft bei dem Verfahren nach E5 schräg zur Filamentrichtung und aus zwei spaltförmigen Öffnungen, die in der gleichen Ebene wie die Spinndüsen, aber in einem Abstand davon liegen, ausgeblasen wird. Durch diese Ausrichtung ist die Vermeidung von Turbulenzen weniger gut gewährleistet als beim Verfahren nach E4, in dem die heiße Luft bereits beim Austritt parallel zur Filamentrichtung ausgerichtet ist (siehe Spalte 2, Zeilen 59-64 der E4).
4.4. Die Dokumente E1 und E6 sind weniger relevant, weil sie nicht die Herstellung von Mikrofilamenten betreffen. Dasselbe gilt für die Dokumente E2 und E3 (obwohl sie die Herstellung von Mikrofilamenten betreffen), weil sie überhaupt nichts aussagen über eine Kühlung und nachfolgende weitere Streckung und einen Abzug der produzierten Mikrofilamente.
5. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung
5.1. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Lehre nach E4 bereits dadurch, daß
- der heiße Luftstrom das (d. h. jedes) Mikrofilament sofort nach dem Austritt aus der Spinndüse mantelförmig umhüllt (denn die Spinnlöcher sind in einer durchgehenden keilförmigen Kante b angeordnet und die heiße Luft tritt aus zwei parallel daran verlaufenden Schlitzen aus) und
- die Mikrofilamente danach durch einen Bereich laufen, der quer mit Kühlluft angeblasen wird.
Ob Anspruch 1 sich noch mit der relativen Bezeichnung "große Abzugsgeschwindigkeit" von der Lehre der E4 unterscheidet, kann dahingestellt bleiben, weil schon aus anderem Grunde die erfinderische Tätigkeit gegeben ist.
5.2. Die unterscheidenden Merkmale befassen sich mit der Aufgabe, die einzelnen Mikrofilamente gezielter und gleichmäßiger mit heißer und kalter Luft zu versehen, ohne daß derer Abzug von Turbulenzen beeinträchtigt wird und die Mikrofilamente ungleichmäßig oder zu früh nach dem Austritt abkühlen. Damit wird ohne Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität eine Produktion von Mikrofilamenten mit sehr kleinen Durchmessern ermöglicht (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeile 51 - Seite 3, Zeile 19 und Zeilen 48-51).
5.3. Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin II besteht nach Meinung der Kammer für den Fachmann kein Anlaß, die allgemeine Lehre nach dem Dokument E6, das die herkömmlichen Anblasschächte mit Queranblasung von Kühlluft zeigt, anzuwenden. Denn das Verfahren nach E4 zeichnet sich durch eine sanfte Zuführung von Kühlluft durch Ansaugung aus; eine Queranblasung mit Kühlluft würde schneller zu Turbulenzen führen, die gerade nach der E4 vermieden werden sollen. Insbesondere ist dabei auch auf Spalte 4, Zeilen 1-4 der E4 zu achten, wo ausgeführt wird, daß der Führungskanal s sich in seiner Funktion grundsätzlich von den herkömmlichen Anblasschächten unterscheidet. Anwendung gerade dieser Technik aus der E6 ist daher nicht angesagt.
Ungeachtet dessen enthält E6 auch keinen Hinweis darauf, die einzelnen Mikrofilamente direkt nach Austritt mantelförmig mit heißer Luft zu umhüllen.
5.4. Die Beschwerdegegnerin II hat sich ferner in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung noch auf fehlende erfinderische Tätigkeit in Bezug auf die Kombination der Lehren der Dokumente E5 und E6 bezogen.
5.4.1. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Lehre nach E5 bereits dadurch, daß:
- es keinen Bereich gibt, der durch die Mikrofilamente durchlaufen und quer mit Kühlluft angeblasen wird, und
- der heiße Luftstrom jedes Mikrofilament sofort nach dem Austritt aus dem Spinnloch mantelförmig umhüllt (siehe Punkt 2.2).
5.4.2. Diese Merkmale befassen sich mit der Aufgabe, die Mikrofilamente langsam abkühlen zu lassen, während der Streckung und dem Abzug der Mikrofilamente Turbulenzen zu vermeiden und eine Kühlung der Mikrofilamente herbeizuführen.
Bei der Spinnvliesherstellung nach E5 werden Mikrofilamente nach Verlassen der Spinndüse von einem gepaarten heißen Luftstrom erfaßt, gestreckt und in einem Führungskanal geführt, in dem ein gepaarter kühler Luftstrom sie weiterführt und damit rückwirkend in der Verstreckungszone zur Verstreckung beiträgt. Es gibt kein weiteres Abzugsorgan, das die Mikrofilamente nach dem Führungskanal abzieht, denn diese werden auf einem Siebband mit darunterliegender Absaugung abgelegt. Die heißen Luftströme sind schräg zur Filamentrichtung ausgerichtet; wenn schon eine mantelförmige Umhüllung der einzelnen Filamente auftritt, dann geschieht dies in einer gewissen Entfernung von der Spinndüse.
Es ist nicht vorstellbar, daß der Fachmann bei einem solchen Verfahren entweder die Mikrofilamente zusätzlich einem Querluftstrom aussetzt oder den bestehenden schräg ausgerichteten gepaarten Kühlluftstrom durch einen quer angeblasenen Kühlluftstrom ersetzen wird, weil beides den pneumatischen Abzug und die Verstreckung der Mikrofilamente in dem Verstreckungskanal c nur negativ beeinflussen kann.
