T 0655/93 (Geschoßhemmendes Laminat/MEHLER AG) of 25.10.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T065593.19941025
Datum der Entscheidung: 25 October 1994
Aktenzeichen: T 0655/93
Anmeldenummer: 85108449.1
IPC-Klasse: F41H 5/04
B32B 7/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Geschoßhemmendes Laminat
Name des Anmelders: Val. Mehler AG
Name des Einsprechenden: 01) ISOLA WERKE AG
02) Schuberth Helme GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsantrag 2 - Zulässigkeit (nein)
Inventive step (no)
Admissibility of auxiliary request (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0036/82
T 0095/83
T 0153/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0862/00
T 0025/03

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 4. Mai 1993 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 169 432 Beschwerde eingelegt.

II. Mit den Einsprüchen von Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) und Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) war das Patent im Umfang der unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 13 gemäß Hauptantrag sowie der unabhängigen Ansprüche 1 und 11 gemäß Hilfsantrag im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden.

Sie hat folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

(D1) DE-A-2 927 653,

(D2) R.C. Laible Methods Phenom: Their.Appl.Sci.Techn. (1980), Seiten 106 - 112,

(D3) US-A-4 181 768 und

(D4) Report Natick/TR-84/030, US Army Natick R & D Center, 08.10.82.

IV. Die Beschwerdeführerin hat am 6. Juli 1993 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 14. September 1993 eingegangen. Es wird beantragt, die vorgenannte Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis der zusammen mit der Beschwerdebegründung als Hauptantrag vorgelegten Ansprüche 1 bis 11 aufrechtzuerhalten.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß diesem Antrag lauten wie folgt:

"1. Als Zwischenprodukt vorgesehenes Gewebe zur Herstellung eines geschoßhemmenden Laminats, das aus Aramidfäden, anderen Hochmodulfäden oder gegebenenfalls zum Teil aus anderen synthetischen Fäden besteht, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest an einer Oberfläche des Gewebes eine dünne Schicht eines Bindemittels aus einem Thermoplast trocken fixiert ist, so daß die Bindemittelschicht (16) im wesentlichen nur auf den Außenflächen der Fäden (12) angeordnet ist und der Innenraum (22) der Fäden im wesentlichen bindemittelfrei ist und der Bindemittelgehalt des Gewebes etwa 7 - 13, vorzugsweise 7 - 9,5 Gew.-% beträgt."

"4. Geschoßhemmendes Laminat aus einer Vielzahl von untereinander mit Schichten von Bindemitteln verfestigten Gewebelagen, die aus Aramidfäden, anderen Hochmodulfäden oder gegebenenfalls zum Teil aus anderen synthetischen Fäden bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß es durch Übereinanderstapeln von mit Bindemittel versehenen Gewebelagen gemäß Anspruch 1 - 3, Verpressen und anschließendes Erwärmen unter Erweichen des Bindemittels hergestellt worden ist und der unbenetzte Kapillaranteil der Fäden wenigstens 60 % beträgt."

Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Beschwerdeführerin außerdem einen Versuchsbericht der Firma DuPont vom August 1993 eingereicht.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zusätzlich zu dem Bericht der Fa. DuPont noch Kopie der Seite 65 der Zeitschrift Wehrtechnik 1/94, in der der neue Gefechtshelm der Deutschen Bundeswehr beschrieben worden ist, eingereicht.

V. Im Bescheid vom 1. September 1994 hat die Beschwerdekammer auf das in der Beschreibungseinleitung erwähnte Dokument DE-A-2 927 653 (D1) sowie auf die von der Beschwerdegegnerin I genannten Druckschriften

(D5) US-A-2 697 054 und

(D6) DE-A-2 839 151

hingewiesen.

VI. Am 25. Oktober 1994 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Als Hilfsanträge 1 und 2 legte die Beschwerdeführerin zwei Sätze neuer Patentansprüche 1 bis 9. bzw. 1 bis 3 vor.

