T 0437/96 (Lackierungsverfahren/BASF) of 29.5.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T043796.20000529
Datum der Entscheidung: 29 Mai 2000
Aktenzeichen: T 0437/96
Anmeldenummer: 91902387.9
IPC-Klasse: B05D 7/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Lackierung von Fahrzeugkarosserien und wässrige Lacke
Name des Anmelders: BASF Coatings Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Vianova Resins GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 88
Schlagwörter: Offensichtliche Berichtigung (nein) - falsche Angabe nicht unmittelbar und eindeutig erkennbar
Änderung gemäß Hauptantrag, 1. und 2. Hilfsantrag - Voraussetzung des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 22. Februar 1996 verkündete und am 12. März 1996 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0. 517 707 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

Dieser Entscheidung lag ein Satz von acht Ansprüchen zugrunde. Dessen Anspruch 1 lautete:

"1. Verfahren zur Lackierung von Fahrzeugkarosserien, bei dem

(1) ein Elektrotauchlack appliziert und eingebrannt wird,

(2) gegebenenfalls ein Steinschlagzwischengrund appliziert und separat oder zusammen mit der in Stufe (3) aufgebrachten Füllerschicht eingebrannt wird,

(3) ein Füller appliziert und eingebrannt wird und

(4) eine ein- oder mehrschichtige Decklackierung appliziert und eingebrannt wird,

wobei als Steinschlagzwischengrund und/oder Füller ein wäßriger Einbrennlack eingesetzt wird, der als Bindemittel eine Kombination aus

(A) einem wasserverdünnbaren Polyurethanharz

(B) einem wasserverdünnbaren Polyesterharz und

(C) einem Aminoplastharz

enthält, wobei die Komponente (A) eine Säurezahl von 10 bis 60 und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 4000 bis 25.000 aufweist und herstellbar ist, indem

(a) ein Polyester- und/oder Polyetherdiol mit einem zahlenmittleren Molekulargewicht von 400 bis 5000 oder einem Gemisch aus solchen Polyester- und/oder Polyetherdiolen,

(b) ein Polyisocyanat oder ein Gemisch aus Polyisocyanaten,

(c) eine Verbindung, die mindestens eine gegenüber Isocyanatgruppen reaktive und mindestens eine zur Anionenbildung befähigte Gruppe im Molekül aufweist oder ein Gemisch aus solchen Verbindungen und gegebenenfalls

(d) eine Hydroxyl- und/oder Aminogruppen enthaltende organische Verbindung mit einem Molekulargewicht von 40 bis 400 oder ein Gemisch aus solchen Verbindungen

miteinander umgesetzt werden und das entstandene Reaktionsprodukt wenigstens teilweise neutralisiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente (A) in einer Menge von 40 bis 70 Gew.-%, die Komponente (B) in einer Menge von 15 bis 40 Gew.-% und die Komponente (C) in einer Menge von 8 bis 35 Gew.-% eingesetzt werden, wobei die Gewichtsprozentangaben auf (A) + (B) + (C) = 100 Gew.-% bezogen sind und die Komponente (B) ein wasserverdünnbares Polyesterharz ist, das eine Säurezahl von 20 bis 100, vorzugsweise 25 bis 45, eine Hydroxylzahl von 40 bis 150, vorzugsweise 50 bis 80 aufweist und herstellbar ist, indem

(i) eine organische Verbindung mit mindestens drei funktionellen Gruppen, wobei mindestens eine der funktionellen Gruppen eine Carboxylgruppe sein muß und die übrigen funktionellen Gruppen Hydroxyl- und/oder Amino- und/oder Carboxyl- und/oder Säureanhydridgruppen sein können, wobei für eine Säureanhydridgruppe zwei funktionelle Gruppen gezählt werden, oder Gemische aus solchen organischen Verbindungen,

(ii) eine cyclische Dicarbonsäure oder ein Gemisch aus cyclischen Dicarbonsäuren,

