T 0681/95 () of 2.11.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T068195.19951102
Datum der Entscheidung: 02 November 1995
Aktenzeichen: T 0681/95
Anmeldenummer: 90115037.5
IPC-Klasse: G01F 1/76
G01F 1/84
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Messung des Massendurchsatzes
Name des Anmelders: Chi, Hung Nguyen, Dr.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 Art 122(1)
European Patent Convention 1973 Art 122(4)
Schlagwörter: Beweislast - verlorengegangenes Schreiben
Wiedereinsetzung (stattgegeben)
Restitutio - all due care - isolated mistake
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0002/86
J 0003/86
J 0128/87
J 0010/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer ist Anmelder der europäischen Patentanmeldung Nr. 90 115 037.5 (Veröffentlichungs-Nr. 0. 415 129). Diese wurde von der zuständigen Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 6. März 1995 auf Grund des Artikels 97(1) EPÜ zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung legte der Anmelder am 3. Mai 1995 Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde am 4. Mai 1995 entrichtet.

III. Mit Datum vom 7. September 1995 teilte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern dem Vertreter des Anmelders mit, daß die genannte Beschwerde ausweislich der Akten nicht begründet worden sei. Sie sei deshalb voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen. Gleichzeitig wurde auf Artikel 122 EPÜ (Wiedereinsetzung) hingewiesen.

IV. Der Vertreter übermittelte daraufhin am 9. September 1995 eine Kopie der mit dem Datum vom 23. Mai versehenen Beschwerdebegründung. Gleichzeitig vertrat er die Auffassung, diese sei rechtzeitig an das Europäische Patentamt abgesandt worden.

V. Am 30. September 1995 reichte der Vertreter gestützt auf Artikel 122 EPÜ einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung ein und entrichtete die Wiedereinsetzungsgebühr.

VI. Zur Begründung dieses Antrags wurde im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Nach dem Eingang der Entscheidung über die Zurückweisung der Patentanmeldung am 8. März 1995 habe die für die Notierung und Überwachung von Fristen zuständige Mitarbeiterin in der Kanzlei des Vertreters die Fristen für die Einreichung einer Beschwerde und ihrer Begründung korrekt notiert. Als Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung sei der 8. Juli 1995 vorgemerkt worden. Nachdem die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden sei, habe der Vertreter Ende Mai 1995 die Ausarbeitung der Beschwerdebegründung an die Hand genommen. Ein entsprechender Entwurf sei am 29. Mai 1995 dem Anmelder zur Stellungnahme übermittelt worden. Nach der Abstimmung der endgültigen Fassung sei die Beschwerdebegründung dann am 27. Juni 1995 zur Post gegeben worden, wie sich aus dem Einreichungsbericht vom 26. Juni 1995 an den Anmelder ergebe.

Dabei habe die für den Postversand verantwortliche Sekretärin die Beschwerdebegründung am Abend des 26. Juni 1995 in ein Kuvert gesteckt und auf den Posttisch gelegt. Da die Post jeweils bereits um 15.30. Uhr weggebracht werde, sei dieses Kuvert erst am nächsten Tag zur Post gegeben worden und zwar zusammen mit einem für die gleiche Anmeldung bestimmten Gebührenblatt über DM 1400 .-. Dies könne durch eine entsprechende Empfangsbestätigung des Amtes belegt werden. Erst danach sei die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung aus der Firstenüberwachung gelöscht worden, wie ein Datumstempel vom 28. Juni bei der entsprechenden Anweisung des Vertreters zeige.

Auf Grund dieser Sachlage und da das Original der Beschwerdebegründung auch nicht anderweitig aufgetaucht sei, sei es bis heute unerklärlich, weshalb diese nicht zur Amtsakte gelangt sei. Die Beachtung der gebotenen Sorgfalt durch den Vertreter wie auch durch dessen Hilfskräfte erscheine unter diesen Umständen glaubhaft.

VII. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 27. September 1995 bestätigte die Sekretärin diese Ausführungen. Sie erinnere sich genau, dem Vertreter die Beschwerdebegründung und den Einreichungsbericht für den Anmelder zur Unterschrift vorgelegt und danach beide Schriftstücke postfertig gemacht zu haben. Es sei ihr unerklärlich, weshalb im vorliegenden Fall die Beschwerdebegründung nicht beim Amt eingegangen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer ist aufgrund von Artikel 122(4) EPÜ für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung zuständig, da es dabei um eine versäumte Handlung im Beschwerdeverfahren geht. Der Antrag erfüllt die formellen Voraussetzungen von Artikel 122 EPÜ.

