European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1996:T049295.19961016 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 October 1996 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0492/95 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88113196.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04B 1/19 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gitterwerk aus Stäben und Knoten | ||||||||
Name des Anmelders: | Wolf, Elmar | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ruedi Zwissler Origon Präsentationssysteme GmbH i.G. |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (für Haupt- und Hilfsantrag 1 verneint, für Hilfsantrag 2 bejaht) Inventive step (yes) - second auxiliary request Problem-solution approach - appropriativness |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Anmeldung Nr. 88 113 196.5 wurde am 27. November 1991 das europäische Patent Nr. 0 307 628 erteilt.
II. Das Einspruchsverfahren mit Ruedi Zwissler als Einsprechendem I (Beschwerdeführer) und der Fa. Origon Präsentationssysteme als Einsprechender II gemäß Artikel 105 EPÜ (nachfolgend weitere Verfahrensbeteiligte) wurde mit der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 31. März 1995, die schriftliche Entscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ erging am 20. April 1995, abgeschlossen.
III. Anspruch 1 gemäß Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hat nachfolgenden Wortlaut:
"1. Gitterwerk aus mehreren Stäben, die über Knoten (1) miteinander verbunden sind und jeder Stab (2) an seinem Ende ein dem Verbinden an dem Knoten (1) dienendes Anschlußteil (3) aufweist und der Knoten (1) ein räumlicher Hohlkörper ist, der Rundstäbe (4) aufweist, die über Eckteile (5) miteinander verbunden sind, wobei das Anschlußteil (3) den Rundstab (4) eines Knotens (1) umgreift und von den Eckteilen (5) des Knotens (1) seitlich flankiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Hohlkörper ein Würfel ist, dessen Kanten die Rundstäbe (4) bilden und das Anschlußteil (3) eine Gabel (6) ist, deren Achse senkrecht zum Stab (2) verläuft und als Arretierung entweder auf dem stabseitigen Schenkel der Gabel (6) innenseitig einen federnden Nocken (7) aufweist oder endseitig über eine Federklammer (8) verschließbar ist."
IV. Von den vorgenannten Einsprechenden hat der Einsprechende I gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung am 10. Juni 1995 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 7. August 1995 begründet.
V. In der nach vorbereitender Mitteilung der Kammer am 16. Oktober 1996 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat der Patentinhaber (Beschwerdegegner) hilfsweise geänderte Fassungen von Patentanspruch 1 vorgelegt:
Anspruch 1 des Hilfsantrags hat nachfolgenden Wortlaut:
"1. Gitterwerk aus mehreren Stäben, die über Knoten (1) miteinander verbunden sind und jeder Stab (2) an seinem Ende ein dem Verbinden an dem Knoten (1) dienendes Anschlußteil (3) aufweist und der Knoten (1) ein räumlicher Hohlkörper ist, der Rundstäbe (4) aufweist, die über Eckteile (5) miteinander verbunden sind, wobei das Anschlußteil (3) den Rundstab (4) eines Knotens (1) umgreift und von den Eckteilen (5) des Knotens (1) seitlich flankiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Hohlkörper ein Würfel ist, dessen Kanten die Rundstäbe (4) bilden und das Anschlußteil (3) eine Gabel (6) ist, deren Achse senkrecht zum Stab (2) verläuft und als Arretierung entweder auf dem stabseitigen Schenkel der Gabel (6) innenseitig einen federnden Nocken (7) aufweist, der mit der Gabel (6) einstückig ist oder endseitig über eine Federklammer (8) verschließbar ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"1. Gitterwerk aus mehreren Stäben, die über Knoten (1) miteinander verbunden sind und jeder Stab (2) an seinem Ende ein dem Verbinden an dem Knoten (1) dienendes Anschlußteil (3) aufweist und der Knoten (1) ein räumlicher Hohlkörper ist, der Rundstäbe (4) aufweist, die über Eckteile (5) miteinander verbunden sind, wobei das Anschlußteil (3) den Rundstab (4) eines Knotens (1) umgreift und von den Eckteilen (5) des Knotens (1) seitlich flankiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Hohlkörper ein Würfel ist, dessen Kanten die Rundstäbe (4) bilden und das Anschlußteil (3) eine Gabel (6) ist, deren Achse senkrecht zum Stab (2) verläuft und als Arretierung endseitig über eine Federklammer (8) verschließbar ist."
