T 1090/92 () of 8.12.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T109092.19941208
Datum der Entscheidung: 08 Dezember 1994
Aktenzeichen: T 1090/92
Anmeldenummer: 87107717.8
IPC-Klasse: E21D 11/10
E04G 21/06
B28B 17/02
H05B 3/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer Tunnelauskleidung aus Auskleidungsbeton
Name des Anmelders: HOCHTIEF AG
Name des Einsprechenden: Dyckerhoff & Widmann AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 87
European Patent Convention 1973 Art 88
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Inanspruchnahme der Priorität (Frage der Neuheit) erfinderische Tätigkeit (bejaht nach weiterer Einschränkung)
Entitlement to priority - first application in Convention country - novelty test
Inventive step - yes (after limitation)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0184/84
T 0251/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 22. Oktober 1992 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 254 835 gemäß Artikel 102 (1) EPÜ widerrufen. Dieser Entscheidung lag das erteilte Schutzbegehren zugrunde und in ihr wurde ausgeführt, daß das Verfahren gemäß dem erteilten unabhängigen Verfahrensanspruch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und daß die abhängigen Verfahrensansprüche 2 bis 4 sowie der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 gerichtete Anspruch 5 mit dem nichtbestandsfähigen Anspruch 1 fallen.

Gestützt ist die Entscheidung auf folgende Dokumente:

(D1) DE-A-3 508 966 Anmeldedatum: 13.03.1985 Veröffentlichungsdatum: 25.09.1986

(D2) DE-A-3 622 203 Anmeldedatum: 02.07.1986 Veröffentlichungsdatum: 15.10.1987

(D3) DE-A-3 644 532 Anmeldedatum: 24.12.1986 Veröffentlichungsdatum: 17.09.1987

(D4) GB-A-2 172 323 Anmeldedatum: 10.03.1986 Veröffentlichungsdatum: 17.09.1986

(D5) Ursprüngliche Unterlagen der deutschen Patentanmeldung DE-P-3 610 237.7 Anmeldedatum: 26.03.1986 Veröffentlichungsdatum: nicht veröffentlicht

(D6) DE-A-3 025 285 Anmeldedatum: 04.07.1980 Veröffentlichungsdatum: 04.06.1981

(D7) DE-Schrift: "Allgemeine Empfehlungen für die Anwendung der Wärmebehandlung bis 100 C in Betonbauwerken", herausgegeben von Bundesverband der Betonsteinindustrie e. V., Bonn, 1958

(D8) DE-Buch "Zementtaschenbuch" 1970/71, Bauverlag GmbH, Wiesbaden-Berlin, S. 203 bis 236, und

(D9) DE-Buch "Zementtaschenbuch", 48. Ausgabe, (1984), Bauverlag GmbH, Wiesbaden-Berlin, S. 261 bis 275.

Die Dokumente (D7) bis (D9) wurden seitens der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) nach Ablauf der Einspruchsfrist genannt.

II. Gegen vorgenannte Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 14. Dezember 1992 (Telefax) unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 23. Februar 1993 (Telefax) begründet.

Sie beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents.

Zur Begründung verweist sie im wesentlichen darauf, daß die Dokumente (D2) bis (D5) nicht in Betracht zu nehmen wären und daß ausgehend von (D1) eine patentfähige Erfindung vorliege, weil das Beanspruchte vom insgesamt zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht nahegelegt sei.

III. Die Beschwerdegegnerin beantragt unter Hinweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 8. Dezember 1994 hat die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der verfahrensleitenden Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 26. Juli 1994 ihren Patenterteilungsantrag dahingehend modifiziert, daß sie die Erteilung des Patents auf folgender Basis beantragt:

- Beschreibung, Spalte 1 bis 5

- Ansprüche 1 und 2

- Figuren 1 bis 4

jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

V. Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung einer Tunnelauskleidung aus Auskleidungsbeton im Zuge des Tunnenvortriebs mit einer Tunnelvortriebsmaschine, z. B. einer Schildvortriebsmaschine,