Anspruch 1 nach dem 1. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Geschoßhemmendes Laminat aus einer Vielzahl von untereinander mit Schichten von Bindemitteln verfestigten Gewebelagen, die aus Aramidfäden, anderen Hochmodulfäden oder gegebenenfalls aus anderen synthetischen Fäden bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß es durch Übereinanderstapeln von mit Bindemittel versehenen Lagen von Geweben, die zumindest an einer Oberfläche jeweils eine dünne Schicht eines Bindemittels aus einem Thermoplast trocken fixiert aufweisen, so daß die Bindemittelschicht (16) im wesentlichen nur auf den Außenoberflächen der Fäden (12) angeordnet ist und der Innenraum (22) der Fäden im wesentlichen bindemittelfrei ist, Verpressen und anschließendes Erwärmen unter Erweichen des Bindemittels hergestellt worden ist, wobei der Bindemittelgehalt des Laminats etwa 7 - 13 Gew.-%, vorzugsweise 7 - 9,5 Gew.-% beträgt und der unbenetzte Kapillaranteil der Fäden wenigstens 60 % beträgt."

Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet folgendermaßen:

"1. Geschoßhemmendes Laminat aus einer Vielzahl von untereinander mit Schichten von Bindemitteln verfestigten Gewebelagen, die aus Aramidfäden, anderen Hochmodulfäden oder ggfls. aus anderen synthetischen Fäden bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß es duch Übereinanderstapeln von mit Bindemittel versehenen Lagen von Geweben, die zumindest an einer Oberfläche jeweils eine dünne Schicht eines Bindemittels aus einem Thermoplast trocken fixiert aufweisen, so daß die Bindemittelschicht (16) im wesentlichen nur auf den Außenoberflächen der Fäden (12) angeordnet ist und der Innenraum (22) der Fäden im wesentlichen bindemittelfrei ist, Verpressen und anschließendes Erwärmen unter Erweichen des Bindemittels hergestellt worden ist, wobei der Bindemittelgehalt des Laminats etwa 7-13 Gew.-%, vorzugsweise 7-9,5 Gew.-% beträgt, das Bindemittel Polyethylen, ein Polyacrylat oder ein Phenolharz ist und der unbenetzte Kapillaranteil der Fäden wenigstens 60 % beträgt."

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt in der Folge die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den folgenden Unterlagen:

a) Hauptantrag:

Ansprüche 1 bis 11, eingereicht am 14. September 1993,

b) Hilfsantrag 1:

Ansprüche 1 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

c) Hilfsantrag 2:

Ansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, denen die Ansprüche 4 bis 9 des ersten Hilfsantrags folgen.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Zur Begründung ihrer Anträge argumentierte die Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:

Druckschrift (D4) stelle in bezug auf die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag und den unabhängigen Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag die nächstliegende Entgegenhaltung dar. Die in dieser Druckschrift insbesondere in Tabelle VI und auf Seite 10 offenbarten Laminate benötigten für die optimale Halteeigenschaft immer noch um 18 Gew.-% Bindemittel. Auch die übrigen Entgegenhaltungen beschrieben ballistische Laminatpakete, deren optimale Rückhaltefähigkeit oberhalb 18 Gew.-% liege. Demgegenüber lehre die Erfindung eine optimale Rückhaltefähigkeit bereits bei Bindemittelanteilen von 7 - 13 Gew.-%.

Infolgedessen seien die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche nach den vorgelegten Anträgen als neu anzusehen.

Der Erfindung sei es durch einen für die Fachwelt überraschend glücklichen Griff gelungen, ein Optimum an Halteleistung zu erzeugen, wenn das Laminatpaket etwa 7 - 13. Gew.-% Bindemittel enthalte. Diese Lehre stehe im Gegensatz zu der prinzipiellen Lehre von D4, wonach optimale Halteleistungen bei etwa 18 Gew.-% erreicht werden. Im einzelnen führten sämtliche der entgegengehaltenen Druckschriften zumindest von einem der beiden Parameter weg, d. h. entweder schlügen sie höhere Bindemittelgehalte als die Erfindung vor, oder aber höhere Drücke und damit zwangsläufig eine größere Durchtränkung der einzelnen Fäden.

