T 0747/93 () of 24.4.1997

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1997:T074793.19970424
Datum der Entscheidung: 24 April 1997
Aktenzeichen: T 0747/93
Anmeldenummer: 86115159.5
IPC-Klasse: G21C 3/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Siedewasser-Kernreaktorbrennelement
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: ASEA BROWN BOVERI AB
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Zulässigkeit weiterer Hilfsanträge (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0888/94

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer ist Inhaber des europäischen Patents 0 224 728.

Anspruch 1 dieses Patents lautet:

"Siedewasserkernreaktorbrennelement mit einem langgestreckten Brennelementkasten mit quadratischem Querschnitt und Kernbrennstoff enthaltenden Brennstäben, die im Brennelementkasten mit Abstand voneinander in Maschen eines in einem Kastenquerschnitt gedachten Gitters mit zu den Kastenwänden parallelen Seiten angeordnet sind, sowie mit einem Wasserrohr, dessen Querschnitt mehr als eine Masche des gedachten Gitters abdeckt und das Abstand vom Brennelementkasten hat, wobei zwischen dem Wasserrohr und dem Brennelementkasten sich überall Maschen des gedachten Gitters befinden, die mit Brennstäben besetzt sind, dadurch gekennzeichnet, daß ein Brennelementkopf (2) und ein Brennelementfuß (3) jeweils mit quadratischem Querschnitt vorgesehen und vom Brennelementkasten (5) umfaßt sind, und daß das am Oberende eine Austrittsöffnung für Wasser aufweisende Wasserrohr (4) prismatisch ausgeführt und mit einem Bodenteil (14) versehen ist, das am Unterende des Wasserrohres (4) Durchtrittsöffnungen (17) für Wasser bildet und das am Brennelementfuß (3) angebracht ist."

Ansprüche 2 bis 5 hängen von Anspruch 1 ab.

II. Der Beschwerdegegner hat gegen die Patenterteilung gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ unter Nennung insbesondere der Dokumente

D2: EP-A-0 099 322 und

D3': SE-B-198 436

Einspruch erhoben. In einer späteren Eingabe nannte der Beschwerdegegner ferner das im europäischen Recherchenbericht bereits zitierte Dokument

D1: US-A-3 808 098

und anstelle der Entgegenhaltung (D3') die inhaltlich gleiche, im besagten Bericht ebenfalls zitierte Patentschrift

D3: FR-A-1 276 233.

III. Die Einspruchsabteilung hat das europäische Patent widerrufen und ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Kernreaktorbrennelement gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ist aus dem Dokument (D1) bekannt. Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, eine Vergleichmäßigung der Kühlung in einem derartigen Brennelement zu bewirken, wird im wesentlichen dadurch gelöst, daß das Wasserrohr im Brennelementkasten prismatisch ausgeführt ist. Die übrigen durch das Dokument (D2) ohnehin nahegelegten Merkmale des beanspruchten Gegenstandes tragen zur Erzielung des angestrebten Ergebnisses nicht bei und sind für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant.

Die Zielsetzung einer verbesserten Kühlung ist bei dem Dokument (D1) genauso beabsichtigt und gegeben wie beim Streitpatent. Für den Fachmann ist außerdem ohne weiteres ersichtlich, daß eine Vergleichmäßigung des Neutronenflusses bei dem bereits bekannten Siedewasserreaktor auch eine Vergleichmäßigung der Kühlung beinhaltet. Die Bevorzugung eines runden Wasserrohres ergibt sich daraus, daß ein solches Rohr weniger kompliziert herzustellen ist als ein prismatisches. Es ist jedoch davon auszugehen, daß der Fachmann thermische Unterschiede zwischen in nächster Nähe zum runden Wasserrohr befindlichen Kernstäben und weiter entfernten Kernstäben feststellen wird, sofern solche auftreten. Zur Erzielung einer weiteren Vergleichmäßigung der Kühlung liegt es für ihn nahe, nach einer Form für das Wasserrohr zu suchen, bei der die Abstände zwischen dem Wasserrohr und den benachbarten Kernstäben gleichmäßiger sind als bei der runden Form. Da die Möglichkeiten einer solchen Formänderung sehr beschränkt sind, wird der Fachmann eine prismatische Form wählen ohne erfinderisch tätig zu werden, zumal das Dokument (D1) auf die ein Brennelement mit einem prismatischen Wasserrohr offenbarende Entgegenhaltung (D3) indirekt verweist.

