European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1997:T058795.19970819 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 August 1997 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0587/95 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90123390.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16K 47/02 F16K 11/074 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Ventil für Sanitärarmaturen | ||||||||
Name des Anmelders: | FRIEDRICH GROHE AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hansa Metallwerke AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) Inventive step - yes |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 123 390.8 wurde das europäische Patent Nr. 0 433 781 erteilt.
II. Ein von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) am 24. Juni 1994 gegen das Patent eingelegter, auf dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) beruhender Einspruch stützte sich in seiner Begründung auf den Stand der Technik nach den Druckschriften
(D0) EP-A-129 715
(D1) DE-C-2 753 287
(D2) DE-C-3 428 286.
Die Einspruchsabteilung hat in der am 1. Juni 1995 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung festgestellt, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 8. Juli 1995 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 4. Oktober 1995 eingegangen.
IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer die Frage gestellt, ob das in den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 zusätzlich aufgenommene Merkmal nicht in positiver Weise formuliert werden könne. Weiterhin hat sie bezüglich der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit auf die Druckschriften D0 und D1 verwiesen.
Am 19. August 1997 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents mit den folgenden Unterlagen:
Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung;
Figuren wie erteilt.
Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines Anspruchs 1, der die Merkmale der nach dem Hauptantrag geltenden Ansprüche 1, 4. und 7 umfaßt.
Der Anspruch 1 (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:
"Mischventil für Sanitärarmaturen mit einer Festscheibe (3), die zwei Einlaßöffnungen (31) für Kalt- und Warmwasser sowie eine Auslaßöffnung (32) enthält, und einer zur Festscheibe (3) beweglich angeordneten Steuerscheibe (4), die mit wenigstens einem als Durchbruch geformten Überströmkanal (41) versehen ist und deren von der Festscheibe (3) abgekehrte Stirnseite von einer Abdeck- und Führungshaube (5) gehaltert ist, wobei die Seitenwände des Überströmkanals (41) durch die Steuerscheibe (4) gebildet werden, während die der Festscheibe (3) gegenüberliegende Wand des Überströmkanals (41) von der Abdeck- und Führungshaube (5) gebildet wird, und im Überströmkanal (41) im Bereich der Seitenwandung senkrecht zur Dichtebene von Festscheibe (3) und Steuerscheibe (4) ein Siebring (6) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Siebring (6) an der Abdeck- und Führungshaube (5) befestigt ist und ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft, wobei der Siebring (6) im Überströmkanal (41) so positioniert ist, daß er im Bereich der Auslaßöffnung (32) einen Abstand zur Seitenwandung des Überströmkanals (41) aufweist, während er im übrigen Bereich sich in der unmittelbaren Nähe der Seitenwandung befindet."
VI. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das im geltenden Anspruch 1 (Hauptantrag) zusätzlich gegenüber dem erteilten Anspruch 1 enthaltene Merkmal "daß der Siebring ... ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft" komme in seiner Bedeutung der Aussage gleich, daß der Siebring "keinen in den Überströmkanal vorkragenden Rand hat". Ein solches Merkmal sei jedoch durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt. Werde nämlich ein Siebring, wie er in den Ausführungsbeispielen des Streitpatents gezeigt ist, im Überströmkanal des Mischventils angeordnet, dann rage der untere Rand mit einem der Siebwandstärke entsprechenden Maß gegenüber der Wand des Überströmkanals vor und erstrecke sich beträchtlich nach innen, wie dies durch den Inhalt des Anspruchs 2 des Streitpatents, der die Siebringdicke definiere, zum Ausdruck komme. Bei den Ausführungsbeispielen des Streitpatents verlaufe der Siebring auch nicht ausschließlich senkrecht zur Dichtebene, wie dies der geltende Anspruch 1 angebe. Der in den Figuren des Streitpatents gezeigte Siebring weise nämlich neben den senkrecht zur Dichtebene verlaufenden Oberflächen des Siebes auch die an seinem unteren Ende vorhandene Randfläche auf, die ganz offensichtlich nicht in der geforderten Richtung verlaufe. Diese durch die Siebdicke bedingte Randfläche des Siebes stelle jedoch in allgemein bekannter Weise die für die angestrebte Siebwirkung aktive Fläche eines Mischventils dar. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei auch kein ausdrücklicher Hinweis auf einen ausschließlich senkrechten Verlauf des Siebringes enthalten. Für den Oberflächenverlauf des Siebringes könnten somit lediglich die Figuren als Offenbarungsquelle herangezogen werden. Der Anspruch 1 widerspreche folglich den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und 84. (Klarheit) EPÜ und sei schon aus diesen Gründen nicht zulässig.
