T 0419/93 () of 19.7.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T041993.19950719
Datum der Entscheidung: 19 Juli 1995
Aktenzeichen: T 0419/93
Anmeldenummer: 88121095.9
IPC-Klasse: C08F 255/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schlagzäh-Modifizierungsmittel für Kunststoffe
Name des Anmelders: Röhm GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 27(1)(c)
Schlagwörter: Neuheit (nach Änderung - ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja - kein Abweichen von der in der Anmeldung formulierten Aufgabe)
Novelty - yes (after amendment)
Inventive step (yes)
Orientierungssatz:

Bei der Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe müßten die diesbzüglichen Aussagen in der Anmeldung auf ihre Korrektheit gegenüber dem Stand der Technik und auf ihre de- facto-Relevanz für die beanspruchten Lösungsmerkmale untersucht werden. Erst wenn die in der Anmeldung formulierte Aufgabe dem Stand der Technik nicht gerecht wird und/oder nicht im Sinne der Erfindungsmerkmale gelöst wurde, muß sie an den Stand der Technik und/oder den tatsächlichen technischen Erfolg angepaßt werden. (Gründe 4.6 - 4.10)

Angeführte Entscheidungen:
T 0495/91
T 0741/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0800/91
T 0221/93
T 0979/00
T 0394/04
T 0576/06

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende, am 18. Januar 1993 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung mit Datum vom 5. Januar 1993, mit der die Europäische Patentanmeldung Nr. 88 121 095.9, angemeldet am 16. Dezember 1988 unter Beanspruchung einer DE Priorität vom 19. Dezember 1987 und veröffentlicht unter der Nr. 321 878, zurückgewiesen wurde.

Gleichzeitig mit der Einlegung der Beschwerde wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. April 1993 vorgelegt.

II. Die angefochtene Entscheidung bezog sich auf alle Ansprüche 1 bis 3 der Erstunterlagen, folgenden Wortlauts:

"1. Schlagzähmodifizierungsmittel für Kunststoffe, bestehend aus,

A) 10-80 Gew.-% eines Polymeren der Formel

.........CH3.............R1

-(CH2 - C - )x - (CH2 - C -)y-

.........C=O.............C=O

.........O...............O

.........CH3.............R2

worin R1 für H oder Methyl und R2 für einen gegebenenfalls substituierten Cycloalkylrest mit 5-7 Kohlenstoffatomen steht und x und y sich - gegebenenfalls zusammen mit weiteren in Mengen von 0 bis 20 Gew.-% vorhandenen Monomeren - zu 100 Gew.-% ergänzen mit der Maßgabe, daß y einen Bereich von 5- 50. Gew.-% bezeichnet, und zu 90-20 Gew.-% aus

B) einem gegebenenfalls vernetzten, Polymeren P mit einer Glastemperatur Tg < 10 Grad C, bevorzugt < -10 Grad C, das wenigstens teilweise mit A) kovalent verknüpft ist.

2. Schlagzähmodifizierungsmittel gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß B) zu mehr als 5 Gew.-% kovalent mit A) verknüpft ist.

3. Polymerkomposition, dadurch gekennzeichnet, daß sie zu 3-60 Gew.-% aus dem Schlagzähmodifizierungsmittel gemäß Anspruch 1 und zu 97-40 Gew.-% aus einem Kunststoff ausgewählt aus der Gruppe Polyvinylchlorid, Polystyrol, Poly- -methylstyrol, Copolymere aus Methylmethacrylat und 20-50 Gew.-% -Methylstyrol, Polycarbonat und Chlorkautschuk aufgebaut ist."

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde die Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 2 gegenüber der Entgegenhaltung D1 verneint, und festgestellt, daß der Gegenstand des Anspruchs 3 gegenüber der Entgegenhaltung D3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe:

D1: JP-A-62 151 415, wie referiert in

a) Chemical Abstracts, Bd. 108, Nr. 10, 76464y,

und

b) Derwent Abstracts, No. 87-225887 (32);

D3: EP-A-144 231.