(iii) gegebenenfalls eine aliphatische Dicarbonsäure oder ein Gemisch aus aliphatischen Dicarbonsäuren,

(iv) ein Polyol bei dem mindestens ein alpha-C-Atom ein sekundäres oder tertiäres C-Atom oder ein Glied in einem kohlenstoffhaltigen Ringsystem ist, oder ein Gemisch aus solchen Polyolen und

(v) gegebenenfalls ein von (iv) verschiedenes Polyol oder ein Gemisch aus solchen Polyolen

miteinander umgesetzt werden, wobei die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 3 : 4 bis 7 : 8 eingesetzt werden, das molare Verhältnis zwischen (i) + (ii) und (iii) 50 : 50 bis 100 : 0, vorzugsweise 75 : 25 beträgt und das molare Verhältnis zwischen (iv) und (v) 40 : 60 bis 100 : 0, vorzugsweise 60 : 40 bis 100 : 0 beträgt und das entstandene Reaktionsprodukt wenigstens teilweise neutralisiert wird, ausgenommen der Polyester, der hergestellt wird aus 832 Gew.-Teilen Neopentylglykol, 664 Gew.-Teilen Isophthalsäure und 384 Gew.-Teilen Trimellithsäureanhydrid und eine Säurezahl von 39 hat." (Hervorhebung durch die Kammer)

Anspruch 2 betraf die Verwendung wäßriger Lacke für die Herstellung von Grundierungen auf Aluminium und die abhängige Ansprüche 3 bis 8 betrafen spezielle Ausführungsformen der Ansprüchen 1 und 2.

II. Die Einspruchsabteilung war insbesondere der Auffassung, daß die geänderten Ansprüche das Erfordernis des Artikels 100 c) EPÜ erfüllten.

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat bestritten, daß das Erfordernis des Artikels 100 c) EPÜ erfüllt sei, da gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung die Carbonsäurekomponente ((i)+(ii)+(iii)) und die Polyolkomponente ((iv)+(v)) zur Herstellung des Polyesterharzes in einem molaren Verhältnis von 4 : 3 bis 8 : 7 eingesetzt werden, während diese Komponente gemäß den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Ansprüchen 1 und 2 in einem molaren Verhältnis von 3 : 4 bis 7 : 8 eingesetzt werden.

IV. Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, bei der Änderung des molaren Verhältnisses zwischen den Carbonsäurekomponenten und den Polyolkomponenten handele es sich lediglich um eine Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers.

Außerdem hat die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 27. März 2000, als ersten und als zweiten Hilfsantrag, zwei Anspruchssätze, jeder bestehend aus acht Ansprüchen, eingereicht. Anspruch 1 gemäß dem ersten und zweiten Hilfsantrag war identisch mit dem der Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1, mit der Ausnahme, daß zur Herstellung des Polyesterharzes die Carbonsäurekomponente ((i)+(ii)+(iii)) und die Polyolkomponente ((iv)+(v)) in einem molaren Verhältnis von 0.752 bis 0.875 (Hilfsantrag 1) beziehungsweise 0.752. bis 0.855 (Hilfsantrag 2) eingesetzt werden und daß der Disclaimer (siehe den im Anspruch 1 unter Punkt II. hervorgehobenen Text) gestrichen war.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte 1) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 517 707 und 2) die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent gemäß Hilfsantrag 1. bzw. 2, eingereicht mit Schreiben vom 27. März 2000, aufrechtzuerhalten. Weiterhin hat sie beantragt, die gestrichenen Beispiele 2.3, 3.6, 4.6 des erteilten Patents wieder in die Beschreibung aufzunehmen. Sie hat auch beantragt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr abzulehnen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Artikel 100 c) EPÜ

2.1.1. Der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist auf der Seite 4, Zeilen 15 bis 18, Seite 12, Zeilen 11. bis 14 und 32 bis 34, Seite 28, Zeilen 15 bis 18 (Anspruch 1), und Seite 30, Zeilen 21 bis 24 (Anspruch 2), zu entnehmen, daß das als Komponente (B) eingesetzte wasserverdünnbare Polyesterharz herstellbar ist, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 4 : 3 bis 8 : 7 eingesetzt werden.

