T 0917/95 (Rohrfördergurt/PHOENIX) of 1.8.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T091795.20010801
Datum der Entscheidung: 01 August 2001
Aktenzeichen: T 0917/95
Anmeldenummer: 89105926.3
IPC-Klasse: B65G 15/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rohrfördergurt
Name des Anmelders: PHOENIX AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Bridgestone Corporation
Continental Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

Eine an einem "inter partes"-Verfahren beteiligte Patentinhaberin, die vor der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch aber keine angepaßte Beschreibung eingereicht hat und an der mündlichen Verhandlung nicht teilnimmt, kann sich nicht darauf verlassen, daß die Beschwerdekammer, selbst wenn dieser neue Anspruch gewährbar wäre, die Endentscheidung aufschiebt, nur um der abwesenden Patentinhaberin die Möglichkeit zu geben, die Beschreibung anzupassen.

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0725/00
T 0109/02
T 0181/02
T 1810/06
T 2294/08

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 336 385 wurden zwei Einsprüche eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung widerrief mit ihrer am 11. Oktober 1995 zur Post gegebenen Entscheidung das Patent.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 14. November 1995 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, am 22. November 1995 die Beschwerdegebühr eingezahlt und am 16. Februar 1996 die Beschwerde begründet.

Mit der Beschwerdebegründung stützte die Beschwerdeführerin ihren Hauptantrag auf die mit der Bezeichnung "X" versehenen Unterlagen, welche die geänderten Ansprüche 1 bis 5, eine angepaßte Beschreibung (Spalten 1 bis 5 und Seite 2a) und angepaßte Zeichnungen (Figuren 1 bis 8) umfassen, und ihren ersten Hilfsantrag auf die mit der Bezeichnung "Y" versehenen Unterlagen, welche den geänderten Anspruch 1, eine angepaßte Beschreibung (Spalten 1 bis 5 und Seiten 2a und 3a) und angepaßte Zeichnungen (Figuren 4 und 6 bis 8) umfassen.

Der dem Hauptantrag entsprechende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Fördergurt aus Gummi oder gummiähnlichem Kunststoff mit in Längsrichtung verlaufenden eingebetteten Zugträgern, die sich im wesentlichen über die gesamte Fördergurtbreite erstrecken und die im Bereich der Längsränder (A-Bereich) einen anderen Aufbau aufweisen als im Restgurtbereich (B-Bereich), wobei der Gurt durch Überlappung seiner Längsränder (A-Bereich) zu einem Rohrfördergurt schließbar ist, der sich ringsum an Tragrollen abstützt, wobei die Zugträger ausschließlich aus Stahl-Seilen oder Stahl-Einzelcorden bestehen, u.z. nach einer der folgenden Aufbau-Varianten:

(Ia) Die Zugträger (2, 5) im A-Bereich haben einen größeren Durchmesser als die Zugträger (3, 6) im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Abstand zueinander haben;

(Ib) die Zugträger (11) im A-Bereich haben einen kleineren Durchmesser als die Zugträger (12) im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Abstand zueinander haben;

(Ic) die Zugträger (14, 17, 28) im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander als die Zugträger (15, 18, 29) im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser aufweisen;

(Id) die Zugträger im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander als die im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser aufweisen;

(Ie) die Zugträger im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser als die im B-Bereich;

(If) die Zugträger im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander und einen größeren Durchmesser als die im B-Bereich;

(Ig) die Zugträger im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander und einen größeren Durchmesser als die im B-Bereich;

(Ih) die Zugträger (20, 23) im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser als die Zugträger (21, 24) im B-Bereich;

wobei zusätzlich zu den Zugträgern eine hochdehnfähige Synthesecord-Querarmierung vorhanden ist, die sich über die gesamte Gurtbreite und/oder nur über den A- bzw. B-Bereich erstreckt."

