T 0655/94 () of 7.11.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T065594.19951107
Datum der Entscheidung: 07 November 1995
Aktenzeichen: T 0655/94
Anmeldenummer: 86103298.5
IPC-Klasse: G01M 3/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Prüfung des Schließzustandes, der Dichtigkeit oder des Durchtrittsquerschnittes an einem Beeinflussungsorgan, insbesondere einem Absperrorgan für elektrisch leitende Flüssigkeiten, sowie Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens
Name des Anmelders: A. und K. Müller GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Fresenius AG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - verneint
Novelty
Inventive step (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0469/94

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Einspruch gegen das erteilte europäische Patent Nr. 0 199 055 (Anmeldenr. 86 103 298.5) ist das Patent durch Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in geändertem Umfang aufrechterhalten worden.

II. Die geänderten nebengeordneten Ansprüche 1, 5 und 6 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Prüfung des Schließzustandes bzw. der Dichtigkeit eines Ventils für elektrisch leitende Flüssigkeiten, bei dem die elektrische Leitfähigkeit zwischen zwei Elektroden (E0, E1) bestimmt wird, die gegeneinander isoliert angeordnet sind und lediglich über die elektrisch leitende Flüssigkeit in Kontakt geraten können, dadurch gekennzeichnet, daß bei Ventilen, bei denen mindestens alle mit der elektrisch leitenden Flüssigkeit in Berührung geratenden Teile aus Kunststoff bestehen, die eine Elektrode (E0) vor der Zuflußseite und die andere Elektrode (E1) hinter der Abflußseite des Ventils mit der elektrisch leitenden Flüssigkeit in Kontakt gebracht wird, indem die Elektroden (E0, E1, E2) an vorgegebenen Stellen im Durchtrittsweg der Flüssigkeit jeweils vor und hinter dem Ventilsitz (2, 12, 22, 32, 42) angeordnet werden und der elektrische Leitwert im geschlossenen und geöffneten Zustand des Ventils gemessen und verglichen wird."

"5. Verfahren zur Prüfung des Schließzustandes oder der Dichtigkeit eines Ventils oder eines abgeschlossenen Leitungssystems aus elektrisch leitendem Material für elektrisch leitende Flüssigkeiten, bei dem die elektrische Leitfähigkeit zwischen zwei Elektroden (E0, E1) bestimmt wird, die gegeneinander isoliert angeordnet sind und lediglich über die elektrisch leitende Flüssigkeit in Kontakt geraten können, dadurch gekennzeichnet, daß in die Zuleitung des Ventils (V) oder des Leitungssystems ein eine elektrische Trennstelle bildendes Rückschlagventil (R, 54) aus Kunststoffmaterial eingeschaltet wird, dessen Zuflußseite (Z) an eine Flüssigkeitsdruckquelle (T) angeschlossen ist, mittels der das Ventil bzw. Leitungssystem im geschlossenem Zustand unter einen vorgegebenen Flüssigkeitsdruck gesetzt wird und dann zwischen den vor der Zuflußseite (Z) und hinter der Abflußseite (A) des Rückschlagventils (R) angeordneten Elektroden (E1, E0) der Leitwert gemessen und dadurch der Schließzustand des Rückschlagventils (R) bestimmt wird."

"6. Einrichtung zur ständigen Überwachung des Öffnungs- und Schließzustandes eines Ventils oder eines Systems von Ventilen für elektrisch leitende Flüssigkeiten, gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, bei der in jedem zu überwachenden Ventil zwei Elektroden (E0, E1) gegeneinander isoliert derart angeordnet sind, daß sie lediglich über die elektrisch leitende Flüssigkeit in Kontakt geraten können und die Elektroden mit einer elektrischen Auswerteschaltung zur Messung des Leitwertes zwischen den Elektroden verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß bei Ventilen, bei denen mindestens alle mit der elektrisch leitenden Flüssigkeit in Berührung geratenden Teile aus Kunststoff bestehen, in jedem der zu überwachenden Ventile vor der Zuflußseite und hinter der Abflußseite jeweils eine Elektrode (E0, E1, E2) im Flüssigkeitsdurchtrittsweg angeordnet ist und die elektrische Auswerteschaltung in vorgegebenen Abständen Leitwertmessungen durchführt und mit Registrier- und/oder Alarmeinrichtungen verbunden ist."

III. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung zum Schluß gekommen, daß der Gegenstand der Ansprüche sowohl neu als auch erfinderisch ist im Hinblick auf die Offenbarung der Dokumente:

D1: DE-C-2 057 590

D2: DE-A-2 600 560

D3: DE-A-2 941 337

D4: DE-A-3 330 804

D5: US-A-3 546 691

D6: DE-A-3 016 720

D8: EP-A-0 133 748.

IV. Gegen diese Entscheidung ist die vorliegende Beschwerde eingelegt worden. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) folgende weitere Dokumente zitiert:

D1': DE-A-2 057 590

D9: Grundlage der Elektrotechnik I (Ameling).

V. Es wurde mündlich verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Die Beschwerdeführerin trug im wesentlichen folgendes vor:

Die Einspruchsabteilung habe unter Berücksichtigung der Patentschrift D1 die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Streitpatents anerkannt. Diese Schlußfolgerung gelte aber nicht für die entsprechende Offenbarungsschrift D1', weil die Offenbarung dieses Dokuments wesentlich über jene herausgehe, wie sie sich aus D1 ergebe. Der Gegenstand des Streitpatents sei daher durch D1' neuheitsschädlich vorweggenommen.

Auch D8 beschreibe ein Verfahren zum Erkennen des Öffnens eines Ventils (Seite 11, Zeilen 23 ff.). Durch diese Druckschrift werde der Fachmann auf die Möglichkeit verwiesen, mit Hilfe von Meßelektroden vor und hinter einem Ventil zu detektieren, ob leitende Flüssigkeit durch das Ventil tritt oder nicht. Somit sei der Gegenstand des Streitpatents zumindest nahegelegt.

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:

D1' sei zwar allgemeiner gefaßt als D1; der Inhalt von D1' gehe aber über den Inhalt von D1 nicht hinaus. Der zweite Abschnitt auf Seite 1 der Beschreibung in D1' sei nämlich nicht so zu lesen, daß die Elektrode bei undichter Dichtungsstelle mittels einer elektrisch leitfähigen Flüssigkeit in Berührung komme, wie die Beschwerdeführerin geltend mache. Aus D1' entnehme der Fachmann lediglich die Lehre, daß die Elektrode im Ventilsitz angeordnet sein müsse.

D8 beschreibe ein Verfahren zum Bestimmen eines Ereignisses an einem bestimmten Ort, zum Beispiel des Öffnens eines Ventils. Von einer Anordnung von Elektroden hinter und vor dem Ventilsitz sei nicht die Rede.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Einspruchsabteilung ist zum Schluß gekommen, daß die Erfordernisse der Artikel 123 (2, 3) und 84 hinsichtlich der geänderten Ansprüche erfüllt sind - siehe Seite 2 der Entscheidung. Die Kammer sieht keinen Grund, dieser Auffassung nicht zuzustimmen.

3. Neuheit

Ein wesentliches Merkmal des Anspruchs 1 besteht darin, daß eine Elektrode vor der Zuflußseite und die andere Elektrode hinter der Abflußseite des Ventils mit der elektrisch leitenden Flüssigkeit in Kontakt gebracht wird, indem die Elektroden an vorgegebenen Stellen im Durchtrittsweg der Flüssigkeit jeweils vor und hinter dem Ventilsitz angeordnet werden. Der Wortlaut dieses Merkmals ist so zu verstehen, daß in dem beanspruchten Verfahren beide Elektroden stets in Berührung mit der leitfähigen Flüssigkeit sind.

D1 beschreibt ein Tellerventil mit Dichtigkeitsprüfeinrichtung, bei dem mindestens eine der Elektroden im Ventilsitz eingebaut ist, deshalb nicht vor oder hinter dem Ventilsitz angeordnet ist und erst beim Entstehen einer Undichtigkeit oder Öffnen des Ventils mit der leitfähigen Flüssigkeit in Berührung kommt.