Weiterhin wird auf der Seite 19, Zeile 10 bis Seite 21, Zeile 17 die Herstellung der Polyesterharze I, II und III beschrieben. Hierbei ist unbestritten, daß bei der Herstellung der Polyesterharze I und II die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 0.752 beziehungsweise 0.755 eingesetzt werden und daß diese molaren Verhältnisse außerhalb des Verhältnisbereichs von 4 : 3 bis 8 : 7 liegen.

Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, ein Fachmann habe außerdem berechnen können, daß die zur Herstellung des Polyesterharzes III verwendete Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente in einem molaren Verhältnis außerhalb von 4 : 3 bis 8 : 7 eingesetzt werden.

Dem kann die Kammer jedoch nicht zustimmen. Der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist lediglich zu entnehmen, daß zur Herstellung des Polyesterharzes III 400.0 g eines Esters aus 2,2-Dimethylpropandiol-1,3 und 2,2-Dimethyl-3-hydroxipropionsäure eingesetzt werden, ohne weitere Information über das Molekulargewicht des eingesetzten Esters (siehe Seite 20, Punkt 2.3 Polyesterharz III). Da in Abwesenheit von irgendwelchen Angaben bezüglich des Molekulargewichts des eingesetzten Esters ein Fachmann nicht berechnen konnte, wieviel Mol des nicht näher definierten Esters eingesetzt wurden, konnte er somit das molare Verhältnis der eingesetzten Carbonsäurekomponente zur eingesetzten Polyolkomponente auch nicht berechnen. Deswegen konnte er der Beschreibung der Herstellung des Polyesterharzes III keinen Hinweis über das molare Verhältnis der eingesetzten Carbonsäurekomponente zur eingesetzten Polyolkomponente entnehmen.

2.1.2. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, ein Fachmann würde sofort feststellen, daß die für die Herstellung der spezifischen Polyesterharze angegebenen molaren Verhältnisse der eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente außerhalb des in der ursprünglich eingereichten Anmeldung angegebenen molaren Verhältnisbereichs läge und daß es durch Einsetzung der Carbonsäurekomponente und der Polyolkomponente in einem molaren Verhältnis von 4 : 3 bis 8 : 7 unmöglich sei, Polyesterharze mit einer im Anspruch 1 definierten Säurezahl und Hydroxylzahl herzustellen. Diese Feststellungen würden den Fachmann unmittelbar und eindeutig zur Erkenntnis führen, daß es sich bei dem ursprünglich angegebenen molaren Verhältnis von 4 : 3 bis 8 : 7 lediglich um einen Zahlendreher handele, der in 3 : 4 bis 7 : 8 berichtigt werden müsse. Somit sei die Berichtigung derart offensichtlich, daß sofort erkennbar sei, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als der molare Verhältnisbereich von 3 : 4 bis 7. : 8.

2.1.3. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA kann einem Antrag auf Berichtigung in einem Patentanspruch nach Regel 88, Satz 2 EPÜ nur dann stattgegeben werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen die die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldung einen derartigen offensichtlichen Fehler enthalten, daß für den Fachmann kein Zweifel besteht, daß die betreffende Angabe nicht stimmt und so auch nicht gemeint sein kann, und zweitens müssen es die die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, unter Heranziehung des am Anmeldetag bestehenden allgemeinen Fachwissens, ermöglichen, den genauen Inhalt der Angabe unmittelbar und eindeutig zu ermitteln (siehe Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 3/89, Punkt 5 und 6 der Begründung).