Die fehlende Neuheit wurde damit begründet, daß D1 ein Polymeres offenbare, das durch Copolymerisation von 20- 80. Gew.-% Methacrylaten gemäß Formeltyp CH2=C(CH3)COOR (R = alicyclische Gruppen), 20-60 Gew.-% Methylmethycrylat (MMA) und < 20 Gew.-% aromatischen Vinylverbindungen in Gegenwart von 1-20 Gew.% Dienkautschuk hergestellt wurde, wobei das Mengenverhältnis Methacrylatcopolymeranteil : Kautschukanteil (entsprechend den Komponenten A und B gemäß Anspruch 1 des Streitpatents) 80/20 betrage. Der Zweckbestimmung "Schlagzähmodifizierungsmittel für Kunststoffe" wurde gegenüber einem gleiche strukturelle Merkmale aufweisenden Stand der Technik, der für denselben Zweck geeignet wäre, keine Unterscheidungskraft zugebilligt.

Ausgehend von D3, das durch Polymerisation von MMA und N- Phenylmaleimid (NPMI) in Gegenwart von Ethylen-Propylen- Dienkautschuk (EPDM) hergestellte Copolymere offenbare, die in aromatischen Polycarbonaten (PC) zu einer Verbesserung der Schlagzähigkeit führten, käme den Polymerkompositionen gemäß Anspruch 3 der Anmeldung eine erfinderische Tätigkeit nicht zu; es sei für den Fachmann naheliegend gewesen, die aus D1 bekannten Acrylat- Mischpolymerisate in den aus D3 bekannten PC- Polymermischungen einzusetzen, wenn er die objektive technische Aufgabe lösen wollte, weitere schlagzähmodifizierte PC-Mischungen bereitzustellen.

IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin zunächst Ansprüche 1 - 3 ein, die auf ein Verfahren zur Schlagzähmodifizierung von Kunststoffen durch Herstellung von Mischungen aus Kunststoff und Schlagzähmodifizierungsmittel gerichtet waren. Einem telefonischen Hinweis des Berichterstatters der Kammer folgend, ersetzte sie diese Verfahrensansprüche mit dem am 14. Juli 1995 eingelangten Schriftsatz durch folgende Produktansprüche 1 - 3:

"1. Polymerkomposition hergestellt aus 40 bis 97 Gew.-% Kunststoff mit 3-60 Gew.% eines Schlagzähmodifizierungsmittels dadurch gekennzeichnet, daß das Schlagzähmodifizierungsmittel besteht aus:

A) 10-80 Gew.-% eines Polymeren der Formel

.........CH3.............R1

-(CH2 - C - )x - (CH2 - C -)y-

.........C=O.............C=O

.........O...............O

.........CH3.............R2

worin R1 für H oder Methyl und R2 für einen gegebenenfalls substituierten Cycloalkylrest mit 5-7 Kohlenstoffatomen steht und x und y sich - gegebenenfalls zusammen mit weiteren in Mengen von 0 bis 20 Gew.-% vorhandenen Monomeren - zu 100 Gew.-% ergänzen, mit der Maßgabe, daß y einen Bereich von 5- 50. Gew.-% bezeichnet, und

B) 90-20 Gew.-% aus einem gegebenenfalls vernetzten Polymeren P mit einer Glastemperatur Tg < 10 Grad C, bevorzugt < -10 Grad C, das wenigstens teilweise mit A) kovalent verknüpft ist.

2. Polymerkomposition gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente B) des Schlagzähmodifizierungsmittels zu mehr als 5 Gew.-% kovalent mit der Komponente A) verknüpft ist.

3. Polymerkomposition gemäß den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß der zu modifizierende Kunststoff ausgewählt ist aus der Gruppe Polyvinylchlorid, Polystyrol, Poly- -methylstyrol, Copolymere aus Methylmethacrylat und 20-50 Gew.-% - Methylstyrol, Polycarbonat und Chlorkautschuk."

