T 0675/92 () of 10.11.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T067592.19931110
Datum der Entscheidung: 10 November 1993
Aktenzeichen: T 0675/92
Anmeldenummer: 87101683.8
IPC-Klasse: G07F 17/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Münzspielgerät
Name des Anmelders: Th. Bergmann GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Nachbargebiet (nein) - erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

Aufgrund unterschiedlicher Sicherheitsrisiken kann von einem Fachmann nicht erwartet werden, auf dem Gebiet der Schüttgutverpackung Anregungen für die Konstruktion eines Verschlusses eines Geldtransportmittels zu suchen.

Angeführte Entscheidungen:
T 0032/81
T 0176/84
T 0560/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 87 101 683.8 (Veröffentlichungsnummer 0 232 872) wurde durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem am 30. November 1991 eingereichten Anspruch 1 im Hinblick auf die Dokumente:

D1: US-A-3 770 269,

D2: US-A-4 157 829,

D6: GB-A-2 112 985, und

D7: US-A-3 807 627

die gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit aus folgenden Gründen fehle: Dokument D6 offenbare als nächstliegender Stand der Technik ein Münzspielgerät, bei dem jederzeit, ohne das Gerät öffnen zu müssen, durch einen Beauftragten unter Benutzung eines Schlüssels oder Codes Münzen entnommen und beim Spielbetrieb Geldscheine in Münzgeld gewechselt werden könnten. Der speziell beanspruchte Spielbetrieb mit numerischer Datenanzeige, mit elektronischer Gewinnermittlung, mit Setztasten für jeweils ein Symbol in jeweils einem optischen Anzeigefeld und mit Ausgabe eines gedruckten Spielbelegs über höhere Geldgewinne anstelle einer Barauszahlung werde durch Dokument D1 oder D2 nahegelegt. Ferner schlage Dokument D7 zur Vermeidung von Gelddiebstählen bei der Geldentnahme durch das Personal einen beutelförmigen Geldsammelbehälter vor, der mit einer lösbaren Halterung am Münzspielgerät befestigt und nach seiner Befüllung mit Münzen beim Abnehmen automatisch verschlossen wird. Da die zum Verschließen des mit Münzen gefüllten Beutels beanspruchte "Klippvorrichtung" weder in der Beschreibung noch in den Zeichnungen näher erläutert werde, sei ein Vergleich und eine Feststellung, ob der Aufbau einer Klippvorrichtung einfacher als der konstruktiv komplizierte Verschluß gemäß Dokument D7 sei, kaum möglich. Die Anwendung des Spielbetriebs gemäß den Dokumenten D1 oder D2 in dem in Dokument D6 offenbarten Münzspielgerät sei technisch unabhängig von der Benutzung der aus Dokument D7 bekannten verschließbaren Beutel für die Münzentnahme aus dem Gerät gemäß Dokument D6, so daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer naheliegenden Merkmalsaggregation ergebe.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.

IV. Am 10. November 1993 fand eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche:

1. bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1993;

Beschreibung:

Seiten 1 bis 2b, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1993,

Seiten 3 bis 7 gemäß EP-B1-0 232 872;

Zeichnungen:

Blatt 1/3 bis 3/3 gemäß EP-B1-0 232 872.