Der dem ersten Hilfsantrag entsprechende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Fördergurt aus Gummi oder gummiähnlichem Kunststoff mit in Längsrichtung verlaufenden eingebetteten Zugträgern, die sich im wesentlichen über die gesamte Fördergurtbreite erstrecken und die im Bereich der Längsränder (A-Bereich) einen anderen Aufbau aufweisen als im Restgurtbereich (B-Bereich), wobei der Gurt durch Überlappung seiner Längsränder (A-Bereich) zu einem Rohrfördergurt schließbar ist, der sich ringsum an Tragrollen abstützt, wobei die Zugträger ausschließlich aus Stahl-Seilen oder Stahl-Einzelcorden bestehen, u.z. nach einer der folgenden Aufbau-Varianten:

(Ia) Die Zugträger im A-Bereich haben einen größeren Durchmesser als die Zugträger im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Abstand zueinander haben;

(Ib) die Zugträger im A-Bereich haben einen kleineren Durchmesser als die Zugträger im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Abstand zueinander haben;

(Ic) die Zugträger (14, 28) im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander als die Zugträger (15) im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser aufweisen;

(Id) die Zugträger im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander als die im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser aufweisen;

(Ie) die Zugträger im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser als die im B-Bereich;

(If) die Zugträger im A-Bereich haben einen kleineren Abstand zueinander und einen größeren Durchmesser als die im B-Bereich;

(Ig) die Zugträger im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander und einen größeren Durchmesser als die im B-Bereich;

(Ih) die Zugträger (20, 23) im A-Bereich haben einen größeren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser als die Zugträger (21, 24) im B-Bereich;

wobei zusätzlich zu den Zugträgern eine hochdehnfähige Synthesecord-Querarmierung vorhanden ist, und zwar nach einer der drei Varianten:

- Zwischen den Zugträgern und der Gurtinnenfläche befindet sich eine Querarmierung, die sich nur über den B-Bereich erstreckt;

- zwischen den Zugträgern und der Gurtaußenfläche befindet sich eine Querarmierung (25, 26), die sich nur im A-Bereich befindet;

- zwischen den Zugträgern und der Gurtinnen- sowie der Gurtaußenfläche befindet sich eine Querarmierung, wobei sich die Innenquerarmierung (30) über die gesamte Gurtbreite erstreckt, während die Außenquerarmierung (31, 32) nur im A-Bereich vorhanden ist."

III. Mit einer der Ladung für die mündliche Verhandlung beigefügten, am 3. April 2001 zur Post gegebenen Mitteilung wies die Kammer darauf hin, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag - u. a. ausgehend von der Druckschrift JP-Y-44 806 (D6) und im Hinblick auf die Druckschrift FR-A-1 395 713 (D4) und auf den Artikel vom H.-P. Lachmann "Zum Stand der Fördergurtentwicklung (I)", in "dhf 1/77", Seiten [19]33 bis [23]37 (Druckschrift D3) - nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend hätte angesehen werden können (vgl. Abschnitt 2.3 dieser Mitteilung).

Mit dieser Mitteilung wies die Kammer auch darauf hin, daß ausgehend von der Druckschrift D4 und im Hinblick auf die Druckschrift D3 der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags (vgl. Abschnitt 3 dieser Mitteilung) nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend hätte angesehen werden können.

Mit derselben Mitteilung (vgl. Abschnitt 5) wies die Kammer außerdem darauf hin, daß keine Übereinstimmung zwischen dem Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. des ersten Hilfsantrags einerseits und der Beschreibung und den Zeichnungen andererseits bestand (Artikel 84 und Regel 27. EPÜ).

IV. Mit ihrem Schreiben vom 26. Juni 2001 teilte die Beschwerdeführerin ihre Absicht mit, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Mit diesem Schreiben wurde ein bezüglich des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag bzw. dem ersten Hilfsantrag weiter eingeschränkter, mit der Bezeichnung "Z" versehener Anspruch 1 eingereicht, auf den die Beschwerdeführerin ihren zweiten Hilfsantrag stützte.