V. Obwohl von der Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen nicht ausdrücklich gesagt, ist der Einreichung der Beschwerde gegen die Zurückweisung ihrer Patentanmeldung mit dem Antrag das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 - 3, eingereicht am 14. Juli 1995 (siehe obiger Punkt IV),

- Seiten 1 - 3, 7, 8, 10, 13 - 26 der Erstunterlagen,

- Seiten 4 - 6, 9, 11 und 12 der am 14. Juli 1995 eingereichten angepaßten Beschreibungsseiten,

auch der Antrag auf Aufhebung dieser Zurückweisungsentscheidung inhärent.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Anspruch 1 stellt eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 3, unter Weglassung der in Anspruch 3 enthaltenen einschränkenden Kunststoffdefinition, dar. Diese Weglassung ist gegenüber der Vorschrift des Artikels 123 (2) EPÜ zulässig, weil sich nicht nur der ursprüngliche Anspruch 1 auf die uneingeschränkte Verwendung für Kunststoffe bezog, sondern auch in den Erstunterlagen mehrfach auf die allgemeine Verwendbarkeit Bezug genommen wurde (Seite 5, Zeilen 7 - 9; Seite 15, Zeilen 12 - 17; Beispiele 1, 4 - 15).

3. Neuheit

Die Entgegenhaltung D1 beschreibt Pfropfpolymere, die durch Polymerisation eines Gemisches von 20-60 Gew.-% MMA, 20-80 Gew.-% eines C6-12-alicyclischen Methacrylats und < 20 Gew.-% eines aromatischen Vinylmonomers in Gegenwart von 1-20 Gew.%, bezogen auf das Pfropfpolymere, eines Dienkautschuks hergestellt wurden. Die Zusammensetzung dieser Pfropfpolymere überschneidet sich daher mit der Definition der gemäß vorliegendem Anspruch 1 verwendeten Schlagzähmodifizierungsmittel. Da aber in D1 nur die Verwendung dieser Polymere selbst als optische Materialien beschrieben und ihr möglicher Zusatz zu Kunststoffen unerwähnt ist, nimmt die Offenbarung in D1 den Gegenstand des gültigen Anspruchs 1 nicht vorweg (siehe auch Punkt 4.11, 3. Absatz).

Auch gegenüber der Entgegenhaltung D3 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu, was im Detail aus der folgenden Diskussion der erfinderischen Tätigkeit abgeleitet werden kann (siehe insbesondere Punkt 4.3).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. In Entgegenhaltung D3 wird ein Polyblend, d. h. eine teilweise kompatible Polymerenkombination mit exzellenten physikalischen Eigenschaften (cf. Seite 1, Absätze 3 und 4) aus 20-80 Gew.-% eines thermoplastischen Polycarbonats (PC) mit 20-80 Gew.-% eines Pfropfcopolymers von MMA und N-Phenylmaleimid (NPMI) auf EPDM oder einer Mischung des Pfropfcopolymers mit einem MMA/NPMI-Copolymer beschrieben (Ansprüche 4, 7; Seite 1, letzter Absatz; Seite 2, Absätze 2 und 3; Seiten 8, 9, Beispiele 4 - 6; Seite 10, Tabelle I).

