European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1996:T002894.19960411 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 April 1996 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0028/94 | ||||||||
Anmeldenummer: | 87117112.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G21F 9/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Reinigen eines Behälters | ||||||||
Name des Anmelders: | SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ABB Patent GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) Aufgrund vorhersehbarer Nachteile naheliegendes Ausfüllen einer Informationslücke; vgl. Pkt. 1.6; verwendete Salzlösung durch an- und kationische Bestandteile offenbart; vgl. Pkt. 1.1 |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 273 182.
II. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Patenterteilung im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 Einspruch erhoben, sich dabei unter anderem auf das Dokument:
D1: D. Schneidmiller et al.: "Steam Generator Chemical Cleaning Process Development", NP-3009, Research Project S 150-1, Final Report, April 1983, Seiten 4-1 bis 4-3
gestützt und im Laufe des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung das Dokument D1 durch das Dokument
D2: ibid, Seiten 4-5 und 4-6
ergänzt.
III. Die Einspruchsabteilung stellte in einer Zwischenentscheidung gemäß Artikel 106 (3) EPÜ fest, daß im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ die Erfordernisse dieses Übereinkommens der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang aufgrund der am 11. November 1993 überreichten Fassung des Anspruchs 1 nicht entgegenstehen würden. Sie vertrat dabei insbesondere die Auffassung, daß es erfinderisch sei, die aus den in den Dokumenten D1 und D2 beschriebenen Komplexierungs- und Korrosionstests bekannte Salzlösung als solche in den zu reinigenden Behälter einzubringen, um den Angriff der Reinigungschemikalien auf die Werkstoffe des Behälters zu minimieren. Den Dokumenten D1 und D2 könne kein Indiz entnommen werden, daß der Fachmann schon eine (komplette) Salzlösung in den Behälter einbringen soll.
IV. Die am 11. November 1993 überreichte Fassung des Anspruchs 1 lautet:
"1. Verfahren zum Reinigen eines Behälters, insbesondere eines Dampferzeugers in einem Kernkraftwerk, wobei im Behälter befindliches Eisenoxid durch eine komplexbildende Säure aufgelöst wird, dadurch gekennzeichnet, daß in den Behälter eine Salzlösung, die hergestellt ist aus einer Säure, welche ein Komplexbildner ist, aus einem flüchtigen Alkalisierungsmittel und aus einem Reduktionsmittel, und die alkalisch reduzierend wirkt, eingebracht wird, daß die Salzlösung für eine vorgegebene Zeitspanne von maximal 12 Stunden bei einer Temperatur zwischen 150 C und 250 C und unterhalb der Zersetzungstemperatur des anionischen Teiles der Salzlösung zum Zwecke der Bildung eines Eisenkomplexes im Behälter belassen wird, und daß dann der gelöste Eisenkomplex durch Entleeren des Behälters entfernt wird."
Ansprüche 2 bis 9 hängen von Anspruch 1 ab.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende Beschwerde erhoben.
VI. In einer Anlage zur Ladung für die von beiden Parteien hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit, daß die Dokumente D1 und D2 eine sachlich zusammenhängende Information darstellen würden. Die verspätet nachgereichten Diagramme des Dokuments D2 seien die experimentellen Ergebnisse der in Dokument D1 beschriebenen Löslichkeits- und Korrosionstests und deshalb entscheidungserheblich.
Von dem aus den Dokumenten D1 und D2 bekannten Testverfahren unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 im wesentlichen dadurch, daß
(a) das beanspruchte Verfahren "zum Reinigen eines Behälters, insbesondere eines Dampferzeugers in einem Kernkraftwerk" geeignet sein soll; und daß
(b) "in den Behälter eine Salzlösung, die hergestellt ist ..., eingebracht wird".
Merkmal (a) werde durch den Titel des Dokuments D1 nahegelegt. Merkmal (b) würden möglicherweise im nachhinein Wirkungen zugeordnet, die der Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents nicht herzuleiten vermag. Einzelheiten der Herstellung der Salzlösung oder Vorteile ihrer Fertigstellung vor dem Einbringen in den zu reinigenden Behälter seien im Streitpatent nicht angegeben. Dokument D1, insbesondere Seite 4-2, sei kein Hinweis zu entnehmen, wo die Salzlösung hergestellt werde. Es sei aber davon auszugehen, daß erst der pH-Wert der Salzlösung eingestellt werde und dann die Proben in die Salzlösung eingehängt werden würden, da die Korrosion der Proben als Funktion des pH-Werts ermittelt werden solle.