Der dem zweiten Hilfsantrag entsprechende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Fördergurt aus Gummi oder gummiähnlichem Kunststoff mit in Längsrichtung verlaufenden eingebetteten Zugträgern, die sich im wesentlichen über die gesamte Fördergurtbreite erstrecken und die im Bereich der Längsränder (A-Bereich) einen anderen Aufbau aufweisen als im Restgurtbereich (B-Bereich), wobei der Gurt durch Überlappung seiner Längsränder (A-Bereich) zu einem Rohrfördergurt (22, 27) schließbar ist, der sich ringsum an Tragrollen abstützt, wobei die Zugträger ausschließlich aus Stahl-Seilen oder Stahl-Einzelcorden bestehen, wobei zusätzlich zu den Zugträgern eine hochdehnfähige Synthesecord-Querarmierung vorhanden ist, dadurch gekennzeichnet, daß

- die Zugträger (23) im A-Bereich einen größeren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser haben als die Zugträger (24) im B-Bereich, wobei sich die Querarmierung (25, 26) nur im A-Bereich zwischen den Zugträgern und der Gurtaußenfläche befindet;

oder

- die Zugträger (28) im A-Bereich einen kleineren Abstand zueinander haben als die Zugträger (29) im B-Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser aufweisen, wobei ferner die Querarmierung eine zwischen den Zugträgern und der Gurtinnenfläche sowie der Gurtaußenfläche sich befindende Innen- und Außenquerarmierung umfaßt, wobei sich wiederum die Innenquerarmierung (30) über die gesamte Gurtbreite erstreckt, während die Außenquerarmierung (31, 32) nur im A-Bereich vorhanden ist."

V. Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 26. Juni 2001 enthält die folgende Angabe:

"Eine angepaßte Beschreibung wird bis zur Entscheidung über die drei Anträge zurückgestellt".

Mit einem am 24. Juli 2001 per FAX abgesendeten Bescheid, wies die Kammer darauf hin, daß sie beabsichtigte, am Ende der mündlichen Verhandlung eine endgültige Entscheidung zu treffen und daß aufgrund der damaligen Aktenlage die Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen war, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, weil die Beschreibung und die Zeichnungen nicht an die geänderten Ansprüche angepaßt worden waren und sich auf Gegenstände bezogen, die nicht mehr beansprucht waren.

VI. Am 1. August 2001 wurde mündlich verhandelt. Für die Beschwerdeführerin war niemand anwesend. Es wurde festgestellt, daß sie ordnungsgemäß geladen war. Das Verfahren wurde ohne sie fortgesetzt (Regel 71 (2) EPÜ).

VII. Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) haben im wesentlichen vorgetragen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags bzw. des ersten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

In bezug auf den Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hat die Beschwerdegegnerin II vorgetragen, daß der Fachmann - ausgehend von der Druckschrift JP-Y-44-806 (D6) und im Hinblick auf die Druckschriften D4 und D3 bzw. WO-A-81/01697 (D18) - ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem ersten Hilfsantrag komme.

Auch bezüglich des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags haben die Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, daß der Gegenstand dieses Anspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Bezüglich dieses Hilfsantrages haben sie darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin weder die Gründe angegeben habe, aus welchen der mit diesem Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand als erfinderisch hätte angesehen werden können, noch eine angepaßte Beschreibung vorgelegt habe.

VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufgrund der mit dem Schreiben vom 16. Februar 1996 eingereichten, mit dem Buchstaben "X" bezeichneten Unterlagen (Hauptantrag) aufrechtzuerhalten (nämlich, Ansprüche 1 bis 5; Beschreibung, Spalten 1 bis 5 und Seite 2a (Einfügung in Spalte 3); Figuren 1 bis 8).