Ungeachtet dieser Mängel sei aber die Lehre nach dem Anspruch 1 durch den Stand der Technik auch nahegelegt. Die Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 seien unbestritten aus der D0 bekannt, während diejenigen gemäß dem Kennzeichen dem Offenbarungsinhalt der D1 entnehmbar seien. Das Sieb (6) nach der D1 stelle ebenfalls wirkungsmäßig einen Siebring dar, denn die abgebogenen Ränder (10, 11) seien als Ringsegmente anzusehen. Bei der schematischen Darstellung nach der D1 seien die Steuerscheibe und deren Abdeck- bzw. Führungshaube zwar als einteiliger Baukörper (2) mit einem sacklochartigen Umlenkkanal (5) dargestellt, jedoch erkenne der Fachmann, daß bei einer praktischen Ausführung das Bauteil (2) notwendig zweiteilig sein müsse und folglich aus einer Steuerscheibe und deren Abdeck- bzw. Führungshaube bestehe, wie dies z. B. auch bei der D2 der Fall sei. Eine solche Aufteilung sei fachnotorisch und auch schon deshalb nötig, weil es nicht ohne weiteres möglich sei, in der üblicherweise aus Keramik bestehenden Steuerscheibe einen Umlenkkanal in Form eines Sackloches anzubringen. Somit entnehme der Fachmann der D1 auch das weitere Merkmal aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents, daß der Siebring an der Abdeck- und Führungshaube befestigt ist. Auch das Merkmal aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1, daß der Siebring "ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft" sei - wenn man für dieses Merkmal die von der Patentinhaberin vertretene Auslegung zugrundelege - aus der D1 bekannt. In der Beschreibung der D1, Spalte 3, Zeilen 29 bis 35 sei nämlich als Alternativmöglichkeit angegeben, beide Stirnenden des Siebes im Sinne des rechten Stirnendes (11) unter einem rechten Winkel auf die benachbarte Öffnung der Festscheibe hin abzubiegen und den kreisförmig eingerollten und somit nach innen vorkragenden Rand (10) des Siebes wegzulassen. In diesem Falle verlaufe der Ring dann ebenfalls im wesentlichen senkrecht zur Dichtebene. Weiterhin sei auch das letzte Merkmal des Anspruchs 1 ganz offensichtlich der D1, insbesondere Figur 1 zu entnehmen. Die Hinweise in der D1 führten somit einen Fachmann unmittelbar dazu, das Mischventil nach der D0 in naheliegender Weise in ein Ventil nach dem Streitpatent umzuwandeln.
VII. Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen folgendes vor:
Die technische Bedeutung des beim geltenden Anspruch 1 gegenüber der erteilten Anspruchsfassung hinzugefügten Teilmerkmals, daß der Siebring "ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft" sei in der ursprünglichen Beschreibung schon eindeutig durch die dort angegebene Würdigung des Stands der Technik nach der D0 offenbart. An dieser Stelle der Beschreibung komme zum Ausdruck, daß der bei der D0 nach innen vorkragende untere Rand des Siebrings nachteilig sei und deshalb beim Streitpatent weggelassen werden solle, so daß ein glatter Ring mit senkrecht verlaufenden Oberflächen entstehe, wie dies in den Figuren des Streitpatents gezeigt sei.