VII. Am 11. April 1996 wurde mündlich verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents 0 273 182.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VIII. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:
a) Die im Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents benutzte "Salzlösung" besteht aus den in Dokument D1 identisch offenbarten Herstellungskomponenten ihres im Streitpatent angegebenen Ausführungsbeispiels: "Säure, welche ein Komplexbildner ist (Nitrilotriessigsäure; vgl. Spalte 3, Zeilen 16 und 17); flüchtiges Alkalisierungsmittel (Ammoniak; Spalte 3, Zeile 19) und Reduktionsmittel (Hydrazin; Spalte 3, Zeilen 20 bis 22)". Wie das überreichte Dokument:
Römpp: Ammonik, Seite 183
gutachtlich nachweise, ist in jeder wäßrigen Ammoniaklösung das in Dokument D1 offenbarte Ammoniumhydroxid vorhanden und die Lösung ein flüchtiges Alkalisierungsmittel, da bei ihrem Erhitzen Ammoniak vollständig entweicht. Die Herstellung der Salzlösung gemäß dem Streitpatent müsse demnach automatisch zum gleichen Ergebnis führen wie beim Stand der Technik. Zwar führen die vier in Dokument D1 und D2 untersuchten komplexbildenden Salzlösungen zu unterschiedlichen Korrosionsverläufen, doch sei der Trend, daß die Korrosion mit zunehmenden pH-Wert abnehme, Dokument D2 eindeutig entnehmbar.
b) Die Korrosion von Dampferzeugerbehälterwänden durch Reinigungsmittel sei ein derart bekanntes und gravierendes Problem, daß ein kostenaufwendiger Forschungsauftrag zur Minimierung der Korrosion bei Reinigungsprozessen vergeben wurde, dessen Ergebnisse in den Dokumenten D1 und D2 veröffentlicht sind. Daher würde der Fachmann in der Praxis ausschließlich die fertige, hinsichtlich Komplexierungsgeschwindigkeit und Korrosion optimierte Salzlösung gemäß Dokument D1 in den zu reinigenden Behälter einleiten.
Überdies würde die Herstellung der Salzlösung in dem zu reinigenden Behälter selbst unmöglich sein, da das engmaschige Rohrleitungssystem eines Dampferzeugers eine Durchmischung der Salzlösungskomponenten in seinem Inneren verhindere. Selbst bei den Korrosionstests gemäß Dokument D1 und D2 muß notwendigerweise erst die Salzlösung mit einem vorgegebenen pH-Wert fertig hergestellt werden bevor die auf Korrosion zu untersuchenden Metallproben eingehängt werden, wenn die Korrosion als Funktion des pH-Werts fehlerfrei gemessen werden soll.
c) Gemäß dem Deckblatt des Dokuments D1 wenden sich die Ergebnisse des Reinigungs- und Korrosionstests an die Gruppe der Besitzer von Dampferzeugern (Steam Generator Owners Group). Es kann deshalb nicht erfinderisch sein, wenn der Dampferzeugerfachmann die Lehre des Forschungsberichts in die Praxis umsetzt. Der sachliche Inhalt des Anspruchs 1 enthalte keine über die Ergebnisse des Forschungsberichts und routinemäßige Reinigungsmaßnahmen hinausgehende technische Lehre; vgl. insbesondere D1, Seite 4-2, Zeilen 1 bis 15 und Absatz 4.3.1 auf Seite 4-3 in bezug auf die Komplexierung von Eisenoxid mit gleichzeitiger Unterdrückung der Eisenkorrosion.
d) In der beanspruchten Handhabung der Salzlösung beim Reinigen könne nichts Erfinderisches gesehen werden. Das "Belassen im Behälter" ist gegenüber dem in Dokument D1, Seite 4-2, Zeile 11 offenbarten "stagnant flow" kein wesentlicher Unterschied. Die in Dokument D1, Seite 4-2, Zeile 10 angegebene Testzeit von 2 Stunden liege eindeutig im Bereich der beanspruchten Reinigungszeit von maximal 12 Stunden. Die unterhalb der Zersetzungstemperatur des anionischen Teils der Salzlösung liegende Reinigungstemperatur sei durch die in Dokument D1, Seite 4-2, Zeile 7 offenbarten Testtemperaturen von 121 C und 177 C implizit vorgegeben.