Hilfsweise beantragt die Beschwerdeführerin, das Patent aufrechtzuerhalten

entweder (erster Hilfsantrag) aufgrund der mit dem Schreiben vom 16. Februar 1996 eingereichten, mit dem Buchstaben "Y" bezeichneten Unterlagen (nämlich Anspruch 1; Beschreibung, Spalten 1 bis 5 und Seiten 2a und 3a (Einfügungen in Spalte 3); Figuren 4 und 6 bis 8),

oder (zweiter Hilfsantrag) aufgrund des mit dem Schreiben vom 26. Juni 2001 eingereichten, mit dem Buchstabe "Z" bezeichneten Anspruchs 1.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der beanspruchte Gegenstand

2.1. Mit dem Begriff "Zugträger" sind im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag bzw. den beiden Hilfsanträgen die strukturellen Elemente bezeichnet, welche die Längsarmierung des Gurtes bilden.

2.2. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag definiert einen Fördergurt, bei dem die Zugträger im Bereich der Längsränder (A-Bereich) einen anderen Aufbau haben als im Restgurtbereich (B-Bereich). Der Anspruch 1 umfaßt acht verschiedene Aufbauvarianten der Zugträger (Ia bis Ih). Jede dieser Aufbauvarianten trägt mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 dazu bei, einen unabhängigen Gegenstand zu definieren.

Man kann aufgrund der Angaben in Spalte 3, Zeilen 29 bis 54. der Beschreibung des erteilten Patentes davon ausgehen, daß die Aufbauvarianten Ia, Ic und If bzw. Ib, Id, Ih es ermöglichen, daß der "Schwerpunkt der Zugkraftwirkung" eindeutig im A-Bereich bzw. im B-Bereich liegt.

2.3. Der Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag bezieht sich nicht nur auf die oben genannten acht Aufbauvarianten (Ia bis Ih) der Zugträger, sondern auch auf die folgenden drei Varianten der Querarmierung:

Qa) eine Querarmierung, die sich zwischen den Zugträgern und der Gurtinnenfläche befindet und sich nur im B-Bereich erstreckt,

Qb) eine Querarmierung, die sich zwischen den Zugträgern und der Gurtaußenfläche befindet und sich nur im A-Bereich erstreckt,

Qc) eine Querarmierung, die sich zwischen den Zugträgern und der Gurtinnen- sowie der Gurtaußenfläche befindet, wobei sich die Innenquerarmierung über die gesamte Gurtbreite erstreckt, während die Außenquerarmierung nur in den Randbereichen (A-Bereich) vorhanden ist.

Diese drei Varianten der Querarmierung tragen in Verbindung mit den acht Aufbauvarianten der Zugträger dazu bei, vierundzwanzig verschiedene Gegenstände zu definieren.

2.4. Der Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag beinhaltet nur noch zwei Aufbauvarianten (Ih und Ic) der Zugträger und zwei Varianten (Qb und Qc) der Querarmierung, die so miteinander verknüpft sind, daß sie zwei unabhängige Gegenstände definieren, die sich ausschließlich auf die Ausführungsformen gemäß den Figuren 7 und 8 des Patentes beziehen.

3. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin

3.1. Mit der am 3. April 2001 zur Post gegebenen Mitteilung hat die Kammer der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß sie die Auffassung vertrat, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht (siehe den vorstehenden Abschnitt III).

Die Beschwerdeführerin hat zu diesen Einwänden der Kammer nicht Stellung genommen.

Daher sieht die Kammer keinen Grund, ihre Meinung bezüglich des Hauptantrags zu ändern.