2.1.4. Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, daß die zur Herstellung der Polyesterharze I und II angegebenen molaren Verhältnisse der eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente außerhalb des molaren Verhältnisbereichs 4 : 3 bis 8 : 7 liegen, und daß ein Fachmann eine Diskrepanz zwischen den molaren Verhältnissen in der Herstellung der Polyesterharze I und II und dem allgemein beschriebenen molaren Verhältnisbereich von 4 : 3 bis 8 : 7 feststellen konnte.

Es bleibt somit noch zu untersuchen, ob für den Fachmann klar war, daß der gemäß der allgemeinen Lehre und den Ansprüchen der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbarte molare Verhältnisbereich nicht stimmt und auch so nicht gemeint sein konnte.

Die Beschwerdegegnerin hat behauptet, daß es bei einem molaren Verhältnis zwischen der Carbonsäurekomponente und der Polyolkomponente von 4 : 3 bis 8 : 7 unmöglich sei Polyesterharze mit der im Anspruch 1 definierten Säurezahl und Hydroxylzahl herzustellen. Für diese Behauptung hat die Beschwerdegegnerin jedoch keinerlei Beweis erbracht.

Wie von der Beschwerdeführerin treffend bemerkt, bezieht sich die Säurezahl und die Hydroxylzahl auf die Menge der Carboxyl- und Hydroxylgruppen im Polyesterharz, die in einem Polyesterharz nicht nur durch die molaren Verhältnisse der eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente sondern auch durch den Polymerisationsgrad bestimmt werden. Daß dieser Polymerisationsgrad, und somit auch die Säurezahl, nicht nur durch die Natur der eingesetzten Alkohole und Carbonsäuren, sondern auch durch die Umstände der Veresterungsreaktion beeinflußt ist, wird durch die im Streitpatent spezifisch beschriebene Herstellung der Polyesterharze I, II und III bestätigt. Dort wird nämlich ausdrücklich angegeben, daß ein bestimmtes Reaktionsgemisch auf eine bestimmte Säurezahl verestert wird (siehe Seite 8, Zeilen 26/27, 43 und 57/58 des Streitpatentes).

Die Kammer kommt daher zum Schluß, daß es nicht glaubhaft ist, daß durch Einsetzung der Carbonsäurekomponente und der Polyolkomponente in einem molaren Verhältnis von 4 : 3 bis 8 : 7, wie ursprünglich offenbart, die Herstellung eines Polyesterharzes mit einer im Anspruch 1 definierten Säurezahl und Hydroxylzahl unmöglich ist.

2.1.5. Die Beschwerdegegnerin hat auch geltend gemacht, aus der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gehe hervor, daß als Komponente (i) vorzugsweise Tricarbonsäuren und als Komponente (iv) vorzugsweise Diole eingesetzt sowie die Komponente (i) nur in solchen Mengen eingesetzt werde, daß keine gelierten Polyesterharze erhalten werden (Seite 13, Zeilen 9 bis 11. und 30 bis 32, und Seite 15, Zeilen 11 bis 14). Aus diesen Angaben erkenne ein Fachmann, daß das in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung angegebene molare Verhältnis von Säurekomponenten und Polyolkomponenten von 3 : 4 bis 7 : 8 nicht stimmen könne, da ihm bekannt sei, daß verzweigte Polyester nicht gelieren, wenn ein molarer Überschuß an Diolen gegenüber Tricarbonsäuren zur Reaktion gebracht werde.

Da aber als Carbonsäurekomponente, im Sinne des Streitpatents, nicht nur vorzugsweise eine organische Verbindung mit mindestens drei funktionellen Gruppen (i), sondern auch mindestens eine cyclische Dicarbonsäure (ii) einsetzbar ist, und das molare Verhältnis zwischen (i) und (ii) beliebig gewählt werden kann, konnte ein Fachmann der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auch nicht entnehmen, daß das angegebene molare Verhältnis der Carbonsäurekomponente und der Polyolkomponente nicht 4. : 3 bis 8 : 7 sein konnte.

