T 0564/95 (Invert-Bohrspülungen/COGNIS) of 16.5.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T056495.20010516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2001
Aktenzeichen: T 0564/95
Anmeldenummer: 90101900.0
IPC-Klasse: C09K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Monocarbonsäure-Methylester in Invert-Bohrspülschlämmen
Name des Anmelders: Cognis Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: FINA Research
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das erteilte europäische Patent 0 382 071 zurückgewiesen wurde.

II. Der Entscheidung lagen die erteilten Patentansprüche 1 bis 24 zugrunde. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 18 lauteten wie folgt:

"1. Verwendung der Methylester von Monocarbonsäuren des Bereichs C6-24 als Ölphase oder Bestandteil der Ölphase in Mengen von 10 bis 100 Gew.-%, bezogen auf die Ölphase, von Invert-Bohrspülschlämmen, die für eine umweltschonende Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase eine disperse wäßrige Phase zusammen mit Emulgatoren, Beschwerungsmitteln, fluid-loss-Additiven und gewünschtenfalls weiteren üblichen Zusatzstoffen enthalten."

"18. Invert-Bohrspülungen, die für eine umweltfreundliche Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase eine disperse wäßrige Phase zusammen mit Emulgatoren, Beschwerungsmitteln, fluid-loss-Additiven und gewünschtenfalls weiteren üblichen Zusatzstoffen enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß die Ölphase Methylester von Monocarbonsäuren mit 6 bis 24 C-Atomen in Mengen von 10 bis 100 Gew.-%, bezogen auf die Ölphase, gewünschtenfalls in Abmischung mit anderen Ölkomponenten aus der Klasse der nonpolluting oils enthält."

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 16. Mai 2001 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat geltend gemacht, daß die beanspruchten Gegenstände im Hinblick auf die Lehren der Dokumente

(37) Mineral oil free oil-based drilling fluids - Developments and Outlook - Authors: C.-P. Herold, H. Müller, Dr. von Tapavicza from the laboratories of Henkel KGaA, Düsseldorf,

(40) Speciality Chemicals in the Oil Industry - General Aspects and some Recent Developments, Dr. C.-P. Herold, Henkel GGaA, West Germany - Presentation to the NIF Course - Oil Field Chemicals - Fargernes, March 1987,

(4) Oleochemicals - Unichema International Product Specifications - May 1988, und

(9) US-A-4 481 121

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Sie hat in diesem Zusammenhang insbesondere ausgeführt, daß sowohl die Verwendung von Carbonsäureestern in Invert-Bohrspülungen als auch deren Hydrolyse in solchen Bohrspülungen allgemein bekannt gewesen sei, wobei für den Fachmann, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, wie z. B. angegeben in

(41) Hawley's Condensed Chemical Dictionary, 5th Edition of 1956,

als Carbonsäureester zunächst die entsprechenden Methylester in Betracht kämen. Die Dokumente (37) und (40) lehrten indessen, daß diese Hydrolyse in den Bohrspülungen unter Kontrolle gehalten werden könne und sogar eine gewisse Hydrolyse akzeptabel sei, weil die dabei entstehenden langkettigen Carbonsäuren - wie auch in Dokument (9) beschrieben - in situ Salze mit emulgierenden Eigenschaften bildeten. Daher sei der Fachmann, entgegen der angefochtenen Entscheidung, nicht abgehalten gewesen, in Invert-Bohrspülungen die aufgrund des Dokuments (4) naheliegenden entsprechenden Methylester einzusetzen, oder dies wenigstens zu versuchen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat die Patentierbarkeit des Patentgegenstandes auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Hauptantrag eingereichten Ansprüche 1 bis 22 verteidigt.

Die Ansprüche 1 und 17 dieses Antrags entsprechen den oben wiedergegebenen Ansprüchen 1 und 18 des Streitpatents, mit der Ausnahme, daß nach den nun vorliegenden Ansprüchen die Bohrspülschlämmen zwingend Kalk als Alkalireserve enthalten.