3.2. Dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin kann somit nicht stattgegeben werden.

4. Der erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin

4.1. Die Druckschrift D6, für die eine Übersetzung (D'6) ins Englische eingereicht wurde, bezieht sich auf eine Rohrfördergurt-Anlage mit einem Fördergurt mit in Längsrichtung verlaufenden eingebetteten Zugträgern 1, die sich in wesentlichen über die gesamte Fördergurtbreite erstrecken und die aus Seilen bestehen. Der Fördergurt ist durch Überlappung seiner Längsränder zu einem Rohrfördergurt schließbar, der sich ringsum an Tragrollen 3 abstützt. Im Bereich der Längsränder weisen die Zugträger einen anderen Aufbau als im Restgurtbereich auf, indem die Zugträger im Bereich der Längsränder eine größere Dehnungsfähigkeit als die Zugträger im Restgurtbereich haben.

4.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrages unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch,

i) daß die Zugträger aus Stahl-Seilen oder Stahl-Einzelcorden bestehen;

ii) daß die Zugträger - zur Erzielung der größeren Dehnungsfähigkeit der Längsränder bezüglich des mittleren Teils des Gurtes - nach einer der Aufbauvarianten Ib, Id oder Ih ausgebildet sind; und

iii) daß zusätzlich zu den Zugträgern eine hochdehnfähige Synthesecord-Querarmierung vorhanden ist, und zwar nach einer der drei Varianten Qa, Qb oder Qc (siehe den vorstehenden Abschnitt 2.3).

4.3. Die Aufgabe, die in der Beschreibung des Patentes angegeben ist, besteht darin, "einen Fördergurt zu schaffen, der sich bei einem einfachen Grundaufbau der Gurteinlagen durch hohe Zugfestigkeit und hohe Flexibilität auszeichnet und dessen Zwangsführung zur Rohrform durch bloßes Überlappen (d. h. ohne zusätzliche Verbindungsmittel) und ihre Beibehaltung erleichtert wird". Die Kammer stellt fest, daß diese Aufgabe sehr allgemein ist und daher zu jedem der verschiedenen Gegenstände paßt, die durch den Anspruch 1 definiert sind.

4.3.1. Bezüglich der Wirkungen bzw. der Vorteile, die aufgrund der Maßnahmen nach den Abschnitten 4.2.i), 4.2.ii) und 4.2.iii) erreicht werden, möchte die Kammer folgendes feststellen:

i) Es geht aus der Übersetzung D'6 nicht hervor, aus welchem Material die Zugträger bestehen. Die Maßnahme nach dem Abschnitt 4.2.i) stellt daher die Wahl des Materials für die Zugträger dar. Durch die Wahl von Stahlseilen können Vorteile erreicht werden, die auf die Eigenschaften des Stahls zurückzuführen sind, wie z. B. eine hohe Zugfestigkeit der Zugträger.

ii) Die Übersetzung D'6 weist auf zwei Möglichkeiten zur Erzielung einer größeren Dehnungsfähigkeit der Längsränder bezüglich des mittleren Teils des Gurtes hin, nämlich auf die Verwendung von Seilen, die entweder verschiedene Verdrehungen ("twisting") aufweisen oder aus verschiedenen Materialien bestehen. Die Maßnahmen nach dem Abschnitt 4.2.ii) stellen daher nur die Wahl anderer Möglichkeiten dar, diesen Zweck zu erreichen.

iii) Durch die Querarmierung wird ein besserer Schutz des Fördergurtes gegen Beschädigungen infolge von äußeren Beanspruchungen erreicht, und zwar durch die Variante Qa gegen Aufschlagbeschädigungen im Muldenbereich (d. h. im Restgurt- oder mittleren Bereich), durch die Variante Qb gegen Verschleißbeschädigungen in den Randbereichen, d. h. in den Überlappungsbereichen, und durch die Variante Qc gegen Aufschlag- und Verschleißbeschädigungen.

4.4. Es ist zu bemerken, daß es weder ersichtlich ist, noch von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht wurde, daß die Maßnahmen nach den Abschnitten 4.2.i), 4.2.ii) und 4.2.iii) sich wechselseitig zur Erzielung einer kombinatorischen Wirkung unterstützen.

