T 0437/94 (Hüllrohr aus einer Zirkoniumlegierung/SIEMENS) of 6.12.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T043794.19951206
Datum der Entscheidung: 06 Dezember 1995
Aktenzeichen: T 0437/94
Anmeldenummer: 85109301.3
IPC-Klasse: C22F 1/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hüllrohr aus einer Zirkoniumlegierung insbesondere für einen Kernreaktorbrennstab und Verfahren zum Herstellen dieses Hüllrohres
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Sandvik Aktiebolag
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Hauptantrag: Neuheit (verneint)
Hilfsantrag: Gegen Zwischenentscheidung keine Beschwerde eingelegt
Novelty (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 171 675 wurde am 2. November 1989 auf die am 24. Juli 1985 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 85 109 301.3 erteilt, für die das Prioritätsdatum der deutschen Anmeldung Nr. 3 428 954 vom 6. August 1984 in Anspruch genommen wurde. Der Anspruch 1 des erteilten Patents lautete wie folgt:

"Hüllrohr aus einer Zirkoniumlegierung insbesondere für einen Kernreaktorbrennstab, dadurch gekennzeichnet, daß der geometrische Mittelwert der Korndurchmesser in der Zirkoniumlegierung kleiner als oder gleich 3 µm ist."

II. Der Beschwerdegegner legte unter Hinweis auf die Artikel 100 a) und b) EPÜ Einspruch gegen das Patent ein und machte als Einspruchsgründe mangelnde Neuheit (Artikel 54 EPÜ), mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) und unzureichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ) geltend. Als Entgegenhaltungen führte er insbesondere die nachstehenden Druckschriften an:

(1) US-A-4 000 013 und

(4) ASTM-Standard E 112-61 (Standard Methods for Estimating the Average Grain Size of Metals), Seiten 638 - 640.

III. In ihrer am 25. März 1994 zur Post gegebenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent auf der Grundlage eines während der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 1993 eingereichten Hilfsantrags aufrecht. Sie wies das Argument der unzureichenden Offenbarung zurück, befand jedoch, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents gegenüber der Offenbarung der Druckschrift (1) nicht erfinderisch sei, denn diese betreffe eine zur Verwendung in Kernreaktoren bestimmte Legierung, die von ihrer Zusammensetzung her mit einem Korndurchmesser von 0,1 bis 0,5 µm unter den Umfang des Anspruchs 1 fiele. Zwar seien in der Druckschrift (1) Stangen und nicht Rohre beschrieben, der Fachmann hätte aber erkannt, daß der dort offenbarte Werkstoff zur Herstellung von Schutzrohren bestimmt sei. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu, aber nicht erfinderisch.

IV. Gegen diese Entscheidung wurde am 24. Mai 1994 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig wurde die Beschwerdegebühr entrichtet und die Beschwerdebegründung eingereicht. In dieser Beschwerdebegründung, in dem Schriftsatz vom 23. Oktober 1995 als Antwort auf einen Bescheid der Beschwerdekammer wie auch in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 1995 brachte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) vor, daß in der Druckschrift (1) zwar von der Korngröße die Rede sei, die tatsächliche Zahlenangabe aber dem Durchschnittswert aus der eigentlichen Korngröße im allgemein gebräuchlichen Sinne und der Größe der Ausscheidungen aus der festen Lösung in den Körnern entspreche. Dies sei daran zu erkennen, daß es in Spalte 1, Zeilen 9 bis 24 heiße, daß die Korngröße herkömmlicher, für die Ummantelung von Kernbrennstoff- Elementen verwendeten Legierungen auf Zirkoniumbasis typischerweise bei etwa 10 µm liege, während in Spalte 4, Zeile 63 bis Spalte 5, Zeile 3 von Körnern in einer Größe von 5 bis 30 µm die Rede sei. Außerdem gehe aus der in Merkmal d des Anspruchs 1 der Druckschrift (1) enthaltenen Bezugnahme auf eine gleichzeitige Rekristallisation und Ausscheidung eindeutig hervor, daß die Größe der bei der Rekristallisation erzeugten Kristalle wie auch die Größe der Ausscheidungen aus der festen Lösung zu berücksichtigen seien. Zur Erzielung des beanspruchten niedrigen Werts von 0,1 bis 0,5 µm müsse daher der geometrische Mittelwert der Korndurchmesser aus der tatsächlichen Korngröße und der Größe der wesentlich kleineren Ausscheidungen berechnet worden sein. So gesehen offenbare die Entgegenhaltung 1 keine Körner mit einem Durchmesser, der kleiner sei als der in Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Wert von 3,0 µm. Im übrigen sei in der Druckschrift (1) nur ein Stab aus einer Zirkonium-Niob-Legierung angesprochen, keineswegs aber ein Hüllrohr aus dieser Legierung.