IV. Der Patentinhaber hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt.

V. In einer Anlage zur Ladung für eine von dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung teilte die Kammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Auffassung mit, daß das beanspruchte Brennelement in Anbetracht des aus den Dokumenten (D1) und (D3) ableitbaren Standes der Technik nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden könne und auch eine Einschränkung des beanspruchten Schutzgebietes auf die Verwendung eines quadratischen, zentral angeordneten Wasserrohrs dem Patentbegehren des Beschwerdeführers nicht zum Erfolg verhelfen könne.

VI. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 24. März 1997 zu dem Bericht der Kammer Stellung genommen und einen als Hilfsantrag formulierten neuen Anspruch 1 eingereicht, der nach Umstellung des Bezugszeichens (5) im ersten Merkmalsabsatz wie folgt lautet:

"Siedewasserkernreaktor-Brennelement mit einem langgestreckten Brennelementkasten (5) mit quadratischem Querschnitt, einem Wasserrohr (4)und Kernbrennstoff enthaltenden Brennstäben (7), wobei

- die Brennstäbe (7) in Abstand voneinander und nur in einem Teil der quadratischen Maschen (12) eines gedachten Gitters sitzen, das von gedachten, sich parallel zu den Kastenwänden über einen Kastenquerschnitt erstreckenden Gitterlinien (10, 11) gebildet wird, im Zentrum des Brennelementes mehr als eine Masche vom Wasserrohr (4) abgedeckt ist und das Wasserrohr (4) derart Abstand vom Brennelementkasten (5) hat, daß sich dazwischen überall Maschen (12) des gedachten Gitters befinden, die mit Brennstäben (7) besetzt sind,

- wobei ferner vom Brennelementkasten (5) ein Brennelementkopf (2) und ein Brennelementfuß (3) jeweils mit quadratischem Querschnitt umfaßt sind und das Wasserrohr mit einem Bodenteil (14) versehen ist, das am Unterende des Wasserrohrs (4) Durchtrittsöffnungen (17) für Wasser bildet und am Brennelementfuß (3) angebracht ist, und an seinem Oberende eine Austrittsöffnung für Wasser aufweist, und

- wobei schließlich das Wasserrohr prismatisch ausgeführt ist."

Gemäß dem Hilfsantrag des Beschwerdeführers hängen die als Ansprüche 2 bis 4 umnumerierten Ansprüche 3 bis 5 des Streitpatents in erteilter Fassung von diesem neuen Anspruch 1 ab.

Ferner hat der Beschwerdeführer im genannten Schreiben angenommen, daß die Kammer eine Beschränkung des Patentbegehrens auf die Verwendung eines quadratischen Wasserrohrs als erforderlich ansehe, und sich bereit erkläre, den Anspruch 1 gemäß Haupt- oder Hilfsantrag entsprechend zu ändern, falls sich dies im Verlauf der mündlichen Verhandlung als erforderlich erweisen sollte.

VII. Es wurde am 24. April 1997 mündlich verhandelt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung, kurz bevor die Verhandlung zur abschließenden Beratung der Beschwerdekammer über den Fall unterbrochen wurde, beantragte der Beschwerdeführer, daß ihm gestattet werde, einen oder mehrere Hilfsanträge zu formulieren und einzureichen. Nach einer Zwischenberatung wurde die folgende Zwischenentscheidung der Kammer verkündet:

Die Kammer kann zu einem so späten Zeitpunkt im zweiseitigen Verfahren keine neuen Anträge zulassen.

VIII. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise in geändertem Umfang auf der Grundlage des Patentanspruchs 1, eingegangen mit Schreiben vom 24. März 1997.

Der Beschwerdegegner (Einsprechender) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde des Patentinhabers.