Für die Beurteilung der Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, kann daher jede der drei unterschiedlichen Maßnahmen nach den Abschnitten 4.2.i), 4.2.ii) und 4.2.iii) für sich betrachtet und unabhängig von den anderen behandelt werden.

Im Hinblick auf die Ausführungen im Abschnitt 2.3 kann diese Frage nur dann bejaht werden, wenn alle verschiedenen vierundzwanzig Gegenstände, die der Anspruch 1 definiert, als erfinderisch anzusehen sind. Im Umkehrschluß, kann dem ersten Hilfsantrag nicht stattgegeben werden, wenn nur einer dieser Gegenstände als nicht erfinderisch angesehen wird.

4.5. Die Wahl von Stahlseilen ist eine übliche Maßnahme im Gebiet der Herstellung von Fördergurten. Dies ist durch die Druckschrift D1 (Contitechnik; Transportband-Dienst; "Fördergurt Berechnungen", R. Alles, Continental Gummi-Werke AG, Hannover, 2. Auflage 1985) oder durch die Druckschrift D3 dargelegt. Es ist daher für den Fachmann naheliegend, bei dem Fördergurt nach der Druckschrift D6 Stahlseile als Zugträger einzusetzen. Die Maßnahme nach dem Abschnitt 4.2.i) läßt daher das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht erkennen.

Bezüglich der Maßnahmen nach Abschnitt 4.2.ii) ist zu bemerken, daß die Druckschrift D4 zwei Möglichkeiten offenbart, einen Fördergurt herzustellen, bei dem die Längsränder eine größere Dehnungsfähigkeit als der mittlere Teil haben (vgl. D4, Seite 2, linke Spalte, Zielen 31 bis 34: Abstand und Widerstand der Zugträger). In der Figur 2 ist ein Fördergurt dargestellt, bei dem die Zugträger im Bereich der Längsränder einen größeren Abstand zueinander haben als die Zugträger im zentralen Bereich, wobei die Zugträger überall den gleichen Durchmesser haben. Es ist daher für den Fachmann naheliegend, diese Maßnahme als Alternative bei dem Fördergurt nach der Druckschrift D6 anzuwenden und somit zu einem Fördergurt zu gelangen, der nach der Variante Id aufgebaut ist.

Die Druckschrift D3 zeigt u. a. einen Fördergurt (siehe Abbildung 10, Beispiel 6), der mit einer zusätzlichen Polyamidfäden-Querarmierung versehen ist, die sich zwischen den Zugträgern und der Gurtinnenfläche befindet. Diese Druckschrift weist darauf hin, daß durch eine Polyamidfäden-Querarmierung die Gurtmuldung nicht beeinträchtigt wird (siehe Seite [22]36, letzter Absatz) und daß durch die Querarmierung ein besserer Schutz u. a. gegen Aufschlagbeschädigungen erzielt wird. Diese Druckschrift vermittelt die Lehre, einen Fördergurt mit einer Querarmierung zu versehen, um diejenigen Bereiche des Gurtes zu schützen, welche äußeren Beanspruchungen ausgesetzt sind. Man kann daher davon ausgehen, daß der Fachmann, der den Fördergurt nach der Druckschrift D6 zu verbessern versucht, aufgrund dieser Lehre ohne erfinderisches Zutun zu einem Fördergurt mit einer Querarmierung kommt, die sich zwischen den Zugträgern und der Gurtinnenfläche befindet und sich nur über den mittleren Bereich (d. h. über den Bereich, der den äußeren Beanspruchungen ausgesetzt ist) erstreckt. Der Fachmann würde daher ohne erfinderisches Zutun zu einer Querarmierung gelangen, die der Variante Qa entspricht.

