T 0035/95 (Schweißeinlage/DEOTEXIS) of 1.10.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:T003595.19961001
Datum der Entscheidung: 01 October 1996
Aktenzeichen: T 0035/95
Anmeldenummer: 88900947.8
IPC-Klasse: A41D 27/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schweisseinlage
Name des Anmelders: Deotexis AG
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Nächstkommender Stand der Technik
Ex post-Analyse einer Entgegenhaltung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0570/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0910/11

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der europäischen Patentanmeldung Nr. 88 900 947.8 wurde das europäische Patent Nr. 333 773 erteilt. Gegen dieses Patent wurde ein Einspruch eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung wies mit ihrer am 11. November 1994 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch zurück.

Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patentes lautet wie folgt:

"1. Auswechselbare Schweißeinlage für Wäsche- und Kleidungsstücke, mit einer hautfreundlichen Saugschicht, welche z. B. Papiervlies, Faservlies, Filz, Zellstoff, Cellulosevlies oder ein Gewebe aus Wolle oder Baumwolle aufweisen kann, und mit einer dünnen wasserundurchlässigen Außenschicht, die mit Mitteln zum lösbaren Anbringen an einem Wäsche- oder Kleidungsstück, insbesondere einer Selbstklebeschicht, versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Saugschicht (3) schmiegsam ist und mikroverkapselte Duftstoffe (10) und/oder mikroverkapselte schweißzersetzende und/oder die Schweißbildung hemmende und/oder entzündungshemmende Wirkstoffe enthält."

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 11. Januar 1995 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 10. März 1995 begründet.

III. Am 1. Oktober 1996 ist mündlich verhandelt worden.

IV. Die Parteien haben sich auf folgende Druckschriften berufen:

D1: DE-A-2 617 545;

D2: DE-A-2 841 365;

D3: DE-A-3 104 047;

D4: DE-A-2 914 386;

D5: DE-A-3 339 474;

D6: O.-A. Neumüller, Römpps Chemie-Lexicon, Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1985, Seiten 2611 and 2612;

D7: Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, Vol. 15, John Wiley & Sons, New York 1981;

D8: US-A-3 490 454;

D9: US-A-3 623 659;

D10: A.F. Kydonieus, Fundamental Concepts of Controlled Release, in "Controlled release technologies", CRC Press Inc., Boca Raton, Florida 1980;

D11: DE-A-2 004 872

V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von jeder der Druckschriften D1, D4 und D5 und im Hinblick auf die allgemeinen Kenntnisse des Fachmannes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen.

VI. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des angefochtenen Patentes beantragt.

Als Hauptantrag hat die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Hilfsweise hat die Beschwerdegegnerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes aufgrund der mit Schreiben vom 22. Dezember 1993 eingereichten Ansprüche 1 bis 12 (1. Hilfsantrag) bzw. der während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ansprüche 1 bis 11 (2. Hilfsantrag) beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patentes (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin)

2.1. Der Anspruch 1 ist auf eine auswechselbare Schweißeinlage für Wäsche- und Kleidungsstücke gerichtet. Eine solche Schweißeinlage hat mehrere Einsatzmöglichkeiten. Es geht z. B. aus den Zeichnungen und der Beschreibung (Seite 3, Zeilen 45 bis 49; Figuren 3, 6, 8 und 9) des erteilten Patentes hervor, daß eine solche Einlage sowohl in Unterhemden, als auch in Unterhosen angebracht werden kann.

2.2. Der Anspruch 1 enthält das Merkmal, daß die Saugschicht der Schweißeinlage schmiegsam ist. Der Begriff "schmiegsam" definiert eine Eigenschaft der Saugschicht. Unter dem Ausdruck "schmiegsame Saugschicht" ist eine Stoffschicht zu verstehen, die sich - aufgrund der Struktur des Werkstoffes, aus welchem sie besteht, bzw. aufgrund ihrer Dimensionen - an unterschiedlich gewölbte Flächen leicht anpassen kann (vgl. Beschreibung des erteilten Patentes, Seite 2, Zeilen 44 und 45).

In der Beschreibung des Patentes wird angegeben, daß die Schmiegsamkeit sich daraus ergeben kann, daß die Saugschicht eine geringe Dicke hat bzw. aus elastischem Material hergestellt ist bzw. sich gegeneinander verschiebbare Fasern aufweist (siehe Beschreibung des Patentes, Seite 4, Zeilen 44 bis 52).

