European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:T037794.19990126 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Januar 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0377/94 | ||||||||
Anmeldenummer: | 87101021.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22B 11/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage | ||||||||
Name des Anmelders: | Thyssen Stahl Aktiengesellschaft, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | VOEST-ALPINE Industrieanlagenbau Gesellschaft m.b.H. | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag - verneint; Hilfsantrag III - bejaht) Änderungen - Erweiterung (Hilfsanträge I und II - bejaht) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 87 101 021.1, die am 26. Januar 1987 angemeldet worden war, ist am 22. April 1992 das europäische Patent Nr. 0 234 299 erteilt worden.
Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"1. Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage, wobei ein mit einer Oberseite teilweise in die Kokille einbringbares Unterteil (8) mit einer abdichtenden Matte (11) aus feuerfestem Material bedeckt ist und in den Kokillenraum reichende Vorsprünge (13) vorgesehen sind,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Vorsprünge (13) sich an einem auf dem Unterteil (8) lösbar verspannten Verbindungselement (9) befinden, das die Kokille mit allseitigem Abstand (a) ausfüllt."
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents beantragt. Der Einspruch war darauf gestützt, daß der Gegenstand des Patentes nicht gewerblich anwendbar sei (Artikel 52 EPÜ), nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ) und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ). In bezug auf die geltend gemachte fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit wurde insbesondere auf folgende Dokumente verwiesen:
D1: US-A-3 262 161 und
D3: AT-B-370 653.
III. Mit der am 25. März 1994 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die Ausführbarkeit eindeutig gegeben sei, daß aber die Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents gegenüber dem sowohl aus der D1 als auch aus der D3 bekannten Stand der Technik fehle. Selbst wenn der Anspruch 1 noch irgendwelchen Unterschied zum Stand der Technik nach der D1 oder D3 enthalten sollte, so sei nicht ersichtlich, welcher besondere, über die aus der D1 und D3 bekannten Wirkung hinausgehender Effekt hiermit erreicht werde. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sei daher ebenfalls zu verneinen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhabergemeinschaft) am 29. April 1994 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Mit der am 21. Juli 1994 eingereichten Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin zur Klarstellung des Begriffes "Stahlbandgießanlage" noch auf die Dokumente
D8: EP-A-0 149 734 und
D9: DE-C-3 241 745
hingewiesen. Sie hat ebenfalls einen geänderten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I eingereicht.
V. In einer Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, daß in der mündlichen Verhandlung in bezug auf die Neuheit zu diskutieren sei, ob die aus den D1 und D3 bekannten Anfahrköpfe für eine Stahlbandgießanlage geeignet seien, ob die Vorsprünge der bekannten Anfahrköpfe sich an einem auf dem Unterteil lösbar verspannten Verbindungselement befänden und ob dort mehrere Vorsprünge vorhanden seien. Der Stand der Technik nach der D3 dürfte für eventuelle weitere Diskussionen, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliege, relevant sein. Wegen ihrer Relevanz sollte auch die von der Beschwerdegegnerin verspätet genante US-A-3 274 653 (D10) berücksichtigt werden.
Es wurde weiter darauf hingewiesen, daß ein Vergleich der Inhalte des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 1 ergeben habe, daß einige Merkmale weggelassen wurden, ohne daß die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung erkennen ließe, daß auf diese Merkmale verzichtet werden könnte. Somit dürfte der erteilte Anspruch 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ und folglich auch nicht denjenigen des Artikels 100 c) EPÜ entsprechen. Im Hinblick auf die Entscheidung G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), insbesondere Punkt 18 dieser Entscheidung, könne die Kammer jedoch nur mit Zustimmung der Patentinhaberin diesen Einspruchsgrund weiterverfolgen. Da ein Hilfsantrag mit geändertem Patentanspruch vorlag, wurde noch auf Punkt 19 der Entscheidung G 9/91 hingewiesen.