Außerdem wurden die Ansprüche 14 und 21 des Streitpatents gestrichen und die übrigen Ansprüche umnumeriert.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat, gestützt auf das Dokument

(42) Organicum, Practical Handbook of Organic Chemistry, 1973, Seiten 435 und 436,

insbesondere geltend gemacht, es sei bei den eingesetzten Methylestern eine extrem starke Hydrolyse zu erwarten. Demgegenüber belegten die Beispiele des Streitpatents sowie die mit den Schriftsätzen vom 29. August 1994 und 7. Juli 1996 eingereichten Versuchsberichte eine unerwartete Hydrolysestabilität der verwendeten Methylester und eine überraschende Überlegenheit der beanspruchten Bohrspülungen gegenüber denen des Standes der Technik.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 382 071, sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 22 (Hauptantrag) aufrechtzuerhalten.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Gegen die Fassung der Patentansprüche bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

Die vorliegenden Patentansprüchen entsprechen denen des Streitpatents, abgesehen davon, daß die Gegenstände der beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 17 (ehemals 18) des Streitpatents auf die zwingende Anwesenheit von Kalk als Alkalireserve in den Bohrschlämmen eingeschränkt und die dadurch überflüssigen erteilten Ansprüche 14 und 21 gestrichen wurden. Diese Einschränkung des Schutzbereiches findet ihre Stütze in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, Seite 5, letzter Absatz, Zeilen 7 bis 11 und Seite 19, Zeilen 11 bis 16.

3. Da nach Feststellung der Kammer die beanspruchten Invert-Bohrspülungen und die beanspruchte Verwendung der anspruchsgemäßen Methylester als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen nirgendwo vorbeschrieben sind und somit nicht Stand der Technik i. S. von Artikel 54 EPÜ sind, ist der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche 1 bis 22 als neu anzusehen. Da dies weder von der Einspruchsabteilung noch von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.

4. Es ist nun lediglich noch zu untersuchen, ob die Gegenstände der Patentansprüche auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

4.1. Es ist unbestritten, daß das Dokument (40) und insbesondere das Dokument (37), in denen gleichermaßen die Verwendung von Isobutyloleat (OMC 233) als Ölphase in Invert-Bohrspülungen beschrieben wird (siehe Dokument (40), Seite 6, vorletzter Absatz und die letzten drei Zeilen; und Dokument (37), Seite 4, zweiter Absatz) den nächstkommenden Stand der Technik darstellen.

4.2. In Bezug sowohl auf die im Streitpatent beschriebenen Versuche als auch auf die während des Einspruchsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens eingereichten Vergleichsversuche, in denen die rheologischen und hydrolytischen Eigenschaften von patentgemäßen Estern unter anderem mit den von Isobutyloleat verglichen wurden, hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß solche Vergleichsversuche nur beschränkt aussagekräftig seien, da sie in einem geschlossenen System durchgeführt wurden, während Invertbohrungen in einem offenen System stattfinden. Ein überraschender Effekt sei daher von der Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft nachgewiesen worden.

4.3. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, daß für die Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des EPÜ die Anwesenheit eines überraschenden Effektes nicht zwingend ist. Eine erfinderische Tätigkeit kann bereits dann gegeben sein, wenn die Lösung einer im Hinblick auf den nächstkommenden Stand der Technik definierten Minimal-Aufgabe, d. h. einer nicht anspruchsvollen, aber dennoch realistischen Aufgabe, deren Lösung die Erteilung eines Monopols rechtfertigt, zur Zeit des Prioritätsdatums bzw. Anmeldedatums für den Fachmann nicht naheliegend war.

4.4. Es ist unbestritten, daß im vorliegenden Fall, ausgehend von der Lehre des Dokumentes (37) oder des Dokumentes (40), eine solche Aufgabe darin bestand, weitere für die Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignete Invert-Bohrspülungen zur Verfügung zu stellen, die hinsichtlich ihres Einsatzverhaltens mit Isobutyloleat vergleichbar sind.

4.5. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die im Anspruch 17 definierten Zusammensetzungen vorgeschlagen, welche als Ölphase oder Bestandteil der Ölphase die in diesem Anspruch angegebenen Methylester in einer Menge von 10. bis 100 Gew.-%, bezogen auf die Ölphase, enthalten.

4.6. Aufgrund der Angaben in den Beispielen des Streitpatents und in den nachgereichten Versuchsberichten ist glaubhaft, daß die oben angegebene Aufgabe tatsächlich mit den beanspruchten Zusammensetzungen gelöst wird. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

4.7. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe eine Zusammensetzung gemäß dem vorliegenden Anspruch 17 des Streitpatents, insbesondere die Verwendung von den Methylestern in den angegebenen Mengen darin, in Betracht zu ziehen.