Auch ausgehend von D1, die in Anspruch 15 eine freie Dehnbarkeit der Faser durch entsprechenden Auftrag von Kunststoffmaterial lehre, jedoch keine Angabe über die aufzubringende Bindemittelmenge mache, könne die Lehre der Druckschriften D4, D5 und D6 nicht dazu beitragen, daß der Durchschnittsfachmann, ohne rückschauende Betrachtung, zu einem Bindemittelgehalt im Laminatpaket von etwa 7 - 13, vorzugsweise 7 - 9,5 Gew.-% gelange, denn diese Druckschriften gäben nichts her, was den Fachmann dazu verleiten würde, gerade diesen Bereich als optimal anzusehen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin wird mit der vorliegenden Erfindung eine Auswahlerfindung in Anspruch genommen, bei der gegenüber dem Stand der Technik insbesondere zwei Merkmale zusammen erfüllt sein müssen, um zu einem Optimum an Halteleistung zu gelangen, nämlich einerseits ein besonders geringer Bindemittelgehalt von 7 - 13 Gew.-% und andererseits ein unbenetzter Kapillaranteil der Fäden von mindestens 60 %. Eine solche Lehre könne der Gesamtheit der Druckschriften D1 bis D4 nicht entnommen werden.

Angesichts der optimalen Halteleistung bei 18 Gew.-% nach dem Stand der Technik sei allein die Tatsache, daß das Streitpatent bis zu einem Drittel vom bisher optimalen Wert beanspruche, ein Zeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Gegenargumente der Beschwerdegegnerinnen können im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt werden:

Durch die Änderungen in den Hauptansprüchen gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag 1 möge zwar die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte mangelnde Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung D1 wiederhergestellt sein; es bleibe jedoch aus weiter vorgetragenen Gründe dabei, daß auch die abgeänderte Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Nach D1 werde bei einem Laminat aus Gewebelagen und einem thermoplastischen Bindemittel der Versuch unternommen, mit möglichst wenig thermoplastischem Material auszukommen, da dieses Material in seiner gewichtsbezogenen ballistischen Sicherheit schlechter abschneide als z. B. ein Gewebe (D1, Seite 6, Mitte).

In diesem Sinne enthalte D4 auf Seite 15 (vgl. auch Fig. A-1) die klare Aussage, daß die Laminate - egal ob als Hochdruck- oder als Niederdruck-Laminat hergestellt - niemals so wirkungsvoll seien wie die unlaminierten Gewebelagen ohne einen Bindemittelzusatz.

Nach dem Stand der Technik gemäß D1 und D4 trage das Bindemittel nichts oder nur wenig zu den Beschußdurchdringungsmechanismen bei; es habe vielmehr die Funktion, den Zusammenhalt der Laminatschichten zu gewährleisten.

Es sei daher für den Fachmann nahegelegen, Bindemittelgehalte in niedrigeren Anteilbereichen zu testen. Dies ergebe sich aus D3, wo der nunmehr beanspruchte Bereich in dem Patentanspruch 1 - etwa 10 bis 30 Gew.-% - bereits überlappend erwähnt sei, und aus der D1 zu entnehmenden Tendenz, mit möglichst wenig thermoplastischem Kunststoffmaterial auszukommen. Der Stand der Technik dokumentiere, daß es keine Hindernisse in der Fachwelt gegeben habe, niedrige Bindemittelgehalte für Laminate zu realisieren, z. B. Bindemittelgehalte mit einem Anteil von 5 - 40 Gew.-% nach der im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschrift (D5). Dort seien in Beispielen gemäß der Tabelle in Spalte 4 Bindemittelanteile 4,8 %, 5,1 %, 8,28 %, 9,4 %, 12,6 % usw. erwähnt. Es sei ersichtlich, daß für die Fixierung der Gewebelagen eine gewisse Bindemittelmenge erforderlich sei und daß diese davon abhänge, welche Stabilität das Laminatprodukt aufweisen müsse, wenn es beispielsweise als Schutzhelm eingesetzt werden soll. Die optimale Lösung sei in diesem Falle darin zu sehen, ein möglichst günstiges Leistungsverhältnis zwischen ballistischem Schutz und Gewicht zu erzielen. Bei dieser Optimierung handele es sich aber nicht um eine erfinderische Auswahl, sondern um eine übliche, von dem Durchschnittsfachmann vorgenommene Abwägung zwischen ballistischem Schutz einerseits und Gewicht bzw. Formstabilität andererseits, die der Fachmann angesichts des nachgewiesenen Standes der Technik ohne weiteres treffen könne, zumal die ausgewählten Bindemittelgehalte aus dem nachgewiesenen Stand der Technik ebenfalls bekannt seien.