Dadurch, daß die Saugschicht schmiegsam ist, kann sich die gesamte Schweißeinlage an unterschiedlich geformte bzw. gewölbte Flächen eines Kleidungsstückes leicht anpassen. In bezug auf die Anpaßbarkeit der gesamten Schweißeinlage stellt die Saugschicht den wichtigsten Teil der Schweißeinlage dar, da die übrigen Teile der Schweißeinlage keinen wesentlichen Einfluß darauf haben.

2.3. Unter dem Begriff "mikroverkapselte Duft- bzw. Wirkstoffe" sind "in Mikrokapseln enthaltene Duft- bzw. Wirkstoffe" zu verstehen.

Mit dem Begriff "Mikrokapseln" können nach dem üblichen Sprachgebrauch sowohl Kapseln, die einen Durchmesser von einigen Mikron zu einigen Millimetern aufweisen (siehe z. B. die Druckschrift D7, Seite 470, "Microencapsulation", erster Absatz oder die Druckschrift D10, Seite 6, Absatz "Reservoir systems"), als auch mikroskopisch kleine Kapseln (siehe die Druckschrift D6, Seite 2611) bezeichnet werden.

Es geht aber aus der Beschreibung des Patentes hervor, daß die Mikrokapseln einen Durchmesser von 5 bis 10. Mikron aufweisen (siehe Seite 4, Zeilen 1 und 2). Im Zusammenhang mit dem angefochtenen Patent und im Hinblick auf die zu erreichenden Vorteile sind daher unter Mikrokapseln mikroskopisch kleine Kapseln zu verstehen, d. h. Kapseln mit einem Durchmesser von einigen Mikron.

3. Neuheit (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin)

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ. Die Neuheit wurde während des Beschwerdeverfahrens nicht bestritten.

4. Der Stand der Technik

4.1. Die Druckschriften D1, D4 und D5 stellen nach Auffassung sowohl der Kammer als auch der Beteiligten die relevantesten Informationsquellen dar.

Die Druckschriften D2 und D3 beschreiben Schweißeinlagen, die nicht über den Oberbegriff des Anspruchs 1 hinausgehen. Die Druckschriften D8, D9 und D11 beziehen sich auf Gegenstände anderer Art (Frauenbinden bzw. Tischdecken), welche mikroverkapselte Duft- bzw. Wirkstoffe enthalten. Die Druckschriften D6, D7 und D10 widerspiegeln die allgemeinen technischen Kenntnisse eines Fachmannes in bezug auf die Mikroverkapselung.

4.2. Die Druckschrift D1 beschreibt ein auswechselbares Achselschweißblatt, d. h. eine auswechselbare Schweißeinlage für mit Ärmeln versehene Kleidungsstücke, mit einer hautfreundlichen Saugschicht (10) und mit einer dünnen feuchtigkeitsundurchlässigen äußeren Sperrschicht (12) , die mit Mitteln (13) zum lösbaren Anbringen am Kleidungsstück versehen ist (siehe insbesondere Anspruch 1 bzw. Seite 4, Absätze 2 bis 4; Figur 2).

Das Achselschweißblatt als Ganzes kann antibakteriell imprägniert oder parfümiert werden (siehe Seite 4, letzter Absatz bzw. Ansprüche 2 und 3). Mit anderen Worten: Das Achselschweißblatt kann Duftstoffe oder entzündungshemmende Wirkstoffe enthalten.

Die Saugschicht kann aus einem Gewebe oder aus einem Vlies aus Zellulose-Werkstoff bestehen (siehe Seite 4, Absatz 2).

4.2.1. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß diese bekannte Schweißeinlage als Ganzes sich an die Form des entsprechenden Kleidungsstückes anpassen könne. Da sowohl die Saugschicht der Schweißeinlage gemäß der Druckschrift D1 als auch die der Schweißeinlage nach dem Anspruch 1 des angefochtenen Patentes aus ähnlichen Werkstoffen, wie z. B. aus Zellulose-Vlies, bestehen können, sei die Saugschicht des Achselblattes nach der Druckschrift D1 ebenso als schmiegsam zu betrachten, wie die gemäß dem Anspruch 1.

In diesem Zusammenhang wurde von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß nicht jedes Vlies schmiegsam sei.