V. Der nunmehr geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Münzspielgerät (1) mit einer numerischen Datenanzeige und einer elektronischen Gewinnermittlungseinrichtung (39) mit Zufallsgenerator, mit einem Münzsammelbehälter (43), einer Geldscheinannahmevorrichtung mit einem Geldscheinsammler (28) zur Ausgabe von Wechselgeld, mit mindestens einer Münzauswurfeinrichtung (6), und mit einem Gehäuse, in dessen bedienseitiger Frontplatte (3) in einem Setztastenfeld (8) Setztasten (4) zur Wahl eines Symbols, eine Münzeinwurfeinrichtung (5) und eine Münzausgabeschale (10) sowie eine schlitzförmige Ausgabeöffnung (7) für einen Spielbeleg und für jede Setztaste (4) ein optisches Anzeigefeld (9) angeordnet sind, wobei die Münzauswurfeinrichtung (6) mit einem Zählwerk (35) verbunden ist, das mit einem Auszahldrucker (24) und einem Auszahlspeicher (25) verbunden ist, wobei der Münzsammelbehälter (43) mit einer Füllstandsanzeigeeinrichtung zur Einstellung der Münzreserve verbunden ist und wobei die Münzauswurfeinrichtung (6) mittels eines Stellglieds (36) elektromotorisch antreibbar ist, wobei das Stellglied (36) über einen Auszahlregler (20) mit der Füllstandsanzeigeeinrichtung und über einen Wechselgeldregler (27) mit einem Geldscheinwechsler (26) in Verbindung steht, wobei ferner die Gewinnermittlungseinrichtung (39) über einen Spielregler (31) mit einstellbarer Vorgabe des Münzauswurfs mit dem Stellglied (36) der Münzauswurfeinrichtung (6) und dem Auszahldrucker (24) verbunden ist, ferner ein Ein- /Ausschalter (23) als Schlüsselschalter mit einem Code ausgebildet ist, ferner die Münzauswurfeinrichtung (6) ein Schaltglied (11) zum Rückholen ungeeigneter Münzen in die Münzausgabeschale (10) aufweist und schließlich im Bereich der Münzausgabeschale (10) ein Münzsammeltrichter (44), eine Spannvorrichtung (45) zur lösbaren Halterung eines Beutels (46) zur Münzaufnahme und eine Klippvorrichtung (47) zum Verschließen des Beutels (46) angeordnet sind."

Ansprüche 2 bis 4 hängen von Anspruch 1 ab.

VI. Zur Stützung ihres Antrags machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Argumente geltend:

a) Zwar sei ferner in Dokument US-A-2 812 182 (D3) ein Münzspielgerät beschrieben, das ein Schaltglied zum Rückholen ungeeigneter Münzen in die Münzausgabeschale aufweise, doch ergebe sich aus der Gesamtschau der Dokumente D1, D2, D3, D6 und D7 keinerlei Hinweis auf folgende Anspruchsmerkmale und ihre technischen Ziele:

1. den Geldbetrag, bei dem der Münzauswurf durch einen gedruckten Spielbeleg ersetzt wird, einstellbar zu machen,

2. einen Schlüsselschalter mit einem Code als Ein-/Ausschalter einzusetzen, und

3. eine bisher nur bei Schüttgut und insbesondere Obst zum Verpacken eingesetzte Klippvorrichtung auf dem Gebiet der Spielautomaten zur Vereinfachung des Geldtransports einzusetzen.

b) Die Aggregation der weiteren an sich bekannten Einzelmerkmale bereite zwar keinerlei technische Schwierigkeiten, jedoch fülle ein Spielautomat mit Lottobetrieb und vereinfachten Betriebsbedingungen - insbesondere für den Geldtransport - eine seit langem existierende Marktlücke aus, was als ein Beweisanzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden müsse. Es sei erfinderisch, einen weit gestreuten papiernen Stand der Technik zu einem bisher nicht existierenden realen Produkt von wirtschaftlicher Bedeutung zusammenzuführen, das sowohl die Spielhäufigkeit erhöhe als auch dem Betreiber einen angemessenen Erlös ermögliche.