- wobei mit Hilfe einer Tunnelschalung (3), die nach ausreichendem Erhärten des Auskleidungsbetons dem fortschreitenden Tunnelvortrieb folgend umgesetzt wird, ein Tunnelauskleidungsringraum (6) eingerichtet wird, der vortriebsmaschinenseitig von einer Stirnschaltung (2) abgeschlossen wird,

- wobei in den Tunnelauskleidungsringraum (6) zumindest eine Betonförderleitung (7) einmündet, in der der Auskleidungsbeton im Bereich der Stirnschalung (2) zwischen Elektroden durch unmittelbares Einleiten von elektrischer Energie in den Auskleidungsbeton erwärmt wird,

- wobei in den Tunnelauskleidungsringraum (6) ein Auskleidungsbeton eingeführt wird, der sowohl bei einer Temperatur von etwa 20 C über mehr als zwei Stunden verarbeitbar ist als auch nach Erwärmung auf eine Temperatur im Bereich zwischen 40 und 70 C nach 10 bis 30. min. nicht mehr verarbeitbar ist, und

- wobei der fließende Beton in der Betonförderleitung (7, 8) durch das Einleiten der elektrischen Energie auf eine Temperatur in dem angegebenen Bereich erwärmt wird."

VI. Die Beschwerdeführerin verteidigt diesen Anspruch 1 unter Hinweis auf die vorgenommene Beschränkung der Betonerwärmung auf das elektrolytische Einleiten von Strom vor allem darauf, daß der Stand der Technik entweder auf das dielektrische Erwärmen des Betons in der Schalung oder alternativ dazu das dielektrische Erwärmen des Betons in der Schalung und in der Betonförderleitung bzw. auf das sonstige Erwärmen des Betons z. B. das elektrolytische Erwärmen des Betons "auf einer Baustelle" - also ohne Bezug zum Auskleiden eines Tunnels mit Auskleidungsbeton - abgestellt sei, vgl. (D6) z. B. Seite 17, Absatz 4.

Von daher liege der Erfindung die Weiterentwicklung der bekannten und nachteiligen Vorgehensweisen des vorbekannten Standes der Technik zugrunde - wie Verbesserung der Gleichmäßigkeit der Erwärmung bzw. Nutzbarmachung eines bekannten Verfahrens für die spezifischen Verhältnisse beim Tunnelausbau - wobei induktive Sendeantennen oder kapazitive Abstrahlungselemente (wie bei der dielektrischen Erwärmung des Betons) nicht mehr erforderlich sein sollten.

Die Lösung dieser Aufgabe geschehe mit der per se bekannten elektrolytischen Erwärmung des Betons ausschließlich in der Zuförderleitung des Betons und mit der gezielten Einstellung des Betons im Temperaturbereich von 20 bis 70 C, dergestalt, daß am unteren Temperaturende der Beton lange und daß er hingegen am oberen Temperaturende nur noch kurz verarbeitbar sei.

Diese drei Lösungschritte der gestellten Aufgabe seien vom Stand der Technik in dieser Kombination nicht nahegelegt, so daß der geltende Anspruch 1 den Rechtsbestand des Streitpatents sichern könne.

VII. Von der Beschwerdegegnerin liegt kein spezifischer Antrag zu den in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreichten Unterlagen vor - mit Schreiben vom 15. November 1994 hat sie angezeigt, daß sie an dieser Verhandlung nicht teilnehmen werde (was auch tatsächlich der Fall war) - so daß ihr vorheriger Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde Bestand hat.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Art. 123 (3) EPÜ

2.1. Der geltende Anspruch 1 stellt eine Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 4 dar, während der erteilte Anspruch 2 unverändert aufrechterhalten und der abhängige Anspruch 3 ebenso gestrichen wurde wie der Vorrichtungsanspruch (erteilter Anspruch 5).

2.2. Bei dieser Sachlage hat die Neufassung des Schutzbegehrens zu keiner Schutzbereichserweiterung im Sinne des Artikels 123 (3) EPÜ geführt.