Im übrigen offenbare die D1 nicht alle Merkmale aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents. Bei der aus der D1 bekannten Ausführung sei nämlich kein Ringsieb, sondern ein Flachsieb vorgesehen. Der Überströmkanal sei in der Steuerscheibe auch nicht als Durchbohrung wie beim Streitpatent ausgeführt, sondern sei in Form einer Vertiefung verwirklicht. Somit fehle bei der D1 auch die beim Streitpatent beanspruchte Befestigung des Siebrings an einer Abdeck- und Führungshaube. Die D1 stehe somit der Gattung des beanspruchten Mischventils derart fern, daß ein Fachmann keine Veranlassung gehabt habe, diese Druckschrift zu beachten. Die Lösung nach der D1 führe außerdem insofern von der beanspruchten Lösung weg, als bei dem plattenförmigen Sieb (6) nach der D1 eben wieder abgebogene Teile (10 bzw. 11) vorhanden seien und somit auch kein gerader Verlauf der Siebwände bei einem Ringsieb angeregt werden könne.
Der Stand der Technik führe somit den Fachmann nicht zur beanspruchten Lösung.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen, Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag)
2.1. Der geltende Anspruch 1 enthält die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 4 sowie das zusätzliche Merkmal, "daß der Siebring (6) .... ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft". Dieses zusätzliche Merkmal ist zwar in dieser speziellen Formulierung weder in den ursprünglichen Ansprüchen noch in der ursprünglichen Beschreibung angegeben, in den unverändert geltenden Figuren des Streitpatents ist jedoch der Verlauf der Siebkonturen eindeutig im Sinne des zusätzlichen Merkmals dargestellt.
Ferner ist in der ursprünglichen Beschreibungseinleitung Seite 1, Zeile 15 bis Seite 2, Zeile 20 auf die Druckschrift D0 Bezug genommen, mit dem Hinweis, daß bei der D0 der zur Geräuschreduzierung vorgesehene Siebring mit einem in den Überströmkanal vorkragenden Rand versehen ist, so daß die Ringausbildung relativ aufwendig sei.
Die unveränderte Aufgabenstellung besteht darin, die Siebringausbildung bei dem im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Ventil weiter zu verbessern. Im Zusammenhang mit der Aufgabenlösung ist u. a. angegeben, daß der Siebring eine verhältnismäßig einfache Form aufweist.
Wie in der Beschreibung, den Ansprüchen und den Figuren der D0 deutlich offenbart wird, ist das Sieb (5) in seinem der Festscheibe (4) zugekehrten Bereich mit einem in den Überströmkanal (21) vorstehenden Rand (52, 62) versehen, der gemäß dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 3 und 4 sowie nach dem Anspruch 2 schräg nach innen unter etwa 45 abgewinkelt ist, während beim Ausführungsbeispiel nach den Figuren 7 und 8 bzw. Anspruch 3 der Rand (62) um 90 abgewinkelt in dem Überströmkanal (21) vorsteht. Zudem ist auf Seite 5, Zeile 19 ff. der D0 im Zusammenhang mit dem vorkragenden Rand (62) des Siebes noch auf eine Bördelkante (64) im freien Endbereich verwiesen.
Beim Streitpatent weist das Sieb (6), wie insbesondere den Figuren 1, 2 und 4, 6 zu entnehmen ist, keine solchen nach innen abgewinkelten bzw. nach innen vorkragenden Randbereiche auf, so daß der Siebring in bezug auf die Dichtebene zwischen der Festscheibe (3) und der Steuerscheibe (4) ausschließlich senkrecht verläuft, wie dies richtig im zusätzlichen Teilmerkmal des geltenden Anspruchs 1 formuliert wird.
