European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1996:T026196.19961015 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 October 1996 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0261/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94119572.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16L 55/18 F16L 55/162 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung und Verfahren zum Abdichten einer Rohrleitung und/oder von Einmündungsstellen von Zubringerrohren | ||||||||
Name des Anmelders: | PMO Engineering AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung (nein) Rückerstattung der Beschwerdegebühr (nein - kein wesentlicher Verfahrensmangel) Vorlage an die Große Beschwerdekammer (nein) Zurückverweisung an die erste Instanz Amendments - added subject-matter (no) Reimbursement of appeal fee - no (no substantial procedural violation) Referral to Enlarged Board of Appeal (no) Remittal to department of first instance |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 94 119 572.9 wurde mit einer in der mündlichen Verhandlung am 28. November 1995 verkündeten Entscheidung, schriftlich begründet zur Post gegeben am 9. Januar 1996, durch die Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des in der mündlichen Verhandlung zunächst als "3. Hilfsantrag" vorgelegten Anspruchssatzes, der im Laufe der Verhandlung zum Hauptantrag gemacht wurde, über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe und somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
Die Prüfungsabteilung vertrat die Auffassung, daß andere Mittel zur Erzielung eines vorbestimmten Mischungsverhältnisses der Abdichtkomponenten bei jeder Abgabe von Abdichtmittel als die im ursprünglichen Anspruch 3 erwähnten Mittel, nämlich daß der Kolbenhub bei allen Zylindern gleich groß sei und Mittel zur Erzielung im wesentlichen gleicher Kolbenbewegungen in allen Zylindern vorgesehen seien, der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen seien. Es gebe dort auch keinen Hinweis, daß zu diesem Zweck andere Mittel eingesetzt werden könnten. Der geltende Anspruch 1 schließe aber auch die Möglichkeit ein, daß die Kolbenbewegungen nicht gleich seien.
III. Gegen diese Entscheidung ist am 22. Februar 1996 Beschwerde eingelegt worden. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und auch die Beschwerdebegründung ist an diesem Tag eingegangen.
Die Beschwerdeführerin stellte den Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Erteilung eines Patents auf der Basis des Anspruchssatzes (Ansprüche 1 bis 19) nach dem "3. Hilfsantrag" vom 28. November 1995 anzuordnen. Zudem stellte sie Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr sowie Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung.
IV. In einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter der Kammer am 4. Oktober 1996 stimmte der Vertreter der Beschwerdeführerin einer Klarstellung des Wortlauts des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag zu und beantragte, daß die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des geänderten Anspruchssatzes zurückverwiesen wird. Der Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung wurde zurückgezogen.
V. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Vorrichtung zum Abdichten einer Rohrleitung und/oder von Einmündungsstellen von Zubringerrohren in die Rohrleitung mit einem in der Rohrleitung bewegbaren Transportmittel und einer an dem Transportmittel angebrachten Abdichtmittelquelle (1; 41) sowie mit der Abdichtmittelquelle in Verbindung stehenden Mitteln zur Zuführung von Abdichtmittel zu der abzudichtenden Stelle, dadurch gekennzeichnet, dass die Abdichtmittelquelle (1; 41) mindestens folgende Bestandteile in Kombination miteinander umfasst:
a. mehrere Behälter in Form von Zylindern (2, 4; 42, 43) mit Kolben (3, 5; 44, 47) für eine entsprechende Anzahl von Abdichtmittelkomponenten,
b. Mittel (15 - 33; 52 - 55) zur Erzielung eines vorbestimmten Mischungsverhältnisses der Abdichtmittelkomponenten bei jeder Abgabe von Abdichtmittel aus der Abdichtmittelquelle dergestalt, dass die Produkte von Kolbenquerschnittsfläche und Kolbenbewegung der einzelnen Kolben (3, 5; 44, 47) in einem dem vorbestimmten Mischungsverhältnis der Abdichtmittelkomponenten entsprechenden Verhältnis zueinander stehen, und
c. eine mit den Behältern (2, 4; 42, 43) in Verbindung stehende, zur Herstellung des Abdichtmittels aus den Abdichtmittelkomponenten dienende Mischeinrichtung (8; 60) zur Vermischung der Abdichtmittelkomponenten."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 17 richten sich auf bevorzugte Ausführungsbeispiele der Vorrichtung nach dem Anspruch 1.
Der unabhängige Anspruch 18 betrifft ein Verfahren zum Abdichten einer Rohrleitung und der abhängige Anspruch 19 ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel des Verfahrens nach dem Anspruch 18.