VI. Es wurde am 26. Januar 1999 vor der Kammer mündlich verhandelt.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II und neue Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag III und eine angepaßte Beschreibung eingereicht. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents, wie erteilt (Hauptantrag) oder die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht am 21. Juli 1994 (Hilfsantrag I), oder des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen II und III, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Anspruch 1 des Hilfsantrags I lautet:
"1. Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage, wobei ein mit einer Oberseite teilweise in die Kokille einbringbares Unterteil (8) mit einer abdichtenden Matte (11) aus feuerfestem Material bedeckt ist und in den Kokillenraum reichende Vorsprünge (13) vorgesehen sind,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Vorsprünge (13) sich an einem auf dem Unterteil (8) lösbar verspannten Verbindungselement (9) befinden, das die Kokille mit allseitigem Abstand (a) ausfüllt und das Verbindungselement (9) und die Vorsprünge (13) aus einer Platte geformt sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags II lautet:
1. Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage, wobei ein mit einer Oberseite teilweise in die Kokille einbringbares Unterteil (8), das die Kokille mit geringem Spiel ausfüllt, mit einer abdichtenden Matte (11) aus feuerfestem Material bedeckt ist, wobei die abdichtende Matte mit geringem allseitigen Überstand gegenüber der Kokillenöffnung durch eine Stahlplatte (12) gehalten ist, die dem Format des Unterteils (8) entspricht, und in den Kokillenraum reichende Vorsprünge (13) vorgesehen sind,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Vorsprünge (13) sich an einem auf dem Unterteil (8) lösbar verspannten Verbindungselement (9), das auf die Stahlplatte (12) aufgesetzt ist, befinden, daß das Verbindungselement (9) die Kokille mit allseitigem Abstand (a) ausfüllt und daß das Verbindungselement (9) und die Vorsprünge (13) aus einer Platte geformt sind."
Anspruch 1 des Hilfsantrags III lautet:
"1. Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage, wobei ein mit einer Oberseite teilweise in die Kokille einbringbares Unterteil (8) das die Kokille mit geringem Spiel ausfüllt, mit einer abdichtenden Matte (11) aus feuerfestem Material bedeckt ist, wobei die abdichtende Matte mit geringem allseitigen Überstand gegenüber der Kokillenöffnung durch eine Stahlplatte (12) gehalten ist, die dem Format des Unterteils (8) entspricht, und in den Kokillenraum reichende Vorsprünge (13) vorgesehen sind,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Vorsprünge (13) sich an einem auf dem Unterteil (8) lösbar verspannten Verbindungselement (9), das auf die Stahlplatte (12) aufgesetzt ist, befinden, daß das Verbindungselement (9) die Kokille mit allseitigem Abstand (a) ausfüllt und daß das Verbindungselement (9) aus einer Grundplatte mit oberen pilzförmigen Vorsprüngen besteht."
VII. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Anträge lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Einführung des Einspruchsgrundes gemäß Artikel 100 c) EPÜ werde gemäß Hauptantrag nicht zugestimmt. Was die Neuheit des Gegenstandes gemäß Hauptantrag und gemäß allen Hilfsanträgen betreffe, zeige die Druckschrift D1 zumindest nicht die kennzeichenden Merkmale des erteilten Anspruchs 1, die auch in den Hilfsanträgen enthalten seien. D1 offenbare, daß die bekannten Vorsprünge selbst in mehreren Bohrungen im Unterteil verankert werden und führe somit weg von der beanspruchten Erfindung. D3 offenbare keinen für eine Stahlbandgießanlage geeigneten Anfahrkopf und gebe keinen Hinweis darauf, eine Vielzahl von Vorsprüngen vorzusehen.