IX. Die Beschwerdegegnerin widersprach der Argumentation der Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:
a) Dokument D1 offenbare keine Salzlösung. Das Wort "Salzlösung" sei in Dokument D1 nicht erwähnt. Auch stelle Ammoniumhydroxid kein flüchtiges Alkalisierungsmittel dar.
b) Dokument D1, Seite 4-2, Zeilen 12 - 14 könne der Fachmann entnehmen, daß der pH-Wert während des Tests eingestellt werde. Dies sei ein Indiz, daß beim Stand der Technik zunächst die Säure allein auf das Metall einwirke. Da es z. B. aus Beizverfahren allgemein bekannt ist, Säuren auf Metalle einwirken zu lassen, bedarf es eines erfinderischen Schrittes, um eine fertige Salzlösung zum Reinigen eines Behälters einzusetzen.
c) Dokument D1 und D2 untersuche die Korrosion in Säuren eingehängter Proben innerhalb einer Autoklave, aber nicht die Reinigung der Autoklave selbst. Es sei deshalb nicht naheliegend, die in Dokument D1 und D2 angegebenen Lösungen zum Reinigen eines Behälters zu verwenden. Den in Dokument D2 veröffentlichten Testergebnissen sei eine Korrosionsabnahme mit steigendem pH-Wert nicht eindeutig entnehmbar. Insbesondere zeigten die in Figur 4-2 dargestellten Ergebnisse für NTA, daß die Korrosion von pH = 8 nach pH = 9 wieder ansteige.
d) Die in Anspruch 1 beanspruchten Reinigungsschritte wie Füllen mit der fertigen Salzlösung, das Belassen der Salzlösung im Behälter und das Entleeren des Behälters nach maximal 12 Stunden seien für einen Fachmann nicht naheliegend. Ferner enthalte Dokument D1 keinen Hinweis, unterhalb der Zersetzungstemperatur des anionischen Säurebestandteils zu arbeiten. Desweiteren sei es wegen des in Dokument D1, Seite 4-2, Zeile 11 angegebenen "stagnant flow" - d. h. wegen des Flusses der Lösung während der Testzeit - nicht naheliegend, auf eine Umwälzung der Salzlösung während der Reinigungsdauer zu verzichten.
X. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die angegriffene Entscheidung aufgehoben und das europäische Patent Nr. 0 273 182 widerrufen wird.
Entscheidungsgründe
1. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1
1.1. Aus dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1 sind folgende durch den Wortlaut des Patentanspruchs 1 definierten Merkmale bekannt:
"Verfahren ...., wobei im Behälter befindliches Eisenoxid (vgl. das in Dokument D1, Seite 4-2, letzte zwei Absätze erwähnte Magnetit (Fe3 O4)) durch eine komplexbildende Säure aufgelöst wird, dadurch gekennzeichnet, daß ... eine Salzlösung, die hergestellt ist aus einer Säure, welche ein Komplexbildner ist (Seite 4-1, letzte zwei Zeilen, insbesondere die dort offenbarte Nitrilotriessigsäure (NTA)), aus einem flüchtigen Alkalisierungsmittel (Seite 4-2, Zeile 5. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin in Pkt. IX - (a) ist das in Dokument D1 verwendete NH4 OH ein flüchtiges Alkalisierungsmittel, bei dem NH3 entweicht; vgl. auch Pkt. VIII - (a)), und aus einem Reduktionsmittel (Hydrazin; vgl. Seite 4-2, Zeile 2.