3. Ausgangspunkt der Erfindung

3.1. Der bisherige Stand der Technik basiert entweder auf dem Prinzip des dielektrischen Betonaushärtens bzw. auf dem allgemeinen Gebiet des Aushärtens von Beton "auf der Baustelle" ohne jeglichen Bezug zum Tunnelausbau, vgl. (D6) z. B. Seite 17, Absatz 4.

3.2. Im Dokument (D4) ist das dielektrische Erwärmen/Aushärten von Beton noch dahingehend spezifiziert, daß dasselbe nicht nur in der Schalung des Tunnelausbaus, sondern auch in der Betonzuförderleitung angesprochen ist, vgl. insbesondere Spalte 1, Zeilen 124 bis 127, Spalte 2, Zeilen 91 bis 94 und Ansprüche 1 und 3.

3.3. Im Dokument (D1) ist ebenfalls das dielektrische Erwärmen des Betons mittels elektromagnetischer Wellen angesprochen, und zwar im Zusammenhang mit dem in die Schalung eines Tunnelvortriebs eingepumpten Betons.

3.4. Damit ist der Ausgangspunkt der Erfindung umrissen. In den nachfolgenden Abschnitten 5.2 bis 5.4 wird dargelegt warum die Dokumente (D2) bis (D5) nicht als entgegenstehender Stand der Technik anzusehen sind und deshalb auch für die Frage des Ausgangspunktes der Erfindung irrelevant sind.

4. Aufgabe und Lösung

4.1. Beim bisherigen Stand der Technik ergeben sich Probleme bezüglich des gleichmäßigen Erwärmens der Betonteile. Dies hängt bei Anwendung des dielektrischen Betonerwärmens mit den physikalischen Erscheinungen wie Beugung, Abstrahlung, Reflexion der elektromagnetischen Wellen zusammen. Hinzu kommt die Ungleichmäßigkeit des Betons an sich, da die Zuschlagstoffe wie Sand oder dergleichen nicht einheitlich über alle Volumenelemente verteilt sind, was sich in ungleichmäßiger Verteilung der elektromagnetischen Wellen äußert.

4.2. Was schließlich die dielektrische Erwärmung in der Betonförderleitung betrifft, so kommt hier erschwerend das Geschwindigkeitsprofil des Betons über den Rohrquerschnitt als negative Einflußgröße hinzu, da die Geschwindigkeit sich in Richtung Rohrwand Null nähert und in der Rohrmitte maximal ist.

4.3. Die vorstehend aufgezeigten Einflußgrößen stehen einer gleichmäßigen Betonerwärmung schon vom Prinzip her entgegen, wobei die vorrichtungsgemäße Umsetzung der dielektrischen Erwärmung Bauteile wie induktive Sendeantennen oder kapazitive Abstrahlelemente bedingt, die für sich teuer und bauaufwendig sind und sich überdies nicht gerade für den rauhen Betrieb eines Tunnelvortriebes anbieten.

4.4. Von daher gesehen liegt der Erfindung die Spalte 1, Zeile 54 bis 59 der Beschreibung entnehmbare, objektive verbleibende Aufgabe zugrunde, die gemäß geltendem Anspruch 1 gelöst ist. Diese Aufgabenlösung basiert auf einem Erwärmungsprinzip, das keine Antennen oder Abstrahlelemente benötigt, weil es die "Joul'sche Wärme" ausnützt, indem die Betonzuförderleitung mit Elektroden versehen ist, die den Beton direkt aufheizen, und zwar über das Anmachwasser des Betons. Dieses ist überall im Beton vorhanden, so daß alle Volumenteile des zu erwärmenden Betons gleichermaßen erfaßt und gleichmäßig erwärmt werden. Es kommt ein weiteres Durchmischen des Betons hinzu, da beim Einbringen des erwärmten Betons in die Schalung ein Rühreffekt auftritt. Die Einstellung des Betons dergestalt, daß der Beton bei niederer Temperatur ausreichend lange, bei erhöhter Temperatur hingegen nicht mehr lange verarbeitbar ist, stellt eine weitere wichtige Einflußgröße dar, die speziell für den Tunnelausbau relevant ist.