Bezüglich des zusätzlichen Merkmals der unabhängigen Ansprüche 4 und 1 gemäß dem Haupt- bzw. Hilfsantrag 1, daß "der unbenetzte Kapillaranteil der Fäden des Laminats wenigstens 60 % betragen muß", wurde die Auffassung vertreten, daß es sich dabei um eine nicht erfinderische Bemessungsangabe handele, die der Fachmann ausgehend von den Erkenntnissen der Entgegenhaltungen D1 und D4 ohne erfinderisches Zutun mittels einfacher Versuche ermitteln könne. Der beanspruchte Kapillaranteil stelle ein Ergebnis dar, das sich insbesondere aus der Literaturstelle D4 zwangsläufig ergebe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Hauptantrag

In den neuen Anspruch 1 wurde gegenüber der erteilten Fassung ein weiteres Merkmal aufgenommen, nämlich daß "der Bindemittelgehalt des Gewebes etwa 7 - 13, vorzugsweise 7 - 9,5 Gew.-% beträgt". Dieser Bereich ist in den ursprünglichen Unterlagen in Absatz 4 von Seite 12 offenbart. Der neue Anspruch 1 ist somit in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

In den unabhängigen Anspruch 4, der in seinem Kennzeichen auf die Gewebelagen gemäß Anspruch 1 ausdrücklich Bezug nimmt, ist das Merkmal des erteilten Anspruchs 5 aufgenommen worden. Die erteilten Ansprüche 6 bis 12 wurden infolgedessen umnumeriert. Die erteilten Ansprüche 13 bis 16 wurden gestrichen.

2.2. 1. Hilfsantrag

Anspruch 1 richtet sich auf ein geschoßhemmendes Laminat wie es im unabhängigen Anspruch 4 gemäß Hauptantrag beansprucht ist. Dieser Anspruch wird von acht abhängigen, von den ursprünglichen Unterlagen gestützten Ansprüchen 2 bis 9 gefolgt.

2.3. Die vorgenommenen Änderungen sowohl des Haupt- als auch des 1. Hilfsantrags entsprechen daher den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

2.4. 2. Hilfsantrag

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern werden Änderungen, die nicht rechtzeitig vor einer mündlichen Verhandlung eingereicht worden sind, von einer Beschwerdekammer in der Verhandlung nur dann sachlich berücksichtigt, wenn für die Änderung und ihre verspätete Einreichung ein triftiger Grund vorliegt (vgl. T 95/83, ABl. EPA 1985, 75). Ferner kann eine Beschwerdekammer es ablehnen, neue Ansprüche zu berücksichtigen, die in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium, z. B. kurz vor einer mündlichen Verhandlung, eingereicht worden und nicht eindeutig gewährbar sind (vgl. T 153/85, ABl. EPA 1988, 1).

In der Mitteilung der Kammer vom 1. September 1994 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, daß Änderungen der Anträge oder neue Unterlagen so rechtzeitig eingereicht werden sollten, daß sie der Kammer und den Beteiligten spätestens vier Wochen vor dem Verhandlungstermin zur Verfügung stehen. Für die verspätete Einreichung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1994 liegt kein triftiger Grund vor. Des weiteren ist Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 aus folgenden Gründen auch nicht eindeutig gewährbar: Zwischen den Merkmalen "Bindemittel aus einem Thermoplast" (Zeile 7) und "das Bindemittel ... ein Phenolharz ist" (vorgeschlagene Änderung) im Kennzeichen des Anspruchs 1 besteht ein Widerspruch, da ein Phenolharz kein Thermoplast, sondern ein Duroplast ist.