IX. Der Beschwerdeführer stützte seinen Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:

Das erfindungsgemäß vorgesehene Bodenteil (14) mit für stetige Füllung des Wasserrohrs mit flüssigem Wasser sorgenden Durchtrittsöffnungen (17) sei bei dem aus Dokument (D1) bekannten Brennelement nicht vorhanden. Darüber hinaus haben die durch das runde Wasserrohr und diesem benachbarte Brennstäbe gebildeten Strömungskanäle einen größeren Querschnitt als andere Strömungsunterkanäle, die nur durch den Zwischenraum benachbarter Brennstäbe gebildet werden. Somit sei klar, daß beim herkömmlichen Brennelement nicht eine Vergleichmäßigung der Kühlung sondern eine Vergleichmäßigung des thermischen Neutronenflusses und damit wiederum die Erzeugung von Wärmeenergie angestrebt werde. Das Wasser, das durch das Wasserrohr und durch die Spalte (5, 6) fließt, sei nicht Kühlmittel für die Brennstäbe (3), sondern nur Moderator, und die exzentrische Anordnung des Wasserrohrs bewirke, daß Brennstäbe mehr aus Wasser bestehenden Moderator "sehen" und zu heißen Stellen werden. Dieser Nachteil könne bei einem erfindungsgemäßen Brennelement mit quadratischem Wasserrohr nicht auftreten und es wird deshalb gebeten, einen zweiten, auf diese Ausgestaltung des Wasserrohrs eingeschränkten Hilfsantrag zuzulassen. Im Hinblick auf die Offenbarung im Dokument (D1) sei schließlich zu bemerken, daß dort das Gegenstromprinzip nicht ausgeschlossen sei, denn es werde in der jüngeren Patentliteratur vorgeschlagen, dadurch eine stärkere Kühlung im oberen Teil von Brennelementen zu erzielen.

Im Dokument (D3) lese man, daß bei dem dort beschriebenen Reaktor die Kühlflüssigkeit den Reaktorkern durchquere und aus dem Auslaßstutzen austrete, sowie daß die Steuerstäbe (31) von oben zugeführt seien. Da Steuerstäbe bei Siedewasserkernreaktoren von unten zugeführt werden und für Druckwasserkernreaktoren zur Zeit des Anmeldejahres der Patentschrift (D3) durchaus kreuzförmige Steuerstäbe vorgesehen wurden, so betreffe die besagte Patentschrift unbestreitbar einen Druckwasserkernreaktor. Bei derartigen Reaktoren sei aber die Wärmeabfuhr durch das ausschließlich flüssige Kühlmittel ohnehin ausreichend gleichmäßig. Darüber hinaus machen die inneren Wandungen (48, 54, 64) nur dann Sinn, wenn die Kühlflüssigkeit von dem Moderatorstoff in den Kanälen (42, 44, 46) getrennt werden müsse. Diese Wandungen seien gar nicht vorhanden, wenn das flüssige Kühlmittel der einzige Moderator im Reaktorkern ist, und in (D3) deute nichts darauf hin, daß sie Austrittsöffnungen für Wasser am oberen Ende und Durchtrittsöffnungen am unteren Ende bilden oder gar bis zu irgendeinem Brennelementfuß reichen und daran angebracht sind. Insofern sei die Auffassung der Einspruchsabteilung, nach der die Ausbildung und Anbringung des Wasserrohrs betreffenden Merkmale für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant seien, abwegig, zumal diese Merkmale aus dem Dokument (D1) nicht hervorgingen.

Aus dem Dokument (D3) könne der Fachmann deshalb keine Anregung zur Auswahl eines Wasserrohrs mit prismatischem Querschnitt erhalten. Im übrigen sei die Betrachtungsweise der Einspruchsabteilung retrospektiv und nicht gerechtfertigt, denn die Patentschrift (D3) wurde 1961 veröffentlicht, also zehn Jahre vor dem Prioritätsdatum der Patentschrift (D1). Erst die 1985 angemeldete, im Streitpatent offenbarte Erfindung beruhe auf der Erkenntnis, daß mit einem prismatischen Wasserrohr eine ganz erhebliche Vergleichmäßigung der Kühlung der Brennstäbe in einem Siedewasserkernreaktor erzielt werde.

X. Der Beschwerdegegner widersprach der Argumentation des Beschwerdeführers im wesentlichen wie folgt:

Das Dokument (D1) betreffe ein Brennelement normaler Bauart mit quadratischem Querschnitt. Obwohl dies in (D1) nicht ausdrücklich erwähnt ist, seien bei solchen Brennelementen ein Brennelementkopf und ein Brennelementfuß am oberen bzw. unteren Ende vorhanden. Ferner werde das Wasserrohr von unten nach oben durchströmt, wobei Durchtrittsöffnungen für Wasser am oberen und am unteren Ende des besagten Rohres erforderlich seien. Zwar zeigt Figur 2 ein Brennelement mit einem runden, exzentrisch angeordneten Wasserrohr. Der Beschreibung sei aber nicht einmal zu entnehmen, daß das Wasserrohr rund und exzentrisch angeordnet sein solle. Dagegen werde in (D1) offenbart, daß statt dessen das Wasserrohr so angeordnet werden könne, wie es in Figur 5 des Dokuments (D3) dargestellt ist. Somit enthalte die Patentschrift (D1) schlüssig die Aussage, daß ein zentrales Wasserrohr mit quadratischem Querschnitt verwendet werden könne.