VI. Der entscheidungsrelevante, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer diskutierte Stand der Technik ist folgender:
(1) FR-A-2 331 745
(6) WO-A-87/03 346
(7) DE-U-8 608 042
(8) DE-U-1 817 913
(9) GB-A-643 507
(10) BE-A-665 952
(13) DE-U-6 918 001
(14) "Design of joints in steel space structures", Arciszewski, in Third International Conference of Space Structures, London 1984, S. 695 bis 699
(23) US-A-2 665 950
(24) US-A-2 760 707
(25) US-A-3 454 131 und
(26) US-A-3 565 212.
IX. Die auf vorgenannten Stand der Technik gestützten wesentlichen Argumente der Parteien können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Beschwerdeführer:
- bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit sei zu berücksichtigen, daß Artikel 56 EPÜ keine Beurteilungsmethode vorschreibe, weder die Aufgabe-Lösung-Beurteilungsmethode noch Überlegungen des Fachmanns im Sinne von "could/would".
- aus (1), (6) und (10) seien Raumfachwerke gebildet aus Knoten und daran angeschlossenen Stäben bekannt, wobei bereits die Aufgabenaspekte des Streitpatents, nämlich Winkeleinstellbarkeit der Stäbe und Möglichkeit einer einfachen Montage dort angesprochen seien; (6) offenbare ganz eindeutig einen Hohlknoten, vgl. Seite 12, Zeile 9 "Polyeder", wobei (10) runde Anschlußstäbe am Knoten anspreche, vgl. Seite 3, Zeilen 13 bis 19 und überdies auf "klassische Anschlußteile" verweise;
- damit sei der Fachmann auf federnde Nocken gemäß (8), (23), (25) gestoßen;
- die Kombination von an sich bekannten Knotenformen mit an sich bekannten Anschlußteilen könne keine Erfindung im Sinne von Artikel 56 EPÜ begründen, weil auch ein einstückiger Nocken (Hilfsantrag 1) nichts anderes sei als eine Schnappmuffe wie sie dem Fachmann aus (7), (9) und (21) bekannt seien;
- zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei auf (13) zu verweisen, so daß auch dieser Antrag nicht erfolgreich sein könne;
- im Ergebnis sei das Streitpatent im Rahmen der hier vorliegenden Fassungen somit zu widerrufen.
b) Beschwerdegegner:
- für die Frage der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei der Aufgabe-Lösungs-Weg ebenso hilfreich wie die Berücksichtigung der "could/would"-Situation des Fachmanns;
- die gattungsnächste Druckschrift (1) offenbare keine Eckteile, so daß es zu Beeinträchtigungen benachbarter Stabanschlüsse komme, außerdem sei der Stabanschluß anders als beansprucht; in (10) fehle ein Hohlwürfel bzw. seien Rundstäbe nicht angesprochen; (6) offenbare ein Faltwerk mit zweidimensionalen Knoten, nämlich Halbschalen;
- die Anschlußelemente gemäß den Druckschriften (23) bis (26) seien für Raumfachwerke ungeeignet, da der Sicherheitsaspekt ungenügend berücksichtigt sei;
- im einzelnen verbiete sich bei (23) durch den Zusatzstift "29" eine Winkelverstellung des Stabes, (24/25) offenbarten federbelastete Stifte, aber keinen Nocken wie beansprucht, und im übrigen sei die Kraftaufnahme bei (23) bis (26) unvorteilhaft;
- der Fachmann würde bei vorstehenden Gegebenheiten keine Überlegungen in der Richtung anstellen, bekannte Knotenausbildungen mit bekannten Stabanschlüssen zu kombinieren;
- der Gegenstand gemäß Hilfsantrag 1 bringe im übrigen klar zum Ausdruck, daß der Nocken am stabseitigen Gabelende vorzusehen und darüber hinaus einstückig mit der Gabel auszubilden sei; dennoch könnten Nocken und Gabel aus verschiedenen Materialien sein;
- zum Hilfsantrag 2 wurde ausgeführt, daß die dort vorgeschriebene Federklammer im Stand der Technik ohne Vorbild sei;
- zusammenfassend sei der Rechtsbestand des Patents in den hier zu berücksichtigenden Fassungen nicht in Frage gestellt, so daß im Sinne des Beschwerdegegners zu entscheiden sei.
VII. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1 mit der Maßgabe der Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis von Ansprüchen 1 bis 3 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreicht;
weiter hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2 mit der Maßgabe der Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis von Ansprüchen 1 bis 3, einer angepaßten Beschreibung und von angepaßten Zeichnungen wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreicht.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde (der Einsprechenden I) ist zulässig.