D1' ist zwar allgemeiner gefaßt als D1. Auf Seite 1, zweiter Absatz ist jedoch dieselbe Schlußfolgerung zu ziehen.

Auch in D8 ist kein Hinweis auf eine Anordnung zu erkennen, bei der Elektroden vor und hinter einem Ventilsitz angeordnet sind.

Die anderen Entgegenhaltungen sind vom Gegenstand des Streitpatents weiter entfernt.

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 kann daher anerkannt werden.

4. Erfinderische Tätigkeit

Nach Meinung der Kammer ist für diesen Sonderfall die allgemeine Fachkenntnis des Fachmanns als nächstkommender Stand der Technik zu betrachten. Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß der Fachmann, der vor der Aufgabe steht, ein Verfahren zur Prüfung des Schließzustandes bzw. der Dichtigkeit eines Ventils zu entwickeln, von seiner allgemeinen Fachkenntnis weiß, daß die erwünschte oder unerwünschte Anwesenheit einer elektrisch leitfähigen Flüssigkeit mittels zwei gegeneinander elektrisch isolierte Elektroden, die erst durch die Flüssigkeit elektrisch angeschlossen werden, ermittelt werden kann. Als Beispiel wurde die Anwendung einer solchen Maßnahme in Regenmessern sowie bei der Ermittlung von Überschwemmungen in Waschmaschinen oder Spülmaschinen. Obwohl diese Behauptung nicht durch schriftliche Beweisstücke gestützt wurde, kann die Kammer der Beschwerdeführerin im wesentlichen zustimmen, weil die Anwendung einer solchen Maßnahme für den Fachmann aus seiner Grundkenntnis der Elektrotechnik naheliegend ist.

Angesichts des Vorhergehenden ist die Offenbarung in D1 bzw. D1' eher als ein Beispiel dieses allgemeinen Prinzips anzusehen.

Ein weiteres Beispiel ist aus D4 zu entnehmen, das auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung erwähnt wurde. In D4 besteht Wasserfühler (8) aus zwei beieinander an einer wassergefährdeten Stelle einer zu überwachenden Waschmaschine angeordneten Elektroden, die erst in elektrische Verbindung miteinander kommen, wenn der Fühler mit Wasser benetzt wird.

Die Offenbarung in D6 ist ebenfalls als Beispiel zu betrachten. Hier wird die elektrische Leitfähigkeit zwischen zwei Elektroden (23) und (30) bzw. (31) gemessen, die gegeneinander isoliert sind und die lediglich durch eine elektrisch leitende Flüssigkeit beim Entstehen eines Risses in Membrane (6a) bzw. (6b) in Kontakt kommen (Figur 3).

Für den Fachmann, der die oben erwähnte Maßnahme bei einem Verfahren zur Prüfung des Schließzustandes bzw. der Dichtigkeit eines Ventils anwenden möchte, sind die Stellen vor und hinter dem Ventilsitz die am naheliegendsten für diesen Zweck. Dies gilt insbesondere, wie seitens der Beschwerdeführerin argumentiert wurde, für den Fall, daß der Fachmann vor der Aufgabe steht, in einem bereits bestehenden Ventilsystem die Dichtigkeitsprüfung durchzuführen. Er würde nämlich nicht daran denken, Modifikationen am oder im Ventil selbst vorzunehmen.

In mehreren Entscheidungen der Beschwerdekammern ist betont worden, daß die Einfachheit einer Erfindung als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit angegesehen werden kann. Im vorliegenden Fall ist aber das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren im Hinblick auf die allgemeine Fachkenntnis des Fachmanns, insbesondere seiner Grundkenntnis der Elektrotechnik, so naheliegend, daß keine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen ist.

Dieselbe Überlegungen gelten für Einrichtungsanspruch 6. Da das Patent Ansprüche enthält, die wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentierbar sind, ist dem Antrag der Beschwerdegegnerin nicht stattzugeben. Auf jeden Fall wurden keine Hilfsanträge auf der Grundlage des nebengeordneten Verfahrensanspruchs 5 oder irgendeines der untergeordneten Ansprüche gestellt. Was diese Ansprüche anbelangt, kann die Kammer keine weiteren Merkmale sehen, die zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen könnten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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