European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T010493.19930719 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Juli 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0104/93 | ||||||||
Anmeldenummer: | 87101803.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | G10K 9/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Stoßwellengenerator für eine Einrichtung zum berührungslosen Zertrümmern von Konkrementen im Körper eines Lebewesens | ||||||||
Name des Anmelders: | SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | erfinderische Tätigkeit nach Änderung (ja) Inventive step (yes) |
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Orientierungssatz: |
Präzisierung der Größe eines Parameters durch ein Funktionsmerkmal |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 87 101 803.2 (Veröffentlichungsnummer 0 253 053) wurde durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem am 8. August 1990 eingereichten Anspruch 1 im Hinblick auf das Dokument:
D1: EP-A-0 133 665
die aufgrund von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle. Dem Fachmann sei klar, daß bei dem im KV-Bereich betriebenen Stoßwellengenerator gemäß Dokument D1 im Falle von zufallsbedingten Betriebsspannungsschwankungen oder Erdschleifen, wie beansprucht, Potentialdifferenzen mit unterschiedlichem Vorzeichen zwischen den Spulenanschlüssen und der Membran verursacht werden würden. Da - aufgrund der nicht definierten Größenordnung der beansprucnten Potentialdifferenzen - auch diese naheliegenden Zufallserscheinungen im Anspruchsumfang enthalten sind - könne der Anspruchsgegenstand nicht als erfinderisch angesehen werden.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß im Stand der Technik jegliche Anregung fehle, zur Steigerung der Lebensdauer der Membran eines Stoßwellengenerators eine Hochspannungsversorgung mit drei Anschlüssen vorzusehen und die zwei eine maximale Potentialdifferenz bildenden Anschlüsse mit der Spule und einen auf einem Zwischenpotential liegenden Anschluß mit der Membran zu verbinden, um Spannungsüberschläge zwischen Membran und Spule mit Sicherheit zu vermeiden. Überdies hätte beim praktischen Gebrauch eines Stoßwellengenerators gemäß Dokument D1 nicht festgestellt werden können, daß die geerdete Membran ein vom Erdpotential abweichendes, zwischen den Potentialen der Spulenanschlüsse liegendes Potential annehme.
IV. In einer Antwort auf einen Bescheid der Kammer gemäß Artikel 110 (2) EPÜ, in dem die Kammer ihre Auffassung darlegte, daß der Betrag der zweiten Potentialdifferenz, der die Größe der ersten, entgegengerichteten Potentialdifferenz zwischen Spule und Membran herabsetzt, als lösungswichtiges technisches Mittel gemäß Artikel 84 EPÜ im Anspruch 1 zu definieren sei, beantragt die Beschwerdeführerin nunmehr ein europäisches Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche:
1, eingegangen am 6. Mai 1993 mit Schreiben vom 5. Mai 1993,
2, 3 gemäß EP-A1-0 253 053;
Beschreibung:
Seiten 1 und 2, eingegangen am 6. Mai 1993 mit Schreiben vom 5. Mai 1993,
EP-A1-0 253 053, Spalte 2, Zeile 23 bis Spalte 4, Zeile 40;
Zeichnungen:
Blatt 1/1 gemäß EP-A1-0 253 053.
Hilfsweise beantragt sie mündliche Verhandlung.
V. Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Stoßwellengenerator für eine Einrichtung zum berührungslosen Zertrümmern von im Körper eines Lebewesens befindlichen Konkrementen, welcher eine einen mit einer Flüssigkeit gefüllten Raum (3) abschließende, aus einem elektrisch leitenden Werkstoff gebildete Membran (2) und eine Spule (4) aufweist, deren Windungen in einer der Membran (2) gegenüberliegenden Fläche (6) angeordnet sind, wobei die Spule (4) mittels zweier Anschlüsse (10, 11) an eine Hochspannungsversorgung (13) anschließbar ist und wobei der eine Anschluß (11) der Spule (4) mit einem ersten und der andere Anschluß (11) der Spule mit einem zweiten Anschluß der Hochspannungsversorgung (13) verbunden ist und zwischen der Membran (2) und dem einen Anschluß (11) der Spule (4) eine erste Potentialdifferenz vorliegt,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Membran (2) mit einem dritten Anschluß der Hochspannungsversorgung (13) verbunden ist und daß die Potentiale der Anschlüsse der Hochspannungsversorgung (13) so gewählt sind, daß zwischen dem anderen Anschluß (10) der Spule (4) und der Membran (2) eine zweite Potentialdifferenz vorliegt, die ihrer Richtung nach der ersten Potentialdifferenz entgegengerichtet ist, um die maximale Potentialdifferenz zwischen Membran und Spule zur Vermeidung von Spannungsüberschlägen herabzusetzen."
Ansprüche 2 und 3 hängen von Anspruch 1 ab.
