T 0497/93 () of 13.7.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T049793.19950713
Datum der Entscheidung: 13 Juli 1995
Aktenzeichen: T 0497/93
Anmeldenummer: 88900679.7
IPC-Klasse: B29C 47/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung großvolumiger Hohlkörper aus Kunststoff mit mehrschichtigen Wandungen
Name des Anmelders: RICHTER, Günther
Name des Einsprechenden: Krupp Kautex Maschinenbau GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Ein Merkmal kann der ursprünglich eingereichten Zeichnung als zur Erfindung gehörig entnommen werden
Amendments - agreed by the Boards
Decision re appeals - remittal
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0090/97

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 326 584 widerrufen wurde, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung hatte ihre Entscheidung damit begründet, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und das Patent somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße, weil die Merkmale in den Ansprüchen 1 bzw. 2 des angefochtenen Patents "die einzelnen Materialschmelzen mittig innerhalb des Ringkolbens .... zusammengeführt werden" bzw. "die Fließkanäle mittig und konzentrisch hintereinander im Ringkolben angeordnet sind" in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart seien.

II. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 13. Juli 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines neu vorgelegten einzigen Anspruchs, während die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) die Zurückweisung der Beschwerde beantragte.

III. Der einzige, in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1995 vorgelegte Anspruch lautet wie folgt:

"Verfahren zur diskontinuierlichen Herstellung mehrschichtiger, coextrudierter, schlauchartiger Vorformlinge aus thermoplastischem Kunststoff zur Bildung großvolumiger, mehrschichtiger Hohlkörper in einer geteilten Blasform, bei dem mindestens zwei unterschiedliche, ringförmige Materialschmelzen (A, B, C) zu einer mehrschichtigen Materialschmelze zusammengeführt werden und bei dem diese mehrschichtige Materialschmelze sich trichterförmig erweiternd in einen Ringspeicherraum (5) fließt und anschließend durch einen in axialer Richtung bewegbaren Ringkolben (4), der als Coextrusionskopf wirkt und von der mehrschichtigen Materialschmelze nach oben gedrückt wird, über einen Ringdüsenspalt (11) ausgestoßen wird, dadurch gekennzeichnet, daß die einzelnen Materialschmelzen (A, B, C) mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums (5) innerhalb des Ringkolbens (4) nacheinander und in Extrusionsrichtung zu der mehrschichtigen Schmelze zusammengeführt werden."

IV. Zur Stützung seines Antrags hat der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der neu vorgelegte Anspruch unterscheide sich vom Anspruch 1 des Patents dadurch, daß nunmehr der Begriff "mittig" als "mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums" definiert sei, wobei der Ausdruck "mittig" als "etwa in der Mitte" zu verstehen sei.

Diese Art der Zusammenführung der einzelnen Materialschmelzen sei der ursprünglich eingereichten Figur 3 eindeutig zu entnehmen.

Daß es bei der Erfindung darauf ankomme, wie die einzelnen Materialschmelzen innerhalb des Ringkolbens und in bezug auf den Ringspeicherraum zusammengeführt werden, sei der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 3, zweiter Absatz, und der Beschreibung der Figur 3 auf Seite 5 entnehmbar.

V. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Das Merkmal "daß die einzelnen Materialschmelzen mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums innerhalb des Ringkolbens zusammengeführt werden" sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nirgends erwähnt.

Es finde sich weder in den ursprünglichen Unterlagen noch in dem erteilten Patent ein Hinweis darauf, daß dieses, erst jetzt aus der Figur 3 entnommene Merkmal erfindungswesentlich sei.

Sie macht ferner geltend, daß den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen sei, daß die Materialschmelzen "nacheinander" und "in Extrusionsrichtung" zusammengefaßt werden.

Auch der geänderte einzige Anspruch verstoße daher gegen den Artikel 123 (2) EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Der geänderte Anspruch unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß dem erteilten Patent dadurch, daß hinter dem Wort "mittig" der Ausdruck "in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums (5)" eingefügt ist.

Durch diese Änderung erfährt der im Anspruch 1 des erteilten Patents verwendete Begriff "mittig" eine klarstellende und zugleich einschränkende Definition; denn das Merkmal "mittig" allein umfaßt mehrere Möglichkeiten der Zusammenführung der Schmelzen innerhalb des Ringkolbens.

2. Da weder der Ausdruck "mittig" noch der Ausdruck "mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums" expressis verbis in der ursprünglich eingereichten Beschreibung oder in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen erwähnt ist, muß geprüft werden, ob in der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen (einschließlich der Zeichnungen) die unter Punkt 1 angeführte Änderung als zur Erfindung gehörig offenbart ist.