Hinsichtlich der Offenbarung im Dokument (D3) behauptet der Beschwerdeführer, daß der dort beschriebene Reaktor ein Druckwasserreaktor sei, und daß der Fachmann zur Verhinderung unnötiger Neutronenabsorption die Kanalwände (48, 54) fortlassen würde, wenn die in den Kanälen (46, 52) vorhandene Kühlflüssigkeit auch gleichzeitig der Moderator wäre. Dabei übersehe der Beschwerdeführer, daß dann auch der Brennelementkasten (32 bzw. 50) aus dem gleichen Grund entfallen müßte, sowie daß die genannten Wände zur Erzielung der angestrebten, für alle Brennstäbe möglichst gleichen Moderatorbedingungen notwendig seien, wenn der Brennelementkasten vorhanden ist. Bei einem Siedewasserkernreaktor sei jedoch die Kanalwand auch bei Verwendung des Kühlwassers als Moderator wichtig, da dann das Wasser frei von Dampfblasen und somit als Moderator wirksamer sei. Den Behauptungen des Beschwerdeführers sei ferner entgegenzusetzen, daß die Kanäle (46, 52) Eintritts- bzw. Austrittsöffnungen besitzen, denn der Moderator zirkuliere von unten nach oben; daß die Entgegenhaltung (D3) lediglich von thermischen Reaktoren spreche; daß bei Brennelementen für Druckwasserreaktoren der äußere Brennstoffkasten fehle; daß kreuzförmige Steuerstäbe in der Regel bei Siedewasserreaktoren und nicht bei Druckwasserreaktoren verwendet werden und es nicht zwingend sei, sie von unten zuzuführen.

Um zu erkennen, daß mit einem quadratischen Wasserrohr eine gleichmäßigere Kühlung der benachbarten Brennstäbe erfolgt, sei keine erfinderische Eingebung nötig, so daß Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ die Aufnahme dieses Merkmals in den Anspruch 1 nicht veranlassen. Somit ist diese Änderung des Patentbegehrens gemäß Regel 57 a) EPÜ unzulässig. Der Vorteil ist darüber hinaus gering und steht Nachteilen gegenüber, denn ein quadratisches Rohr ist schwieriger herzustellen und bedeutet mehr neutronenfressendes Material im Brennelement.

XI. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die Beschwerde zurückgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag des Beschwerdeführers

1.1. Die Patentschrift (D1) betrifft einen aus mehreren Brennelementen (1) bestehenden Reaktorkern für Siedewasserkernreaktoren - siehe Titel und Spalte 1, Zeilen 35 bis 38. Jedes Brennelement des Reaktorkerns weist einen langgestreckten Brennelementkasten (2) mit quadratischem Querschnitt, Kernbrennstoff enthaltende Brennstäbe (3), die im Brennelementkasten mit Abstand voneinander in 8 x 8 Maschen eines in einem Kastenquerschnitt gedachten quadratischen Gitters mit zu den Kastenwänden parallelen Seiten angeordnet sind, sowie ein Wasserrohr (4) auf - siehe: Figur 2; Spalte 1, Zeilen 35 bis 38; Spalte 2, Zeilen 60 bis 65. Sechzig Maschen des Gitters sind mit Brennstäben besetzt, die in den übrigen, ein von der Brennkastenwand durch Reihen von mit Brennstäben besetzten Maschen getrenntes Quadrat bildenden Maschen durch das Wasserrohr (4) ersetzt sind - siehe: Figur 2; Spalte 2, Zeilen 65 bis 68. Somit erkennt man, daß beim herkömmlichen, aus dem Dokument (D1) bekannten Brennelement der Querschnitt des Wasserrohrs (4) mehr als eine Masche des gedachten Gitters abdeckt - siehe zusätzlich die Dimensionierungsangaben in Spalte 3, Zeilen 3 bis 8 -, daß das besagte Wasserrohr Abstand vom Brennelementkasten hat sowie daß zwischen diesem Rohr und dem Brennelementkasten sich überall Maschen des gedachten Gitters befinden, die mit Brennstäben besetzt sind.