4.2. Aus Tabelle I in D3 kann abgeleitet werde, daß eine PC- Komposition, die 20 Gew.-% MMA/NPMI Pfropfcopolymer (Beispiel 5 in Verbindung mit Beispiel 4: 400g PC + 600g eines Gemisches von 400g MMA/NPMI-Copolymer und 200g EPDM-g-MMA/NPMI-Pfropfcopolymer) enthält, bezüglich Kerbschlagzähigkeit (Notched Izod) und Gardner Falling Weight Index gegenüber reinem PC verschlechtert ist (12,1 ft-lbs/in und 320 in-lbs gegenüber 15 ft-lbs/in und 480+ in-lbs), während gemäß Beispiel 6 eine Verringerung des Pfropfcopolymeranteils auf 13 Gew.-% (600g PC + 400g des in Beispiel 5 verwendeten Copolymer/Pfropfcopolymer- Gemisches) eine Verbesserung des Izod-Wertes auf 20,2 ft- lbs/in und des Gardner Falling Weight Index auf 480+ in- lbs ermöglicht. Das ebenfalls in Tabelle I von D3 referierte Beispiel 3, das einen Polyblend aus 600g PC und 400g MMA/NPMI-Copolymer beschreibt, zeigt gegenüber Rein-PC ganz erheblich verschlechterte Notched Izod und Gardner Falling Weight Index Werte (1,6 ft-lbs/in bzw. 192 in-lbs).

4.3. Die Kompositionen gemäß vorliegendem Anspruch 1 unterscheiden sich von den in D3 offenbarten dadurch, daß für die Bildung des Pfropfcopolymers neben MMA als Comonomer anstelle von NPMI ein Cycloalkyl(meth)acrylat (CAMA) eingesetzt wird.

4.4. Die Beispiele 2 - 4 der vorliegenden Anmeldung belegen eine Verbesserung der Schlagzähigkeit (SZ) und Kerbschlagzähigkeit (KSZ) von PC, Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC) durch Zusatz des jeweils gleichen anmeldungsgemäßen Schlagzähmodifizierungsmittels.

Die Beispiele 8 - 11 zeigen, daß ein anderes anmeldungsgemäßes Schlagzähmodifizierungsmittel in Kompositionen mit PC, PS, PVC und einem Styrol- Acrylnitril-Copolymer (SAN) wirksam ist; und gemäß Beispiel 15 tritt mit einem dritten anmeldungsgemäßen Schlagzähmodifizierungsmittel eine analoge Verbesserung von SZ und KSZ in Kompositionen mit PC, PS, PVC, SAN und einem Copolymeren aus MMA und -Methylstyrol auf.

4.5. Diese Ergebnisse belegen, daß die der Anmeldung gemäß den Erstunterlagen zugrundegelegte Aufgabe (Seite 4, letzter und Seite 5, erster Absatz), nämlich die Entwicklung eines Schlagzähmodifizierungsmittels, das für verschiedene Kunststoff-Typen einsetzbar ist, durch die gemäß Anspruch 1 verwendeten Copolymeren tatsächlich gelöst wurde.

4.6. In der angefochtenen Entscheidung wurde (Gründe 3.3.1) für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die in der Anmeldung selbst angegebene Aufgabe (siehe obiger Punkt 4.5) nicht berücksichtigt, weil die dort referierten Verbesserungen den durch D3 repräsentierten Stand der Technik außer acht ließen und deshalb nicht ersichtlich sei, inwieweit das unterscheidende Merkmal (CAMA als Comonomer: siehe obiger Punkt 4.3) die Schlagzähigkeit von Kunststoffen verbessere.