c) Ein Fachmann für Münzspielgeräte sei vor allem daran interessiert, einen Automaten zu schaffen, der vom Spieler angenommen werde und dessen Spielfreude erhöhe. Dieser Fachmann besäße Grundkenntnisse in Elektronik und Mechanik, habe aber keinerlei Erfahrung, wie Geldtransporte zweckmäßig zu organisieren seien. Er hätte seine eigenen auf den Automatenbereich begrenzten Fachzeitschriften und würde für seine tägliche Entwicklungsarbeit keinesfalls Anregungen auf dem Gebiet der Verpackungstechnik für Schüttgut suchen, wo Klippverschlüsse zu Transportzwecken verwendet werden würden. Da geeignete Transportmittel für Geld nicht nach dem Verpackungsaspekt sondern nach dem Sicherheitsaspekt beurteilt werden würden, sei es nicht naheliegend, den Sicherheitsverschluß gemäß Dokument D7 durch einen einfachen Klipp zu ersetzen und zu erkennen, daß gegenüber einem normalen Geldtransport zwischen Geldinstituten beim Automatenbetrieb die geringere Sicherheit des Verschlusses mit überschaubarem Risiko in Kauf genommen werden könne. Es sei nicht auszuschließen, daß der Automatenfachmann von seinem Privatleben her Obstbeutel mit einem Klippverschluß kenne. Da jedoch zwischen der Verpackung von Obst und einer üblichen Geldbombe Welten liegen, müsse es als eine erfinderische Leistung angesehen werden, einen mit Münzen gefüllten Beutel mit einem simplen Klipp zu verschließen und mit Hilfe einer integrierten Klippvorrichtung die Vielseitigkeit eines Automaten unter Beachtung seiner kompakten Bauform zu erhöhen.

VII. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werde mit der Auflage, auf der Grundlage der beantragten Unterlagen ein Patent zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Der nunmehr gültige Anspruch 1 umfaßt Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 6, 8, 9, 10 und 12 sowie Merkmale, die der ursprünglichen Beschreibung Figur 3 in Verbindung mit Seite 3, Zeilen 34 und 35; Seite 4, Zeilen 21 bis 28 und Seite 6, Zeilen 21 bis 28 entnehmbar sind. Gegenüber der zurückgewiesenen Fassung sind im Anspruch 1 nunmehr einige den überwachten Spielbetrieb betreffende Merkmale präziser gefaßt, während die die Beutelhalterung und den Beutelverschluß betreffenden Merkmale mit gleichem technischen Inhalt weiter beansprucht werden. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 weisen Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 3, 5 und 6 auf. Die Änderungen der Beschreibung betreffen redaktionelle Anpassungen an die nunmehr einteilige Fassung des Anspruchs 1 mit der diesbezüglich notwendigen Angabe des Standes der Technik. Somit entsprechen die Ansprüche 1 bis 4 sowie die weiteren Anmeldungsunterlagen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Der im europäischen Recherchenbericht ermittelte Stand der Technik offenbart kein Münzspielgerät, das sämtliche der im Anspruch 1 definierten Merkmale aufweist. Er enthält insbesondere kein Dokument, das sich mit einer Klippvorrichtung zum Verschließen eines Beutels oder gar mit einem Münzspielgerät mit Klippvorrichtung befaßt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Der nächstliegende Stand der Technik gemäß Dokument D6 weist folgende durch den Wortlaut des Anspruchs 1 definierten Merkmale auf:

"Münzspielgerät ... mit einem Münzsammelbehälter (vgl. D6, Fig. 3A, oberhalb 13), einer Geldscheinannahmevorrichtung mit einem Geldscheinsammler zur Ausgabe von Wechselgeld (D6, Seite 1, Zeile 12), mit mindestens einer Münzauswurfeinrichtung (13 in Fig. 3A), und mit einem Gehäuse, in dessen bedienseitiger Frontplatte ... eine Münzeinwurfeinrichtung (4) und eine Münzausgabeschale (14 in Fig. 3A) sowie eine schlitzförmige Ausgabeöffnung (11A in Fig. 3B) für einen ... Beleg (Seite 1, Zeilen 107 bis 123) ... angeordnet sind, wobei die Münzauswurfeinrichtung mit einem Zählwerk verbunden ist, das mit einem Auszahldrucker (11 in Fig. 4; Seite 3, Zeilen 66, 67 und 99 bis 109) und einem Auszahlspeicher (CPU in Fig. 4) verbunden ist, wobei der Münzsammelbehälter mit einer Füllstandsanzeigeeinrichtung zur Einstellung der Münzreserve verbunden ist (Seite 2, Zeilen 56 bis 61 in Verbindung mit Seite 3, Zeilen 96 bis 99), und wobei die Münzauswurfeinrichtung mittels eines Stellglieds (18, 20 in Fig. 3B) elektromotorisch antreibbar ist (Seite 3, Zeilen 93 bis 96), wobei das Stellglied über einen Auszahlregler (CPU in Fig. 4) mit der Füllstandsanzeigeeinrichtung (Seite 2, Zeilen 56 bis 61) und über einen Wechselgeldregler mit einem Geldscheinwechsler (Seite 1, Zeile 12) in Verbindung steht, ... ferner ein Ein-/Ausschalter als Schlüsselschalter (8 in Fig. 1; 9 in Fig. 4) mit Code (17 in Fig. 4) ausgebildet ist."