Die Beschwerdeführerin hat nach Auffassung der Kammer nicht bewiesen, daß Saugschichten, welche aus Werkstoffen bestehen, die sowohl in der Druckschrift D1 als auch im angefochtenen Patent mit einem gleichen bzw. ähnlichen Begriff bezeichnet werden, dieselben Eigenschaften aufweisen. Daher hält die Kammer die Aussage der Beschwerdegegnerin für wahrscheinlicher, nach welcher nicht jedes aus Zellulose-Werkstoff bestehende Vlies schmiegsam ist.

Darüber hinaus beschreibt die Druckschrift D1 ein Achselschweißblatt, welches an einem mit Ärmeln versehenen Kleidungsstück angebracht wird und bereits deswegen an die Form dieses Kleidungstückes angepaßt ist. Diese Anpassung wird offensichtlich durch die Form des Schweißblattes erzielt, d. h. dadurch, daß das Schweißblatt sichelförmig - wie in Figur 1 dargestellt - hergestellt wird.

Daher kann die Kammer dieser Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen. Die Information, daß die Saugschicht schmiegsam ist, kann nicht unmittelbar und eindeutig der Druckschrift D1 entnommen werden.

4.3. Auch die Druckschrift D5 beschreibt ein auswechselbares Achselschweißblatt (Einweg-Ärmelblätter). Dieses Achselschweißblatt ist mit einer hautfreundlichen, aus Zwischenlagen (6, 7) bestehenden Saugschicht (3) und mit Mitteln (2) zum lösbaren Anbringen am Kleidungsstück versehen (siehe insbesondere, Seite 6, Absätze 4 und 5; Figuren 1 und 2). Durch die Zwischenlagen (6, 7) werden Umhüllungen in Form von Kapseln (5) umgeben, welche deodorierende und/oder keimabtötende Mittel enthalten (siehe Seite 6, Absatz 2).

Die Druckschrift D5, in welcher der Begriff "Mikrokapsel" nicht verwendet wird, enthält keine Angaben über die Dimensionen der Umhüllungen (5). Es ist somit davon auszugehen, daß es sich nicht um Mikrokapseln handelt. Es geht aber deutlich aus der Druckschrift D5 hervor, daß durch die Umhüllungen (5) eine Langzeitwirkung der desodorierenden bzw. keimabtötenden Mittel erzielt wird (siehe Seite 7, Absatz 1).

Es geht aus der Druckschrift D5 nicht hervor, daß das Schweißblatt mit einer dünnen wasserundurchlässigen Außenschicht versehen ist.

In der Druckschrift D5 wird das Material der Saugschicht lediglich als saugfähig definiert. Es geht aus der Beschreibung (Seite 5, Absatz 2) und aus den Zeichnungen (Figuren 1 und 2) eindeutig hervor, daß die Anpassung des Schweißblattes an das Kleidungsstück dadurch gewährleistet wird, daß das Ärmelblatt halbmondförmig ausgebildet ist. Die Information, daß die Saugschicht schmiegsam ist, kann dieser Druckschrift in keiner Weise entnommen werden.

4.4. Die Druckschrift D4 bezieht sich auf desodorierende und desinfizierende Erzeugnisse. Im Anspruch 1 dieser Druckschrift werden mehrere Einsatzmöglichkeiten dieser Erzeugnisse erwähnt, nämlich: Monatsbinden, Kompressen, Bandagen, Klebepflaster und Einlagen. Im allgemeinen Teil der Beschreibung (Seite 16, Zeilen 1 bis 5) werden auch Schuheinlegesohlen und Schweißblätter als weitere Einsatzmöglichkeiten erwähnt.

In diesen Erzeugnissen kann eine Substanz eingebettet werden, die bei der Benetzung Sauerstoff abgibt. Es ist bei diesen Erzeugnissen wesentlich, daß die Sauerstoff abgebende Substanz innerhalb des Erzeugnisses, im Abstand von dessen Oberfläche eingebettet ist (siehe Anspruch 1; Seite 11, letzter Absatz). Diese Substanz kann desodorierend oder keimtötend sein (siehe Seite 14, letzter Absatz). In der Beschreibung (Seiten 21 und 25) und im Anspruch 3 wird außerdem angegeben, daß die Substanz in Mikrokapseln enthalten sein kann. Der Vorteil der Verwendung von Mikrokapseln liegt darin, daß die Substanz nicht unter Luftabschluß gelagert werden muß (siehe Seite 21).

In der Druckschrift D4 werden mehrere Ausführungsbeispiele beschrieben. Dabei beziehen sich die Figuren 1 bis 3 auf eine Monatsbinde und die Figur 4 auf eine Wundkompresse, die Figuren 5 bis 10 offensichtlich auf eine Binde oder Windel und die Figuren 11 und 12 auf eine Windel.