4.6. Angesichts der obigen Ausführungen stellt der Gegenstand, der sich aus der Zusammenfügung der Maßnahme nach dem Abschnitt 4.2.i) mit der Maßnahme nach dem Abschnitt 4.2.ii) in der Variante Id und der Maßnahme nach dem Abschnitt 4.2.iii) in der Variante Qa ergibt, die Verwendung von einzelnen bekannten Maßnahmen dar, um die an sich bekanten Vorteile dieser Maßnahmen zu benutzen. Daher ergibt sich mindestens einer der verschiedenen Gegenstände, die durch den Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags definiert sind, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

Dem ersten Hilfsantrag der Beschwerdeführerin kann somit nicht stattgegeben werden.

5. Der zweite Hilfsantrag der Beschwerdeführerin

5.1. Während der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Argumentation einer der Beschwerdegegnerinnen kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Einer der mit diesem Hilfsantrag beanspruchten Gegenstände (Ausführungsform nach der Figur 7) unterscheide sich vom Stand der Technik nach der Druckschrift D6 dadurch, daß

i) die Zugträger aus Stahl-Seilen oder Stahl-Einzelcorden bestehen;

iv) die Zugträger im A-Bereich einen größeren Abstand zueinander und einen kleineren Durchmesser haben als die Zugträger im B-Bereich;

v) zusätzlich zu den Zugträgern eine hochdehnfähige Synthesecord-Querarmierung vorhanden ist, die sich nur im A-Bereich zwischen den Zugträgern und der Gurtaußenfläche befindet.

Das Merkmal i) könne keine erfinderische Tätigkeit erkennen lassen, weil es lediglich die Wahl eines für seine Eigenschaften bereits bekannten Materials darstelle.

Das Merkmal iv) stelle lediglich eine Aggregation von zwei Maßnahmen dar, welche die Erzielung einer größeren Dehnungsfähigkeit der Längsränder bezüglich des mittleren Teils des Gurtes bezwecken. Eine dieser Maßnahmen (d. h. der unterschiedliche Abstand) sei explizit der Druckschrift D4 (Figur 2) zu entnehmen. Die andere Maßnahme könne implizit aus dieser Druckschrift (Figur 1) hergeleitet werden, insofern als sie darauf hinweise, daß die die Zugträger bildenden Seile aus Strängen bestehen, die aus Fasern mit einer unterschiedlichen Anzahl von Einzelfasern mit unterschiedlichen Durchmessern bestehen. Jede dieser beiden Maßnahmen stelle eine übliche Maßnahme dar, die eine erfinderische Tätigkeit nicht erkennen läßt.

Auch das Merkmal v) stelle eine übliche Maßnahme dar, auf die der Fachmann zurückgreifen würde, um Verschleißbeschädigungen in den Randbereichen (also im Überlappungsbereich) des Fördergurtes zu vermeiden.

5.2. Bezüglich dieses Hilfsantrages stellt die Kammer folgendes fest:

i) Der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags wurde mit dem Schreiben vom 26. Juni 2001 eingereicht, und ist als Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie auf die dieser Ladung beigefügten Mitteilung anzusehen. Mit dieser Mitteilung hatte die Kammer die Meinung geäußert, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl des Hauptantrags als auch des ersten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Beschwerdeführerin hat mit diesem Schreiben weder der Meinung der Kammer hinsichtlich des Hauptantrags bzw. des ersten Hilfsantrags widersprochen, noch Argumente zur Stützung des zweiten Hilfsantrags vorgebracht.

Dagegen haben die Beschwerdegegnerinnen während der mündlichen Verhandlung Argumente vorgebracht, die sich auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags beziehen (siehe den vorstehenden Abschnitt 5.1).

Die Argumente, die das Merkmal i) betrifft, entsprechen der Überlegungen der Kammer, die im vorstehenden Abschnitt 4.5 (erster Absatz) dargelegt worden sind.