3.2. Ausgehend vom Stand der Technik gemäß Dokument D6 liegt der vorliegenden Erfindung objektiv folgende Aufgabe zugrunde:

a) das konventionelle Gerät so umzurüsten, daß mit dem Lotto vergleichbare Spiele durchführbar sind und bei größeren Gewinnen kein Münzauswurf erfolgt, sondern ein Spielbeleg über den Gewinn ausgedruckt wird, und daß ungeeignete Münzen rückholbar sind (vgl. die Beschreibung Seite 4, Zeilen 9 bis 98 und 36 bis 37), sowie

b) den Geldentnahmevorgang durch Beauftragte zu vereinfachen (ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, Zeilen 26 bis 30).

3.3. Die objektive Teilaufgabe a) wird durch folgende durch den Wortlaut des Anspruchs 1 definierte Merkmalgruppe gelöst:

A) daß das Münzspielgerät "mit einer numerischen Datenanzeige und einer elektronischen Gewinnermittlungseinrichtung mit Zufallsgenerator" ausgestattet ist und in der Frontplatte "in einem Setztastenfeld Setztasten zur Wahl eines Symbols, ... und für jede Setztaste ein optisches Anzeigefeld angeordnet sind, ... wobei ferner die Gewinnermittlungseinrichtung über einen Spielregler mit einstellbarer Vorgabe des Münzauswurfs mit dem Stellglied der Münzauswurfeinrichtung und dem Auszahldrucker (für einen Spielbeleg) verbunden ist, ... und ferner die Münzauswurfeinrichtung ein Schaltglied zum Rückholen ungeeigneter Münzen in die Münzausgabeschale aufweist."

3.4. Zur Lösung der objektiven Teilaufgabe b) sieht Anspruch 1 folgende Merkmalgruppe vor:

B) daß "im Bereich der Münzausgabeschale ein Münzsammeltrichter, eine Spannvorrichtung zur lösbaren Halterung eines Beutels zur Münzaufnahme und eine Klippvorrichtung zum Verschließen des Beutels angeordnet sind."

Die Vereinfachung des Geldentnahmevorgangs aus dem Münzspielgerät gemäß Dokument D6 mit Hilfe eines am Gerät lösbar eingespannten Beutels und einer Klippvorrichtung zum Verschließen des Beutels ist technisch unabhängig von der Umrüstung dieses konventionellen Münzspielgeräts gemäß der obigen Merkmalgruppe A. Die Frage, ob eine Vereinfachung gemäß der Merkmalgruppe B naheliegend ist, kann daher isoliert für sich erörtert werden und wird aus Zweckmäßigkeitsgründen vorangestellt.

