European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1997:T100395.19970513 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Mai 1997 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1003/95 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90120275.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | F22D 1/40 F01K 7/40 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kraftwerksanlage | ||||||||
Name des Anmelders: | Asea Brown Boveri Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf den Gegenstand der am 23. Oktober 1990 eingereichten europäischen Patentanmeldung Nr. 90 120 275.4 wurde am 21. April 1993 das europäische Patent Nr. 0 424 864 erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent legte die Beschwerdegegnerin Einspruch ein und beantragte, das Patent zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patents gegenüber dem Stand der Technik naheliegend sei.
Zur Begründung verwies die Beschwerdegegnerin auf folgende Entgegenhaltungen:
(D1) "Fossil beheizte Dampfkraftwerke", Band 6 der "Handbuchreihe Energie", Köln 1986, Seiten 527 bis 533 und 606 bis 629
(D2) "VGB Kraftwerkstechnik" 69, Heft 5, Mai 1989, Seiten 483 bis 490
(D3) DE-A-1 426 443.
III. Durch Entscheidung vom 12. Oktober 1995, zur Post gegeben am 2. November 1995, widerrief die Einspruchsabteilung das Patent mit der Begründung, daß die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 3 nach Haupt- bzw. Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 19. Dezember 1995 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ging am 29. Februar 1996 ein.
V. Nach Erlaß einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11(2) VerfOBK vom 16. Januar 1997 wurde am 13. Mai 1997 mündlich verhandelt.
In der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag vor. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Kraftwerksanlage mit einer Dampfturbinenanlage (12), der in einem Dampferzeuger (10) durch Verbrennen von fossilem Brennstoff, vorzugsweise von Kohle, erzeugter Dampf zugeführt wird, mit einer vom Dampferzeuger (10) zu einer Ableitung in einem Kühlturm (31) verlaufenden Rauchgasleitung (30), mit einem in der Rauchgasleitung (30) hinter dem Dampferzeuger (10) befindlichen Luftvorwärmer (33), in dem die dem Dampferzeuger (10) zugeführte Frischluft vorgewärmt wird, mit einer zwischen dem Luftvorwärmer (33) und der Ableitung befindlichen Rauchgasentschwefelungsanlage (34) und mit einer Speisewasserleitung (21) zur Rückführung des aus dem Kondensator (19) der Dampfturbinenanlage austretenden Wassers in den Dampferzeuger (10), dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Luftvorwärmer (33) und der Rauchgasentschwefelungsanlage (34) eine Wärmetauschereinrichtung (35) vorgesehen ist, die dem Rauchgas Wärme entnimmt und damit der Speisewasserleitung (21) entnommenes Speisewasser erwärmt, das der Speisewasserleitung (21) wieder zugeführt wird."
"3. Kraftwerksanlage mit einer Dampfturbinenanlage (12), der in einem Dampferzeuger (10) durch Verbrennen von fossilem Brennstoff, vorzugsweise von Kohle, erzeugter Dampf zugeführt wird, mit einer vom Dampferzeuger (10) zu einer Ableitung in einem Kühlturm (31) verlaufenden Rauchgasleitung (30), mit einem in der Rauchgasleitung hinter dem Dampferzeuger befindlichen Luftvorwärmer (33), in dem die dem Dampferzeuger (10) zugeführte Frischluft vorgewärmt wird, mit einer zwischen dem Luftvorwärmer (33) und der Ableitung befindlichen Rauchgasentschwefelungsanlage (34) und mit einer Speisewasserleitung (21) zur Rückführung des aus dem Kondensator (19) der Dampfturbinenanlage austretenden Wassers in den Dampferzeuger (10), dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Luftvorwärmer (33) und der Rauchgasentschwefelungsanlage (34) eine Wärmetauschereinrichtung (41) vorgesehen ist, die dem Rauchgas Wärme entnimmt und damit ein Fernwärme übertragendes Fluid erwärmt, wobei die Wärmetauschereinrichtung (41) Teil eines Fernwärmenetzes (42, 43) ist."
Die Ansprüche 1 bzw. 3 gemäß Hilfsantrag unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 bzw. 3 gemäß Hauptantrag dadurch, daß jeweils in der zweiten Zeile der Wortlaut "von fossilem Brennstoff, vorzugsweise" gestrichen wurde.