V. Der Beschwerdegegner (Einsprechende) argumentierte in seiner Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung, es bestehe kein Grund dazu, bei der Auslegung der Offenbarung der Druckschrift (1) von dem allgemein anerkannten Begriff der Korngröße abzugehen, wie er in der Druckschrift (4) definiert sei, wonach Ausscheidungen innerhalb der Körner ausdrücklich nicht berücksichtigt werden dürften.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder in der Fassung gemäß der Zwischenentscheidung (Hilfsantrag). Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Bedeutung des Begriffs "grain diameter" in der Druckschrift (1)

In der vorliegenden Beschwerde ist die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung der in der Druckschrift (1) verwendete Begriff "grain diameter" (Korndurchmesser) hat, entscheidend.

2.1. Der Druckschrift (1) ist zu entnehmen, daß für die Ummantelung von Kernbrennstoff-Elementen Zirkoniumlegierungen mit einer durchschnittlichen Korngröße von 10 µm Verwendung finden (Spalte 1, Zeilen 9 bis 60). Zur Verbesserung der Duktilität und der Spannungsrelaxation dieser Legierung wird gemäß dem Verfahren nach der Druckschrift (1) eine Zirkoniumlegierung hergestellt, in der der durchschnittliche Korndurchmesser 0,1 bis 0,5 µm beträgt (Spalte 1, Zeile 61 bis Spalte 2, Zeile 26; Anspruch 1). Nach der Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 27 bis 31; Spalte 3, Zeilen 24 bis 28) und abhängigem Anspruch 2 kann die Zirkoniumlegierung 2,4 bis 2,8 Gew.-% Niob enthalten. In zu Vergleichszwecken herangezogenen Mustern einer Zirkonium-Niob-Legierung betrug die Korngröße 3 µm bzw. waren die Körner länglich und etwa 5 mal 30 µm groß (Spalte 3, Zeilen 30 bis 32; Spalte 4, Zeile 62 bis Spalte 5, Zeile 3; Tabelle 1).

2.2. Beide Beteiligten beziehen sich in ihrem Vorbringen auf die Druckschrift (4), die den nachstehenden Abschnitt enthält:

"Description of Grain Area

2. (b) Grain Size. - In materials consisting of two or more constituents, the grain size shall refer to that of the matrix, except that, in those materials wherein the second phase is of sufficient amount, size, or continuity to be significant, the grain size may be estimated and reported separately. Minor constituent phases, inclusions, and additives, shall not be considered in the estimation of grain size."

2.3. Die Kammer stellt fest, daß in Anwendung dieser Definition in der Druckschrift (1) nicht von einer zweiten Phase die Rede ist, die ihrer Menge, Größe und Beständigkeit nach bedeutsam wäre. Zwar heißt es in Spalte 3, Zeilen 20 bis 23 "stabilized by ... precipitates which nucleate and grow during the swaging and intermediate and final annealing operations", nirgendwo in der Druckschrift (1) wird aber die Größe oder die Anzahl der -Ausscheidungen genannt.