3. Der Beschwerdeführer hat darauf hingewiesen, daß insbesondere die Textstellen der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 3, zweiter Absatz und auf Seite 5, betreffend die Beschreibung der Figur 3, sowie die Figur 3 als Offenbarungsgrundlage des Merkmals "mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums" anzusehen seien.

Die Kammer folgt dieser Ansicht aus den nachstehend angeführten Gründen.

4. Auf Seite 3, zweiter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung ist zur Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe angeführt:

"Dies wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, daß die einzelnen Schichten innerhalb eines Ringkolbens gebildet und zusammengeführt werden, des weiteren dadurch, daß die so gebildete mehrschichtige Schmelze durch eine trichterförmige Erweiterung des Fließkanals bis auf die Breite des Ringspeicherraumes geführt wird."

Aus dieser Textstelle ist entnehmbar, daß die Art und Weise des Zusammenführens der einzelnen Materialschmelzen innerhalb des Ringkolbens und in bezug auf die trichterförmige Erweiterung des Fließkanals und die Breite des Ringspeicherraums für die Erfindung von Bedeutung ist.

Des weiteren wird in der Beschreibung der Figur 3 auf Seite 5 der ursprünglich eingereichten Beschreibung darauf hingewiesen, daß die Figur 3 "das Fließverhalten der Materialschichten A, B und C im Ringkolben (4), in der trichterförmigen Erweiterung des Fließkanals (6), im Ringspeicherraum (5) ...." zeigt. Daraus folgt, daß die Figur 3 dazu dient, zu erläutern, wie die einzelnen Materialschichten innerhalb des Ringkolbens (4) zusammengeführt werden und wie die zusammengeführte mehrschichtige Schmelze im Fließkanal (6) und im Ringspeicherraum (5) fließen soll.

Aus der Figur 3 kann entnommen werden, daß die einzelnen Materialschmelzen A, B, C innerhalb des Ringkolbens nacheinander und in Extrusionsrichtung zu der mehrschichtigen Schmelze zusammengeführt werden. Hierbei ist der Querschnittsdarstellung der Figur 3 auch entnehmbar, daß die Fließkanäle 4A, 4B, 4C für die Materialschmelzen A, B, C an solchen Stellen innerhalb des Querschnitts des Ringkolbens zusammengeführt werden, welche in bezug auf den Ringspeicherraum (5) in der Mitte seiner Breite liegen.

Obwohl sich aus der Figur 3 eine mathematisch exakte "Mittigkeit" dieses Zusammenführens in bezug auf den Ringspeicherraum nicht herausmessen läßt - was bei einer schematischen Darstellung, wie sie die Figur 3 zeigt, auch nicht anders zu erwarten ist -, vermittelt die Figur 3 dem Fachmann dennoch ohne weiteres den Eindruck, daß das Zusammenführen der einzelnen Schmelzen mittig zu dem Fließkanal (6) bzw. dem Ringspeicherraum (5) erfolgen soll, so daß die zusammengeführte Materialschmelze von einer Mitte aus sich gleichmäßig über die Breite des Fließkanals (6) und in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums (5) ausdehnen kann.

Dieses Verständnis der Darstellung der Figur 3 steht auch im Einklang mit der Aussage gemäß der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 3, zweiter Absatz und dem ursprünglichen Anspruch 1, wonach die mehrschichtige Materialschmelze sich trichterförmig erweiternd in den Ringspeicherraum fließen soll.

5. Daher ist die Änderung "mittig in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums" als durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart anzusehen.

Durch die klarstellende Hinzufügung des Ausdrucks "in bezug auf die Breite des Ringspeicherraums" zu dem Begriff "mittig" des erteilten Anspruchs 1 wird der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht erweitert, sondern eingeschränkt (siehe Punkt 1).

Folglich ist der geänderte, einzige Anspruch im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

6. Da die Einspruchsabteilung zur Frage der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit noch keine Stellung genommen hat, verweist die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 111 (1) EPÜ, die Sache an die Einspruchsabteilung zur Durchführung der Prüfung des Gegenstands des geänderten einzigen Anspruchs auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit zurück.

7. Die Kammer macht die Einspruchsabteilung darauf aufmerksam, daß die in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1995 vom Beschwerdeführer eingereichte geänderte Beschreibung gegebenenfalls auch noch im Hinblick auf den Artikel 123 (2) EPÜ zu überprüfen ist, weil sie im wesentlichen auf der Beschreibung des erteilten Patents beruht, welche umfangreicher als die ursprünglich eingereichte Beschreibung ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten einzigen Anspruchs zurückverwiesen.

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