Die Information, daß diese Erzeugnisse eine schmiegsame Saugschicht aufweisen, kann dieser Druckschrift nicht entnommen werden.

5. Der nächstkommende Stand der Technik (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin)

5.1. In ihrem Vortrag zur erfinderischen Tätigkeit, ist die Beschwerdeführerin - aufgrund des in der Praxis der Beschwerdekammern angewandten, sogenannten Aufgabe-Lösungs-Ansatzes - von jeder der Druckschriften D1, D4 und D5 ausgegangen.

5.2. Nach Auffassung der Kammer stellen sowohl die Druckschrift D1 als auch die Druckschrift D5 insofern einen möglichen Ausgangspunkt dar, als jede dieser Druckschriften "konkrete" Ausführungsbeispiele von Schweißeinlagen beschreiben. Aus einem solchen Ausgangspunkt kann sich eine zu lösende technische Aufgabe ergeben und somit kann das beschriebene, konkrete Ausführungsbeispiel zur Lösung dieser Aufgabe weiter entwickelt (d. h. abgeändert) werden. Mit anderen Worten, damit eine zu lösende technische Aufgabe sich im Zusammenhang mit einem vorbekannten Gegenstand - z. B. im Hinblick auf eventuelle Nachteile dieses Gegenstandes - ergeben kann, muß der Fachmann diesen Gegenstand in seinen Einzelheiten kennen. Es ist daher erforderlich, daß ein "konkreter" Gegenstand offenbart ist und zwar so eindeutig und vollständig, daß ein Fachmann ihn ausführen kann (siehe hierzu T 570/91, unveröffentlicht, Abschnitt 4.3).

5.3. Bei der Analyse der Druckschrift D4 hat die Beschwerdeführerin der folgenden Angabe in der Beschreibung (Seite 16, 1. Absatz, 2. Satz) eine besondere Bedeutung zugemessen, nämlich: "Auch für Schweißblätter kann ein erfindungsgemäßes Erzeugnis Verwendung finden". Diese Angabe hat die Beschwerdeführerin mit den weiteren Angaben auf Seite 21 verknüpft, durch welche die Verwendung von Mikrokapseln bei Einlegesohlen, Haftpflastern und kleinen Kompressen empfohlen wird. Auf diese Weise wurde ein "theoretischer" Gegenstand konstruiert, welcher dem Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patentes sehr ähnlich erscheint. Diese Vorgehensweise ist insofern bedenklich, als die Konstruktion eines solchen theoretischen Gegenstandes in Kenntnis des beanspruchten Gegenstandes erfolgt.

Im Hinblick auf die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 5.2 ist ein solcher Gegenstand kein potentiell geeigneter Ausgangspunkt. Obwohl in der Druckschrift D4 ganz allgemein auf die Möglichkeit der Verwendung der beanspruchten Erzeugnisse als Schweißblätter hingewiesen ist, wird durch diesen Hinweis ein Schweißblatt nicht so eindeutig und vollständig offenbart, daß der Fachmann es ausführen kann.

5.3.1. Die in der D4 beschriebenen Ausführungsbeispiele, die sich auf Frauenbinden bzw. Windeln bzw. Wundekompressen beziehen, stellen nach Auffassung der Kammer "konkrete" Gegenstände dar, von welchen aus der Weg zum beanspruchten Gegenstand noch schwieriger ist, als der Weg, der von der Druckschrift D1 oder D5 ausgeht. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß der Fachmann, der sich mit der Entwicklung von Schweißeinlagen zu befassen hat und mehrere Erzeugnisse dieser Art bereits kennt, sich ein Erzeugnis anderer, "fremder" Art (wie eine Wundkompresse oder eine Frauenbinde) als Ausgangspunkt sucht und versucht, von diesem Ausgangspunkt zum beanspruchten Gegenstand zu kommen.

6. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin)

6.1. Druckschrift D1 als Ausgangspunkt

6.1.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik, der sich aus der Druckschrift D1 ergibt (siehe die vorstehenden Abschnitte 4.2 und 4.2.1),

(a) durch die Mikroverkapselung der Duft- bzw. Wirkstoffe gemäß dem letzten kennzeichenden Merkmal des Anspruchs 1 und

(b) dadurch, daß die Saugschicht schmiegsam ist.