Auch eine Kombination der Lehren der Druckschriften D3 mit D10 lege den beanspruchten Gegenstand nicht nahe; denn, während nach dem Streitpatent die Abdichtung allein mittels der Matte aus feuerfestem Material bewerkstelligt werde, werde dies nach der D10 zumindest teilweise mittels der Kühlplatte erreicht, die demnach hinsichtlich ihrer Fläche der Kokillenform entsprechen müsse. Zudem sei der Kraftfluß von der Platte zum Unterteil anders gestaltet, was einer Eignung als Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage widerspreche, so daß auch aus diesem Grund D10 eine Abänderung in Richtung des beanspruchten Anfahrkopfes nicht nahelege.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen und im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
Im Hinblick auf die aus den Druckschriften D1 und D3 bekannten Anfahrköpfe sei der Anfahrkopf nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents nicht neu. So seien die in D1 und D3 offenbarten Anfahrköpfe auf jeden Fall für eine Stahlbandgießanlage im Sinne des angefochtenen Patents geeignet. Die zur Stützung der behaupteten Dimensionen eines "Bandes" genannten Dokumente D8 und D9 seien nicht geeignet, die Größenordnungen eines Stahlbandes eindeutig festzulegen. Die horizontale und vertikale Fixierung der Kühlplatte nach D1 unterscheide sich nicht von dem im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 genannten lösbar verspannten Verbindungselement.
Selbst wenn noch Unterschiede festgestellt werden könnten, so führe entweder die Kombination der Lehren der Dokumente D3 und D10 oder D1 und D10 unmittelbar zum beanspruchten Anfahrkopf. Sowohl D1 als auch D3 löse dieselbe im Patent gestellte Aufgabe mit denselben Mitteln, nämlich daß Manupilationen im Inneren der Kokille vermieden werden können, wenn die Dichtungsmatte mit dem Verbindungselement am Unterteil fixiert werde. D10 zeige, wie das Verbindungselement einstückig ausgeführt werde könne, wenn der Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage mit schmaler Rechteckform geeignet sein soll. Im Hinblick auf diesen relevanten Stand der Technik würde der Fachmann daher ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Anfahrkopf gelangen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensrechtliche Bemerkungen
2.1. Die Kammer hat in ihrem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid darauf hingewiesen, daß folgende Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 in dem erteilten Anspruch 1 fehlten:
- auf eine ebene Stirnseite des Unterteils wird eine
- feuerfeste Flachdichtung mit geringem Überstand
- durch eine Stahlplatte gehalten auf der
- ein mit Vorsprüngen versehenes Verbindungselement mit dem Unterteil verspannt ist (ursprünglicher Anspruch 1),
und daß, da die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht erkennen lasse, daß diese Merkmale weggelassen werden könnten, der erteilte Anspruch 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ und folglich auch nicht denjenigen des Artikels 100 c) EPÜ entspreche.
2.2. Im Hinblick auf die Entscheidung G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), insbesondere Punkt 18 dieser Entscheidung, kann die Kammer nur mit Zustimmung der Patentinhaberin diesen neuen, nicht im Einspruchsverfahren eingeführten Einspruchsgrund weiterverfolgen. Diese Zustimmung wurde mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 verweigert, so daß die Kammer das erteilte Patent lediglich hinsichtlich der von der Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren vorgebrachten Einspruchsgründe überprüfen kann.
2.3. Da jedoch auch Hilfsanträge mit geänderten Patentansprüchen vorliegen, werden diese, im Einklang mit der Bemerkung in Punkt 19 der Entscheidung G 9/91, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ, insbesondere auch die des Artikels 123 (2) EPÜ überprüft.
3. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ
Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ wurde im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt. Da es sich bei dem im Einspruchsverfahren erhobenen Einwand im Grunde um einen Klarheitseinwand handelte und das Ausführungsbeispiel in dieser Hinsicht eindeutig ist (siehe die angefochtene Entscheidung, Seite 3, Punkt 2), sieht die Kammer keinen Grund, die Ausführbarkeit in Frage zu stellen.