Daher war ein Brennelement gemäß dem Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 am Anmeldetag der Erfindung aus dem Dokument (D1) bereits bekannt.

1.2. Dem Dokument (D1) entnimmt man weiter, daß das Wasser den Brennstäben entlang und durch das Wasserrohr (4) senkrecht fließt - siehe Spalte 3, Zeilen 12 bis 15. Es ist jedoch klar, daß bei Siedewasserkernreaktoren das zu verdampfende, längs den Brennstäben entlang fließende Wasser nach oben fließen muß, weil kaltes Wasser ein höheres spezifisches Gewicht als warmes Wasser und letzteres seinerseits ein höheres spezifisches Gewicht als Wasserdampf hat.

Hinsichtlich der Stromrichtung im Wasserrohr (4) brachte der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 24. März 1997 vor, daß ein Gegenstromprinzip vom Dokument (D1) nicht ausgeschlossen sei, denn heiße Stellen befinden sich gerade im oberen Teil der Brennelemente. Zur Stützung dieses Vorbringens hat der Beschwerdeführer aber kein einzelnes Dokument zitiert und einfach auf eine nicht genauer angegebene "jüngere Patentliteratur" verwiesen. Es ist jedoch klar, daß die Lehre einer über zwanzig Jahre nach dem Prioritätsdatum der Patentschrift (D1) - nämlich dem 27. Dezember 1971 - erschienenen Fachliteratur für den dort beschriebenen Stand der Technik nicht zutrifft, und zwar umso weniger als die Herstellung eines Gegenstroms im Kern eines Siedewasserkernreaktors mit technologischen Problemen verbunden ist, die, wie der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung eingestanden hat, trotz allen seit 1971 gemachten Fortschritten schwer lösbar bleiben. Es ist daher nicht länger bestritten worden, daß auch im Wasserrohr des im Dokument (D1) beschriebenen Brennelementes das Wasser nach oben fließt, was seinerseits nach sich zieht, daß das genannte Rohr am Oberende eine Austrittsöffnung für Wasser aufweist.

1.3. Gegenüber dem im Dokument (D1) offenbarten Stand der Technik besteht deshalb das Neue des im Streitpatent beanspruchten Brennelementes darin, daß ein Brennelementkopf (2) und ein Brennelementfuß (3) jeweils mit quadratischem Querschnitt vorgesehen und vom Brennelementkasten (5) umfaßt sind, und daß das Wasserrohr (4) prismatisch ausgeführt und mit einem Bodenteil (14) versehen ist, das am unteren Ende des Wasserrohres Durchtrittsöffnungen (17) für Wasser bildet und das am Brennelementfuß angebracht ist.

1.4. Das Vorhandensein eines Brennelementkopfes bzw. eines Brennelementfußes ist im Dokument (D1) nicht erwähnt. Dennoch weiß der Fachmann, daß Brennelemente für Kernreaktoren transportiert werden und im Reaktorkern auf einer angemessenen Struktur ruhen, sowie daß die dabei auf die Brennelementstruktur ausgeübten Kräfte durch den zur Verminderung der Neutronenabsorption aus dünnem Blech hergestellten Brennelementkasten nicht übertragen werden können. Es ist deshalb üblich, Brennelementkästen mit quadratischen Querschnitt aufweisende Brennelemente mit von den genannten Kästen umfaßten, einen quadratischen Querschnitt ebenfalls aufweisenden Brennelementköpfen und Brennelementfüßen zu versehen. Unabhängig von seiner Ausführung kann der mit dem Wasserrohr verbundene Teil des Brennelementfußes ein Bodenteil genannt werden und es ist klar, daß dieser Bodenteil wenigstens eine Durchtrittsöffnung für Wasser aufweisen muß.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 24. März 1997 gelten lassen, daß die Durchtrittsöffnungen des Bodenteils (14) für einen gedrosselten Eintritt des Wassers ins Wasserrohr sorgen, damit das besagte Rohr mit flüssigem Wasser gefüllt bleibe. Der Wortlaut des Anspruchs 1 in erteilter Fassung schließt aber nicht aus, daß die Öffnungen des Bodenteils so breit sein können, daß keine nennenswerte Drosselung des eintretenden Wasserstroms herbeigeführt wird. Darüber hinaus ist die Erzielung des nach Angabe des Beschwerdeführers angestrebten Effekts fraglich, denn eine Drosselung des Wassereintritts verlangsamt den Anstieg des Wassers im Wasserrohr, wobei die Wassertemperatur im oberen Teil des Wasserrohrs höher werden und möglicherweise den Siedepunkt erreichen könnte. Somit erscheint das Vorhandensein der genannten Durchtrittsöffnungen für die Beurteilung einer etwaigen, dem beanspruchten Brennelement zugrundeliegenden erfinderischen Tätigkeit unwesentlich.