Durch das Merkmal (a) wird es möglich, daß die Duft- bzw. Wirkstoffe nur dann freigegeben werden, wenn die Schweißeinlage an einem Wäsche- oder Kleidungsstück angebracht worden ist. Außerdem kann die Schweißeinlage ohne Einsiegelung gelagert werden. Darüber hinaus kann die Schweiß- bzw. Geruchsbildung über eine lange Zeit bekämpft werden (siehe Beschreibung des Patentes, Seite 2, Zeilen 24, 25 und 30 bis 34). Mit anderen Worten, es wird eine Verzögerungs- bzw. Langzeitwirkung erzielt.

Das Merkmal (b) bewirkt, daß die Schweißeinlage sich unterschiedlich gewölbten bzw. geformten Flächen von verschiedenen Kleidungsstücken leicht anpassen kann. Diese Anpassungsfähigkeit der Schweißeinlage läßt sich aufgrund der Schmiegsamkeit der Saugschicht erzielen (siehe Beschreibung des Patentes, Seite 2, Zeilen 43 bis 45). Darüber hinaus wird diese Schmiegsamkeit nicht durch die mikroverkapselten Stoffe beeinträchtigt.

6.1.2. Es ist aus der Druckschrift D5 bekannt, daß Duft- bzw. Wirkstoffe zum Erzielen einer Langzeitwirkung einer Schweißeinlage verkapselt werden.

Es ist außerdem allgemein bekannt, die Technik der Mikroverkapselung zum Verzögern der Evaporation von leichtflüchtigen Stoffen anzuwenden (siehe z. B. D7, Seite 471, erster Absatz). Es wäre daher für den Fachmann, naheliegend, die Duft- bzw. Wirkstoffe, mit welchen das Schweißblatt nach der Druckschrift D1 imprägniert werden kann, zum Erzielen einer Verzögerungs- bzw. Langzeitwirkung zu verkapseln.

Daher trägt das Merkmal (a) - für sich betrachtet - nicht zur erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Lösung bei.

6.1.3. Der vorliegende Stand der Technik weist aber weder auf das Merkmal (b) noch auf die durch dieses Merkmal zu erzielende Wirkung hin.

Die Druckschriften D1 bis D3 und D5, welche "konkrete" Schweißeinlagen beschreiben, befassen sich mit dem Problem der Anpassung an das Kleidungsstück. Dieses Problem wird bei den Schweißblättern nach den Druckschriften D1, D3 und D5 dadurch gelöst, daß das Schweißblatt einen halbkreisförmigen Schnitt aufweist (siehe in bezug auf die Druckschriften D1 und D5 die vorstehenden Abschnitte 4.2.1 und 4.3; in bezug auf die Druckschrift D3 die Figuren 1 und 2). Bei dem Schweißblatt nach der Druckschrift D2 wird die Anpassung durch Einschnitte an den Enden einer Faltlinie erreicht (siehe Figuren und Seite 3, drittletzer Absatz). Diese bekannten Schweißblätter sind für die Achselhöhle gedacht, d. h. sie sind über die Verbindungsnaht zwischen Ärmel und Hauptteil des Kleidungsstückes anzubringen. Das Schweißblatt nach der Druckschrift D2 kann auch in Jeans und Hosen (siehe Anspruch 8) angebracht werden, offensichtlich über die Verbindungsnaht zwischen den Hosenbeinen. Aber bei allen diesen Schweißblättern wird die Anpassung an die spezielle Form des Kleidungsstückes immer durch die Form bzw. den Schnitt der Einlage vorbestimmt. Jedes dieser Schweißblätter ist vor dem Anbringen am Kleidungsstück aufgrund seiner speziellen Form an die Form des Kleidungstückes bereits angepaßt.

Dagegen wird durch das Merkmal (b) des Anspruchs 1 die Anpaßbarkeit der Schweißeinlage an verschiedene Kleiderstücke, d. h. an verschiedene Formen, erreicht. Die Schweißeinlage nach dem Anspruch 1 braucht nicht eine vorbestimmte, der Form des Wäsche- bzw. Kleidungsstückes genau angepaßte Form zu haben (siehe z. B. die Figuren 6, 8 und 9 des erteilten Patentes, aus welchen es hervorgeht, daß dieselbe Einlage, d. h. die in der Figur 1 dargestellte Einlage, sowohl im Achselbereich eines Unterhemdes, als auch in verschiedenen Bereichen einer Unterhose angebracht werden kann). Die Schweißeinlage nach dem Anspruch 1 ist aufgrund der Schmiegsamkeit der Saugschicht an die Form der Kleidung anpaßbar, d. h. sie kann sich an mehrere, unterschiedlich gewölbte bzw. geformte Flächen von verschiedenen Kleidungsstücken leicht anpassen.