Entscheidungsgründe
1. Der nunmehr gültige Anspruch 1 umfaßt die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 sowie Merkmale, die der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, Zeile 32 bis Seite 3, Zeile 2 und der ursprünglichen Figur entnehmbar sind. Dabei ist der Betrag der zweiten Potentialdifferenz als Funktionsmerkmal definiert und garantiert, daß das technische Ziel der vorliegenden Anmeldung durch die im Hauptanspruch beanspruchten Mittel erreicht wird. Gemäß der ständigen Rechtspraxis des EPA ist es zulässig, die erfindungswesentliche Quantität einer physikalischen Größe durch ein Funktionsmerkmal zu präzisieren, wenn eine explizite Festlegung dieser Quantität die Schutzdefinition der insgesamt offenbarten Erfindung im Anspruch in unbilliger Weise beschränken und/oder zu Offenbarungsmängeln führen würde. Somit entspricht Anspruch 1 den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ.
2. Neuheit
2.1. Dokument D1 - der einzige im europäischen Recherchenbericht ermittelte Stand der Technik - beschreibt einen Stoßwellengenerator mit den im Gattungsbegriff angegebenen Merkmalen; vgl. Dokument D1, Fig. 1 nebst dazugehöriger Beschreibung, insbesondere: das Konkrement 23, den mit einer Flüssigkeit gefüllten Raum 14, die Membran 11, die Spule 3, die Hochspannungsversorgung 33, den einen Anschluß 5 und den anderen Anschluß 7.
2.2. Bei diesem bekannten Stoßwellengenerator ist die Membran nicht mit einem Anschluß der Hochspannungsversorgung verbunden, weist eine gesonderte Erdung auf und liegt auf dem gleichen Potential wie der andere Anschluß, so daß zwischen der bekannten Membran und Spule nur eine in einer einzigen Richtung verlaufende (erste) Potentialdifferenz vorliegt. Ferner besitzt die bekannte Hochspannungsversorgung keinen auf einem Zwischenpotential innerhalb der Betriebsspannung der Spule liegenden dritten Anschluß.
2.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Ausgehend vom Stand der Technik gemäß Dokument D1 liegt der vorliegenden Erfindung objektiv die Aufgabe zugrunde, ohne Minderung des Wirkungsgrades der Energiewandlung zur Erzeugung der Stoßwelle die Lebensdauer der Membran dieses bekannten Stoßwellengenerators zu erhöhen.
3.2. Diese Aufgabe wird gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß die Membran mit einem dritten Anschluß der Hochspannungsversorgung verbunden wird, der an der Membran ein Potential aufbaut, das im Bereich zwischen den Betriebspotentialen der Spule liegt, so daß zwischen Membran und Spule eine zweite Potentialdifferenz entsteht, die der ersten entgegengerichtet ist und die maximale Differenz der Potentiale zwischen Membran und Spule soweit herabsetzt, daß Spannungsüberschläge vermieden werden.
3.3. Der nachgewiesene Stand der Technik gibt dem Fachmann keinerlei Anregung, die elektrischen Feldstärken zwischen der Membran und der an sie angrenzenden Flachspule eines Stoßwellengenerators durch Verlagerung des Potentials der Membran in das Innere der zum Betrieb der Spule aufgebauten Potentialdifferenz herabzusetzen, um die Lebensdauer der Membran zu erhöhen. Die Kammer erkennt hierin auch keine von einem Fachmann zu erwartende Routinemaßnahme.
3.4. Die nunmehr beanspruchte Vermeidung von Überschlägen zwischen Membran und Spule definiert die Größen der ersten und zweiten Potentialdifferenz funktionell und schießt den von der Vorinstanz beanstandeten Einbezug zufällig entstehender entgegengerichteter Potentialdifferenzen beliebiger Größe zwischen Membran und Spule in den sachlichen Umfang des Anspruchs 1 aus. Vor allem aber legt der nunmehr gültige Wortlaut des Anspruchs 1 fest, daß die erfindungsgemäßen entgegengerichteten Potentialdifferenzen nicht durch zufällige Betriebsspannungsschwankungen oder Erdschleifen sondern durch das gezielt einsetzbare technische Arbeitsmittel entstehen, die Membran elektrisch mit einem auf einem Zwischenpotential innerhalb der Spulenspannung liegenden dritten Anschluß der Hochspannungsversorgung zu verbinden. Damit ist der von der Vorinstanz als naheliegend erachtete Weg zum Gegenstand des Anspruchs 1 nicht mehr relevant.
3.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht aus den vorstehend genannten Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
4. Aus den in Punkt 2.1 bis 3.4 angegebenen Gründen ist Patentanspruch 1 gemäß Artikel 52 (1) EPÜ gewährbar. Die Patentansprüche 2 und 3 sind auf besondere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 1 gerichtet und deshalb ebenfalls gewährbar.
5. Da dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgegeben wird, ist ihr Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung rechtlich gegenstandslos.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche:
1, eingegangen am 6. Mai 1993, 2, 3 gemäß EP-A1-0 253 053;
Beschreibung:
Seiten 1, 2, eingegangen am 6. Mai 1993,
EP-A1-0 253 053, Spalte 2, Zeile 23 bis Spalte 4, Zeile 40;
Zeichnungen:
Blatt 1/1 gemäß EP-A1-0 253 053.