Den Argumenten der Beschwerdegegnerinnen, welche die Merkmale iv) und v) betreffen, wurde nicht widersprochen. Die Kammer sieht für sich keinen Grund, diese Argumente für nicht überzeugend zu halten.

ii) Die Beschwerdeführerin hat vor der mündlichen Verhandlung weder eine geänderte Beschreibung noch geänderte Zeichnungen eingereicht, die an den Anspruch 1 angepaßt sind. Weder die dem Hauptantrag zugeordneten, noch die dem ersten Hilfsantrag zugeordneten Beschreibungsunterlagen und Zeichnungen sind mit dem Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags vereinbar. Mit anderen Worten, der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags erfüllt insofern nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, als er nicht von der Beschreibung gestützt ist. Daher lagen am Ende der mündlichen Verhandlung keine Unterlagen vor, auf deren Basis das Patent aufrechterhalten werden konnte.

Die Kammer hatte bereits mit dem am 26. Februar 1999 zur Post gegebenen Bescheid darauf hingewiesen, daß die Figuren 1, 3, 4, 5 und 6 (Unterlagen "X") bzw. die Figuren 4 und 6 (Unterlagen "Y") keine Ausführungsformen des beanspruchten Gegenstandes des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags darstellen. Mit der am 3. April 2001 zur Post gegebenen Mitteilung hatte die Kammer wieder darauf hingewiesen, daß "keine Übereinstimmung zwischen den Patentansprüchen des Haupt- bzw. Hilfsantrags einerseits und der Beschreibung und den Zeichnungen andererseits besteht (Artikel 84 und Regel 27 EPÜ)".

Die Beschwerdeführerin hat mit ihren Schreiben vom 26. Juni 2001 den Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag vorgelegt, ohne eine angepaßte Beschreibung und angepaßte Zeichnungen einzureichen. Mit demselben Schreiben teilte sie ihre Absicht mit, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, und gab an, daß die Anpassung der Beschreibung "bis zur Entscheidung ... zurückgestellt wird" (siehe den vorstehenden Abschnitt V).

Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß eine mündliche Verhandlung (Artikel 116 EPÜ) nicht nur auf Antrag eines Beteiligten, sondern auch - sofern die Kammer dies für sachdienlich hält - von Amts wegen anberaumt werden kann. In den meisten Fällen wird am Ende der mündlichen Verhandlung eine Endentscheidung, d. h. eine das Verfahren abschließende Entscheidung, getroffen und verkündet. Die mündliche Verhandlung dient dem Zweck der Verfahrensökonomie. Eine an einem "inter partes"-Verfahren beteiligte Patentinhaberin, die vor der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruch aber keine angepaßte Beschreibung eingereicht hat und an der mündlichen Verhandlung nicht teilnimmt, kann sich nicht darauf verlassen, daß die Beschwerdekammer, selbst wenn dieser neue Anspruch gewährbar wäre, die Endentscheidung aufschiebt, nur um der abwesenden Patentinhaberin die Möglichkeit zu geben, die Beschreibung anzupassen.

iii) Im vorliegenden Fall hat die Kammer sogar noch mit dem am 24. Juli 2001 per Fax abgesendeten Bescheid darauf hingewiesen, daß sie beabsichtigte, am Ende der mündlichen Verhandlung eine endgültige Entscheidung zu treffen, daß aber die Beschreibung und die Zeichnungen nicht an die geänderten Ansprüche angepaßt worden waren und daß deswegen die Möglichkeit, daß das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten wird, als ausgeschlossen erschien (siehe den vorstehenden Abschnitt V). Eine Anpassung wäre nach Auffassung der Kammer sehr einfach gewesen.

Diesen Bescheid der Kammer hat aber die Beschwerdeführerin nicht erwidert.

Am Ende der mündlichen Verhandlung - selbst wenn die Kammer zum Ergebnis gekommen wäre, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrages auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht - wäre es daher nicht möglich gewesen, die Aufrechterhaltung des Patentes aufgrund dieses Anspruchs zu entscheiden.

5.3. Angesichts der obigen Ausführungen kann dem zweiten Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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