2. Nach den Unterlagen des Anmelders soll die Beschwerdebegründung rechtzeitig an das Europäische Patentamt abgesandt worden sein. Sie konnte allerdings auch nach einer Nachforschung im Amt nicht aufgefunden werden.

Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern läßt sich grundsätzlich durch Beweisführung, also auch durch Ermittlung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, daß eine fristwahrende Handlung vorgenommen wurde. Der Beweis über die tatsächliche Einreichung einer Unterlage ist geführt, wenn für die Einreichung eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit spricht, als für die Nicht-Einreichung. Die Unbeweisbarkeit muß zu Lasten des Einreichenden gehen (vgl. die Entscheidungen J 128/87, ABl. EPA 1989, 406; J 10/91, nicht veröffentlicht).

Im vorliegenden Fall belegt die vom Anmelder ausgefüllte und vom Amt an ihn zurückgesandte Empfangsbestätigung zwar, daß am 28. Juni 1995 eine die vorliegende Anmeldung betreffende Sendung beim Amt eingegangen ist, die ein Gebührenblatt über DM 1400.- sowie ein Kuvert enthielt. Über den Inhalt des Kuverts sagt die Empfangsbestätigung nichts aus. Es läßt sich damit nicht ausschließen, daß das Kuvert ein anderes Schriftstück enthielt oder leer beigelegt wurde. Jedenfalls spricht keine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit für die rechtzeitige Einreichung der Beschwerdebegründung, als für deren Nicht-Einreichung.

3. Auf Grund dieser Beweislage ist also davon auszugehen, daß die Beschwerdebegründung nicht beim Amt eingetroffen ist. Durch die Empfangsbescheinigung wird weiter belegt, daß die Sendung nicht auf dem Postweg verloren gegangen ist. Ferner wurde glaubhaft gemacht, daß die Beschwerdebegründung rechtzeitig vorbereitet und zum Versand bereitgelegt wurde. Damit verbleibt als denkbare, aber keineswegs feststehende Ursache des Fristversäumnisses eine Verwechslung des zur Absendung vorbereiteten Kuverts bei der Postaufgabe (siehe vorne Ziff. VI), zumal dessen Inhalt auf der Empfangsbestätigung nicht vermerkt wurde.

4. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach Artikel 122 (1) EPÜ voraus, daß der Anmelder trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten.

4.1. Der Vertreter hat glaubhaft dargelegt, daß er sich eines mehrfach abgesicherten Fristenüberwachungssystems und einer zweckmäßigen Arbeitsorganisation bedient. Die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung ist denn auch korrekt in die Fristenüberwachung aufgenommen worden. Auf Grund der vorgelegten Unterlagen steht auch fest, daß der Vertreter die Beschwerdebegründung rechtzeitig vor Fristablauf ausgearbeitet und für die Postaufgabe bereit gemacht hat.

4.2. Wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung der Sekretärin ergibt, war sie unter anderem dafür zuständig, die Schriftsätze des Vertreters nach deren Unterzeichnung postfertig zu machen und danach die Akte zur Streichung der notierten Frist an den Vertreter zurückzugeben. Es handelt sich dabei um Arbeiten, die durchaus an eine entsprechend ausgesuchte, instruierte und in vernünftigem Umfang überwachte Hilfsperson delegiert werden können. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere war es nach den glaubhaften Versicherungen des Vertreters nie zu irgendwelchen Fehlleistungen der Sekretärin gekommen und auch gelegentliche Stichproben ergaben keinerlei Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit. Als der Vertreter die Akte nach der Unterzeichnung der Beschwerdebegründung mit einer darin abgehefteten Kopie wieder erhielt, durfte er deshalb davon ausgehen, daß die Sekretärin die Postaufgabe der Beschwerdebegründung rechtzeitig und ordnungsgemäß veranlaßt hatte. Es ist nicht zu beanstanden, daß er daraufhin die Anweisung zur Löschung der notierten Frist gab.

Insgesamt kommt die Kammer deshalb zum Ergebnis, daß der Vertreter alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hat.

4.3. Selbst wenn eine Verwechslung des zur Absendung bereitgelegten Kuverts mit der Beschwerdebegründung als Ursache für die Fristversäumnis feststehen würde, wäre dies auf dem Hintergrund der vorstehenden Feststellungen als ein einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Betriebs zu beurteilen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern würde ein solches einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Betriebs nicht schon allein zu einem Rechtsverlust führen (J 2/86 und J 3/86, ABl. EPA 1987, 362).

5. Die Kammer kommt deshalb zum Schluß, daß auf Grund des glaubhaft gemachten Sachverhalts einer Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung nichts entgegensteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Der Beschwerdeführer wird in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung nach Artikel 108 EPÜ wiedereingesetzt.

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