2. Die Einsprechende II (Beitretende) ist im Beschwerdeverfahren als weitere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Artikel 105 EPÜ zu berücksichtigen.
Hauptantrag
3. Anspruch 1 ist gegenüber der erteilten Fassung weiter eingeschränkt worden, indem nunmehr vorgeschrieben ist, daß der Nocken am stabseitigen Gabelschenkel vorgesehen ist.
4. Neuheit
Die Parteien und die Kammer waren sich darin einig, daß die Neuheit des Gitterwerks gemäß Anspruch 1 gegeben ist und keiner weiteren Erörterung bedarf.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Bei gegebener Neuheit des Gitterwerks gemäß Anspruch 1 konzentriert sich der Rechtsbestand dieses Anspruchs ganz auf die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit im Sinne der Artikel 56 und 100 a) EPÜ.
5.2. Es trifft in diesem Zusammenhang zu, daß Artikel 56 EPÜ weder die Aufgabe-Lösungs-Betrachtungsweise noch Überlegungen im Sinne einer "could/would"-Situation des Fachmanns vorschreibt bzw. impliziert, sondern daß im Gesetzestext gleichbedeutend nebeneinandergestellt sind: Fachmann - naheliegende Weise - Stand der Technik.
5.3. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung T 465/92, ABl. EPA 1996, 32, verwiesen.
Diese Entscheidung negiert den Aufgaben-Lösungs-Ansatz, der in der Praxis des EPA (Prüfungs-, Einspruchs-, Beschwerdeverfahren) vielfältige Anwendung findet, in keiner Weise, sondern relativiert ihn nur als nicht "allein seligmachend".
Die Kammer sieht indes keinerlei Einbahnstraßensituation in der Anwendung dieses Ansatzes zur Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit. Im vorliegenden Fall stellt sich das Problem eines unterschiedlichen Ansatzes zur Bestimmung der erfinderischen Tätigkeit nicht.
5.4. Gitterwerke der in Anspruch 1 beanspruchten Allgemeinheit finden in der Praxis vielfältige Anwendungen z. B. für tragende Konstruktionen im Hochbau, für das Ausstellungswesen, für Spielzeug usw., so daß der hier heranzuziehende Fachmann nicht im Bereich der Autodidakten (Argument des Beschwerdegegners) anzusiedeln ist, sondern im Bereich der Ingenieure, vgl. z. B. (14), die eine wissenschaftliche Abhandlung über Raumfachwerke darstellt.
5.5. Dem Fachmann sind somit Gitterwerke gemäß (1), (6) und (10) bekannt, dergestalt, daß solche Gitterwerke gemäß (1), insbesondere Figur 2, einen Knoten in Hohlkonstruktion aufweisen können. Es trifft zu, daß der Eckenausgestaltung des Knotens in (1) keine besondere Bedeutung beigemessen wird; daraus ist aber nicht zu schließen, daß dort nicht an allen Kanten des Würfels (Knotens) Stäbe anschließbar wären, weil es ersichtlich genügt, die Anschlußbleche der Stäbe seitlich abzuschrägen, um auch größere Schwenkwinkel bei voller Belegung aller Würfelkanten zu erzielen.
Hervorzuheben bleibt, daß der Stabanschluß in (1) gabelförmig ausgebildet ist, eine Schwenkbarkeit des Stabes erlaubt, aber bezüglich der Montage durch das Vorhandensein einer Klemmschraube nicht besonders bedienungsfreundlich/einfach ausgestaltet ist.
Bezüglich (6) und deren Hinweis auf die "Polyeder"-Ausbildung des Kernteils, vgl. Seite 12, Absatz 1, mag ein Hohlwürfel entnehmbar sein oder nicht, ohne daß es hierauf entscheidungswesentlich ankommt; wesentlich ist die Information an den Fachmann, daß die Ecken als "Eckteile" ausgebildet sind und daß alle Kanten durch Stäbe belegt sein können, vgl. Figur 11, 14 und 23 ohne den Schwenkwinkel benachbarter Stäbe einzuschränken.
Dem Fachmann war weiterhin (10) bekannt, deren Würfelkanten gemäß Seite 3, Zeilen 13 bis 19 rund sein können, um eine gewisse Winkelbeweglichkeit der Stäbe zu ergeben, so daß den gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdegegners nicht zu folgen ist. (10) erhellt in Figur 1 wiederum das Vorhandensein einer Gabel mit Klemmschraube und ist insoweit mit (1) vergleichbar.