VI. Zur Begründung ihrer Anträge trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:
Der ursprüngliche Anspruch 3 beziehe sich auf die bevorzugten Ausführungsbeispiele, bei welchen das Verhältnis zwischen den Querschnittsflächen der einzelnen Zylinder dem gewünschten Mischungsverhältnis der Abdichtmittelkomponenten entspreche, so daß die jeweilige Länge der Zylinder und die Kolbenbewegungen in den einzelnen Zylindern gleich seien. Dem ersten Absatz, Seite 6 der ursprünglichen Beschreibung sei aber auch eine Anordnung zu entnehmen, bei welcher die Zylinder nicht gleich lang seien. Bei derartigen Zylindern sei es offensichtlich, daß die Kolbenbewegungen unter sich nicht gleich sein könnten, da das Verhältnis zwischen den Querschnittsflächen der Zylinder nicht mehr dem Mischungsverhältnis entspreche und es allgemein bekannt sei, daß sich das abgegebene Volumen aus dem Produkt der Querschnittsfläche und der Kolbenbewegung ergebe. Eine einfache Abwandlung der anhand der Figur 1 dargestellten Mittel lasse ohne weiteres ein vorbestimmtes Verhältnis zwischen den einzelnen Kolbenbewegungen erzielen.
Die von der Prüfungsabteilung geforderte Einschränkung der Anmeldung auf die bevorzugten Ausführungsbeispiele sei somit ungerechtfertigt und unvereinbar mit einem effektiven Schutz für die Erfindung.
Das starre Festhalten der Prüfungsabteilung an ihrer eindeutig widerlegten Meinung stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige. In der mündlichen Verhandlung hätten die Mitglieder der Prüfungsabteilung den Eindruck erweckt, daß sie den Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin folgen würden, die wesentlichen Gründe, weshalb diese Ausführungen nicht akzeptiert worden seien, seien aber erst in der Entscheidung vorgebracht worden. Somit habe der Vertreter nicht im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ ausreichend Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Wie aus dem einleitenden Teil der Beschreibung der Anmeldung hervorgeht, ist das Abdichten defekter Rohrleitungen mittels einer in der Rohrleitung bewegbaren Vorrichtung, die eine Abdichtmittelquelle umfaßt, allgemein bekannt. Gemäß der Beschreibung sind herkömmliche Vorrichtungen dieser Art, bei welchen ein selbsthärtendes Abdichtmittel aus mehreren Komponenten zusammengesetzt ist, die vor der Einbringung in den Abdichtmittelbehälter innig vermischt werden, mit dem erheblichen Mangel behaftet, daß der Abdichtmittelbehälter klein gehalten werden muß, um eine Aushärtung des Abdichtmittels in dem Abdichtmittelbehälter zu verhindern. Infolge des kleinen Volumens des Abdichtmittelbehälters muß er oft nachgefüllt werden, wobei die Vorrichtung zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren muß.
Der beanspruchten Erfindung liegt die Idee zugrunde, an der Vorrichtung mehrere Behälter für eine entsprechende Anzahl von Abdichtmittelkomponenten und eine Mischeinrichtung zur Vermischung der Abdichtmittelkomponenten vorzusehen. Es wird dabei jeweils nur soviel Abdichtmittel hergestellt, wie an der abzudichtenden Stelle gebraucht wird, so daß zeitliche Beschränkungen für die Dauer des Einsatzes der Vorrichtung bzw. für die Dauer der Abdichtarbeiten im wesentlichen wegfallen (vgl. Seite 5, Absatz 3 der Beschreibung).
Im letzten Absatz auf Seite 5 der Beschreibung wird auf die bevorzugte Ausführungsform eingegangen, bei welcher die Behälter Zylinder mit darin bewegbaren Kolben sind und die Hubräume derselben in einem dem gewünschten Mischungsverhältnis der Abdichtmittelkomponenten entsprechenden Verhältnis zueinander stehen.
Im ersten Absatz auf Seite 6 der Beschreibung wird dann folgendes ausgesagt:
"Diese bevorzugte Ausbildungsform hat den Vorteil, daß nicht mehr von der einen oder anderen Abdichtmittelkomponente mit dem Transportwagen mitgeführt wird, als zur Herstellung des Abdichtmittels in dem gewünschten Mischungsverhältnis benötigt wird. Vorteilhaft kann dabei der Kolbenhub bei allen Zylindern gleich groß sein, wobei dann Mittel zur Erzielung von bei allen Zylindern jeweils im wesentlichen gleichen Abständen zwischen Kolbenfläche und Bewegungsendpunkt derselben vorzusehen sind. Der Vorteil eines solchen bei allen Zylindern gleich großen Kolbenhubes ist, daß entsprechend auch die Zylinder im wesentlichen gleich lang sind und sich damit eine gute Raumausnützung ergibt."