2.1.6. Der Fachmann konnte der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung somit nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, ob die zur Herstellung der Polyesterharze I und II beschriebenen molaren Verhältnisse oder der molare Verhältnisbereich 4. : 3 bis 8 : 7 falsch waren. Deswegen ist die erste in Punkt 2.1.3 oben beschriebene Bedingung für die Berichtigung einer offensichtlichen Unrichtigkeit nicht erfüllt.

Allein schon aus diesem Grund kann die Änderung des Verhältnisbereichs der eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente nicht als eine Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers angesehen werden.

2.1.7. Da Polyesterharze, die herstellbar sind, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 3 : 4 bis 7 : 8 eingesetzt werden, in der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart sind, was übrigens nie von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde, kommt die Kammer zum Schluß, daß der Hauptantrag das Erfordernis des Artikels 100 c) EPÜ nicht erfüllt.

3. Erster Hilfsantrag

3.1. Artikel 100 c) EPÜ

Gemäß Anspruch 1 ist das als Komponente (B) verwendete Polyesterharz herstellbar, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 0.752 bis 0.875 eingesetzt werden, wobei die untere Grenze dem molaren Verhältnis der für das Polyesterharz I eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente entspricht.

Da jedoch ein molares Verhältnis 0.875 = 7 : 8 nicht als Ergebnis der Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers anerkannt werden kann (siehe die unter Punkt 2 oben gemachten Ausführungen zum Hauptantrag) und da Polyesterharze, die herstellbar sind, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis 7 : 8 eingesetzt werden, nicht in der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart sind, kommt die Kammer zum Schluß, daß der erste Hilfsantrag das Erfordernis des Artikels 100 c) EPÜ nicht erfüllt.

4. Zweiter Hilfsantrag

4.1. Artikel 100 c) EPÜ

Gemäß Anspruch 1 ist das als Komponente (B) verwendete Polyesterharz herstellbar, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis von 0.752 bis 0.855 eingesetzt werden, wobei die untere Grenze dem molaren Verhältnis der für das Polyesterharz I eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente entspricht.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, daß die obere Grenze dem molaren Verhältnis der für das Polyesterharz III eingesetzten Carbonsäurekomponente und Polyolkomponente entspricht. Dem kann die Kammer jedoch aus den bereits oben in Punkt 2.1.1 angegebenen Gründen nicht zustimmen.

Da Polyesterharze, die herstellbar sind, indem die Carbonsäurekomponente ((i) + (ii) + (iii)) und die Polyolkomponente ((iv) + (v)) in einem molaren Verhältnis 0.855 eingesetzt werden, nicht in der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart waren, kommt die Kammer zum Schluß, daß der zweite Hilfsantrag das Erfordernis des Artikels 100 c) EPÜ nicht erfüllt.

5. Da keine Fassung des Patents vorliegt, die das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt, erübrigt es sich, auf den Antrag der Beschwerdegegnerin einzugehen, die gestrichenen Beispiele 2.3, 3.6 und 4.6 des erteilten Patents wieder in die Beschreibung aufzunehmen.

6. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen: "Die rechtsfehlerhafte Entscheidung bezüglich der Zulässigkeit der Änderung nach Regel 88 ist ein erheblicher Verfahrensfehler, die die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt."

Gemäß Regel 67 EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

Obwohl die Einspruchsabteilung, anders als die Kammer, zum Ergebnis gekommen ist, daß die Änderung des Verhältnisbereichs die Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers darstellte, heißt dies nicht daß damit ein Verfahrensmangel vorliegt. Vielmehr ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf eine irrige Auslegung der Regel 88 EPÜ zurückzuführen. Eine irrige Auslegung einer Regel des EPÜ als solche ist jedoch kein Verfahrensmangel.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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