4. Neuheit (Hauptantrag)
4.1. Die Neuheit des beanspruchten Anfahrkopfes folgt daraus, daß keines der entgegengehaltenen Dokumente des Standes der Technik einen Anfahrkopf für eine Stahlbandgießanlage offenbart, der ein mit einer Oberseite teilweise in die Kokille einbringbares Unterteil aufweist, das mit einer abdichtenden Matte bedeckt ist und das mehrere Vorsprünge hat, die sich an einem auf der Matte und dem Unterteil lösbar verspannten Verbindungelement befinden.
4.2. Die Beschwerdegegnerin war der Meinung, daß sowohl D1 als auch D3 dem Anfahrkopf nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents neuheitschädlich entgegenstehe.
Der Anfahrkopf nach D1 weist zwar mehrere Vorsprünge auf und ist aufgrund seiner länglichen rechteckigen Form als geeignet für Stahlbandgießanlagen im Sinne des angefochtenen Patents anzusehen, die Vorsprünge sind jedoch eindeutig als von der Platte 22 unabhängige, im Unterteil fixierte Stifte offenbart (D1, Spalte 3, Zeilen 3 bis 21). Aus der damit erreichten Fixierung der abdichtenden Matte und der Platte 22 hinsichtlich der Oberseite des Anfahrkopfes kann weder auf eine Einstückigkeit der Stifte und der Platte noch auf eine Verspannung dieser Teile zum Unterteil geschlossen werden.
Der in D3 gezeigte Anfahrkopf enthält lediglich einen einzigen Vorsprung und betrifft eine quadratische Brammenform. Die Kammer sieht keinen Grund zu der Annahme, daß die ebenfalls in D3 erwähnte Verwendung in Vertikal- bzw. Bogengießanlagen (D3, Seite 4, Zeile 39) zwangsläufig die Verwendung von mehreren Vorsprüngen impliziert, wie von der Beschwerdegegnerin ohne weiteren Nachweis behauptet wurde. In D3 geht es im wesentlichen um die Vermeidung von Manipulationen im Inneren der Kokille zum Zweck der Abdichtung des Anfahrstranges und die in D3 offenbarte Lösung dieses Problems läßt auch bei Vertikal- bzw. in Bogengießanlagen gegossenen Brammen keine andere als die offenbarte quadratische Form vermuten. Anders als der eine längliche rechteckige Form aufweisende Anfahrkopf gemäß D1 kann der Anfahrkopf gemäß D3 nicht als geeignet für eine Stahlbandgießanlage angesehen werden.
5. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)
5.1. Ausgehend von dem Anfahrkopf nach D1, welcher die Kombination der Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1 aufweist, ist die Aufgabe des Patents darin zu sehen, einen Anfahrkopf mit einer außerhalb der Kokille schnell, einfach und exakt anzubringenden sicheren Abdichtung (vgl. Spalte 1, Zeilen 30 bis 33 des Patents) bereitzustellen.
5.2. Diese Aufgabe wird bei einem Anfahrkopf nach dem Oberbegriff dadurch gelöst, daß die Vorsprünge sich an einem auf dem Unterteil lösbar verspannten Verbindungselement befinden, das die Kokille mit allseitigem Abstand ausfüllt.
5.3. Bei der Suche nach einer Lösung der gestellten Aufgabe findet der Fachmann eine Lösung in der Druckschrift D3. Darin wird vorgeschlagen, die Dichtung erst nach dem Positionieren des Anfahrstrangkopfes in der Kokille durch Quetschung der Dichtung mittels eines Spannelementes an die Seitenwände der Kokille zu pressen. Hierbei wird eine mit dem Kopf eines Spannelements 8 verbundene Platte (siehe Figuren 1 und 2) mit dem Unterteil des Anfahrkopfes verspannt. Die Platte und der Vorsprung sind miteinander verbunden.