Der gesamte Stand der Technik, welchem kein Hinweis auf eine schmiegsame Saugschicht zu entnehmen ist, weist somit in eine andere Richtung als die beanspruchte Lösung.

Daher könnte der Fachmann in Kenntnis dieses Standes der Technik nicht ohne erfinderisches Zutun auf die Idee kommen, die Schweißeinlage nach der Druckschrift D1 mit einer schmiegsamen Saugschicht zu versehen.

6.1.4. Darüber hinaus ist die Schmiegsamkeit der Saugschicht nicht der einzige Schritt, welcher zur beanspruchten Lösung führt. Die beanspruchte Lösung setzt voraus, daß die Saugschicht nicht nur schmiegsam ist, sondern auch Mikrokapseln enthält. Eine Wechselwirkung zwischen den Merkmalen (a) und (b) kann darin gesehen werden, daß die Anwesenheit der Mikrokapseln die Schmiegsamkeit der Saugschicht nicht verhindert, so daß trotz der Anwesenheit der Kapseln eine schmiegsame, verkapselte Duft- bzw. Wirkstoffe enthaltende Saugschicht hergestellt werden kann.

6.2. Die Druckschrift D5 als Ausgangspunkt

6.2.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik, der sich aus der Druckschrift D5 ergibt (siehe den vorstehenden Abschnitt 4.3), dadurch

(a') daß die Duft- bzw. Wirkstoffe enthaltenden Kapseln Mikrokapseln sind,

(b) daß die Saugschicht schmiegsam ist, und

(c) daß die Einlage mit einer dünnen wasserundurchlässigen Außenschicht versehen ist.

Das Merkmal (a') kann sich lediglich auf die Dimensionen der Kapseln beziehen. Eine Langzeit- bzw. Verzögerungswirkung wird bereits bei dem Schweißblatt gemäß der Druckschrift D5 durch das Einsetzen von Kapseln erzielt.

Das Merkmal (b) bewirkt, daß die Schweißeinlage sich unterschiedlich gewölbten Flächen leicht anpassen kann (siehe hierzu den vorstehenden Abschnitt 6.1.1).

Das Merkmal (c) bewirkt, daß die Wirk- bzw. Duftstoffe nicht in Kontakt mit dem Gewebe des Kleidungsstückes kommen.

6.2.2. Im Hinblick auf die Druckschrift D7 (siehe hierzu den vorstehenden Abschnitt 6.1.2) trägt das Merkmal (a') - für sich betrachtet - nicht zur erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Lösung bei.

Dasselbe gilt für das Merkmal (c), denn dieses Merkmal und dessen Wirkung sind im Zusammenhang mit einem Schweißblatt bereits bekannt (siehe z. B. Druckschrift D1 oder Druckschrift D2).

6.2.3. In bezug auf das Merkmal (b) gelten die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 6.1.3. Es ist daher für den Fachmann nicht naheliegend, die Schweißeinlage nach der Druckschrift D5 mit einer schmiegsamen Saugschicht zu versehen.

Darüber hinaus besteht auch hier eine Beziehung zwischen den kennzeichnenden Merkmalen, insofern als die Saugschicht aufgrund der Verwendung von Mikrokapseln dünner dimensioniert werden kann und somit schmiegsamer sein kann (siehe hierzu Beschreibung des Patentes, Seite 2, Zeilen 41 bis 45).

6.3. Im Hinblick auf die vorstehenden Abschnitte 5.3. und 5.3.1. stellen die verschiedenen Gegenstände, auf welche sich die Druckschrift D4 bezieht, keine geeignete Ausgangspunkte dar. Selbst wenn der Fachmann von diesem Stand der Technik ausginge, würde er aus den selben Gründen, die in den vorstehenden Abschnitten 6.1 und 6.2 angegeben worden sind, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung gelangen.

6.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

7. Das Patent kann daher aufgrund des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 und der erteilten abhängigen Ansprüche 2 bis 13, welche besondere Ausführungsarten der im Anspruch 1 definierten Erfindung darstellen, aufrechterhalten werden.

Dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin kann somit stattgegeben werden. Angesichts dieser Sachlage erübrigt sich die Überprüfung der Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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