4.7. Dabei wurde übersehen, daß ein Abgehen von der in der Anmeldung selbst angegebenen "subjektiven" Aufgabe nur dann erforderlich bzw. zulässig ist, wenn der dort berücksichtigte Stand der Technik nicht als relevantester (nächster) Ausgangspunkt anerkannt werden kann oder die "subjektive" Aufgabe nicht gelöst wurde. Jede Nichtanerkennung der "subjektiven" Aufgabe ist zu begründen, wobei die positive Pflicht zur Begründung (die argumentative "Beweislast") bei den jeweiligen Instanzen des EPA liegt (siehe auch T 495/91 vom 20. Juli 1993, insbesondere Gründe 4.2; und T 741/91 vom 22. September 1993, insbesondere Gründe 3.3; beide nicht im ABl. EPA veröffentlicht). Wurde die "subjektive" Aufgabe von dem Gegenstand mit den beanspruchten Merkmalen gelöst, so sind sowohl diese "subjektive" Aufgabe als auch die Lösungsmerkmale mit den Merkmalen und den technischen Erfolgen des jeweiligen Standes der Technik (die dort genannte bzw. gelöste Aufgabe eingeschlossen) auf den Grad ihrer Übereinstimmung zu prüfen. Relevanz in der Übereinstimmung wird dabei nur festgestellt werden können, wenn hinsichtlich beider Aspekte (Merkmale und Aufgabe/technischer Erfolg) eine solche technische Nähe vorliegt, daß der betreffende Stand der Technik vom Fachmann als aussichtsreicher Ausgangspunkt zur beanspruchten Lösung der "subjektiven" Aufgabe angesehen werden kann. Bei objektiv gelöster "subjektiver" Aufgabe wird zur Beurteilung einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem betreffenden relevanten Stand der Technik eine Reformulierung (Objektivierung) der Aufgabe in der Regel dann erfolgen müssen, wenn die "subjektive" Aufgabe von diesem Stand der Technik bereits gelöst wurde.

4.8. In der vorliegenden Anmeldung wird auf Seiten 1 - 4 ein kurzer Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Erhöhung der Schlagzähigkeit einer großen Anzahl von Kunststoffen gegeben, insbesondere mit Modifikatoren, die eine Zähphasen/Hartphasen-Kombination besitzen; dann wird auf Seite 4, dritter Absatz resümiert, daß man sich im Stand der Technik vorwiegend des Kunstgriffs bediene, "die Anbindung der "Zähphase" an die "Hartphase" durch Pfropfen des mit der Hartphase chemisch übereinstimmenden Monomeren auf die Zähphase zu bewirken." Weiter wird dort festgestellt: "Dabei wird in aller Regel von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, daß Gleiches sich in Gleichem löse und auf diesem Wege eine Verankerung der Zähphase in der Hartphase zustande kommt. Dieses Konzept bedeutet naturgemäß, daß für jeden Kunststoff, etwa PMMA, PVC, PS, PC ein jeweils anderes für den speziellen Fall optimiertes Schlagzäh-Modifizierungsmittel eingesetzt wird."

Daraus folgt dann die seitens des Anmelders, also "subjektiv" formulierte Aufgabe der Entwicklung eines Schlagzähmodifizierungsmittels für verschiedene Kunststoff-Typen.

4.9. Zur Überprüfung der "Richtigkeit" der "subjektiven" Aufgabenstellung ist zu fragen, inwieweit neu ermittelter Stand der Technik, hier D3, relevant ist und die Bewertung des in der Anmeldung angegebenen Standes der Technik verändern kann.

D3 will teilkompatible Polymerenmischungen mit exzellenten physikalischen Eigenschaften bereitstellen (siehe obiger Punkt 4.1) und schlägt dazu PC- Kompositionen vor, denen EPDM-gepfropfte und/oder - nichtgepfropfte MMA/NPMI-Copolymere zugesetzt wurden. In einem speziellen Fall (Beispiel 6) kann eine Verbesserung der Notched Izod Schlagzähigkeit des PCs erreicht werden; in einem anderen Fall (Beispiel 5) gelingt dies nicht; in einem dritten Fall (Beispiel 3) wird der Notched Izod Wert erheblich verschlechtert (siehe obiger Punkt 3.2).

Entgegenhaltung D3 enthält somit die Lehre, daß es möglich ist, aus PC und gewissen (Pfropf)Copolymeren teilkompatible Kompositionen zu bilden, die i. a. bezüglich der Notched Izod Kerbschlagzähigkeit variiert werden können. Diese Lehre stellt hinsichtlich der Auswahlkriterien für Schlagzähmodifiziermittel für Kunststoffe keinerlei relevante Ergänzung der Wertung des Standes der Technik in der vorliegenden Anmeldung dar, da sie sich nur auf ein einziges Matrixpolymer, nämlich PC, bezieht und auch hinsichtlich der diesbezüglich teilweise erreichten Schlagzähigkeitsverbesserung keine Angaben, explizit oder implizit, enthält, die Prognosen für eine Verbesserung der Schlagzähigkeit anderer Matrixpolymere mit denselben oder modifizierten MMA/NMPI-Copolymeren zuließen.