2.4. Bei Prüfung der Offenbarung der Druckschrift (1) gelangt die Kammer zu der Schlußfolgerung, daß in dieser Druckschrift der Begriff "grain diameter" für Körner in der Größenordnung von 0,1 bis 0,5 µm in seiner allgemein anerkannten Bedeutung verwendet wird, und kein Grund zu der Annahme besteht, daß die Größe der Ausscheidungen für die Ermittlung der Korngröße irgendeine Rolle spielt. Der Beschwerdeführer verweist zwar insbesondere auf den Abschnitt in der Druckschrift (1), in der von größeren Körnern die Rede ist, die aber eindeutig nur zu Vergleichszwecken erwähnt werden. So heißt es in Spalte 4, Zeilen 62 bis 66:

"As irradiated specimens of conventional cold-worked Zr-2.5 Nb alloy were not available for comparative tests, tests were done on specimens of the same composition but different microstructures."

Diese anderen Mikrostrukturen weisen längliche Körner mit einer Größe von 5 mal 30 µm auf. Es wird nicht gesagt, daß es sich dabei um 0,15 µm große ultrafeine Körner (UFG) handelt, wie sie Gegenstand der Erfindung der Entgegenhaltung 1 sind.

3. Neuheit

3.1. Nachdem feststeht, daß die Druckschrift (1) eine Zirkoniumlegierung mit einer Korngröße von 0,1 bis 0,5 µm offenbart, die unter der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents festgelegten Obergrenze von 3. µm liegt und damit dieses Merkmal bekannt ist, stellt sich die Frage, ob aufgrund der weiteren Offenbarung der Druckschrift (1) dem Gegenstand des Anspruchs 1 die Neuheit abzusprechen ist.

3.2. Die Einspruchsabteilung hatte die Neuheit anerkannt, weil in der Druckschrift (1) kein gemäß dem dort beschriebenen und beanspruchten Verfahren hergestelltes Rohr erwähnt werde. Die dort offenbarten Versuche seien an Labormustern in Form von Teststäben mit einem Durchmesser von einem halben Zoll durchgeführt worden (Spalte 2, Zeilen 66 und 67).

3.3. Nachdem aus der Druckschrift (1) aber klar hervorgeht, daß ihr Gegenstand eine Legierung auf der Grundlage von Zirkonium und deren Verarbeitung zu einem Endprodukt betrifft, das laut Spalte 1 als "sheathing or tube" (Zeile 11) oder "nuclear fuel sheathing" (Zeile 33) dient, und daß eine solche Legierung für die Ummantelung von Kernbrennstoff-Elementen besonders geeignet ist (Zeilen 58 bis 60), ist damit dem Fachmann eine Legierung für ein Rohr, wie es in Anspruch 1 des Streitpatents beansprucht wird, offenbart worden. Es wird eine Legierung und deren Wärmebehandlung zum Zweck der Herstellung eines Rohres beschrieben. Obwohl es heißt, daß die Versuche mit kleinen, stabförmigen Mustern durchgeführt worden seien, so braucht die Herstellung eines Rohres nicht beschrieben zu werden, damit der Fachmann erkennen kann, daß die Druckschrift (1) eine Legierung mit einer bestimmten Zusammensetzung, die einer bestimmten Wärmebehandlung unterzogen wird, offenbart und dies zu keinem anderen Zweck als zur Herstellung von Rohren, die in Kernreaktoren eingesetzt werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber dieser Offenbarung nicht neu.

4. Schlußfolgerung

Da der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag nicht neu ist, ist der Hauptantrag zurückzuweisen. Da der Beschwerdegegner gegen die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage des Hilfsantrags, auf die die Einspruchsabteilung zugunsten des Beschwerdeführers erkannt hatte, keine Beschwerde eingelegt hat, ist die Kammer nicht befugt, diese Entscheidung zu überprüfen (G 9/1992, ABl. EPA 1994, 875).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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