5.4.3. Die von der Beschwerdegegnerin II insoweit vertretene Auffassung, daß der Fachmann die dementsprechende Lehre der E6 auf die Spinnvliesherstellung nach E5 anwenden wird, wird daher von der Kammer nicht geteilt. Dies umsomehr, weil die Druckschrift E6 nicht auf die Herstellung von Spinnvliesen durch direkte Ablage der Filamente auf einem Siebband zielt, sondern auf die Herstellung von Filamenten, die auf einer Spule aufgewickelt oder in Kannen abgelegt werden.
5.4.4. Die Einspruchsabteilung hat das Patent widerrufen mit der Begründung, daß die Kühlung und anschließende Aufwickelung der Filamente nach E6 eine im Rahmen der Möglichkeiten des Fachmannes liegende gleichwirkende alternative Ausbildungsvariante einer kombinierten Kühl- und Abzugsvorrichtung nach E5 darstelle. Die Erfindung bestehe lediglich darin, ein bekanntes äquivalentes technisches Verfahren in einer analogen Situation anzuwenden.
Aufgrund folgender Überlegungen kommt die Kammer zu einem anderen Ergebnis:
Nach E5 werden die Filamente auf einem Siebband abgelegt, indem die Führungskanäle z. B. hin- und herschwenken (siehe Figur 2 der E5). Ein Abzug durch die Galetten, der zur Gesamtoffenbarung der E6 gehört, würde eine unnötige Komplizierung des Verfahrens mit sich bringen. Denn die Vorteile der von den hin- und herschwenkenden Führungskanälen verursachten gleichmäßigen Verteilung der Filamente auf dem Siebband sollen beibehalten bleiben. Es gibt daher für den Fachmann keinen Grund, das Verfahren nach E5 jetzt bezüglich des Abzugs der Filamente nach E6 zu gestalten.
6. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes nach Anspruch 9 in der erteilten Fassung
6.1. Außer durch die Merkmale, die unter Punkt 5.1 für Anspruch 1 aufgelistet wurden, unterscheidet Anspruch 9 sich von der Lehre nach E4 oder E5 zusätzlich dadurch, daß Austrittsöffnungen für die Heißluft vorgesehen sind, die konzentrisch zu jedem Spinnloch angeordnet sind.
Wo sich die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes dieses Anspruchs schon auf Grund der Überlegungen unter den Punkten 5.2 bis 5.4 ergibt, erübrigt sich (an dieser Stelle) eine Diskussion über die von der Beschwerdegegnerin II und der Einspruchsabteilung zur Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit zusätzlich in die Kombination der Lehren der E4 und E6, bzw. E5 und E6 einzubringende Lehre der Druckschrift E2. Denn die Druckschrift E2 bietet eine Lehre zur konzentrischen Ausrichtung von der Spinn- und der Heißluftdüse, nicht jedoch zur Queranblasung von Kühlluft.
6.2. Die Beschwerdegegnerin I erweckt in ihrem Einspruchsschriftsatz den Eindruck, den erteilten Anspruch 9 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber E1 angreifen zu wollen, weil es naheliegend sei, die aus E1 bekannte Mehrfachdüse nach der Lehre der E2 konzentrisch zu jedem Spinnloch mit einer Heißluftöffnung zu versehen, wenn der heiße Luftstrom die Mikrofilamente sofort nach dem Austritt aus dem Spinnloch mantelförmig umhüllen soll. Nachdem die angegriffene Entscheidung dies nicht diskutiert hat, weil das Patent aus anderem Grunde zu widerrufen war, sieht sich die Kammer veranlaßt, diesen Vortrag noch zu prüfen.
6.3. Die Anwendung der auf Einzelbeaufschlagung gerichteten Lehre nach E2 auf die Vorrichtung nach der E1 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Spinnvorrichtung nach E2 durch ihren dementsprechenden Bezug auf E7 klar auf eine Spinnvliesherstellung von Schläuchen bezieht und die Vorrichtung nach E1 für die Produktion von Filamenten für die Garnherstellung durch Aufwickelung auf eine Spule dient.
Auch wenn der Fachmann die Lehre der E2 auf die Vorrichtung nach der E1 anwenden würde, würde dies die Anwendung der gesamten Lehre der E2 bedeuten, d.h. auf eine weitere Kühlung durch quer angeblasene Kühlluft und eine nochmalige Streckung danach (wozu in E2 nämlich keine Angaben gemacht werden) würde verzichtet werden. Damit gelangt der Fachmann nicht zur Vorrichtung, so wie sie Gegenstand des Anspruchs 9 ist.
6.4. Zusammenfassend kommt die Kammer zur Schlußfolgerung, daß das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 9 in der erteilten Fassung sich nicht in naheliegender Weise aus dem vorgehaltenen Stand der Technik ergeben und daher auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
6.5. Die abhängigen Ansprüche 2-8 bzw. 10-13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Anspruch 9 (Regel 29. (3) EPÜ) und haben somit ebenfalls Bestand.
6.6. Unter den gegebenen Umständen erübrigt sich eine Diskussion des vorliegenden Hilfsantrags sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die nur hilfsweise von der Beschwerdeführerin beantragt wurde.
7. Artikel 84 und Regel 29 EPÜ
Sofern die Einspruchsabteilung unter den Punkten 9 und 10. ihrer Entscheidung zusätzliche Einwände, die sich auf den Artikel 84 EPÜ (Aufnahme von wesentlichen Merkmalen) und die Regel 29 EPÜ (Abgrenzung gegenüber dem bekannten Stand der Technik) beziehen, erhoben hat, erübrigt sich eine Diskussion ihrer Berechtigung. Denn diese Vorschriften zählen nicht zu den Einspruchsgründen nach Artikel 100 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.