4.5. Mit der beanspruchten Aufgabenlösung werden die vorstehend herausgestellten nachteiligen Gegebenheiten des bisherigen Standes der Technik sicher vermieden, da ein physikalisches Erwärmprinzip gewählt wurde, das nicht mehr an das Eindringen von elektromagnetischen Wellen in den zu erhärtenden Beton gebunden ist, wobei in apparativer Hinsicht Sendeantennen bzw. sonstige Abstrahlelemente entbehrlich sind und wobei insgesamt eine Verfahrensweise erzielt wird, die den spezifischen Bedingungen des Tunnelvortriebes entgegenkommt, da es sich um ein kontinuierliches Verfahren handelt und da der Beton über seine Einstellung gut an das elektrolytische Erwärmprinzip angepaßt ist, so daß den örtlichen Gegebenheiten des Gebirges ausreichend Rechnung getragen werden kann.

5. Neuheit (Art. 54 EPÜ)

5.1. Die Frage der Neuheit war schon im Verfahren vor der Einspruchsabteilung nicht strittig, vgl. angefochtene Entscheidung Abschnitt 4 der Entscheidungsgründe. Nach weiterer Einschränkung des unabhängigen Verfahrensanspruches im Beschwerdeverfahren ist die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 zweifelsfrei gegeben.

5.2. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, daß die Dokumente (D2) und (D3), die jeweils als Prioritätsdokumente des Streitpatents in Anspruch genommen sind, erste Anmeldungen im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ sind, da diese Voranmeldungen erstmals dieselbe Erfindung wie das Streitpatent offenbaren.

5.3. Die Dokumente (D4) und (D5), die ihrerseits von den Dokumenten (D3) und (D2) als prioritätsbegründend in Anspruch genommen sind, offenbaren die Erfindung gemäß Streitpatent in seiner geltenden Fassung noch nicht, da sie weder gegenüber (D3) noch gegen (D2) neuheitsschädlich sind. In (D4) ist wohl die allgemeine Erkenntnis des Betonhärtens im Rohr (Rohrhärten), also vor der Schalung, angesprochen, nicht aber das Merkmal, wonach der Beton im Temperaturbereich von 20 bis 70 C speziell eingestellt ist, und das Merkmal, wonach der Beton elektrolytisch erwärmt wird, offenbart. Das Dokument (D5) offenbart zumindest die vorstehend genannten Merkmale ebenfalls nicht.

5.4. Aus vorstehenden Überlegungen resultiert, daß (D2) und (D3) erste Anmeldungen sind und dem Beanspruchten nicht als Stand der Technik entgegenstehen.

5.5. Die Kammer folgt in dieser Beziehung der eigenen Entscheidung T 251/91 vom 22. Oktober 1992, die sich wiederum auf die Entscheidung T 184/84 vom 4. April 1986 und auf "Singer - Europäisches Patentübereinkommen, Carl Heymanns Verlag KG - Köln - Berlin - Bonn - München", Seite 315, Randnummer 3, stützt, wonach in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage der Neuheitstest anzuwenden ist.

6. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ)

6.1. Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter vorstehendem Abschnitt 5 sind bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit nur noch die Dokumente (D1) und (D6) bis (D9) heranzuziehen.

6.2. Aus (D1) ist lediglich das indirekte Aufheizen des Betons mittels elektromagnetischer Wellen bekannt, das gemäß Aufgabe und Lösung des geltenden Anspruchs 1 gerade vermieden werden soll. Von (D1) kann somit kein Hinweis auf die Lehre des Anspruchs 1 ausgehen, zumal dieses Dokument auch die spezielle im Anspruch 1 vorgeschriebene Betoneinstellung nicht anspricht.