Mithin bleibt als einziges wesentliches Erfindungsmerkmal, daß das Wasserrohr des im Streitpatent beanspruchten Brennelements prismatisch ausgeführt ist.

1.5. Der Beschwerdeführer vertrat die Meinung, daß die Patentschrift (D3) nur den Reaktorkern eines Druckwasserreaktors betreffe und daß der für Siedewasserkernreaktoren zuständige Fachmann bei seinen Bemühungen, die Kühlung von Brennstäben zu vergleichmäßigen, die Lehre dieses Dokuments daher nicht heranziehen würde. Zur Stützung dieses Vorbringens machte der Beschwerdeführer auch geltend, daß die dort beschriebenen Steuerstäbe kreuzförmig sind.

Vielmehr sollte nach Auffassung der Kammer der Fachmann die Lehre eines Dokuments nur dann unberücksichtigt lassen, wenn sich dieses Dokument mit einem Fachgebiet befaßt, in dem das Problem, für das eine Lösung gesucht wird, nicht auftreten würde. Nun ist aber dem Dokument (D3) nicht entnehmbar, daß dort eine Vergleichmäßigung der Kühlung von Brennstäben als unbedeutend oder gar unerwünscht angesehen werde. Im Gegenteil weist diese Schrift implizit darauf hin, daß dieser Effekt gewissermaßen angestrebt wird, denn man liest dort in Zusammenhang mit Figur 5, daß zur Vergleichmäßigung der Energie-Abgabe der Brennstäbe das zentrale Wasserrohr so bemessen ist, daß es vier Brennstäbe enthalten könnte - siehe linke Spalte der Seite 3, Zeilen 10 bis 16 des letzten Absatzes. Für den Fachmann, der vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents eine Vergleichmäßigung der Brennstäbekühlung in einem Brennelement gemäß der Lehre des Dokuments (D1) erzielen wollte, bestand deshalb kein Grund, die Patentschrift (D3) unberücksichtigt zu lassen, zumal die dieser Patentschrift inhaltsgleiche SE-B-198 436 (D3') in der Beschreibungseinleitung der mit dem oben genannten Problem übrigens nicht befaßten und darüber hinaus die Benutzung von kreuzförmigen Steuerstäben in Siedewasserkernreaktoren offenbarenden Entgegenhaltung (D1) gewürdigt ist.

1.6. Zwar beschreibt die Patentschrift (D1) ein Brennelement für Siedewasserkernreaktoren, bei dem das Wasserrohr einen runden Querschnitt aufweist. Dennoch wird in dieser Entgegenhaltung dem Fachmann kein Anlaß gegeben, sich auf diese ohnehin nicht beanspruchte Ausgestaltung des Wasserrohrs zu beschränken. Dagegen entnimmt er daraus, daß gegenüber der Offenbarung im Dokument (D3) das wesentliche Merkmal der aus dieser Patentschrift (D1) bekannten Erfindung nur darin zu sehen ist, daß das Wasserrohr (4) exzentrisch angeordnet sein muß - siehe Spalte 2, zweiter Absatz, insbesondere Zeilen 9 bis 14, 18. bis 22 und 27 bis 30.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers zuwider hält die Lehre der Patentschrift (D1) den Fachmann deshalb keineswegs davon ab, das dort beschriebene Brennelement mit einem quadratischen, also prismatischen Wasserrohr zu versehen. Somit entbehrt der im Streitpatent beanspruchte Gegenstand der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit, zumal der Querschnitt eines Prismas ein Polygon mit beliebig vielen Seiten und daher kreisähnlich sein kann, wobei der besagte Gegenstand dem aus der Patentschrift (D1) bekannten Brennelement praktisch identisch wäre.