Bei den beiden detailliert beschriebenen Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1 und 2 sind die jeweiligen Zylinder von gleicher Länge. Bei dem Ausführungsbeispiel nach der Figur 1 sind die Kolben jeweils über ein Steuerventil druckbeaufschlagt. Die Bewegungen der Kolben werden über zugeordnete Sensoreinrichtungen erfaßt und miteinander verglichen. Das Ergebnis des Vergleiches wird den Steuerventilen zugeführt, um die Bewegungen der Kolben im wesentlichen gleichzuhalten. Bei dem einfacheren Ausführungsbeispiel nach der Figur 2 sind die jeweiligen Kolben mechanisch fest miteinander gekoppelt.
In der angefochtenen Entscheidung wird anerkannt, daß die ursprünglich eingereichte Anmeldung eine Vorrichtung offenbart, die Mittel zur Erzielung eines vorbestimmten Mischungsverhältnisses der Abdichtmittelkomponenten bei jeder Abgabe von Abdichtmittel aufweist. Es wird aber dort die Auffassung vertreten, daß dies nur für den Fall - wie bei den Ausführungsbeispielen - zutreffe, daß die jeweiligen Zylinder von gleicher Länge und die Kolbenbewegungen untereinander gleich seien. In diesem Zusammenhang wird die Angabe im oben zitierten ersten Absatz der Seite 6 der Beschreibung, daß ein gleich großer Kolbenhub bei allen Zylindern vorteilhaft ist, von der Prüfungsabteilung zwar dahingehend verstanden, daß der Kolbenhub auch nicht gleich sein könne, sie ist aber der Auffassung, daß an dieser Stelle keine Mittel zur Einhaltung des gewünschten Mischungsverhältnisses bei jeder Abgabe von Abdichtmittel bei einer derartigen Anordnung offenbart seien.
Dieser restriktiven Auslegung der Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung durch die Prüfungsabteilung kann sich die Kammer nicht anschließen. Eine Vorrichtung der in der Anmeldung beschriebenen Art kann nur voll funktionstüchtig sein, wenn bei jeder Abgabe des Abdichtmittels das gewünschte Mischungsverhältnis der Abdichtmittelkomponenten im wesentlichen eingehalten wird. Bei den dargestellten, bevorzugten Ausführungsformen sind das gewünschte Mischungsverhältnis und das Querschnittsverhältnis der jeweiligen Kolben gleich, so daß das gewünschte Mischungsverhältnis durch gleich große Kolbenbewegungen gewährleistet wird. Bei einer nicht bevorzugten Ausführungsform mit Zylindern und entsprechenden Kolbenhüben, die nicht gleich lang sind, ist es aber für den Fachmann klar und somit implizit mitoffenbart, daß hier das gewünschte Mischungsverhältnis und das Querschnittsverhältnis der jeweiligen Kolben nicht gleich sein können, weil sonst das Erfordernis, daß die Hubräume in einem dem gewünschten Mischungsverhältnis entsprechenden Verhältnis zueinander stehen (vgl. letzter Absatz, Seite 5) nicht eingehalten wird. Somit ist für den Fachmann ebenfalls klar, daß es bei einer derartigen Anordnung notwendig ist, für ein bestimmtes Verhältnis zwischen den jeweiligen Kolbenbewegungen bei jeder Abgabe des Abdichtmittels zur sorgen, damit (vgl. den Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 1) die Produkte von Kolbenquerschnittsfläche und Kolbenbewegung der einzelnen Kolben in einem dem vorbestimmten Mischungsverhältnis der Abdichtmittelkomponenten entsprechenden Verhältnis zueinander stehen. In diesem Zusammenhang sieht der Fachmann ohne weiteres, daß sich die in der Figur 1 dargestellte Steueranordnung auch so einstellen läßt, daß ungleiche, in einem vorbestimmten Verhältnis zueinander stehende Kolbenbewegungen durchgeführt werden.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der vorliegende Anspruch 1 nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstößt.
3. Nachdem am 18. August 1995 ein Beschleunigungsantrag gestellt worden war und geänderte Ansprüche eingereicht worden waren, ist das Prüfungsverfahren mit Bescheid vom 4. Oktober 1995 eröffnet worden. Schon in diesem Bescheid wurde der Einwand erhoben, daß der damals geltende Anspruch 1 eine unzulässige Verallgemeinerung enthalte und gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße. Zudem wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 als nicht neu gegenüber einem von der Beschwerdeführerin genannten Stand der Technik angesehen. Der beauftragte Prüfer schlug vor, die Merkmale der Ansprüche 1, 2 und 3 zusammenzufassen, um einen neuen Anspruch 1 zu bilden.