3.5. Die Aufgabe, Geldentnahmevorgänge aus einem Münz- spielgerät zu vereinfachen, wird vom Betreiber formuliert, an den Gerätehersteller weitergegeben und betrifft daher zweifellos den Fachmann für Spielautomaten. Ob die Lösung dieser Aufgabe auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, entscheidet gemäß der ständigen Rechtspraxis des EPA der zur Aufgabenlösung berufene Fachmann, vgl. T 32/81, ABl. EPA 1982, 225. Im vorliegenden Fall ist das der Fachmann für Geldtransporte. Dokument D7, das sich mit der Geldentnahme aus einem Verkaufsautomaten befaßt, wird den Fachmann für Geldtransporte zweifellos anregen, bei dem aus Dokument D6 bekannten Münzspielgerät für die Münzentnahme durch Berechtigte den Münzauswurf in eine Münzausgabeschale durch eine Entleerung in einen Beutel zu ersetzen, der am Münzspielgerät lösbar einspannbar ist. Es bleibt daher zu untersuchen, ob es naheliegend ist, im Bereich der Münzausgabeschale des Geräts gemäß Dokument D6 auch eine Klippvorrichtung zum Verschließen des Beutels anzuordnen.

3.6. Der europäische Recherchenbericht enthält keine Dokumente, die sich mit Klippvorrichtungen befassen. Wie jedoch die Beschwerdeführerin einräumt, sind Klippvorrichtungen zum Verschließen von Beuteln ein allgemein bekannter Stand der Technik auf dem Gebiet der Schüttgutverpackung, z. B. bei der Verpackung von Zement oder von Obst, vgl. auch Pkt. VI-c. Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen eines erfinderischen Schritts bei der Anordnung einer Klippvorrichtung an einem Münzspielgerät, weil sie sich aufgrund eines fehlenden Ausführungsbeispiels außerstande sah zu beurteilen, ob der Einsatz einer Klippvorrichtung gegenüber dem Verriegelungsmechanismus des Dokuments D7 eine technische Vereinfachung mit sich bringt; vgl. auch Pkt. II. Ein "Klipp" ist als eine federnde Klemme oder als eine Klammer definiert; vgl. gutachtlich Brockhaus Wahrig: "Deutsches Wörterbuch", Band 4, Seite 168, Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1982. Nach Auffassung der Kammer weist eine Vorrichtung, die eine Klammer an einen Beutelverschluß setzt, eine einfachere Konstruktion auf als der in Dokument D7 offenbarte Beutelverschluß, der in ein angepaßtes Aufnahmeteil am Verkaufsgerät einzuklinken ist und nur in diesem eingeklinkten Zustand die durch einen Schlüssel betätigbare Rotation eines Zylinders zur Öffnung eines Münzschlitzes freigibt. Daher sieht es die Kammer als gewährleistet an, daß mit Hilfe einer Klippvorrichtung ein Verschluß mit einem Schließmechanismus realisierbar ist, der mechanisch einfacher ist als diejenigen, die bisher in Geldtransportmitteln Verwendung fanden. Somit stellt sich bei der Prüfung der Lösung gemäß Merkmalgruppe B auf erfinderische Tätigkeit letztendlich die Frage, ob - aller Lebenserfahrung nach - ein Geldtransportfachmann Schüttgutverpackungen für eine Vereinfachung von Geldtransportmitteln zu Rate ziehen würde.

3.7. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß ein Geldtransportfachmann bei der Anwendung der Lehre des Dokuments D7 auf das Münzspielgerät gemäß Dokument D6 eine mechanische Vereinfachung dieses konventionellen Geldbeutelverschlusses anstreben würde. Doch weist Dokument D7 einen Fachmann im Rahmen eines zweckmäßigen Münzentnahmebetriebs auf das Ziel hin, selbst einem Berechtigten keinen Zugang zu den Münzen im Beutel zu ermöglichen, ohne daß der Zugang anhand von erkennbaren Beschädigungen des Beutels offensichtlich wird; vgl. Dokument D7, Spalte 1, Zeilen 53 bis 56. Dieser Hinweis gibt dem Geldtransportfachmann zumindest keine Anregung, bei seinem Vereinfachungsbestreben nach einem Verschlußmechanismus zu suchen, bei dem - wie etwa im Falle der Klipprealisierung durch eine federnde Klemme - eine Beutelöffnung ohne dessen Beschädigung möglich wäre. Damit fehlt jeder Ausgangspunkt, um die "lose" Verpackung von Münzen als eine logische Weiterentwicklung des einschlägigen Standes der Technik abzuleiten. Nach Auffassung der Kammer wäre es bereits das Ergebnis einer unzulässigen ex-post-facto-Analyse, einem Fachmann zuzumuten, Überlegungen anzustellen, ob der Geschäftsbetrieb bei Münzspielgeräten das erhöhte Risiko eines Geldbeutels zuläßt, der geöffnet werden kann ohne daß der Öffnungsvorgang Spuren hinterläßt.