Nach ständiger Rechtsprechung des EPA wird - unabhängig von einer wörtlichen Offenbarung - eine Salzlösung durch einen Stand der Technik neuheitsschädlich getroffen, der eine Lösung offenbart, die eine dem Kation dieses Salzes entsprechende Base und eine dem Anion dieses Salzes entsprechende Säure enthält; vgl. auch die Entscheidung T 0352/93 - 3.3.1 vom 4. April 1995. Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, daß Säuren mit Basen in Lösung unter Salzbildung reagieren, ohne daß dabei die Beachtung weiterer Maßnahmen erforderlich ist. Damit ergibt sich die beanspruchte Salzlösung als zwangsläufiges Ergebnis einer Nacharbeitung der in Dokument D1 offenbarten Komponenten und ist damit der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglich gemacht worden. Der in Punkt IX - (a) vertretenen Auffassung der Beschwerdegegnerin kann daher nicht gefolgt werden).
und die alkalisch reduzierend wirkt (vgl. Seite 4-3, letzter Absatz) ...., daß die Salzlösung für eine vorgegebene Zeitspanne von maximal 12 Stunden (vgl. die Angabe "für ein Minimum von 2 Stunden" auf Seite 4-2, Zeile 2 v. u.) bei einer Temperatur zwischen 150 C und 250 C (vgl. die Testtemperatur 177 C auf Seite 4-2, Zeile 7) und unterhalb der Zersetzungstemperatur des anionischen Teiles der Salzlösung (folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin gemäß Pkt. IX - (d) aus der Tatsache, daß die bekannte Testtemperatur von 177 C unterhalb der Maximaltemperatur von 220 C des Ausführungsbeispiels des Streitpatents (Spalte 3, Zeilen 3 und 17) für das identische Anion liegt) zum Zwecke der Bildung eines Eisenkomplexes (Seite 4-3, letzte Zeile) im Behälter belassen wird (Da der in Dokument D1 verwendete Begriff "stagnant" stillstehend, bzw. bewegungslos bedeutet - vgl. gutachtlich z. B. Ernst: "Wörterbuch der industriellen Technik", Oscar Brandstätter Verlag KG, Wiesbaden, 4. Auflage 1975, Bd. II, Seite 960 - wird beim Stand der Technik entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin gemäß Pkt. IX - (d) die Salzlösung nicht umgewälzt.) und daß dann der gelöste Eisenkomplex durch Entleeren des Behälters entfernt wird (folgt automatisch aus der zu erwartenden Wiederverwendung der Test-Autoklave für den nächsten Versuch mit verändertem pH-Wert.)"
1.2. Die im Streitpatent offenbarte Zielsetzung, ein Verfahren zum Reinigen eines Behälters anzugeben, das bei sehr guter Wirksamkeit Angriffe der Reinigungschemikalien auf die Werkstoffe des Behälters minimiert (vgl. Spalte 1, Zeilen 52 bis 57) ist auch Zielsetzung der aus Dokument D1 bekannten Testversuche; vgl. Dokument D1, Seite 4-2, Zeile 14. Im Sinne einer der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zugrundezulegenden objektiven Aufgabe kann daher nur anerkannt werden, daß ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1 der Fachmann die Aufgabe hat, die Lehre der Testversuche in ein Verfahren zum Reinigen eines Behälters umzusetzen. Die Testversuche untersuchen entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin gemäß Punkt IX - (c) nicht nur die Korrosionswirkung der Salzlösungen auf das Behältermaterial sondern auch ihr Komplexierungsvermögen für Eisenoxid, d. h. ihre Reinigungswirkung; vgl. Dokument D1, Seite 4-2, Zeilen 12 bis 14. Die Eignung der in Dokument D1 im Hinblick auf Reinigungs- und Korrosionswirkung optimierten Salzlösung wie beansprucht: "zum Reinigen eines Behälters, insbesondere eines Dampferzeugers in einem Kernkraftwerk" entnimmt der Fachmann nach Auffassung der Kammer dem Titelblatt des Dokuments D1; vgl. auch Punkt VIII - (b). Insbesondere der Titel des Dokuments D1: "Steam Generator Chemical Cleaning Process Development" führt den Fachmann zwangsläufig zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden objektiven technischen Aufgabe. Somit vermag die Formulierung der dem Streitpatent objektiv zugrundeliegenden Aufgabenstellung nicht zur Stützung einer erfinderischen Tätigkeit beizutragen.
1.3. Die Umsetzung der Lehre der Testversuche gemäß Dokument D1 in ein "Verfahren zum Reinigen eines Behälters" wird gemäß Anspruch 1 des Streitpatents dadurch erreicht, daß:
"in den (zu reinigenden) Behälter eine (fertige) Salzlösung eingebracht wird"; vgl. auch Punkt IX - (b).