1.7. Der Anspruch 1 des Streitpatents ist nicht gewährbar - Artikel 52 (1) EPÜ in Zusammenhang mit Artikel 56.

Somit kann dem Hauptantrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden.

2. Hilfsantrag des Beschwerdeführers

2.1. Der dem Hilfsantrag des Beschwerdeführers zugrundeliegende Anspruch 1 sieht vor, das Wasserrohr (4) im Zentrum des beanspruchten Brennelementes anzuordnen und weicht somit von der Lehre des Dokuments (D1) ab. Diese zentrale Anordnung des Wasserrohrs stellt aber nur eine Rückkehr zu der Lehre des Dokuments (D3) dar und kann daher nach Ansicht der Kammer nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden, denn es gehört zu den normalen Aufgaben des zuständigen Fachmannes festzustellen, ob eine vorgeschlagene Abweichung vom Stand der Technik - z. B. die exzentrische Anordnung des Wasserrohrs in einem Brennelement für Siedewasserkernreaktoren - zur Erzielung eines angestrebten Effekts wirksam oder unwirksam ist. Darüber hinaus schließt der Wortlaut des Anspruchs nach wie vor nicht aus, daß der Querschnitt des prismatischen Wasserrohres ein kreisähnliches Polygon mit vielen Seiten sein könnte, wobei die dem besagten Wasserrohr benachbarte Brennstäbe kühlenden Unterkanäle einen größeren Querschnitt als die weiter entfernte Brennstäbe kühlenden Unterkanäle haben und daher keine Vergleichmäßigung der Kühlung herbeiführen würden. Somit entbehrt auch der hilfsweise beanspruchte Gegenstand der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

2.2. Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag des Beschwerdeführers ist deshalb nicht gewährbar - Artikel 52 (1) EPÜ in Zusammenhang mit Artikel 56.

Somit kann auch dem Hilfsantrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden.

3. Unzulässigkeit weiterer Anträge

Gemäß der gesicherten Rechtsprechung der Beschwerdekammern und in Fortführung der Entscheidung T 153/85 (ABl. EPA 1988, 1) kann eine Beschwerdekammer ablehnen, geänderte Ansprüche in Betracht zu ziehen, die völlig neue Anträge darstellen und erst in einem späten Verfahrensstadium eingereicht werden, z. B. während einer mündlichen Verhandlung, wenn diese geänderten Ansprüche nicht eindeutig und offensichtlich gewährbar sind. Somit mag einerseits eine rein "kosmetische" Änderung zu einem späten Verfahrenszeitpunkt eines Einspruchs-Beschwerdeverfahrens eindeutig für zulässig erachtet werden, wohingegen andererseits eine inhaltlich wesentliche Änderung, durch die erstmalig neue Sachverhalte in den unabhängigen Anspruch eines Hilfsantrages eingebracht werden und durch die somit ein neuer technischer Fall geschaffen wird, grundsätzlich kaum zu einem so späten Verfahrenszeitpunkt für zulässig erachtet werden dürfte.

Die Beschwerdekammer bezieht sich auch auf die Entscheidung T 840/93 (ABl. EPA 1996, 335), in der ausgeführt wird:

"Ein im Verfahren vor der Einspruchsabteilung unterlegener Patentinhaber ... hat einen Rechtsanspruch darauf, die zurückgewiesenen Anträge von der Beschwerdekammer überprüfen zu lassen. Wenn jedoch der Patentinhaber andere Anträge geprüft haben möchte, so liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, diese Anträge im Verfahren zuzulassen; ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. ... Für die Ausübung dieses Ermessens zugunsten ... des Patentinhabers müssen gute Gründe vorliegen."

Im vorliegenden Fall würde die Zulassung weiterer Hilfsanträge zu einem so späten Zeitpunkt des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens (nämlich am Ende der mündlichen Verhandlung) Verfahrens-Behinderungen und Verzögerungen bewirken und wäre darüber hinaus unangemessen gegenüber dem Einsprechenden; es würde aber auch dem öffentlichen Interesse einer zügigen Durchführung des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens vor dem EPA entgegenstehen. Der Beschwerdeführer hat keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die die Einreichung weiterer Hilfsanträge zu einem so späten Zeitpunkt rechtfertigen könnten. Aus diesen Gründen sind nach Auffassung der Beschwerdekammer derartige weitere Anträge nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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