6.3. (D6) ist allenfalls insofern ergiebig, als es auf Seite 17, Absatz 4 die Erkenntnis vermittelt, daß Beton auf der Baustelle mittels Elektroden aufheizbar ist. Die spezielle Möglichkeit des Einsatzes dieser Lehre bei einer Tunnelauskleidung mittels Auskleidungsbeton fehlt aber ebenso wie die Überlegung an welchem Ort der Tunnelauskleidungsvorrichtung die Elektroden anzuordnen sind - nämlich nicht in der Schalung, sondern in der Betonförderleitung - und überdies wird in (D6) auf eine besondere Betoneinstellung in temperaturmäßiger Hinsicht überhaupt nicht eingegangen.

Selbst wenn der Fachmann also (D6) berücksichtigt hätte, hätte er in zumindest dreierlei Hinsicht (Tunnelauskleidung - Ort der Erwärmung des Betons - besondere Betoneinstellung) Neuland betreten müssen. (D6) kann das beanspruchte Verfahren demnach nicht nahelegen.

6.4. Die Dokumente (D7) bis (D9) liegen bereits weiter vom nunmehr beanspruchten Verfahren ab:

- (D7) stellt primär auf das Dampf- bzw. Heißluftaushärten ab, vgl. Abschnitte 1 und 4.2, und lehrt im übrigen Aufheizgeschwindigkeiten, die für einen Durchlaufbetrieb viel zu niedrig sind, vgl. Abschnitt 1.3, und bleibt damit erheblich hinter der Lehre des Anspruchs 1 zurück.

- (D8), vgl. Abschnitt 2.3.8c, erwähnt u. a. das direkte Anwärmen des Betons durch Ausnützung seiner elektrischen Leitfähigkeit, es fehlt aber jeglicher Hinweis auf die Möglichkeit eines Durchlaufbetriebes wie er bei einer Tunnelauskleidung notwendig ist. Die weiteren Überlegungen von (D8) lenken den Fachmann vom Verfahren gemäß Anspruch 1 weg, da die auf Seite 226 genannten Temperaturanstiege viel zu langsam sind für einen Durchlaufbetrieb bzw. da die Behandlungstemperatur für eine kurze Warmbehandlung des Betons von 80 C außerhalb des beanspruchten Bereichs liegt. Die Nichtrelevanz dieser Druckschrift wird noch durch den Hinweis auf ein Vorwärmen bei kurzen Warmbehandlungen abgerundet, vgl. Seite 227, Absatz 1 von (D8).

- (D9) ist ein klassisches Beispiel für die Stützung der erfinderischen Qualität des Verfahrens nach Anspruch 1, da auf dessen Seite 275, Absatz 2 ausgeführt ist, daß sich ein elektrolytisches Aufheizen des Betons ("Einbetonierte Heizdrähte ..., direktes Anlegen einer Wechselspannung") aus technischen und wirtschaftlichen Gründen bislang nicht in größerem Maße durchsetzen (konnte)". (D9) ist somit als Vorurteil gegen den Einsatz des elektrolytischen Betonwärmens anzusehen, was entschieden für die erfinderische Eigenart des Verfahrens nach Anspruch 1 spricht.

6.5. Es kann zusammengefaßt werden, daß die gleichzeitige Betrachtung von (D1) und (D6) bis (D9) dem Fachmann ein indifferentes Bild liefert und daß von einem gezielten Hinlenken auf das Verfahren nach Anspruch 1 keine Rede sein kann.

6.6. Das ist aber regelmäßig ein klares Indiz dafür, daß das Beanspruchte auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

6.7. Der geltende Anspruch 1 kann somit den Rechtsbestand des Patents sichern, wobei der geltende Anspruch 2 als abhängiger Anspruch ebenfalls rechtsbeständig ist.

6.8. Da zudem die Beschreibung und Zeichnung, wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreicht, den wesentlichen Erfordernissen des EPÜ entsprechen, liegen insgesamt gesehen Unterlagen vor, die das Bestehenlassen des Streitpatents in eingeschränkter Fassung rechtfertigen.

6.9. Die angefochtene Entscheidung ist unter den gegebenen Umständen somit aufzuheben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

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