4.10. Da der im Verfahren befindliche relevante Stand der Technik (hier D3) keinerlei Informationen vermittelt, die die in der Anmeldung gemachte Würdigung des Standes und die daraus abgeleitete "subjektive" Aufgabe in Frage stellen können (siehe obiger Punkt 4.9) und da, ausweislich der vorliegenden Sachlage (siehe obiger Punkt 4.4) auch davon auszugehen ist, daß diese "subjektive" Aufgabe durch den Gegenstand des Anspruchs 1 tatsächlich gelöst wurde, liegt kein Grund vor, diese "subjektive" Aufgabe nicht als diejenige technische Aufgabe zu betrachten, die im Sinne von Regel 27 (1) c) EPÜ der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zugrundezulegen ist.

4.11. Die in der Entgegenhaltung D3 enthaltene Offenbarung kann die Lösung dieser Aufgabe nicht nahelegen.

Einerseits wurde in Punkt 4.9 schon festgestellt, daß in D3 kein Hinweis auf die Verwendbarkeit der dort nur in Mischung mit PC eingesetzten MMA/NPMI-(Pfropf)Copolymere als Schlagzähmodifizierungsmittel für andere Kunststoffe vorliegt, und andererseits enthält auch der weitere im Verfahren befindliche Stand der Technik (D1) keine Information, die - ausgehend von D3 - zur Lösung der vorliegenden Aufgabe führen könnte.

Insbesondere kann eine Wirksamkeit der in D1 als optische Materialien beschriebenen MMA/CAMA-Pfropfcopolymere (siehe obiger Punkt 3) als Schlagzähmodifizierungsmittel für PC nicht vermutet werden. Auch der Hinweis in D1 b) auf gute mechanische Festigkeit (strength) und Dimensionsstabilität der optischen Materialien ist einerseits (nur) relativ zur angestrebten Verwendung (z. B Videodiscs) zu sehen, und sagt andererseits auch nichts über eine allfällige Eignung der Materialien zur Verbesserung solcher Eigenschaften in anderen Kunststoffen.

Daher hatte der Fachmann auch keinerlei Anlaß anzunehmen, daß bezüglich des Einflusses auf die Schlagzähigkeit von PC die in D3 beschriebenen MMA/NPMI- und die in D1 offenbarten MMA/CAMA-(Pfropf)-Copolymere wirkungsäquivalent sein würden.

Ein diesbezüglicher experimenteller Vergleich (der in Punkt 3.3.1 der angefochtenen Entscheidung vermißt wird) mit dem Ziel der Feststellung einer durch die Wahl von Cycloalkyl(meth)acrylat als Comonomer in den anmeldungsgemäßen MMA-Copolymerisaten bewirkten Verbesserung, steht wegen der fehlenden Äquivalenzvermutung der (Pfropf)-Copolymere in D1 und D3 somit überhaupt nicht zur Diskussion.

Die Entgegenhaltung D3 legt daher die Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe in der durch Anspruch 1 definierten Form weder allein, noch in Kombination mit D1 nahe.

4.12. Aus der Tatsache, daß Anspruch 1 die in Artikel 54 und 56. EPÜ aufgestellten Bedingungen erfüllt, folgt dasselbe für die davon abhängigen Ansprüche 2 und 3.

5. Die von der Beschwerdeführerin zur Erteilung vorgelegten Unterlagen entsprechen auch anderweitig den Vorschriften des EPÜ (u. a. Art. 84 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in der Fassung der Unterlagen gemäß Punkt V dieser Entscheidung zu erteilen.

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