VI. Zur Stützung ihrer Anträge bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:
Bei der Anlage gemäß (D1) handle es sich um ein Kombinationskraftwerk mit einer Gasturbinen- und einer Dampfturbinenanlage, das andere Parameter als ein Dampfturbinenkraftwerk, wie es erfindungsgemäß beansprucht sei, aufweise. Gemäß (D1) sei ein mit Dampf betriebener oder als Gasflächenbrenner ausgebildeter Luftvorwärmer vorgesehen, der zudem an einer anderen Stelle als nach der Erfindung eingebaut sei.
Der Fachmann werde an dem Modellkraftwerk Völklingen gemäß (D1) keine Modifizierungen vornehmen, ohne vorher Beweise über das Funktionieren der geänderten Anlage zu erhalten. Die Angaben auf Seite 530, Absatz 2 von (D1) hinsichtlich der Möglichkeit, mit Hilfe der Rauchgaseinleitung in einen Kühlturm das Wiederaufheizen des Rauchgases zu vermeiden, hielten den Fachmann unter Berücksichtigung der Aussage, daß die Ergebnisse der Erprobung im Modellkraftwerk Völklingen abzuwarten seien, von der Verwendung eines Kühlturmes wegen der damit verbundenen Risiken ab; er entscheide sich daher für einen Kamin in konventionell bewährter Ausführung. Bild 9.22 von (D1) zeige, daß das Rauchgas in den Schornstein mit einer Temperatur von 76 C eintrete.
Gemäß Seite 3, Absatz 3 des Streitpatents liege die Temperatur des der Rauchgasentschwefelungsanlage zuzuführenden Rauchgases vorzugsweise bei 75 C. Daraus folge, daß für den Fachmann keine Veranlassung bestanden habe, in der Rauchgasleitung einen weiteren Wärmetauscher einzubauen.
- In (D2) sei in dem mit "Kessel" bezeichneten Absatz ausgeführt, daß es sich bei dem verwendeten Kessel um eine neuartige Feuerung handle, die viele Probleme bereitet habe. Die erfinderische Tätigkeit sei beim Gegenstand des Streitpatents schon allein darin zu erblicken, daß der Erfinder sich über diese Schwierigkeiten hinweggesetzt habe. Die Erfindung sei vornehmlich in dem Konzept zu erblicken, bei einer mit fossilem Brennstoff betriebenen Kraftwerksanlage die Rauchgaswärme zwischen dem in der patentgemäßen Schaltungsanordnung vorgesehenen rauchgasbeheizten Luftvorwärmer und der Rauchgasentschwefelungsanlage für den Kraftwerksbetrieb zu nutzen, statt sie an die Umgebung abzugeben.
- (D3) betreffe eine Entgegenhaltung, die 20 Jahre vor dem Prioritätsdatum der Erfindung veröffentlicht worden sei. Der Fachmann beziehe einen Stand der Technik, der derart lange zurückliege, nicht in seine Überlegungen ein.
Bei Kombinationskraftwerken stelle sich die Frage des Einbaus des Luftvorwärmers in die Rauchgasleitung nicht, da die Erhitzung der Luft in der Brennkammer der Gasturbinenanlage erfolge.
VII. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Ihr Vorbringen läßt sich wie folgt zusammenfassen:
- Aus (D1), Kapitel 9.3, Seite 530 gehe die Rauchgaseinleitung in einen Kühlturm zum Zweck der Vermeidung des Wiederaufheizens der Rauchgase bei dem Modellkraftwerk Völklingen klar hervor. Die Erhöhung des Wirkungsgrads einer Kraftwerksanlage durch Verringerung der Wärmeverluste sei, wie Kapitel 9.3 von (D1) zeige, ein grundsätzliches Ziel des Fachmanns. Dies gelte für reine Dampfturbinenkraftwerke wie für Kombinationskraftwerke in gleicher Weise. Der Fachmann verknüpfe Kapitel 9 mit Kapitel 10 von (D1), da ersteres grundsätzliche Überlegungen zur Erhöhung des Wirkungsgrades eines Kraftwerkes enthalte und letzteres das als Versuchs- und Demonstrationsanlage konzipierte Modellkraftwerk Völklingen betreffe, bei dem die Frage der Optimierung der Energieerzeugung im Vordergrund stehe.
- Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, daß sich bei Kombinationskraftwerken die Frage des Einbaus des Luftvorwärmers in die Rauchgasleitung nicht stelle, treffe nicht zu; dies werde z. B. durch (D2) oder (D3) belegt.
Es sei im vorliegenden Fall zu beachten, daß der Fachmann auf mehreren verschiedenen Wegen in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 3 gelange, nämlich durch die Lehre nach (D1), Kapitel 9 in Verbindung mit Kapitel 10, oder durch eine Zusammenfassung von (D1) und (D2) bzw. von (D1) und (D3).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag:
2.1. Neuheit
2.1.1. Der dem Gegenstand von Anspruch 1 bzw. 3 nächstkommende Stand der Technik wird durch (D1) (Bezeichnung der Entgegenhaltungen entsprechend der angefochtenen Entscheidung) beschrieben.
Diese Entgegenhaltung offenbart gemäß Bild 10.43 auf Seite 629 eine Kraftwerksanlage mit einer Dampfturbinenanlage (1), der in einem Dampferzeuger (4) durch Verbrennen von fossilem Brennstoff erzeugter Dampf zugeführt wird, mit einer vom Dampferzeuger zu einer Ableitung in einem Kühlturm (35) verlaufenden Rauchgasleitung, mit einem Luftvorwärmer (21), in dem die dem Dampferzeuger zugeführte Frischluft vorgewärmt wird, mit einer vor der Ableitung befindlichen Rauchgasentschwefelungsanlage (34) und mit einer Speisewasserleitung (10, 11, 7, 8) zur Rückführung des aus dem Kondensator (2) der Dampfturbinenanlage austretenden Wassers in den Dampferzeuger, wobei zwischen dem Luftvorwärmer und der Rauchgasentschwefelungsanlage eine Wärmetauschereinrichtung (8) vorgesehen ist, die dem Rauchgas Wärme entnimmt und damit der Speisewasserleitung entnommenes Speisewasser erwärmt, das der Speisewasserleitung wieder zugeführt wird. Die Luftvorwärmung erfolgt bei dieser Anlage unter Nutzung von aus der Turbinenanlage entnommenem Dampf bzw. mit Hilfe eines Gasflächenbrenners (22, 23).
2.1.2. Anspruch 1 unterscheidet sich von der Kraftwerksanlage gemäß (D1) dadurch, daß der Luftvorwärmer in der Rauchgasleitung hinter dem Dampferzeuger angeordnet ist und daß die Rauchgasentschwefelungsanlage sich zwischen dem Luftvorwärmer und der Ableitung befindet.
Anspruch 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 dadurch, daß die stromaufwärts der Rauchgasentschwefelungsanlage im Rauchgaskessel angeordnete Wärmetauschereinrichtung anstatt zur Erwärmung des Speisewassers zur Erwärmung eines Fernwärme übertragenden Fluids dient, wobei die Wärmetauschereinrichtung Teil eines Fernwärmenetzes ist. Dieses unterschiedliche Merkmal ist ebenfalls durch (D1) bekannt (vgl. "Rauchgaswärmetauscher 16" und "Heizvorwärmer 13" sowie Fernwärmeschiene Saar" in Bild 10.43).
Anspruch 3 weist somit gegenüber (D1) ebenfalls die oben im Zusammenhang mit Anspruch 1 genannten unterschiedlichen Merkmale auf.
2.1.3. Aus Vorstehendem folgt unmittelbar, daß der Gegenstand von Anspruch 1 bzw. 3 neu ist. Da die Frage der Neuheit zwischen den Parteien nicht umstritten war, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
2.2. Erfinderische Tätigkeit
2.2.1. Gemäß dem einleitenden Teil der Beschreibung des Streitpatents wird bei einem herkömmlichen kohlebefeuerten Kraftwerk mit einer Rauchgasentschwefelungsanlage, bei dem das Rauchgas über einen Kamin abgeleitet wird, die Rauchgaswärme zwischen dem Luftvorwärmer und der Rauchgasentschwefelungsanlage zur Wiederaufheizung der Rauchgase nach der Rauchgasentschwefelungsanlage verwendet, wobei diese zur Aufheizung des Rauchgases für den Kamin benutzte Wärme mit dem Rauchgas an die Umgebung abgegeben wird. Daraus leitet sich die im Streitpatent angegebene Aufgabe her, eine Kraftwerksanlage der genannten Art zu schaffen, bei der dieser Nachteil vermieden ist. Wie weiter in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ausgeführt ist, ist bei Verwendung eines Kühlturms zur Rauchgasableitung eine Wiederaufheizung der Rauchgase nach der Rauchgasentschwefelungsanlage nicht erforderlich, d. h. die zwischen dem Luftvorwärmer und der Rauchgasentschwefelungsanlage abzuführende Wärmemenge kann für andere Zwecke verwendet werden.