2.2. Die Beschwerdeführerin hat diese in den Anspruch neu aufgenommene Formulierung dahingehend beanstandet, daß ein Fachmann bei der Nennung des Verlaufs eines Siebringes zunächst die Stirnkanten im Auge habe, die unter dem Gesichtspunkt der Geräuschreduzierung betrachtet die aktiven Flächen des Siebringes darstellten. Da diese Stirnkanten bei den in den Figuren 4 und 6 des Streitpatents dargestellten Siebringen jedoch offensichtlich nicht senkrecht, sondern parallel zur Dichtebene verliefen, stehe das zusätzlich in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal im Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen.
2.3. Die Kammer kann sich dieser Betrachtungsweise nicht anschließen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß bei den in Rede stehenden Mischventilen z. B. beim Öffnen der Mischventile die mit den Rändern an den Einlässen der Festscheibe zusammenwirkende Stirnseite des Siebrings, die bei der D0 zusätzlich mit einem nach innen vorstehenden Rand (52) versehen ist, zunächst die aktive Fläche des Siebringes darstellt, wie dies aus dem Gesamtinhalt der D0 ableitbar und im unveränderten Text des Streitpatents auf Seite 3, Zeile 17 angedeutet ist. Wie jedoch in den weiteren Zeilen 18 bis 22 auf Seite 3 des Streitpatents dargelegt ist, wird mit zunehmendem Öffnen des Ventils der mit Abstand zur Seitenwandung des Überströmkanals (41) angeordnete Bereich des Siebrings (6) an der Auslaßöffnung (32) für die Fließgeräuschminderung aktiv. Hierbei ist offensichtlich die Mantelfläche des Siebes für die Fließgeräuschminderung von entscheidender Bedeutung.
Beim Streitpatent tragen somit die Stirnkante und die Mantelfläche zur Geräuschminderung bei, so daß ein Fachmann bei einem Hinweis auf den "Verlauf des Dichtrings" nicht nur dessen radiale, sondern auch seine axiale Erstreckung in Betracht zieht. In Verbindung mit der vorstehend erörterten Aufgabenstellung und den Figuren des Streitpatents bezieht daher ein fachmännischer Leser des Anspruchs 1 die Formulierung "daß der Siebring ... ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verläuft", zwangsläufig auf die in den Figuren eindeutig in dieser Richtung verlaufenden Mantelbereiche des Siebringes und nicht auf dessen parallel zur Dichtebene verlaufende Stirnkanten. In diesem Zusammenhang wird auf Artikel 69 EPÜ sowie auf das Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 des Übereinkommens (das gemäß Artikel 164, Absatz 1 Bestandteil des EPÜ ist) hingewiesen, wonach zur Auslegung eines Patentanspruchs auch die Beschreibung und die Zeichnungen des Streitpatents heranzuziehen sind (vgl. T 23/86, ABl. EPA 1987, 316, Punkt 2 und T 16/87, ABl. EPA 1992, 212, Punkt 6).
Das Zusatzmerkmal steht somit nicht im Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen des Streitpatents, sondern wird durch die ursprüngliche Offenbarung gestützt. Für den Fachmann bestehen aus den vorstehenden Gründen auch keine Unklarheiten bezüglich der Ausbildung und des Verlaufs des Siebrings.
Der Anspruch 1 erfüllt somit die Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und Artikel 84 EPÜ.
2.4. Der geltende Anspruch 1 enthält alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1. Die Hinzufügung des o. g. Zusatzmerkmals führt nicht zu einer Erweiterung, sondern zu einer Einschränkung des Schutzbereich gegenüber dem erteilten Anspruch 1.
Der Anspruch 1 verstößt somit auch nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
3. Neuheit, Abgrenzung des Anspruchs 1 (Hauptantrag)
Das Mischventil nach der Druckschrift D0 offenbart alle im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale.