3.8. Der Lebenserfahrung nach bestehen für den Transport von Massengütern andere Sicherheitsrisiken als beim Geldtransport. Aus diesem Grunde stellt nach Auffassung der Kammer das Fachgebiet der Transportmittel für Schüttgut kein "Nachbargebiet" dar, auf den der Geldtransport-Fachmann automatisch nach Verschlußmitteln suchen würde, die bei Geldtransportmitteln einsetzbar sind; vgl. auch die Entscheidung T 176/84, ABl. EPA 1986, 50.

3.9. Da Verschlußmechanismen von Beuteln keinerlei Probleme aufwerfen, die von einer breiten Öffentlichkeit - im Sinne der Entscheidung T 560/89, ABl. EPA 1992, 725 - diskutiert werden, wird der Geldtransportfachmann während seiner fachlichen Tätigkeit durch nichts darauf hingelenkt, Kenntnisse aus einem allgemeinen Erfahrungsbereich - wie beispielsweise einen Obstbeutel mit Klippverschluß - in seine berufsmäßigen Überlegungen einzubeziehen. Ohne Kenntnis des Erfindungsgegenstandes erscheint es aber der Kammer als unwahrscheinlich, daß ein sich normalerweise an gesicherten Geldbomben orientierender Geldtransportfachmann beim Anblick eines Klippverschlusses eines mit Obst gefüllten Beutels zwangsläufig auf die Idee kommt, die Orangen im Beutel gegen Münzen auszutauschen. Nach Auffassung der Kammer ist es vor allem der Sicherheitsaspekt, der eine derartige Assoziation zu keinem naheliegenden Gedankengang macht. Vielmehr muß auf dem Weg zu der Erkenntnis, daß sich ein Obstbeutelverschluß für den Geldtransport verwenden läßt, nach Meinung der Kammer ein Vorurteil überwunden werden, was als erfinderische Leistung zu bewerten ist.

3.10. Wie vorstehend in Pkt. 3.7 bis 3.9 im einzelnen ausgeführt, lag es nach Auffassung der Kammer nicht nahe, im Rahmen der Lösung der objektiven Teilaufgabe b - d. h. zur Vereinfachung des Geldentnahmevorgangs aus einem Münzspielgerät durch einen Beauftragten - mit Hilfe der in Pkt. 3.4 definierten Merkmalgruppe B "im Bereich der Münzausgabeschale ... eine Klippvorrichtung zum Verschließen des Beutels anzuordnen". Daher kann es dahingestellt bleiben, ob es einem Fachmann zuzumuten ist, die in Pkt. 3.2 genannte objektive Teilaufgabe a durch die in Pkt. 3.3 angegebene Merkmalgruppe A zu lösen.

3.11. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht aus den vorstehend genannten Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

4. Aus den in Pkt. 2 bis 3.11 angegebenen Gründen ist der Patentanspruch 1 gemäß Artikel 52 (1) EPÜ gewährbar. Die Patentansprüche 2 bis 4 sind auf besondere Ausgestaltungen des Münzspielgeräts nach Anspruch 1 gerichtet und deshalb ebenfalls gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, auf der Grundlage der beantragten Unterlagen ein Patent zu erteilen, d. h.:

Ansprüche:

1. bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1993;

Beschreibung:

Seiten 1 bis 2b, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1993,

Seiten 3 bis 7 gemäß EP-B1-0 232 872;

Zeichnungen:

Blatt 1/3 bis 3/3 gemäß EP-B1-0 232 872.

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