Die angegebene Aufgabe ist bei der durch (D1) bekannten Kraftwerksanlage bereits gelöst, da dort die Lehre erteilt wird, eine Möglichkeit, das Wiederaufheizen des Rauchgases zu vermeiden, sei bei Verzicht auf den Schornstein die Rauchgaseinleitung in den Kühlturm.
Im folgenden ist daher zu prüfen, welche technische Aufgabe ausgehend von dem nächstkommenden Stand der Technik durch den Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 3 tatsächlich gelöst wird.
2.2.2. Basierend auf den in Abschnitt 2.2 genannten unterschiedlichen Merkmalen von Anspruch 1 bzw. 3 gegenüber (D1) kann die objektiv zugrundeliegende Aufgabe darin erblickt werden, die bekannte Kraftwerksanlage derart abzuändern, daß die in den Rauchgasen gespeicherte Wärme einer umfassenden Nutzung zugeführt wird, wobei eine einwandfreie Entschwefelung der Rauchgase beibehalten werden soll.
Die nach Anspruch 1 bzw. 3 vorgesehenen Maßnahmen, nämlich insbesondere die Anordnung des Luftvorwärmers in der Rauchgasleitung hinter dem Dampferzeuger unter Verzicht auf die Betreibung des Luftvorwärmers mit abgezapftem Dampf bzw. mit Hilfe eines Gasbrenners und die Beibehaltung der Rauchgasentschwefelungsanlage in Verbindung mit der Rauchgaseinleitung in den Kühlturm, führen zur Lösung dieser Aufgabe.
Die objektiv zugrundeliegende Aufgabe wurde dabei so formuliert, daß sie keine Hinweise auf die anmeldungs- bzw. patentgemäße Lösung enthält (vgl. z. B. T 229/85, ABl. EPA 1987, 237). Die Verringerung der Wärmeverluste des Rauchgasstroms und damit die Erhöhung des Wirkungsgrades der Kraftwerksanlage stellt ein Ziel dar, das der Fachmann generell im Auge behält, wie z. B. aus (D1), vgl. Abschnitt 9.3 "Möglichkeiten zur Verringerung von Verlusten" und Abschnitt 9.3.1.1 "Feuerungs- und Abgasverlust", insbesondere die Passage "Der Hauptverlust eines Dampferzeugers ist der Abgasverlust ..." sowie aus (D3) , Seite 3, Absatz 2 ersichtlich ist. Der weitere Aufgabenaspekt, die Anlage so zu gestalten, daß eine einwandfreie Entschwefelung der Rauchgase aufrechterhalten wird, stellt sich bei Rauchgasentschwefelungsanlagen grundsätzlich und ergibt sich überdies aus den Bestimmungen über den Umweltschutz.
Die Aufgabe übersteigt somit nicht die dem Fachmann auf dem Gebiet des Kraftwerksanlagenbaus geläufigen Zielsetzungen.
2.2.3. Der Fachmann, der bei der Suche nach Lösungen der zugrundeliegenden Aufgabe auf (D3) stößt, ist veranlaßt, diese Entgegenhaltung näher zu untersuchen, da sie eine Kraftwerksanlage betrifft, die eine Dampfturbinenanlage aufweist und bei der das Problem der weitgehenden Verwertung der Rauchgaswärme gelöst werden soll (vgl. Seite 2, Absatz 2 und Seite 3, Absatz 2 von (D3).