Aus diesen Gründen waren die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 insgesamt als unzulässig zurückzuweisen. Dem Beschwerdeverfahren lagen somit nur noch ein Hauptantrag und ein einziger Hilfsantrag (d. h. der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 1) zugrunde.

3. Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags ist in keiner Entgegenhaltung im vollen Umfang offenbart und daher neu. Da dies unter den Beteiligten unbestritten war, bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen. Gleiches gilt auch für den unabhängigen Anspruch 4 gemäß Hauptantrag.

4. Erfinderische Tätigkeit - Haupt- und Hilfsantrag

4.1. Die Gattungsbegriffe der unabhängigen Ansprüche des Haupt- und Hilfsantrags betreffen ein als Zwischenprodukt vorgesehenes Gewebe zur Herstellung eines geschoßhemmenden Laminats und ein geschoßhemmendes Laminat aus einer Vielzahl von untereinander mit Schichten verfestigten Gewebelagen, die aus Aramidfäden, anderen Hochmodulfäden oder ggf. (zum Teil) aus anderen synthetischen Fäden bestehen, wie sie durch einen aus Entgegenhaltungen D1 oder D4 bekannten Stand der Technik vorgegeben sind.

Die kennzeichnenden Teile dieser Ansprüche enthalten quantitativ festgelegte Bereiche des Bindemittelgehalts des Laminats in Gew.-% sowie einen %-Wert des unbenetzten Kapillaranteils.

4.2. Bereits in D1 ist die Erkenntnis formuliert, daß bei einem Laminat aus Gewebelagen und einem thermoplastischen Bindemittel versucht werden sollte, mit möglichst wenig thermoplastischem Kunststoffmaterial auszukommen, da dieses Material in seiner gewichtsbezogenen ballistischen Sicherheit schlechter abschneidet als z. B. ein Gewebe (D1, Seite 6, Mitte).

Diese Erkenntnis wird auch durch D4 gestützt. D4 enthält in dem Appendix auf Seite 15 die klare Aussage, daß die gemessenen Verläufe der ballistischen Energieabsorption zeigen, daß die Laminate niemals so wirkungsvoll sind wie die unlaminierten Gewebelagen ohne einen Bindemittelzusatz, weil das Bindemittel nichts oder nur wenig zu den Beschußdurchdringungsmechanismen beiträgt (Seite 15, Abs. 2 und 3 in D4).

4.3. Ausgehend von einem bekannten Stand der Technik, wie er oben in Punkt 4.2 dargelegt ist, liegt allen unabhängigen Ansprüchen der vorstehend genannten Anträge objektiv die Aufgabe zugrunde, ein Laminat der im Oberbegriff erwähnten Art so fortzubilden, daß es eine verbesserte Rückhaltefähigkeit im Vergleich zu bekannten mit Kunststoffen getränkten Gewebelagenpaketen aufweist.

Da die Rückhaltefähigkeit der bisher bekannten Laminate, die bei einer Verminderung des Bindemittelgehalts bis zu einem - wie die Beschwerdeführerin betont - im Stand der Technik als ein Optimum betrachteten Wert von ca. 18 Gew.-% besteht, in der Praxis als verbesserungsbedürftig angesehen wird, war es nach Auffassung der Kammer für den Fachmann naheliegend, ausgehend von der Lehre gemäß D1/D4 zu untersuchen, ob eine weitere Verminderung des Bindemittelgehalts im Hinblick auf die angestrebten ballistischen Eigenschaften möglich ist. Daher vermag die Formulierung der Aufgabe nicht zur erfinderischen Qualität der Lösung beizutragen.