Eine Übertragung dieser Lehre auf die Anordnung gemäß D1 zur Lösung der gestellten Aufgabe führt unmittelbar und somit ohne erfinderische Tätigkeit zu einem Anfahrkopf mit der Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents; denn im Einklang mit der Lehre gemäß D3 braucht der Fachmann, um eine Quetschung der Dichtung nach D1 zu erreichen, nur die Platte 22 und die Vorsprünge 30 miteinander zu verbinden und das so geformte Verbindungselement mit dem Unterteil zu verspannen.
5.4. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, daß D3 lediglich einen Vorsprung zeige und daß die Verbindung zum Unterteil nur über einen einzelnen zentralen Zuganker verwirklicht werde, was beim Bandgießen eine ungünstige Krafteinwirkung auf das gegossene Material habe. D3 führe den Fachmann daher weg von der Erfindung.
Die Kammer bemerkt hierzu, daß der erteilte Anspruch 1 keine näheren Angaben darüber enthält, wie das Verbindungselement mit dem Unterteil verspannt wird. Im übrigen ist es aus D1 schon bekannt, den Anfahrkopf mit mehreren Vorsprüngen, die einzeln mit dem Unterteil verbunden sind, auszurüsten. Die Lehre gemäß D3 steht einer Verwendung von mehreren Spannelementen bei einer rechteckigen Form des Anfahrkopfes nicht entgegen.
5.5. Die Kammer ist daher der Ansicht, daß der Anfahrkopf gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sich in naheliegender Weise aus der Offenbarung und den Lehren der Druckschriften D1 und D3 ergibt. Dieser Anspruch ist somit nicht gewährbar.
6. Hilfsanträge I und II
6.1. Wie aus Punkt 2.3 dieser Entscheidung folgt, müssen Hilfsanträge mit geänderten Patentansprüchen in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ, insbesondere auch die des Artikels 123 (2) EPÜ, überprüft werden.
6.2. Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge I und II enthalten im kennzeichenden Teil das Merkmal, nach dem das Verbindungselement (9) und die Vorsprünge (13) aus einer Platte geformt sind.
Dieses Merkmal ist nicht in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart und kann auch nicht als für den Fachmann in diesen Unterlagen als implizit offenbart, z. B. als offensichtlich einzig mögliche technische Ausgestaltung des Verbindungselementes, gelten.
In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist im Anspruch 5 gesagt, daß das Verbindungselement aus einer Grundplatte mit oberen pilzförmigen Vorsprüngen besteht, und diese weitere Spezifikation des Verbindungselements ist auch aus der Figur 2 ersichtlich.
Das nun im Anspruch 1 des Hilfsantrags I und II eingeführte Merkmal betrifft jedoch nur eine von mehreren möglichen Ausführungen des Verbindungselements nach dem ursprünglichen Anspruch 5 und eine solche mögliche Alternative kann nicht als tatsächlich offenbartes Beispiel angesehen werden.
6.3. Schon aus diesem Grund sind die Hilfsanträge I und II wegen Nichterfüllung des Erfordernisses des Artikels 123 (2) EPÜ nicht gewährbar.
7. Hilfsantrag III
7.1. Anspruch 1 des Hilfsantrags III enthält alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 und zusätzlich einige Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 sowie das Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 5. Insbesondere enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III die ursprünglich offenbarte und beanspruchte Kombination von Unterteil, abdichtender Matte, Stahlplatte und Verbindungselement mit den Vorsprüngen. Es wurde weiter klargestellt, wie die zur Erfüllung der auf Seite 2, Zeilen 24 bis 35 beschriebenen Wirkung notwendigen relativen Größenordnungen der Anfahrkopfteile in bezug zur Kokillenöffnung stehen. Diese Größenordnungen sind im Zusammenhang mit dem auf Seite 5, Zeile 27 bis Seite 6, Zeile 17 beschriebenen Ausführungsbeispiel des Anfahrkopfes offenbart.
Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 sind im wesentlichen Wiederholungen der ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 und 6.