Die Halterung des aus der D0 bekannten Siebes erfolgt durch nach außen gekantete Haltelappen (53 bzw. 63), die gegen die obere Stirnfläche der Steuerscheibe (2) anliegen (und somit nicht von der Abdeckhaube gehaltert werden); die axial verlaufenden Bereiche des Siebes sind allseitig der Wandung des Überströmkanals der Steuerscheibe unmittelbar benachbart. Außerdem verläuft der Siebring aufgrund seines nach innen vorstehenden unteren Randes nicht in allen seinen Bereichen senkrecht zur Dichtebene. Somit ist bei der gattungsgemäßen D0 keines der im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents definierten Merkmale vorhanden.
Das Mischventil nach der D1 enthält ein Sieb (6), dessen Hauptteil (7) parallel zum Boden des Umlenkkanals (5) in der sog. "Hauptebene" verläuft, wobei an den Siebrändern (10, 11) Teilbereiche gegenüber dem Hauptteil abgebogen sind. Dieses im wesentlich plattenförmig ausgebildete Sieb stellt kein Ringsieb im Sinne des Streitpatents dar, denn unter einem Ringsieb versteht der Fachmann ein in Axialrichtung offenes Sieb mit geschlossenen Mantelwänden. Weiterhin ist in der D1 der Umlenkkanal (5) in den Figuren 1 und 2 als Sacköffnung dargestellt, dessen Bodenfläche innerhalb der Steuerscheibe (2) liegt und nicht von einer Abdeck- und Führungshaube gebildet wird. Beim Ventil nach der D1 sind somit wesentliche Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht verwirklicht.
Dies gilt ebenfalls für das Mischventil nach der D2, bei dem anstelle eines Siebes Rippen (11) bzw. eine Stauplatte (12) an der Abdeckhaube (6) angeformt sind.
Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist somit unbestritten neu und ist auch richtig abgegrenzt, da die weiteren Druckschriften D1 und D2 keine Ventile der im Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgeführten Gattung offenbaren.
4. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)
4.1. Aufgabenstellung
In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents werden die bei dem gattungsgemäßen Mischventil nach der D0 aufgrund der seitlich abgebogenen (in den Bereich der Trennfuge zwischen Steuerscheibe und Abdeckscheibe eingreifenden) Haltelappen aufwendige Montage sowie die infolge des radial nach innen vorkragenden Randes des Siebes aufwendige Ausbildung des Siebrings beanstandet. Davon ausgehend wird die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen, die Siebringausbildung bei dem gattungsgemäßen Ventil im Hinblick auf die obigen Nachteile und eine weitere Geräuschreduzierung weiter zu verbessern.
4.2. Der Druckschrift D0 ist kein Hinweis in Richtung der Aufgabenlösung zu entnehmen. In dieser Druckschrift besteht die Aufgabestellung darin, einen verbesserten, einfach herstellbaren und sicher am Einsatzort halterbaren Siebeinsatz zu schaffen, der u. a. auch einer guten Geräuschminderung dient. Aus dem Gesamtinhalt der Beschreibung der D0, insbesondere dem Text auf Seite 3, Zeile 31 bis Seite 4, Zeile 27 sowie Seite 5, Zeile 19 bis Zeile 25 wird ein fachmännischer Leser der D0 den Schluß ziehen, daß auch der nach innen vorragende Rand (52) bzw. (63) zur Geräuschminderung beiträgt. Zumindest erhält ein Fachmann aus der D0 keinen Hinweis dahingehend, daß der nach innen ragende Rand des Siebes für die Geräuschdämpfung bedeutungslos ist und weggelassen werden kann. Das Ergreifen einer solchen Maßnahme wird demnach vom Offenbarungsinhalts der D0 nicht nahegelegt. Für die weiteren im Kennzeichen des Anspruchs 1 enthaltenen Merkmale fehlt dort jegliches Vorbild.