4.4. Das technische Prinzip der beanspruchten Lösung besteht darin, daß für die Fixierung der Gewebelagen eine gewisse Bindemittelmenge erforderlich ist und daß diese vor allem davon abhängt, welche Stabilität und Halteeigenschaft das aus einzelnen Gewebelagen gebildete Laminatprodukt aufweisen muß, wenn es beispielsweise als Schutzhelm eingesetzt werden soll. Eine derartige Optimierung ist die logische Folge des Bestrebens, möglichst günstige Ergebnisse zu erzielen, und ergibt sich für den Fachmann automatisch.

Es bleibt somit zu entscheiden, ob die beanspruchte Lösung in quantitativer Hinsicht, wie sie in den jeweiligen unabhängigen Ansprüchen der Anträge angegeben wird, auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

4.5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der zu berücksichtigende Stand der Technik lehre, daß die günstigsten Halteeigenschaften bei Bindemittelgehalten von mehr als 15 Gew.-% erreicht würden, wobei gemäß D4 optimale Halteeigenschaften bei einem Bindemittelgehalt von 18,4 Gew.-% vorlägen. Sie führt weiter aus, daß die Druckschrift D3 zwar ein Laminat beschreibe, das nach Anspruch 1 einen Foliengehalt von 10 bis 30 Gew.-% habe, jedoch werde gemäß Tabelle I ein Bindemittelgehalt von 16 bis 27,2 Gew.-% eingesetzt; darüber hinaus seien die dort beschriebenen Laminatpakete nicht miteinander zu vergleichen, da es entweder an einer genauen Beschreibung der Laminatzusammensetzung fehle oder aber unterschiedliche Gewebe eingesetzt würden, so daß ein Vergleich unmöglich sei.

Der im Streitpatent beanspruchte Bereich von 7 bis 13. Gew.-% ist im Stand der Technik nicht offenbart. Die Beschwerdeführerin ist angesichts des bisher in der Fachwelt als optimal betrachteten Bindemittelgehalts von um die 18 Gew.-% der Auffassung, ein formbeständiges, geschoßhemmendes Laminat mit derart niedrigen Bindemittelgehalten zu bauen, obwohl in der Fachwelt ein Vorurteil gegen den Einsatz von Laminaten mit derart geringen Bindemittelmengen bei geschoßhemmenden Gegenständen, z. B. Helmen bestanden habe, beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Um aus einer Mehrzahl technischer Möglichkeiten, die dem Fachmann zur Erzielung einer hohen Rückhaltefähigkeit nach dem Stand der Technik zur Verfügung standen, gerade zu dieser zu gelangen und die Bereiche der Bindemittelgehalte überraschend so auszuwählen, daß dazu ein unbenetzter Kapillaranteil der Fäden von mindestens 60 % verwirklicht wird, habe es nämlich einer erfinderischen Tätigkeit bedurft.

4.6. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Aus Entgegenhaltung D3 folgt, daß der im Streitpatent nunmehr beanspruchte Bereich des Bindemittelgehalts bereits dort in Anspruch 1 "etwa 10 bis 30 Gew.-%" überlappend erwähnt ist. Dem Fachmann, der gemäß Anweisungen in D1 bei entsprechenden Laminaten mit möglichst wenig thermoplastischem Kunststoffmaterial auszukommen versucht, legt die D3 daher nahe, den Anteil an thermoplastischen Bindemitteln weitergehend frei nach unten zu variieren. Aus diesem Grund geht das Argument der Beschwerdeführerin fehl, der Fachmann hätte die Lehren der Druckschriften D1/D4 und D3 nicht kombiniert.

4.7. Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, daß es vor dem Anmeldetag des Streitpatents keine Hindernisse in der Fachwelt gegeben hat, niedrige Bindemittelgehalte für Laminate zu realisieren; Stützung zu dieser Überzeugung liefert die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltung D5, nach der ausdrücklich Bindemittelgehalte mit einem Anteil von 5 bis 40 % realisiert worden sind, wobei, wie die Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung betonten und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, die bei Bindemittelgehalten zwischen 4,8 und 12,6 % erzielten Ergebnisse - wie sie als Beispiele in der Tabelle in Spalte 4 der D5 aufgezählt sind - durchaus mit den Ergebnissen nach dem Streitpatent vergleichbar sind.