5.6. Eine kritische Würdigung der dem Fachmann am Prioritätstage bekannten Gitterwerke gemäß (1), (6), (10) wird ergeben, daß die Aspekte Winkelbeweglichkeit und Montagefreundlichkeit im vorbekannten Stand der Technik noch keine befriedigende Lösung gefunden haben, vgl. (10) Seite 3, Zeilen 15/16 "in gewissem Maße" ist der Winkel der Stäbe, einstellbar, bzw. (1) und (6) und ihre obligatorischen Klemmschrauben der Anschlußelemente.
5.7. Es entspricht fachmännischem Vorgehen, wenn Schwachstellen des vorbekannten Stands erkannt werden und Ausschau nach deren Beseitigung gehalten wird.
Diese Ausschau wird an der Stelle ansetzen, wo der Stand der Technik nachteilig ist, nämlich im Anschlußbereich der Stäbe.
5.8. Die Beanspruchung eines allgemeinen Gitterwerkes - ohne Einschränkung bezüglich des Einsatzgebietes, der Größenabmessungen und des zu verwendenden Materials - engt den Fachmann erkennbar nicht auf ein engbegrenztes technisches Gebiet ein, so daß z. B. auch das Gebiet von Gestellen, Gerüsten, Rahmenkonstruktionen bzw. von zusammenbaubaren Konstruktionen ins Auge zu fassen ist. Der Fachmann wird demnach unschwer z. B. auf (8), (9), (23) , (24), (25) und (26) stoßen und erkennen, daß es eine ganze Reihe von winkelbeweglichen und einfach zu montierenden Anschlußelementen im weiteren Stand der Technik gibt, nämlich Nocken am stabseitigen Gabelende des Anschlußstabes, vgl. Figur 5 von (8) bzw. Figur 2/3 von (23) bzw. Figur 6 von (24) bzw. Figur 5 von (25) bzw. Figur 6 von (26), die alle die Aufgabe eines einfachen Zuschnappens beim Montieren/Demontieren und abgesehen von (23) auch noch die Möglichkeit einer Winkelbeweglichkeit des Stabes eröffnen.
Da diese Art der Anschlüsse von Stäben an Knoten bei Horizontal-, Vertikal- und Diagonalstäben Anwendung findet, kann kein Unterschied zu einem Gitterwerk des Anspruchs 1 gesehen werden, auch nicht bei Einleitung von Zug- oder Druckschriften vom Stab auf den Knoten.
5.9. Damit vermag auch das Argument des Beschwerdegegners der fehlenden Verriegelungssicherheit nicht durchzugreifen und auch nicht der Einwand, wonach Anschlußelemente gemäß (8), (23) bis (26) vom Fachmann unberücksichtigt bleiben würden. Zurückzuweisen ist auch das Argument des Beschwerdegegners, wonach der Fachmann bekannte Knoten- und Anschlußelement-Ausführungen nicht in Kombination sehen würde. Diese Betrachtung läßt die Allgemeinheit des beanspruchten Gitterwerks, sowie dessen fehlende Einschränkung auf bestimmte Abmessungen und Materialien unberücksichtigt und steht auch nicht im Einklang mit dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz und der "could/would"-Situation, da beide Betrachtungsweisen eine kombinatorische Verbindung von Lehren nicht ausschließen. Was hingegen auszuschließen ist, ist eine ex-post-Betrachtungsweise des vorbekannten Stands der Technik. Hierzu kommt es nicht, wenn dem fachmännischen Vorgehen gefolgt wird: Studium des Stands der Technik - Erkennen von Schwachstellen - gezieltes Beseitigen derselben unter Heranziehung des Vorbekannten bzw. fachmännischen Könnens und Wissens.
5.10. Die auf den Nocken als Verriegelungselement abgestellte Alternative des Anspruchs 1 beruht in der Zusammenfassung vorstehender Überlegungen somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ, weil sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Anspruch 1 ist damit nicht rechtsbeständig, da er als Ganzes zu sehen ist, worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verwiesen hat. Der Hauptantrag ist demnach zurückzuweisen.
Hilfsantrag 1
6.1. Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags durch die Angabe, daß der Nocken "7" mit der Gabel "6" einstückig ist. Wie beim Hauptantrag ist die Neuheit des Beanspruchten gegeben; zu untersuchen ist, ob die Modifikation des Anspruchs 1 einen erfinderischen Gegenstand ergab oder nicht.