Am 9. November 1995 hat die Beschwerdeführerin per Telefax einen geänderten Anspruch 1 eingereicht, der im wesentlichen dem jetzt vorliegenden Anspruch 1 entspricht. In einer telefonischen Rücksprache am selben Tag hat der beauftragte Prüfer (laut Gesprächsnotiz) dem Vertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß der Gegenstand dieses Anspruchs zwar die Kriterien der Artikel 54 und 56 EPÜ erfülle, aber nicht ursprünglich offenbart sei. Die angegebenen Gründe für die letztere Auffassung entsprechen im wesentlichen den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Gründen.
Es wurde am 28. November 1995 vor der Prüfungsabteilung mündlich verhandelt. Die mündliche Verhandlung dauerte vier Stunden, wobei nicht festzustellen ist, welchen Anteil an dieser Zeit die Diskussion des Themas der unzulässigen Erweiterung einnahm. Der dazugehörige Teil des Protokolls nimmt aber mehr als drei A4-Seiten ein. Hieraus ist ersichtlich, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin die Bedeutung des ersten Absatzes, Seite 6 der Beschreibung hervorgehoben hat (vgl. Absatz 3, Seite 3). Die Prüfungsabteilung hat jedoch hierin keine relevante Aussage über die Einhaltung des gewünschten Mischungsverhältnisses bei einer Anordnung mit ungleich langen Kolbenhüben gesehen (vgl. Absatz 3, Seite 4).
Aus dem oben geschilderten Verlauf des Prüfungsverfahrens geht hervor, daß die Beschwerdeführerin ausreichend über die Gründe informiert war, die zur Zurückweisung der Anmeldung geführt haben (Artikel 113 (1) EPÜ). Da die Beschwerdeführerin einen Beschleunigungsantrag gestellt hat, ist in der ungewöhnlich kurzen Dauer des Prüfungsverfahrens kein Nachteil für sie zu erblicken. Es läßt sich hieraus jedenfalls nicht der Schluß ziehen, daß die Prüfungsabteilung - aus welchen Gründen auch immer - starr auf die Zurückweisung der Anmeldung fixiert war, zumal sie einen Vorschlag zur Behebung des von ihr erhobenen Einwands gemacht hat.
Der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen, daß das starre, auf die vorgetragenen Argumente nicht eingehende Festhalten einer Prüfungsabteilung an einer den technischen Gegebenheiten zuwiderlaufenden Bewertung der Tatsachen im Einzelfall einer Verweigerung des durch Artikel 113 (1) EPÜ gewährten rechtlichen Gehörs gleichkommen kann. Im vorliegenden Fall fehlen aber die wesentlichen Merkmale für ein solches Verhalten der Prüfungsabteilung. Sie hat nach eingehender Diskussion zwar die Bedeutung des maßgebenden ersten Absatzes auf Seite 6 im Zusammenhang mit der Gesamtoffenbarung anders bewertet als die Beschwerdeführerin, hat aber hierfür nachvollziehbare Gründe angegeben. Die Tatsache, daß die Kammer in der Sache anders entscheidet als die Prüfungsabteilung, bedeutet nicht, daß das Vorgehen der Prüfungsabteilung mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet ist (vgl. T 87/88, ABl. EPA 1993, 430, Punkt 11).
Auch in der Tatsache, daß die Prüfungsabteilung der Beschwerde gemäß Artikel 109 (1) EPÜ nicht abhalf, ist kein Beweis für ein "starres" oder "obstruktives" Verhalten der Prüfungsabteilung zu sehen, da die Beschwerdebegründung keine neuen Tatsachen oder Argumente enthält, die die Prüfungsabteilung hätten überzeugen müssen, daß die von ihr getroffene Entscheidung falsch sei. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin angeregt, der Großen Beschwerdekammer eine Frage vorzulegen, mit dem Zweck, die Grenzen des Ermessensspielraums einer Prüfungsabteilung im Hinblick auf Artikel 109 (1) EPÜ festzulegen. Die Kammer sieht aber hierin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die losgelöst von den speziellen Aspekten des Einzelfalls beantwortet werden kann. Die Vorlage einer diesbezüglichen Frage an die Große Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) EPÜ wäre daher unangebracht (vgl. T 967/91, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 6.2 der Entscheidungsgründe).
Die Kammer kommt nach alledem zu dem Ergebnis, daß eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr nicht gerechtfertigt ist (Regel 67 EPÜ).
4. Obwohl der beauftragte Prüfer in der Gesprächsnotiz vom 9. November 1995 festgehalten hat, daß er den Gegenstand eines Anspruchs 1, der dem vorliegenden Anspruch 1 im wesentlichen entspricht, damals für neu und erfinderisch halte, enthält die angefochtene Entscheidung den ausdrücklichen Hinweis, daß die Frage, ob die anderen Erfordernisse des EPÜ außer derjenigen des Artikels 123 (2) erfüllt seien, noch nicht geprüft worden sei. Aufgrund dieses Umstands macht die Kammer von ihrem Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.