1.4. Dokument D1 läßt offen, ob die getestete Salzlösung innerhalb oder außerhalb der Test-Autoklave hergestellt wird. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin in Punkt IX - (b) bietet Dokument D1 keinerlei Stütze dafür, daß beim Stand der Technik keine fertige Salzlösung in die Test-Autoklave eingebracht wird. Der von der Beschwerdegegnerin zitierte Text auf Seite 4-2, Zeilen 12 bis 15 lautet übersetzt: "Alle Testversuche wurden unter Verwendung einer Chelatkonzentration von 100 g/l (10 %) durchgeführt. Der pH-Wert der Lösung wurde mit NH4 OH eingestellt nach dem Zusatz von 1 % N2 H4 (Hydrazin), um damit Reduzierungsbedingungen zu schaffen, die für die Lösung des Magnetits (Fe3 O4) und für die Unterdrückung der Eisen betreffenden Ionenkorrosion günstig sind". Überdies würde eine Variation des pH-Werts während der Testdauer auch dem Testziel widersprechen; vgl. Punkt VIII - (b).
1.5. Die vorstehend zitierte Textstelle des Dokuments D1 weist klar daraufhin, daß die Korrosion des Behältermaterials durch die Reinigungschemikalien ein bekanntes Problem ist und daß durch Dokument D1 eine Salzlösung zur Verfügung gestellt wird, die diese bekannte unerwünschte Nebenwirkung konventioneller Beizsäuren unterdrückt. Das Argument der Beschwerdegegnerin gemäß Punkt IX - (c) steht nach Auffassung der Kammer nicht im Einklang mit der von einem Fachmann zu erwartenden Sachlogik. Dokument D1 empfiehlt explizit keine Herstellung der Salzlösung im Inneren der Test-Autoklave. Bei den von der Beschwerdegegnerin angeführten konventionellen Beizverfahren wurde eine Herstellung des Beizmittels im Kontakt mit der zu beizenden Oberfläche nicht nachgewiesen. Der Fachmann entnimmt Dokument D1 ohne weiteres, daß eine komplexbildende Säure allein für sich ohne Zusatz von Alkalisierungs- und Reduktionsmitteln zu einer erhöhten Korrosion von Eisen führt. Daher besteht für den Fachmann nach Auffassung der Kammer kein Anlaß, die Informationslücke des Dokuments D1 zwangsläufig dahingehend auszufüllen, daß er zunächst die komplexbildende Säure für sich allein in den zu reinigenden Behälter einbringt.
1.6. Nach Auffassung der Kammer ist ein Fachmann bei der Umsetzung der Lehre des Dokuments D1 in ein Reinigungsverfahren in der Lage vorherzusehen, daß die Herstellung der Salzlösung in dem zu reinigenden Behälter selbst aufgrund der erhöhten Korrosion der Behälterwände bis zur homogenen Durchmischung der Komponenten der Salzlösung nachteilig ist. Überdies würde nach Auffassung der Kammer bei der insbesondere beanspruchten Reinigung eines Dampferzeugers der Strömungswiderstand des Rohrleitungssystems den Fachmann davon abhalten, die Durchmischung der Salzlösungskomponenten im Dampferzeuger selbst vorzunehmen.
1.7. Die Kammer erachtet es als realistisch, daß ein Fachmann vorhersehbare technische Nachteile vermeidet. Es ist somit als naheliegend anzusehen, daß ein Fachmann die Informationslücke des Dokuments D1 durch das in Punkt 1.3 angegebene einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber diesem nächstliegenden Stand der Technik ausfüllt und in den (zu reinigenden) Behälter eine (bereits fertige) Salzlösung einbringt.
1.8. Vorteile oder unerwartete Wirkungen des Einbringens einer fertigen Salzlösung sind im Streitpatent nicht offenbart. Der von der Beschwerdegegnerin gemäß Punkt IX - (c) vorgebrachte Einwand, daß Dokument D2 nicht eindeutig eine Abnahme der Korrosion mit steigendem pH-Wert offenbare, ist nicht relevant, da Anspruch 1 den einzustellenden pH-Wert offen läßt.
1.9. Aus den oben in Punkt 1.1 bis 1.8 genannten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
2. Anspruch 1 genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ. Das Patent kann daher mit diesem Anspruch nicht aufrechterhalten werden. Mit Anspruch 1 fallen auch die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 9.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angegriffene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent Nr. 0 273 182 wird widerrufen.