6.2. Ein mit der Gabel eines Anschlußelements einstückiger Nocken im Zusammenhang mit Bauelementen, vgl. "Complete Specification" von (9), Seite 3, Zeilen 70/71, ist aber dem Fachmann ebenfalls vertraut, wobei es unbeachtlich ist, wenn in (9) der Nocken am stabfernen Gabelschenkel angeordnet ist, weil der Stand der Technik, der zur Zurückweisung des Hauptantrags führt, eindeutig belegt, daß der Fachmann Nocken an Gabelschenkeln auch an dem dem Stab zugewandten Schenkel der Gabel realisiert hat. Bei der einstückigen Ausbildung von Nocken und Gabelschenkel brauchte der Fachmann somit nur auf Konstruktionsprinzipien zurückgreifen, die ihm auf dem unmittelbaren technischen Gebiet der Gitterwerke vertraut sind.
6.3. Zusammenfassend kann auch dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 kein erfinderisches Tätigwerden im Sinne von Artikel 56 bzw. 100 a) EPÜ zugestanden werden, so daß auch der Hilfsantrag 1 zurückzuweisen ist.
6.4. Die Ausführungen des Beschwerdegegners, wonach Nocken und Gabel aus verschiedenen Materialien bestehen könnten, sind schon deshalb nicht angetan, zu einer positiven Beurteilung des Anspruchs 1 zu gelangen, weil damit der Bereich der Ursprungsoffenbarung verlassen wird.
Dies gilt auch für die Variante, daß kein Nocken im engeren Sinne, sondern eine stabseitige Rille am Gabelschenkel realisiert würde und sich dadurch ein Auffedern ergäbe, weil der Beschwerdegegner den Nachweis schuldig blieb, daß eine solche "Nocken"-Ausgestaltung ursprungsoffenbart sei.
Hilfsantrag 2
7.1. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist auf die zweite Alternative des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, nämlich auf das Verschließen der Gabelschenkel mittels einer Federklammer "8", vgl. Figur 2 der Streitpatentschrift, gerichtet.
7.2. Die Neuheit des Gitterwerks gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 war für die Beteiligten und die Kammer nicht strittig, so daß wiederum die Frage der erfinderischen Tätigkeit das Kriterium für den Rechtsbestand dieses Anspruchs 1 ist.
7.3. In dieser Frage kommt die Kammer zu nachfolgendem Ergebnis:
Von den Druckschriften (1), (6) und (10) als vorbekanntem Stand der Technik bei Gitterwerken ausgehend, schreibt Anspruch 1 eine Gabel am Stabende vor, die eine Kante eines Würfels (Knotens) übergreifen kann und die anschließend mittels einer Federklammer verschließbar ist.
7.4. Damit ist einerseits eine einfache Montage/Demontage eines Gitterwerks möglich und andererseits ist eine Schwenkmöglichkeit des Stabes gegenüber dem Knoten gegeben.
7.5. Der einzige Stand der Technik, der neben den Druckschriften (1), (6) und (10) für die Frage der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen ist, ist möglicherweise mit (13) gegeben.
Ein gründliches Studium von (13) ergibt aber, daß deren Klammer "Kl" einem ganz anderen Zweck dient, nämlich der Festlegung von Leitungen in Schlitzen von Wänden. Damit liegt im Gegensatz zum technischen Gebiet der Gitterwerke keine Notwendigkeit einer Demontage der Klammer vor, da diese nach ihrer Montage ein für allemal in Mörtel eingebettet und nachträglich nicht mehr zugänglich ist.
7.6. Auch die Forderung nach einer Schwenkmöglichkeit der Klammerverbindung ist bei (13) nicht gegeben, so daß bezweifelt werden muß, daß der Fachmann (13) überhaupt ins Auge fassen würde.
7.7. Selbst wenn er dies aber täte, würde er nicht auf die Verriegelung gemäß Anspruch 1 hingelenkt, weil er keine Anregung aus (13) hätte, Forderungen wie Montier/Demontierbarkeit und Winkelbeweglichkeit zu berücksichtigen.
Nur bei unzulässiger ex-post-Betrachtungsweise mag (13) auf den Gegenstand des Anspruchs 1 hinweisen.
7.8. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist somit erfinderisches Zutun nicht abzusprechen, so daß dieser unabhängige Anspruch den Rechtsbestand des Streitpatents auf der Basis folgender Unterlagen sichern kann:
- Ansprüche 1 bis 3
- Beschreibung Spalten 1 bis 4
- Zeichnungen (2 Blatt)
wie in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 1996 überreicht.
7.9. An dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers nichts zu ändern, da sie nur pauschal darauf hinausliefen, daß das Beanspruchte nicht erfinderisch sei.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung gemäß Hilfsantrag 2 überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.