Die Änderungen in der Beschreibung betreffen im wesentlichen die Anpassung an das neue Schutzbegehren und die Wiedereinführung des Textes der Seite 4, Zeile 24 bis Seite 5, Zeile 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen.
Aufgrund dieser Feststellungen erheben sich keine Einwände bezüglich der Erfordernisse gemäß Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ gegen die neuen Patentunterlagen.
7.2. Ausgehend vom nächstkommenden Stand der Technik nach der Druckschrift D1, die auch die Gesamtheit der Merkmale des Oberbegriffes des Anspruches 1 des Hilfsantrags III offenbart, ist die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, einen Anfahrkopf mit einer außerhalb der Kokille schnell, einfach und exakt anzubringenden sicheren Abdichtung bereitzustellen, wobei ohne Verwendung von Kühlschrott eine schneller belastbare Verbindung zum gegossenen Band gebildet werden soll (vgl. Spalte 1, Zeilen 30 bis 36 des Patents).
7.3. Diese Aufgabe wird durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags III gelöst. Durch die Stahlplatte ist die Dichtung beim Einführen in die Kokille sicher gehalten und beim Angießen geschützt. Das Verbindungselement führt durch sein großes Volumen zu einer schnellen Abkühlung und damit zu einer sofort belastbaren Verbindung zwischen Anfahrkopf und gegossenem Band (siehe Seite 4, Zeilen 28 bis 32 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen und Einschub mit demselben Inhalt in der geänderten Beschreibung des Patents).
7.4. Die Kammer stellt fest, daß keines der entgegengehaltenen Dokumente einen derartigen Aufbau und Funktion der Anfahrkopfteile offenbart und weil keiner der bekannten Anfahrköpfe eine zusätzliche Stahlplatte aufweist, kann der Fachmann aus diesem Stand der Technik auch keinen Hinweis in Richtung auf den beanspruchten Anfahrkopf ableiten.
7.5. Die Beschwerdeführerin hat noch auf die aus D1 bekannte Stahlplatte hingewiesen und war der Meinung, daß der Fachmann aufgrund des aus D10 bekannten Verbindungselementes mit integrierten pilzförmigen Vorsprüngen in offensichtlicher Weise zum beanspruchten Anfahrkopf gelangen würde.
In dem aus D1 bekannten Anfahrkopf ist zwar eine Platte 22 vorhanden (siehe Oberbegriff des vorliegenden Patentanspruchs 1), diese Platte ist jedoch eine Abschreckplatte (D10, Spalte 2, Zeile 45: "chill plate") und muß mit dem Verbindungselement gemäß D10 oder dem vorliegenden Patentanspruch 1 verglichen werden. Im übrigen kann aus D10 auch kein Hinweis zu einem Verbindungselement mit allseitigem Abstand von der Kokillenöffnung entnommen werden, da der Umfang des Verbindungselements etwa dem des Unterteils entspricht und zusammen mit einer Dichtschnur (42) die Öffnung ausfüllt.
7.6. Auch D3 kann dem Fachmann weder die Anwendung noch die spezielle Funktion der Stahlplatte nahelegen, da auch hier Unterteil und Verbindungselement des Anfahrkopfes denselben Querschnitt haben.
7.7. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß die Druckschriften D1, D3 und D10 weder für sich noch in irgendwelchen Kombinationen noch in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit patenthindernd entgegenstehen (Artikel 56 EPÜ), so daß das Patent auf der Basis des vorliegenden Anspruchs 1 des Hilfsantrags III Bestand haben kann.
Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2 und 3, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 beinhalten (Regel 29 (3) EPÜ). Die angepaßte Beschreibung entspricht den Vorschriften des EPÜ, Regel 27, und ist für die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung geeignet.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag III, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 1999,
Beschreibung: Spalten 1 und 2 mit Einschub, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 1999,
Figuren: wie erteilt.