Diese Entgegenhaltung (vgl. die Figuren 1 und 2 sowie Anspruch 1) vermittelt dem Fachmann die Lehre, daß er in die Rauchgasleitung hinter dem Dampferzeuger, neben dem Speisewasservorwärmer den Luftvorwärmer einbauen kann. Wenn, wie bei der Nutzung von fossilen Brennstoffen mit hohem Schwefelgehalt, eine Rauchgasentschwefelungsanlage gefordert wird, wird der Fachmann diese entsprechend der Anordnung nach (D1) unmittelbar vor der Ableitung, also bei der Anlage nach (D3) zwischen dem Luftvorwärmer und der Ableitung, beibehalten. Als Beweggrund für diese Modifikation der Anlage gemäß (D1) verspricht sich der Fachmann eine weitgehende Nutzung der Rauchgaswärme, ohne daß er eine Beeinträchtigung der in (D1) beschriebenen Rauchgasentschwefelungsanlage in Verbindung mit dem dort verwendeten Kühlturm zu befürchten hat.
2.2.4. Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß es sich bei der Anlage gemäß (D1) bzw. (D3) um ein Kombinationskraftwerk handle, das andere Charakteristiken aufweise als die erfindungsgemäße Dampfturbinenkraftwerksanlage.
Zunächst ist hierzu zu bemerken, daß Anspruch 1 bzw. 3 sich nicht auf eine Dampfturbinenkraftwerksanlage, sondern auf eine "Kraftwerksanlage mit einer Dampfturbinenanlage" bezieht; bei einer solchen Anlage ist gemäß der gewählten Formulierung lediglich erforderlich, daß die Kraftwerksanlage eine Dampfturbinenanlage aufweist, wobei das Vorhandensein von weiteren bei Kraftwerksanlagen üblichen Komponenten, wie etwa eine Gasturbinenanlage, durch den Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen ist.
Im übrigen stellt sich die zugrundeliegende Aufgabe der optimalen Nutzung der Rauchgaswärme zur Wirkungsgradverbesserung bei Kraftwerksanlagen, die als Turbomaschine ausschließlich eine Dampfturbinenanlage aufweisen, in gleicher Weise wie bei Kombinationskraftwerksanlagen; denn es ist diesbezüglich nur relevant, auf welche Weise und in welchem Umfang die Rauchgaswärme einer sinnvollen Wiederverwendung zugeführt wird, ungeachtet der Frage, ob die Erhitzung des Arbeitsgases in einem Dampferzeuger, in einer Gasturbinenbrennkammer oder in beiden Komponenten vorgenommen wurde.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin stellt sich auch bei Kombinationskraftwerken die Frage des Einbaus eines Luftvorwärmers in die Rauchgasleitung, da auch bei diesem Kraftwerkstyp die aus dem Rauchgas gewonnene Energie dazu beiträgt, bei der Aufheizung der Luft in der Brennkammer Brennstoff einzusparen (vgl. z. B. (D2), Bild 2 oder (D3), Figur 1 bzw. 2).
Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Fachmann werde an dem Modellkraftwerk Völklingen gemäß (D1) keine technischen Modifizierungen vornehmen, ohne vorher Beweise über das Funktionieren einer abgeänderten Anlage zu erhalten, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Wie die Beschwerdegegnerin unter Hinweis auf Abschnitt 10.6.1 von (D1) ausführte, ist das Modellkraftwerk Völklingen als Versuchs- und Demonstrationsanlage für einen neuen Kraftwerktyp auf Steinkohlebasis entworfen. Aus den weiteren Ausführungen in der vorstehend genannten Passage geht hervor, daß die Schaltung der Kraftwerksanlage so aufgebaut ist, daß die Hauptkomponenten in unterschiedlicher Weise kombiniert, aber auch getrennt betrieben werden können. Diese Ausführungen sind als klarer Hinweis darauf zu werten, daß es sich bei dem Modellkraftwerk Völklingen um eine Anlage handelt, bei der der Fachmann von vornherein die Anregung erhält, Modifikationen an dem Anlagenschaltplan gemäß Bild 10.43 zur Optimierung der Anlage für den jeweiligen Einsatzzweck vorzunehmen.