4.8. Die Beschwerdeführerin vertrat den Standpunkt, eine solche Anregung sei sowohl Dokument (37) als auch Dokument (40) zu entnehmen. Insbesondere vertrat sie die Meinung, aus diesen beiden Dokumenten gehe hervor, daß jeder Fettsäureester in Invert-Bohrspülungen verwendet werden kann. Außerdem sei aus Dokument (4) zu entnehmen, daß Methylester, wie Methyloleat (Priolube-Ester), nicht nur gute Schmiereigenschaften, sondern auch die für die Verwendung als Ölphase in Invert-Bohrspülungen geeigneten physikalischen Parameter, wie Flammpunkt, Fließgrenze und Viskosität, aufweisen würden. Die Verwendung der anspruchsgemäßen Methylester sei daher für den Fachmann naheliegend gewesen.

4.9. Die von den Dokumenten (37) und (40) vermittelte technische Lehre bezüglich der Verwendbarkeit von Fettsäureester in Invert-Bohrspülungen bezieht sich jedoch primär auf Isobutyloleat, das aufgrund seiner relevanten physikalischen Eigenschaften als der vorteilhafteste Ester dargestellt wurde (siehe Dokument (37), Seite 4, und Dokument (40), Seite 6, vorletzter Absatz bis Seite 7, letzter Absatz). Nirgendwo ist diesen Dokumenten zu entnehmen, daß entsprechende Methylester die für die Verwendbarkeit in Invert-Bohrspülungen notwendigen Erfordernisse erfüllen.

4.10. Bezüglich der Verwendbarkeit der Fettsäureester in Invert-Bohrspülungen wird in den beiden Dokumenten (37) und (40) die Gefahr einer Zersetzung der Fettsäureester durch Hydrolyse zwar erwähnt, diesbezüglich - wie von der Beschwerdeführerin betont - jedoch anschließend angegeben, die durchgeführten Versuchen zeigten, daß man diese Gefahr unter Kontrolle halten könne (siehe Dokument (37), Seite 10, dritter Absatz und Dokument (40), Seite 7, erster Absatz). Diese durchgeführten Versuche und die darauf beruhende Schlußfolgerung beziehen sich jedoch offensichtlich lediglich auf das Isobutyloleat (OMC 233), das aufgrund der Alkoholkomponente und die damit verbundene sterische Hinderung wenig hydrolyseempfindlich ist. Dagegen gehört es - wie aus dem Dokument (42) hervorgeht - zum allgemeinen Fachwissen eines Chemikers, daß Methylester von allen Estern am leichtesten hydrolysieren. Unter diesen Umständen kommt die Kammer zu der Schlußfolgerung, daß der Fachmann aufgrund seines Fachwissens Methylester von Monocarbonsäuren für die Verwendung in Invert-Bohrspülungen nicht in Betracht gezogen hätte und daher die Angaben bezüglich der physikalischen Daten einiger derartiger Methylester in Dokument (4) - welches Dokument übrigens keinerlei Bezug auf den Problembereich der Invert-Bohrspülungen hat - nicht relevant sind.

4.11. Die Beschwerdeführerin hat auch noch darauf hingewiesen, daß nach den vorliegenden Patentansprüchen die in Rede stehenden Methylester lediglich in einer geringen Menge von 10 Gew.-% verwendet werden könnten und daß unter diesen Umständen eine Teilhydrolyse akzeptabel sei, weil die dabei entstehenden langkettigen Carbonsäuren - wie auch in Dokument (9) beschrieben - in situ brauchbare Salze mit emulgierenden Eigenschaften bildeten. Nach Auffassung der Kammer ist es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall jedoch nicht ausschlaggebend, ob ein Fachmann einen anspruchsgemäßen Methylester hätte verwenden können, sondern vielmehr, ob er in der Hoffnung auf eine Lösung der oben definierten technischen Aufgabe dies auch getan hätte. Wegen der Hydrolyseempfindlichkeit der Methylester mußte jedoch dem Fachmann, wie oben bereits angegeben, deren Verwendung als Bestandteil der Ölphase als ein in keiner Weise sinnvolles Unterfangen erscheinen.

4.12. Da somit der Gegenstand des unabhängigen Sachanspruchs 17 durch den zitierten Stand der Technik somit nicht nahegelegt wurde, ist hier das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) erfüllt. Dasselbe gilt für den unabhängigen Verwendungsanspruch 1, da nach den vorstehenden Darlegungen deutlich ist, daß auch die beanspruchte Verwendung der in Rede stehenden Ester durch den Stand der Technik nicht nahegelegt wurde.

Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 16 und 18 bis 22 betreffen besondere Ausführungsformen der in den Ansprüchen 1 und 17 beanspruchten Verwendung bzw. Invert-Bohrspülungen, sie haben daher zusammen mit diesen Ansprüchen ebenfalls Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen ein Patent mit den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 22 (Hauptantrag) und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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