4.8. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der von der Beschwerdeführerin als optimal genannte quantitative Wert von ca. 18 Gew.-% den Fachmann nicht von seinen Verpflichtungen enthebt, ausgehend von den bisher bekannten Bindemittelwerten in geschoßhemmenden Laminaten zu überprüfen, welche maximale Verminderung des Bindemittelanteils im Hinblick auf die Halteeigenschaft dieser Laminate vertretbar ist.

4.9. Nach Auffassung der Kammer stellt der beanspruchte Anteilsbereich an Bindemittel nur das Ergebnis der gleichzeitigen Optimierung mehrerer im aktuellen Fachgebiet bekannter und bereits ab 7 Gew.-% (die technisch gegebene Untergrenze nach Seite 5, Zeilen 45 - 46. des Streitpatents) definierter Bindemittelgehalte dar, die zu einem im Ermessen des Fachmanns liegenden Kompromiß führt. Derartige Kompromisse bei Parameteroptimierungen gelten nicht als überraschend, und ihr Auffinden beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (vgl. auch T 36/82, ABl. EPA 1983, 269, Punkt 3).

4.10. Zu dem im Anspruch 4 des Hauptantrags bzw. im Hauptanspruch des Hilfsantrags noch verbleibenden Merkmal des "unbenetzten Kapillaranteils der Fäden von wenigstens 60. %" wird wie folgt Stellung genommen:

4.11. Angesichts der im Beschwerdeverfahren von den Beschwerdegegnerinnen anhand der aus Tabelle 8 und Figur 2 der Entgegenhaltung D4 durchgeführten Berechnung, wonach z. B. bei einem Bindemittelgehalt (B) von 10. Gew.-% ein unbenetzter Kapillaranteil (K) von etwa 75. % besteht, und des sich darauf stützenden Arguments hinsichtlich des bestehenden Zusammenhangs zwischen (B) und (K) ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, daß sich der beanspruchte Kapillaranteil bei dem beanspruchten Bindemittelgehalt und den üblicherweise angewandten Preßbedingungen des Laminats zwangsläufig ergibt; dieser Sachverhalt wird auch dadurch belegt, daß weder in der Beschreibung angegeben ist, wie dieser Kapillaranteil zu bestimmen ist, noch irgendeines der Beispiele einen Hinweis auf den erzielten Kapillaranteil vermittelt.

Bezüglich dieses Merkmals hat übrigens bereits die Einspruchsabteilung, nach Auffassung der Kammer zu Recht, darauf hingewiesen, daß es sich dabei nur um eine nicht erfinderische Bemessungsangabe handelt, die der Fachmann ausgehend von den Erkenntnissen der Entgegenhaltungen D1 und D4 ohne erfinderisches Zutun ermitteln kann.

Diese Entgegenhaltungen vermitteln dem Fachmann die eindeutige Erkenntnis, die Bindung des Gewebes mit dem Bindemittel derart zu bewirken, daß die freie elastische Dehnbarkeit der Fasern nicht beeinträchtigt wird, was zweifellos einen unbenetzten Kapillaranteil der Fäden von > 60 % bedingen dürfte. Es ist ersichtlich, daß bei Verminderung des Bindemittelgehalts sich der unbenetzte Kapillaranteil zweifellos erhöhen muß. Anhaltspunkte hierfür haben die Beschwerdegegnerinnen aus der obengenannten Figur 2 der Literaturstelle D4 glaubhaft abgeleitet; daraus ergibt sich, daß bei beanspruchten Bindemittelgehalten von 7 bis 13 % der unbenetzte Kapillaranteil der Fäden des Laminats wenigstens 60 % betragen muß.

Damit fehlt es aber auch diesem Merkmal an der erforderlichen Erfindungsqualität.

5. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag und des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag genügen somit nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ. Das Patent kann deshalb mit keinem dieser Ansprüche aufrechterhalten werden. Mit den unabhängigen Ansprüchen fallen auch die von diesen abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 11 bzw. 2 bis 9. Daher kann den Anträgen der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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