Die Beschwerdeführerin trägt außerdem vor, die Angaben auf Seite 530, Absatz 2 von (D1) im Hinblick auf die Möglichkeit, mit Hilfe der Rauchgaseinleitung in einen Kühlturm das Wiederaufheizen des Rauchgases zu vermeiden, hielten den Fachmann von der Verwendung eines Kühlturms ab. Die an dieser Stelle von (D1) getroffene Aussage" ... Dieses Verfahren erfordert eine korrosionsfeste Beschichtung des Kühlturms und seiner Einbauten. Die Ergebnisse der Erprobung im Modellkraftwerk Völklingen sind abzuwarten." besagt, daß das Verfahren der Rauchgaseinleitung in den Kühlturm einerseits vorteilhaft ist, da damit das Wiederaufheizen des Rauchgases vermieden werden kann, daß andererseits aber eine korrosionsfeste Beschichtung des Kühlturms und seiner Einbauten erforderlich wird, worin dem Fachmann der Nachteil erhöhter Anlagekosten vor Augen geführt wird. Die weitere Aussage, daß die Ergebnisse der Erprobung im Modellkraftwerk Völklingen abzuwarten sind, bedeutet, daß Vor- und Nachteile der Rauchgaseinleitung in den Kühlturm an Hand der praktischen Erfahrungen mit dem Betrieb der Anlage gegeneinander abzuwägen sind; sie enthält jedoch keine Basis für die Auffassung, dem Fachmann werde damit von der Verwendung eines Kühlturms abgeraten. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die o. g. Stelle in (D1) dem Fachmann die Lehre vermittelt, daß die Einleitung des Rauchgases in den Kühlturm eine Möglichkeit darstellt, das Wiederaufheizen des Rauchgases zu vermeiden, wobei es in sein Ermessen gestellt ist, im jeweiligen Anwendungsfall nach Abwägen des "Pro" und des "Kontra" von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Schließlich führt die Beschwerdeführerin noch aus, der Fachmann ziehe (D3) nicht in Betracht, da diese Entgegenhaltung 20 Jahre vor dem Prioritätsdatum der Erfindung veröffentlicht worden sei.
Hierzu ist zu bemerken, daß das Zeitmoment allein, insbesondere das Alter einer Entgegenhaltung, nicht für die Anerkennung eines Indizes im Sinne des Vorliegens von erfinderischer Tätigkeit maßgebend ist. Es muß der Nachweis noch hinzukommen, daß während dieser langen Zeit ein dringendes unbefriedigtes Bedürfnis bestand, dem durch die Erfindung entsprochen wurde (vgl. Singer, EPÜ, Artikel 56 Rdn. 13, Carl Heymanns Verlag 1989). Dieser Nachweis wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht erbracht. Im übrigen ist im Stand der Technik z. B. durch (D2), Bild 2, belegt, daß kurze Zeit vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents die Maßnahme der Wirkungsgradverbesserung durch Nutzung der Rauchgaswärme für Zwecke der Speisewasser- und Luftvorwärmung in der Fachwelt wiederum aufgegriffen wurde. Es ist somit davon auszugehen, daß ein derartiges, über einen langen Zeitraum unbefriedigtes Bedüfnis nicht nachgewiesen werden kann. Die Zeitspanne von 20 Jahren zwischen dem Veröffentlichungsdatum von (D3) und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ist daher als Indiz für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit nicht tauglich.
2.2.5. Zusammenfassend folgt aus vorstehenden Darlegungen, daß die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (Artikel 56 EPÜ) und diese Ansprüche daher keinen Rechtsbestand haben (Artikel 52 (1) EPÜ).
Mit dem Anspruch 1 fällt auch der auf diesen rückbezogene Anspruch 2, da über einen Antrag nur in seiner Gesamtheit zu entscheiden ist.
3. Hilfsantrag:
Die Ansprüche 1 und 3 gemäß Hilfsantrag unterscheiden sich von den entsprechenden Ansprüchen gemäß Hauptantrag jeweils dadurch, daß sie eine Kraftwerksanlage mit Verbrennung von Kohle zur Dampferzeugung anstatt mit Verbrennung von fossilem Brennstoff betreffen.
Die nächstkommende Entgegenhaltung (D1), die sich mit fossil beheizten Dampfkraftwerken befaßt, nennt als dominierenden Brennstoff solcher Kraftwerksanlagen den Energieträger Kohle (vgl. Abschnitt 9.3.1 auf Seite 527).
Damit gelten hinsichtlich der Fragen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit für den Hilfsantrag die zum Hauptantrag gemachten Ausführungen mit dem Ergebnis, daß die Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag ebenfalls nicht bestandsfähig sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.