4.3. Die Druckschrift D1 betrifft, wie im vorstehenden Absatz schon dargelegt wurde, ein gattungsfremdes Mischventil dessen ebenfalls zur Geräuschminderung vorgesehenes Flachsieb (6) konstruktiv völlig anders aufgebaut ist als das gattungsgemäße Mischventil nach der D0 bzw. gemäß dem Streitpatents. Das aus der D1 bekannte Sieb mit seinem plattenförmigen Hauptteil und abgebogenen bzw. eingerollten Rändern vermag einem Fachmann schon deshalb keinen Hinweis zu geben, die bei der D0 nach innen abgebogenen Randbereiche eines Siebringes zu eliminieren, weil dort Abbiegungen an den Plattenrändern als wesentlich vorgesehen sind.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß das Sieb (6) nach der D1 dann, wenn alle Ränder im Sinne der Alternativausführung gemäß Spalte 3, Zeilen 29 bis 35 (nach dem Vorbild des Stirnendes (11) in Figur 1) nach unten abgebogen sind, funktionell einen Siebring darstellt, läßt die Tatsache unberücksichtigt, daß bei dem bekannten Sieb die den Hauptteil bildende Bodenplatte den Wasserdurchtritt in Axialrichtung notwendigerweise beeinflußt und somit offensichtlich nicht funktionslos ist. Das Teilmerkmal des Anspruchs 1 "ausschließlich senkrecht zur Dichtebene verlaufender Siebring" ist somit durch die D1 in keiner Weise angedeutet und auch nicht nahegelegt.
Weiterhin gibt die D1 auch keinen Hinweis darauf, den Siebring an einer Abdeck- und Führungshaube zu befestigen, da eine solche bei der bekannten Ausführung nicht vorhanden ist.
Dies gilt auch für das weitere Teilmerkmal aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents, daß der Siebring (6) im Bereich der Auslaßöffnung einen Abstand zur Seitenwandung des Überströmkanals (41) aufweist, denn die plattenförmige Ausgestaltung des bekannten Siebringes mit seinem durchlässigen waagrecht angeordneten Hauptteil (7) hat offensichtlich einen anderen Strömungsverlauf zur Folge und hat nicht notwendig den gleichen Einfluß auf die Geräuschdämpfung wie entsprechende Maßnahmen bei einem Siebring. Es lassen sich demnach geometrische Formgebungen an einer Siebplatte gemäß D1 zur Beeinflussung des Strömungsverlaufs nicht zwanglos mit gleichem Ergebnis auf einen Siebring übertragen.
Das Mischventil nach der D1 offenbart somit, im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin, ebenfalls nicht die im Kennzeichen des Anspruchs 1 (Streitpatent) enthaltenen Teilmerkmale. Es wird einem Fachmann auch nicht nahegelegt, bestimmte Formgebungen eines Plattensiebes auf Siebringe zu übertragen, da nicht zu erwarten ist, daß solche bekannten Formgebungen bei Siebringen zu den gleichen Ergebnissen führen.
Das beanspruchte Mischventil wird daher auch nicht durch den Offenbarungsinhalt der D1 nahegelegt.
4.4. Dies gilt ebenfalls für das Mischventil nach der D2, das grundsätzlich andere Mittel zur Geräuschdämpfung enthält und keinen Hinweis zu geben vermag, einen Siebring nach der D0 bzw. eine Siebplatte nach der D1 im Sinne des Streitpatents umzugestalten.
4.5. Die Beschwerdekammer kommt somit zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 durch den Stand der Technik nicht nahegelegt ist und daher auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Das Patent hat demnach auf der Basis des geltenden Anspruchs 1 (Hauptantrag), der abhängigen Ansprüche 2 bis 9, die vorteilhafte Weiterbildungen betreffen, der angepaßten Beschreibung und der erteilten Zeichnungen Bestand.
5. Da somit dem Hauptantrag stattgegeben wird, erübrigt es sich auf den Hilfsantrag einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibung) und den Figuren der Patentschrift aufrechtzuerhalten.